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Charles Baudelaire ~ Der Albatros


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Geschrieben am

Oft fangen die Matrosen, um sich zu vergnügen,

Den mächtigen Meeresvogel ein, den Albatros;

Den Schiffen, die den bittern Abgrund überfliegen,

Folgt er in gleichgemut der Fahrt geselltem Troß.

 

Kaum aber ist er hingezwungen auf die Planken,

Läßt dieser König des Azur in seiner Scham

Die großen weißen Flügel kläglich an den Flanken

Wie Ruder niederhängen, ungeschickt und lahm.

 

Wie linkisch er sich hinschleppt in der Flügel Steife!

Er, sonst so schön, wie ist er häßlich in der Schmach!

Den Schnabel neckt ihm einer mit der Stummelpfeife,

Ein andrer, hinkend, äfft den Flug des Krüppels nach!

 

Des Dichters Ebenbild ist dieser Fürst der Wolke,

Im Sturm ist er behaust, verlacht des Schützen Strang,

Verbannt zur Erde aber und umhöhnt vom Volke,

Hindern die riesenhaften Flügel seinen Gang.

 

Charles Baudelaire 1861 - Die Blumen des Bösen

Aus dem Zyklus: Trübsinn und Vergeisterung

Music: Calvin Clavier Bild: pixabay
Rezitation: Uschi Rischanek

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Geschrieben

Hier die Übersetzung von Wolf von Kalckreuth. 

Meinem Empfinden nach der gefühlvollste, lyrischte und genauste aus der breiten Schar der Mutigen, die versuchten Baudelaire zu übersetzen. 

Und ich habe schon einige Übersetzungen nebeneinander gelegt und verglichen und gegen-gelesen - gedichtet als auch in Prosa übersetzt. 

 

 

Der Albatros

 

Oft fängt die Mannschaft auf den Schiffen zum Vergnügen

sich Albatrosse ein, Seevögel kühnbeschwingt, 

Die still und ruhevoll auf ihren weiten Zügen

dem Fahrzeug folgen, wie es durch die Salzflut dringt. 

 

Sobald auf das Verdeck sie die Gefangnen bringen, 

So hängen voller Scham, verstört und ungeschickt,

Die Könige des Azurs die mächtigen, weißen Schwingen 

Wie Ruder rechts und links, hinschreiben und geknickt. 

 

Der Wandrer, leicht beschwingt, daß er die Luft durchschweife, 

Wie häßlich ist er nun, wie plump, verhöhnt und schwach. 

Der eine kitzelt ihm den Schnabel mit der Pfeife, 

Der andre spottend macht sein lahmes Wanken nach. 

 

Der Dichter ist der Fürst der stolzen Wolkenthrone, 

Der Bogenschützen trotzt und lacht des Seesturms Wehn;

Doch hindern auf dem Land, umringt von lautem Hohne, 

Die Riesenflügel den Gewaltigen am Gehn. 

 

 

  • Danke 1
Geschrieben

Hallo Uschi,
mit dem Bild vom auf Schiffplanken gestrandeten Albatros hat Baudelaire sich selber treffend parodiert.
Danke, dass Du uns den Text, der sein exessives und tragisches Leben widerspiegelt, nahe gebracht hast.
LG
Perry

  • Danke 1
Geschrieben

@TerrapinHallo, ich danke Dir überaus für Dein Befassen mit der Materie an sich. Ich glaube kein Gedicht wurde so oft übersetzt wie gerade jenes. Eigenartigerweise habe ich mich Baudelaire, ebenso wie mit Hermann Hesse erst relativ spät begonnen auseinanderzusetzen, aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen.
In der Übersetzung der Blumen des Bösen, des werten Kalckreuth ist es bis auf den ersten Vers in Kreuz und Binnenreime gefasst und durchgängig unbetont beginnend. In der von mir rezitierten Version, die ich der Lyrik für Puristen entnahm, bot sich mir jener Text an der dort in der französischen Fassung/Nachdichtung so angegeben wurde.
 

L'Albatros

Souvent, pour s'amuser, les hommes d'équipage
Prennent des albatros, vastes oiseaux des mers,
Qui suivent, indolents compagnons de voyage,
Le navire glissant sur les gouffres amers.

 

A peine les ont-ils déposés sur les planches,
Que ces rois de l'azur, maladroits et honteux,
Laissent piteusement leurs grandes ailes blanches
Comme des avirons trainer à côté d'eux.

 

Ce voyageur ailé, comme il est gauche et veule!
Lui, naguère si beau, qu'il est comique et laid!
L'un agace son bec avec un brûle-gueule,
L'autre mime, en boitant, l'infirme qui volait!

 

Le Poète est semblable au prince des nuées
Qui hante la tempête et se rit de l'archer;
Exilé sur le sol au milieu des huées,
Ses ailes de géant l'empêchent de marcher.


Der letzte Vers meines Erachtens im Speziellen, ist an den beiden deutschsprachigen Fassungen, also jener von mir rezitierten und der von Dir beigefügten, doch deutlich recht unterschiedlich. Dir jedenfalls herzlichen Dank für Dein Befassen und Reflektieren.

@PerryHallo Perry, glaubst du, dass er sich damit selbst parodierte? So habe ich das noch gar nicht betrachtet. Da ich ihn zum erstenmal eingesprochen habe, wobei noch anzumerken wäre, dass ich diesmal sogar mit vier Tonspuren gearbeitet hatte (Sprache, Musik, Meer und Seevögel), habe ich begonnen, mich noch mit einigen seiner weiteren Texte wie den Sonetten 'Die Blutquelle' oder 'An Eine die, die vorüberging' (ebenso in der Übersetzung von Kalckreuth), oder den Nachdichtungen von Stefan George näher zu befassen, mal schauen...

Ich danke auch dir!

Ebenso auch @Donnaund @Stavanger

 

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