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Greif war beruhigt, dass es sich diesmal um den Personenschutz eines Sohnes handelte. Der Sohn eines bosnischen Bankers aus Offenbach.
Es gab Hinweise, dass dieser entführt werden sollte, deswegen schaltete sein Vater Greif ein, um nur wenige Tage mit ihm unterzutauchen, irgendwo in der Provinz,

dann sei der Spuk sicher vorbei, sagt der Erziehungsberechtigte am Telefon. Alles ging diesmal übers Telefon.

 

Frauen waren ein Problem, sie verstrickten einen immer. Greif war sich seiner Wirkung auf sie bewusst und mehrere Tage eng zusammen, führten dann meistens zu Problemen.

Entweder wollten sie was, oder sie wollten nichts, oder, sie wussten nicht, was sie wollten. Das waren die Schlimmsten. Eine dieser Art hatte ihn seinen Job bei der Polizei gekostet.
Er war doch nur deswegen nackt in ihr Zimmer gekommen, nachts, weil er ein Geräusch gehört hatte und annehmen musste, da geht was schief.

Er schlief ja immer nackt und es musste doch schnell gehen. Gerade im Personenschutz zählen oft Bruchteile von Sekunden.


Er schnappte noch die Waffe und war schon drin in ihrem Schlafzimmer, worauf sie erwachte und falsche Schlüsse zog. Er musste ihr eine scheuern, um das Schreien zu beenden.

Situationen die im Polizeibericht unglaubwürdig wirken. Die Richterin war freilich vorurteilsbehaftet, das war klar. Drei Jahre auf Bewährung, dann die Ehe futsch.
Auch die Ehefrau freilich vorurteilsbehaftet. Pension den Bach runter, also malochen auf eigene Rechnung bis zum bitteren Ende.

Diesen Job traute er sich auch mit siebenundsechzig noch zu, zumal keine Frau im Spiel war.


Dieses Jüngelchen würde er schon zähmen. Also fuhr er zur Adresse, um den Burschen abzuholen. Ein Hotel im Westend, Zimmer 203.

 

Er klopfte an, im vereinbarten Rhythmus. Es öffnete eine Puppe. Freches kurzes blondes Haar, Schmollmund, mit Rundungen an den richtigen Stellen.

Was sollte das? Was ging da ab? Greif wählte die Nummer des Alten und beschrieb die Situation nicht ohne Vorwurf in die Stimme zu legen.

Der Dad entschuldigte sich, er habe vergessen zu sagen, dass sein Sohn gerade dabei sei, sein Geschlecht zu wechseln, stünde aber noch vor der entscheidenden OP.

Er hätte dies freilich erwähnen müssen. Womöglich sei dies wichtig, vielleicht aber auch nicht.

 

Mensch, Greif hatte von solchen Dingen gehört, aber nicht angenommen mit so einem Wahnsinn, der heute überall grassierte, selbst konfrontiert zu werden.

Diese Welt war auf dem absteigenden Ast und wurde jeden Tag weniger die, die Greif gerne gehabt hätte. Sein Schweigen am Apparat, veranlasste den Alten,

ein paar zusätzliche Scheine nachzulegen. Greif legte auf und sein Blick auf den „Sohn“ ließ ihn seine eben gemachte Zustimmung fast postwendend bereuen.

Aber trotz all dem Mummenschanz handelte es sich doch um einen Kerl. So betrachtet, hatte sich an dem Job ja nichts geändert. Also lud er den Knaben in seinen
Van und karrte ihn an einen unbekannten Ort in einem Mittelgebirge. Er hatte dort bereits eine Ferienwohnung gemietet. Der Job war so gut wie in der Tasche.

 

Sein Passagier hatte erstaunlich viel Gepäck dabei. Greif wie üblich eine Sporttasche mit ein paar Unterhosen und Socken und was man sonst noch so braucht.

Eine Zahnbürste freilich auch. Natürlich auch seinen alten Rekorder, mit den best-off-Kassetten von Roland Kaiser.

Greif ließ auf Roland nichts kommen. Der hatte Texte, die eine klare Linie zwischen Männern und Frauen zogen und die Melodien waren auch noch schön.

In Rolands Welt waren Frauen, schön, schwach und geheimnisvoll und Männer kantig, stark und zielsicher. Da fühlte sich Greif zu Hause. Klare Fronten, verteilte Aufgaben.

 

Im Augenwinkel konnte er bei der Fahrt immer wieder sehen, wie seine Begleitung den Rock, der von den Knien gerutscht war, wieder runterzog,

als sei jemand an Bord, den diese Knie interessieren könnten. Aufkeimende Verachtung schluckte er runter, weil es eine seiner Maximen war,

jedem seine Spinnereien zu lassen. Er hatte sich mal geschworen, keinen Menschen zu verurteilen, sogar Frauen versuchte er zu verstehen, aber ehrlich gesagt,

konnte er seinen Beifahrer nicht im mindesten verstehen. Wenn man als Mann geboren wurde, das bedeutet, unten ist ein Schniedel dran, dann ist man Mann. Einfacher ging es doch nicht.


Aber die heutige Zeit nahm ja nichts mehr einfach. Alles musste hinterfragt und auseinander- genommen werden. Das N-Wort durfte keiner sagen, Schnitzel mussten umbenannt werden,
Frauen riefen die Polizei, wenn man ihnen nachschaute. Kein Wunder, dass die Jugend völlig konfus ist, dachte Greif, während er versuchte den Kopf geradeaus zu halten,

um das ständige Rockgefummel nebenan nur ja zu ignorieren. Herrgott, bevor er das Knie eines Burschen anfassen würde, müssten Dinge geschehen, die auf dieser Welt noch nie geschehen waren.

Wenn auf einen Mann das Prädikat hetero zutraf, dann war er es. Oft wurde er mit dem frühen Hans Albers verglichen. Die stahlblauen Augen, das kantige Kinn und die markige Figur.

Er war sich sicher, Roland Kaiser und er würden auf der Stelle Freunde werden, wenn sie sich träfen. Da war ja auch eine Seelenverwandtschaft vorhanden. Eindeutig.

Das las er aus den Texten, die ihm selbst auf den Leib geschrieben schienen.

 

Obwohl Greif mehrere Konzerte dieses Künstlers bereits besucht hatte, war er aber nie mit Roland direkt bekannt geworden. Er war doch kein Teenager,

der sich Backstage nach einem Autogramm drängte. Leider hatte er bei den Konzerten manche Frau kennengelernt, mit der der Sex schal war und eine geistige Ebene nicht vorhanden.

Kurze Beziehungen, die einem wie Nachtmahre im Rest des Lebens verfolgen. Auf Rolands Konzerten sind eine Menge aufgewühlter Milfs unterwegs,

die versuchen an Roland heranzukommen und wenn das nicht klappt, wenigstens an einen ähnlichen Typen.

Greif steuerte den Van auf den Kiesweg vor dem Haus. „Sie haben ihr Ziel erreicht.“ krächzte der Kasten an der Konsole.

 

„So, aussteigen mein Herr“, forderte Greif den Insassen auf und musste sich darauf anhören.

 

„Ich bin eine Frau und bestehe auf die korrekte Anrede.“

 

Greif fuhr herum, weil er eigentlich keine Antwort erwarten hatte und schon gar nicht so eine,
auch noch mit solch einer Stimme. Sein Blick fiel in kastanienbraune,  scheu aufgeschlagene Katzenaugen mit magisch langen Wimpern und blieb länger dort hängen,

als es von dem professionellen Verhalten eines Personenschützers, erwartet werden darf. Verdammt, was mache ich hier eigentlich, dachte Greif

und stemmte sich schleunigst nach links aus dem Wagen. Dieser kleine Ausrutscher war ihm eine Warnung gewesen. Er würde absolute Neutralität und Professionalität

praktizieren in den nächsten vierzehn Tagen, dann würde es einfach werden. Keiner wusste, dass sie hier waren, es konnte auch keiner herausfinden.

Sie hatten  sich unauffällig zu verhalten, nur er verließe das Haus, um evtl. benötigte Dinge zu besorgen. Den „Sohn“ bekäme draußen keiner zu sehen und dann am Schluss,

gäbe er ihn dem Vater ungeschoren und unangetastet wieder zurück.
Sowas von simpel.

 

 

Fortsetzung folgt.

 

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