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Greif Eroll 2


Hera Klit

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Die recht schmucklose Ferienwohnung hatte zwei Schlafzimmer, ein Wohn-Esszimmer mit einer kleinen Küchenzeile und freilich ein schlichtes Bad mit WC. Also, alles was man brauchte, für zwei Personen.

Greif wollte vor dem Schlafengehen noch mal die Umgebung sondieren. Vorher schärfte er der Transe ein, nur ja im Haus zu bleiben. Aufsehen war jetzt das Unangebrachteste.

 

Ein bosnischer Banker, der sich womöglich jeden Luxus kaufen konnte, musste sich mit solch einem Sohn herumschlagen, dachte Greif.

Wenn Kinder alles haben und nicht die geringsten Probleme, dann fällt ihnen ganz bestimmt etwas ein, um ihr Leben und das Leben ihrer Alten zu komplizieren.

Das waren für Greif nichts anderes als Wohlstandskrankheiten des Hirns. Aber er wollte die Situation nicht unnötig verschärfen, deswegen sagte er nichts zu dem Sohn,

sondern er sagte zu sich, wenn dessen Vater ihn so akzeptierte, dann wäre es wohl das Beste, er akzeptierte ihn auch so. Wenigstens die vierzehn Tage, die der Auftrag höchstens dauern sollte.

Also strengte er sich an, den Sohn eben als Frau zu sehen, aber nur der Form halber, nicht wirklich. Eine Frau ist doch etwas ganz anderes, etwas unerklärbar anderes.

 

Als Greif sich anschickte nach draußen zu gehen, sah er seine Schutzbefohlene noch mit einem engen weißen Catsuit bekleidet und mit High Heels an den Füßen, im Badezimmer verschwinden.

Gut, die Figur war schon sehr feminin und die Beine schienen endlos lang, aber warum mussten es Transen immer übertreiben?

Welche Frau trägt in solchen Situationen einen hautengen Ganzkörpernetzanzug und zu allem Überfluss noch High Heels?

Die, die Greif kannte, trugen bei solchen Gelegenheiten graue Jogginganzüge und Stoppersocken mit Mickey Maus-Motiven drauf.

 

Jedenfalls jene, die auf eine Beziehung aus waren. One-Night-Stand-Frauen legten schon mehr Fantasie rein, das war klar, sie wollten ja den Wolf im Mann und nicht den Haushund hervorlocken.

Greif war fast zur Tür raus, da hörte er aus dem Bad seinen Nachnamen.


Herrgott, was war jetzt? Transen sind oft noch hysterischer als Frauen, davon hatte er gehört. Sie überzeichnen damit ihr angebliches Frausein bis hin zur Karikatur.

Unwirsch trabte er zum Bad rüber und riss die Tür auf. „Sie“ stand am Waschbecken, und hatte zwei Hände am Drehknopf und brachte ihn scheinbar nicht auf.

Greif war ja zuvor im Bad gewesen und hatte seine Hände gewaschen und dann zugedreht. Wie immer viel zu fest, denn Sicherheit war sein oberstes Prinzip, bis in die kleinsten Alltäglichkeiten hinein.

 

Greifs Blick fiel auf die schmalen Handgelenke, beide von einem silbernen großgliedrigen Kettchen umspannt die jetzt wie Fesseln wirkten.

Dazu die feinen fraulichen gepflegten Hände mit genau der Art aufreizender Nägel, wie sie Greif schon gerne sah. Lang aber nicht zu lang, und vorne abgeflacht. Das waren die, die er am liebsten hatte.
Und weiß lackiert. Weiß hatte was. Weiß stach in die Augen.

Diese Hände waren ihm schon während der Herfahrt aufgefallen, er hatte aber nicht so genau schauen wollen. Jetzt aber sah er sie ziemlich genau und dazu den über die Schulter geworfenen hilflosen Blick,

aus diesen rauchig umrandeten, fast etwas verruchten Augen. All das, ließ ihn einen endlos langen Augenblick in einen Film hineinfallen, in dem er zugriff
und sich die vermeintlich angekettete Hilflosigkeit ohne Rücksichtnahme schonungslos zunutze machte. Er tat natürlich nichts, aber dieser Film lief ab,

in dem er zupackte, festhielt und an der Netzumspannung riss, um freizulegen und … Nebel, nichts als Nebel.

 

„Aber, so helfen sie doch, Herr Eroll“, drang eine Stimme durch seine Fantasie und holte ihn zu den Tatsachen zurück.

Er hatte scheinbar nichts gemacht, das sagte ihm der relativ entspannte Gesichtsausdruck der Transe. Ihre Hände waren auch nicht mehr an dem Hahn, sondern in ihre Hüften gestemmt.
Auch das eine durchaus weibliche Haltung, wenn der Mann nicht gleich hilfreich ist. Greif drehte auf und wirbelte herum und war draußen.

 

Er hatte diese Zustände seit seiner Scheidung und die nächtlichen Aufschrecker inklusive Herzrasen. In letzter Zeit waren sie seltener gewesen und die Hoffnung sie loszuwerden war gewachsen.

Die frische Lust des dämmernden Herbsttages tat ihm gut. Er lief den Hang hinter dem Haus hinunter bis zu einem angrenzenden undurchdringlich wirkenden Nadelwald.

Er hatte sich wieder im Griff und summte Santa Maria, den Hit von Roland Kaiser vor sich hin.

Nichts war so sehr geeignet seine Nerven zu beruhigen, wie die Songs von Roland Kaiser, besonders auch dieses Lied mit der wunderbaren Melodie

und dem Text der in richtigen Männern stille Stürme der geträumten Leidenschaften zu entfachen geeignet war.

Eine sonnendurchflutete Insel und eine junge, geheimnisvolle Schöne in den Armen.

 

Wie hieß es darin? Dann hielt ich ihre Jugend in den Händen. Eine sehr gelungene Umschreibung dessen, was Männer wie Roland und auch Greif als absoluten Volltreffer einstuften.

Auch mit siebenundsechzig brannte da Greifs Feuer noch lichterloh. Ein Glück für das man keinen Namen kennt, dichtete Roland weiter. Wunderschön und so wahr.

Hoffentlich ging Roland Kaiser bald wieder auf Tour. Greif musste mal wieder raus, die Seele baumeln lassen und was war da besser geeignet, als ein Konzert seines Lieblingsstars.

 

Die Szene vorhin hatte doch deutlich gemacht, wie es um ihn stand. Durch den Wald würden sie sicher nicht kommen. Oben, weit über dem Haus, führte eine kaum befahrene Straße

vorbei und hinter dieser, waren nur wenige Häuser eines kleinen Weilers zu erkennen. Kein Mensch würde den Nachkommen des Bosniers hier vermuten. Ausgeschlossen!

Greif wurde jetzt klar, dass er vergessen hatte, zu fragen, wer eigentlich die potenziellen Entführer waren und warum sie eventuell eine Entführung planten.


Da er den Job unbedingt brauchte, hatte er vermieden umständlich zu wirken. Zum Glück wurde es ihm scheinbar nicht als Unprofessionalität ausgelegt.

Plötzlich musste er überlegen, ob die Szene im Bad real gewesen war. Er hatte einfach diese Momente der Unsicherheit über sein kürzlich unternommenes Handeln.
Sein Zweifel ging so gar so weit, dass er befürchtet, er hätte die Transe deswegen mundtot machen müssen. Im Laufschritt hastete er hinauf zum Haus, um zu retten, was noch zu retten war, falls Schlimmeres geschehen war.

Er fand seine, ihm überantwortete Person, in lässiger Haltung vor dem Fernsehapparat.

 

Also, war nichts geschehen. Hätte er etwas getan, hätte sie es nicht geschluckt.

Als er an ihr vorüber zu seinem Zimmer schritt, wortlos, um keinen Staub aufzuwirbeln, spürte er genau, dass ihm diese tiefgründigen scharfen Katzenaugen folgten und einen Moment lang kam er sich vor,

wie eine lächerliche Maus, die auf einem viel zu niedrigen Drahtseil balanciert, das von der sprunggewaltigen geschmeidigen Katze spielend mit einem Satz zu erreichen ist.

 

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