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Jojo ging mit einem Bärenhunger Richtung Küche, als er Charly den Hasen hinter sich mit verstellter Stimme sagen hörte: “Captain Schnurrbart, gib mir deinen Schatz oder du wirst Bekanntschaft mit dem Meeresboden machen.”

Charly hatte gestern einen Piratenfilm gesehen und das hier mussten die Nachwirkungen davon sein. Jojo seufzte, bevor er sich umdrehte und den Hasen in seinem notdürftigen Piratenkostüm erblickte. Er hatte eine Schnur an das Glas einer Sonnenbrille (wahrscheinlich Jojos Sonnenbrille) geklebt und trug es so als Augenklappe. Auf seiner Schulter saß ein elektronischer Spielzeug-Vogel, der nun wirklich weit entfernt von einem Papagei war. Andererseits war Jojo sehr froh, dass kein Zoo oder Vogelpark in der Nähe war. Er fragte sich allerdings, woher das Holzbein kam.

“Ist das von unserem Esstisch?”

“Arr”, antwortete Charly: “Ergib dich oder du wirst Bekanntschaft mit meinem Säbel machen, du dreckiger…ähm…Matrose.”

“Deinem Säbel?”, fragte Jojo besorgt.

“Ja, der wird noch geliefert”, antwortete Charly: “Solange musst du dir einfach vorstellen, dass ich einen Säbel habe. Und eine Kanone.”

“Du hast keine Kanone bestellt.”

“Ne, stimmt, ich hab ‘ne Waschmaschine bestellt, wie jeder gute Pirat eine hat”, sagte Charly sarkastisch: “Natürlich hab ich ‘ne Kanone bestellt.”

Jojo beschloss innerlich, einen längeren Urlaub einzuplanen. 

“Und jetzt gib mir dein Portmonee oder du wirst Bekanntschaft mit den Haien machen, du räudiger… Seebär. Ja, der ist gut.”

“Charly, ich möchte mit niemandem Bekanntschaft machen”, sagte der Bär: “Und du bist kein Pirat. Hör auf, Filme immer so ernst zu nehmen. Wie letztens nach Oppenheimer.”

“Fütter mich”, sagte der Spielzeug-Vogel auf Charlys Schulter. 

 

Als Jojo gut eine Woche später in die Küche kam, wunderte er sich, wo die Mikrowelle war. Dann fragte er sich, wo Charly war. Nachdem er in jedem Zimmer ihres Hauses nach beidem gesucht hatte, bemerkte er, dass das Dachfenster offen war. Voll schlechter Vorahnung stieg er aufs Dach und sah den Hasen tatsächlich mit der Mikrowelle unterm Arm in die Ferne gucken. 

“Charly, was machst du denn hier?”, fragte Jojo, als er sich zu Charly stellte (mit etwas Sicherheitsabstand). 

“Vorhin in dem Film wurde der Typ doch von der radioaktiven Spinne gebissen und ist dann ein Superheld geworden.”

“Und jetzt willst du auch ein Superheld werden?”, fragte Jojo als Ansatz, Charlys Blödsinn zu entschlüsseln.

“Ne”, lachte Charly: “Aber Superkräfte wären schon cool.”

Charly mit Superkräften, was für ein albtraumhaftes Bild das war. Mit normalen Kräften konnte der doch schon mehr als genug anrichten. Jojo bekam eine schauderhafte Gänsehaut.

“Und das willst du mit unserer Mikrowelle auf dem Dach erreichen?”, fragte Jojo.

“Eine Spinne ist ein bisschen lahm, deswegen wollte ich mich davon nicht beißen lassen”, erklärte Charly: “Ich hab überlegt, was stärker ist als eine Spinne.”

“Und was soll das sein?”, fragte Jojo und blickte über das Dach: “Eine Taube?”

“Ein Blitz”, sagte Charly.

“Du willst dich von einem Blitz beißen lassen?”

“Einem radioaktiven Blitz”, erklärte Charly und schüttelte die Mikrowelle unter seinem Arm, während er zu den dunklen Wolken am Himmel starrte. 

“Charly, eine Mikrowelle macht doch nichts radioaktiv. Du hast ja nicht mal Strom hier oben.”

“Woraus besteht denn ein Blitz, du Idiot?”, entgegnete Charly kopfschüttelnd.

“Komm vom Dach, bevor du unsere Mikrowelle kaputt machst”, forderte Jojo. 

“Stell dir vor, Spiderman wäre einfach vom Dach gestiegen”, sagte Charly: “Also sinnbildlich.” 

Er öffnete die Mikrowelle und streckte sie in die Luft, als er das erste Donnern hörte. 

“Willst du nicht heute einen Film über jemanden, der seinem Mitbewohner beim Haushalt hilft, gucken?”, seufzte Jojo.

“Das klingt ja nach einer dämlichen Handlung”, lachte Charly und hielt die Mikrowelle höher: “Völlig unrealistisch.” 

 

Jojo ging etwa drei Tage später in die Küche, als er sich plötzlich klitschnass wiederfand. Charly hatte einen Wassereimer über seinem Mitbewohner ausgekippt, ehe dieser irgendwie darauf reagieren konnte. 

“Ey Charly, was soll denn das jetzt?”

Jojo fiel ein, dass der Hase gestern Abend wieder einen Film geguckt hatte. Er wusste nicht, welchen, aber er war sich sicher, dass er es gleich herausfinden würde.

“Ich musste sichergehen, dass du nicht verkabelt bist”, sagte Charly: “Bei der Mission können wir keine Maulwürfe gebrauchen.”

“Was denn für eine Mission?”, fragte Jojo, während er sich die Augen rieb. 

“Großer, durchsuch ihn!”, sagte Charly.

Erst jetzt bemerkte Jojo, dass ihr Freund Großer mit ihnen in der Küche stand. 

“Was machst du denn hier?”, fragte Jojo.

“Hallo Jojo. Charly hat mir einen neuen Job angeboten, als Bankräuber”, antwortete der große Hund und tastete Jojo sanft ab: “Keine Waffen.”

Jetzt hatte Jojo eine gute Ahnung, was für einen Film Charly gesehen hatte. 

“Hmm, er wird aber eine brauchen. War klar, dass wieder alles an mir hängenbleiben würde. Kann ich nicht einmal mit Profis arbeiten?”, rief Charly. 

“Ich hab die Masken mitgebracht, wie du gesagt hast”, sagte Großer und zeigte auf eine Plastiktüte in der Ecke der Küche. 

“Sehr gut. Wenigstens auf einen hier ist Verlass”, sagte Charly und sah Jojo dabei scharf an. 

Er ging zur Plastiktüte und holte mit zufriedenem Gesicht zwei Masken heraus. Masken, die ein Gesicht darstellten, das Jojo nur zu gut kannte und das er auf keiner Maske sehen wollte, ganz besonders wenn diese für einen Bankraub vorgesehen waren.

“Warum ist das mein Gesicht?”, fragte er.

“Wen erwartet man denn als Letztes unter einer Maske von Jojo? Richtig, Jojo. Das ist genial”, prahlte Charly.

“Da haben wir ganz unterschiedliche Ansichten von ‘genial’”, meinte Jojo, der lieber gar nicht hinterfragte, ob die Masken eigens für heute angefertigt wurden oder schon länger existierten. 

“Deswegen bin ich das Mastermind und du nicht”, sagte Charly und steckte kichernd einen Finger in ein Nasenloch der Jojo-Maske. 

“Wie lautet der Plan?”, fragte Großer, der es scheinbar nicht abwarten konnte, mit dem Job zu beginnen. 

“Gut, dass du fragst. Also, hört gut zu: Jojo geht in die Bank und schnappt sich das Geld. Verluste sind einkalkuliert. Und Großer, du fährst den Fluchtwagen”, erklärte Charly.

“Oh Junge”, freute Großer sich: “Haben wir denn einen Fluchtwagen?”

Charly hielt kurz inne.

“Jojo, du musst ein Auto klauen.”

Charly und Großer sahen Jojo an, als erwarteten sie, er würde es jetzt gleich erledigen. 

“Was heißt hier eigentlich ‘Verluste sind einkalkuliert’?”, fragte Jojo.

“Wenn man schnelles Geld machen will, lebt man gefährlich. Irgendwer wird immer angeschossen”, erklärte Charly beiläufig.

“Wenn ich als einziger in die Bank gehe, bin dieser irgendwer ja wohl am ehesten ich”, sagte Jojo und Charly zuckte mit den Schultern: “Und was machst du überhaupt in deinem ‘Plan’?”

“Ich bin das Mastermind”, lachte Charly, als wäre seine Antwort selbstverständlich: “Von mir ist der Plan. Dadurch bekomme ich natürlich auch den größten Anteil.”

Er schaute zu Großer, der aussah, als wäre er sowieso, auch ohne einen Anteil zu bekommen, dabei gewesen, und dann zu Jojo, der nur müde den Kopf schüttelte. 

“Niemand wird hier irgendwas ausrauben”, sagte Jojo: “Großer, ich hab einen neuen Job für dich: Du nimmst diese Masken wieder mit und vernichtest sie. Und dann vergisst du Charlys Plan wieder.”

“Okay”, bestätigte Großer.

“Ich wusste, wir hätten ihm nicht trauen sollen”, murmelte Charly.

“Tschüss, ihr beiden”, verabschiedete sich Großer, nachdem er die Maske wieder in seine Tüte gepackt hatte.

“Oh, Großer”, sagte Charly noch: “Ich wollt’ morgen Abend einen Film gucken. Guckst du mit?”

“Klar! Welchen denn?”

“Hast du schonmal von Das Schweigen der Lämmer gehört?”

  • Schön 2
Geschrieben

Danke @JoVo für dein liebes Feedback.

An Käpt'n Blaubär oder die Känguru-Chroniken hatte ich beim Schreiben nicht gedacht, der Vergleich ehrt mich aber natürlich. Ich glaub meine Inspirationen für die Geschichte waren am ehesten Cartoons aus meiner Kindheit, ohne jetzt einen Bestimmten im Sinn zu haben. Ein bisschen Spongebob wird sicher drin sein. Die Figuren beruhen auf jeden Fall auf Kuscheltieren meiner Kindheit. Das hier ist meine dritte Geschichte mit ihnen und es werden sicher noch ein paar weitere folgen.

 

So oder so freut es mich, dass dir die Geschichte gefallen hat.

 

Liebe Grüße

MeineRettung

  • Schön 1

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