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Selma Merbaum ~ Poem - (1941)


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„Und hast du auch noch tausend Sterne in der Hand - sie kann noch zehnmal tausend tragen.” S.M.

 

Poem

 

Die Bäume sind von weichem Lichte übergossen,
im Winde zitternd glitzert jedes Blatt.
Der Himmel, seidig-blau und glatt,
ist wie ein Tropfen Tau vom Morgenwind vergossen.
Die Tannen sind in sanfte Röte eingeschlossen
und beugen sich vor seiner Majestät, dem Wind.
Hinter den Pappeln blickt der Mond aufs Kind,
das ihm den Gruß schon zugelächelt hat.

 

Im Winde sind die Büsche wunderbar:
bald sind sie Silber und bald leuchtend grün
und bald wie Mondschein auf lichtblondem Haar
und dann, als würden sie aufs neue blühn.

 

Ich möchte leben.
Schau, das Leben ist so bunt.
Es sind so viele schöne Bälle drin.
Und viele Lippen warten, lachen, glühn
und tuen ihre Freude kund.
Sieh nur die Straße, wie sie steigt:
so breit und hell, als warte sie auf mich.
Und ferne, irgendwo, da schluchzt und geigt
die Sehnsucht, die sich zieht durch mich und dich.
Der Wind rauscht rufend durch den Wald,
er sagt mir, daß das Leben singt.
Die Luft ist leise, zart und kalt,
die ferne Pappel winkt und winkt.

 

Ich möchte leben.
Ich möchte lachen und Lasten heben
und möchte kämpfen und lieben und hassen
und möchte den Himmel mit Händen fassen
und möchte frei sein und atmen und schrein.
Ich will nicht sterben. Nein!
Nein.
Das Leben ist rot,
Das Leben ist mein.
Mein und dein.
Mein.

 

Warum brüllen die Kanonen?
Warum stirbt das Leben
für glitzernde Kronen?

 

Dort ist der Mond.
Er ist da.
Nah.
Ganz nah.
Ich muß warten.
Worauf?
Hauf um Hauf
sterben sie.
Stehn nie auf.
Nie und nie.
Ich will leben.
Bruder, du auch.
Atemhauch
geht von meinem und deinem Mund.
Das Leben ist bunt.
Du willst mich töten.
Weshalb?
Aus tausend Flöten
weint Wald.

 

Der Mond ist lichtes Silber im Blau.
Die Pappeln sind grau.
Und Wind braust mich an.
Die Straße ist hell.
Dann...
Sie kommen dann
und würgen mich.
Mich und dich
tot.
Das Leben ist rot,
braust und lacht.
Über Nacht
bin ich
tot.

 

Ein Schatten von einem Baum
geistert über den Mond.
Man sieht ihn kaum.
Ein Baum.
Ein
Baum.
Ein Leben
kann Schatten werfen
über den
Mond.
Ein
Leben.
Hauf um Hauf
sterben sie.
Stehn nie auf.
Nie
und
nie.

Selma Merbaum 7.7.1941

Bild: Ahmed Demir

Music: Calvin Clavier

Rezitation: Uschi Rischanek

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Liebe Uschi 

 

Wer möchte nicht das Leben umarmen mit diesem Alter. Wer möchte nicht leben, lieben, hassen. Das Füllhorn des Lebens ist voller Geschenke und Überraschungen. Die Natur ist voller Schönheit, zauberhaft und urwüchsig.

Allein der Mensch in seinem Wahn und Machtstreben macht das alles kaputt, opfert Leben um Leben im Krieg. Dabei will jeder nur leben und glücklich sein. 

 

Wieder sehr ergreifend, liebe Uschi. Man kann nur froh sein, im Frieden zu leben!

 

LG Herbert 

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@Herbert KaiserLieber Herbert, dieser Text ist ob seiner Länge sicher anspruchsvoll, auch durch die Schwermut die in jeder Zeile durchklingt. Ich mag so gerne ein kleinwenig dazu beitragen, dieser so wundervollen Dichterin ein 'kleines Denkmal' auf meine bescheidene Art und Weise zu setzen, damit sie nicht in Vergessenheit gerät.
Das Machtstreben, das Denken nach Profitgier und Herrschaft ist es, das vermag, so vieles mit einem Handstreif einfach zu zerstören, ohne jede Rücksicht, ohne jede Menschlichkeit dabei.

Ich bin derzeit ein ganz kleinwenig angeschlagen und laboriere an einer Verkühlung, die sich auch stimmlich niederschlägt, möglicherweise ob meiner etwas tieferen Stimme auch erhörbar 😉 

Ich freue mich, wenn es ankam und danke dir, lieber Poetenfreund!
LG Uschi

Dankeschön fürs Hiersein auch an @Seeadler@Zorri@sofakatze@Donna@Anaximandala

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Hallo Uschi,
der Text scheint im ersten Teil ein Rückblick

vor 7 Stunden schrieb Uschi Rischanek:

Hinter den Pappeln blickt der Mond aufs Kind,
das ihm den Gruß schon zugelächelt hat.

in die Kindheit zu sein, um sich dann der lebensbedrohlichen Realität zuzuwenden.
Beides für sich tief berührende Wortbilder, die uns vor Augen führen, dass der Krieg seit jeher Menschen peinigt.
Danke fürs Nahebringen und LG
Perry
PS: Sollte "grün" nicht auch groß geschrieben werden?

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@PerryHallo Perry, dankeschön für dein Befassen mit diesem für sie ungewohntem Text, bislang habe ich nur Gereimtes von ihr eingesprochen. Du hast recht, es erscheint tatsächlich als ein Rückblick, wenngleich sie ja erst 17 Jahre alt war, als sie diesen Text verfasste, welch eine Tragik und sie nennt die Dinge doch ziemlich beim Namen, schon damals.

Ich habe die Textierung genau so übernommen wie sie überliefert wurde, auch den Satz des Textes an sich.


Ich hoffe es konnte ebenso berühren, wie es mich berührte.
Herzlichen Dank auch dir!

LG Uschi

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@JosinaLiebe Josina, eigenartigerweise, obwohl ich schon einige ihrer Texte eingesprochen habe, ist es mir bei diesem, ungereimten, wirklich nicht leicht gefallen. Wenn man sich nur annähernd ausmalt, was sie in ihren so jungen Jahren alles schon an Leid, Brutalität und Grausamkeiten mitlerleben musste, frägt man sich, woher sie wohl ihre Kraft genommen hat, so zutiefst berührende und anrührende Gedichte zu verfassen. Ein Jahr später war sie dann nicht mehr.
Auf einer anderen Literaturplattform wurde dazu in einem Kommentar erwähnt, was sie wohl noch alles hätte erschaffen können ohne diesem so furchtbaren Ende...
Ich danke dir für dein feines Reflektieren und schicke liebe Grüße in deinen Abend.

Uschi

PS: Zu dem Zitat zu Beginn noch kurz: Diese Zeile schrieb die 17-jährige Selma in einem ihrer 57 Gedichte in ein kleines Büchlein, das sie ihrem 18-jährigen Freund Leiser Fichman schenken wollte

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