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Geschrieben am

Ein Gedanke schwebt im Raum.

Zur Gestaltung drängt ein Traum.

Unermüdlich lang schon reist

durch die Finsternis ein Geist.

 

Wir in unserm Alltagstrott

nennen ihn den "lieben Gott".

Er besinnt sich kurz und spricht:

"Nun, wohlan! Es werde Licht!",

 

formt Gestirne, weise handelnd,

manche fix und manche wandelnd,

lehrt den lichten Sternenkranz

seinen ewig gleichen Tanz.

 

Ohne Zeichen des Ermüdens

schmiedet er das Kreuz des Südens,

lässt den Großen Wagen rollen,

zündet Blitz und Donnergrollen.

 

Brummen lässt er auch die Bären

in der Harmonie der Sphären,

doch für einen aus dem Chor

schwebt ihm ganz Spezielles vor.

 

Ein Planet wird zur Praline,

wohlgeformt mit Kennermiene,

liebevoll von Hand geigelt

und mit einem Kuss besiegelt.

 

Rasch das feuchte Element

von dem trockenen getrennt!

Leben darf sich nun entfalten

in verschiedensten Gestalten.

 

In das Reich der Meereswogen

kommt es prangend eingezogen.

Hammerhai und Kabeljau

regen sich im tiefen Blau.

 

Zart pulsierend kreisen Quallen

um gefurchte Hirnkorallen.

Zitternd darf der Aal sich biegen.

Falsche Clownfisch-Schwärme schmiegen

 

sich an ihre Anemonen,

wo sie unbehelligt wohnen.

Schollen, Flundern, Oktopoden

tummeln sich am Meeresboden.

 

Silberhelle Lebensadern

fließen zwischen Felsenquadern,

bringen meerwärts den Tribut.

Dank der klaren, süßen Flut

 

wird die blaue Himmelsperle

so zum Heim der Schachbrettschmerle.

Auch der Kongo-Flösselhecht

freut sich übers Bleiberecht.

 

Kondor, Adler, Albatrosse

und noch mancher Artgenosse

ziehen kreisend ihre Bahn

unterm Himmelsozean.

 

Wenn sie sich im Winde wiegen,

sind sie meistens recht verschwiegen.

Das Geschrei der Trottellummen

wird auf ewig nicht verstummen.

 

Bunt belebt sind Luft und Meer,

doch das Land bleibt still und leer.

Dann, nach abgezähltem Takt,

folgt der nächste Schöpfungsakt.

 

Gras und Kräuter lässt er sprießen,

Pilze aus dem Boden schießen.

Bäume breiten ihre Kronen.

Wer nun darf auf ihnen wohnen?

 

Traubeneiche und Melisse

stehen schweigend als Kulisse.

Niemand spitzt ein Ohr, das lauscht,

wie der Wind im Wipfel rauscht ...

 

Auf die Bühne mit Akteuren,

die zur großen Show gehören!

Kaum gedeiht der erste Lolch,

setzt auch schon ein Querzahnmolch

 

seine nasse, kalte Hand

auf das frische grüne Land,

doch er wärmt sich nicht allein

in dem jungen Sonnenschein -

 

denn zugleich mit ihm erscheinen

in den Wäldern, in den Hainen,

auf den Feldern, auf den Heiden

Tiere, welche Pelze kleiden.

 

An dem Lager der Gazelle

ist der Löwe bald zur Stelle.

Der Vampir trinkt Rinderblut,

wenn das Rind im Mondschein ruht.

 

Was dem Trüffelschwein der Trüffel,

ist das Steppengras dem Büffel

und der Mückenschwarm den Fröschen.

Um den Morgendurst zu löschen,

 

nippt der Schlankfuß-Fliegenstecher

Tau aus zartem Knospenbecher.

Überall ist Überfluss,

ohne Reue der Genuss.

 

Nur der Schöpfer jeder Seele

findet, dass noch etwas fehle ... 

  • Gefällt mir 3
  • wow... 5
  • Schön 5
Geschrieben

Donnerwetter!

Sehr beeindruckend dieser Schöpfungsakt mit einer Vielfalt von Lebewesen, gestaltet in über zwei Dutzend Strophen von  einem biologisch kenntnisreichen Autor.

Eine echte Überraschung und eine besondere Lesefreude!

Gratuliere Dir herzlich, Cornelius!

 

Carolus

  • Danke 1
Geschrieben

Hallo, Cornelius

Auch ich bin beeindruckt. Wow, ein wahrer Lesegenuss und ich hatte nur den einen Gedanken, jetzt kein gieriger machthungriger Mensch, der all diese wunderbare Vielfalt zerstört. Aber nun ja, .....

es grüßt

Pegasus

  • Danke 1
Geschrieben

Hallo Cornelius,
da lässt Brehms Tierleben grüßen! 😉
Wirklich humorvoll pointierte Verse für den Anfang der Schöpfungsgeschichte und wir wissen ja leider, was die Beseelten dann aus der Erde gemacht, bzw. befürchten noch machen werden.
Ich hoffe, es folgt noch mehr!
LG
Perry
 

  • Danke 1
Geschrieben (bearbeitet)
Am 1.10.2024 um 20:36 schrieb Cornelius:

Nur der Schöpfer jeder Seele

findet, dass noch etwas fehle ... 

Warum Gott nicht nachbessert, wird mir von mal zu mal unverständlicher. Was vielen Seelen noch fehlt, lieber @Cornelius, das ist die Bereitschaft, Frieden zu halten und miteinander in Frieden zu leben. Ich erinnere mich da an den Songtext des Liedes s'Muaterl der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (EAV):

 

Anmerkung der Moderation: Urheberrechtlich geschützter Text wurde entfernt ~

 

Gleichwohl, ein Bravo für Dein Gedicht. Es ist hervorragend.

 

Melda-Sabine

  • Danke 1

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