feedback jeder art In der Kiste

[Guenk]

In der Kiste

 

Schön, dass ihr so zahlreich gekommen seid! Ich wusste gar nicht, dass unser Verwandten- und Freundeskreis so groß ist…

 

Und wie großartig ihr alle singen könnt!

Dass ich das noch erleben darf - 

nun ja, fast…Ich bin wirklich gerührt!

Okay, ich hätte mir ein anderes Lied gewünscht – vielleicht Highway to Hell oder Stairway to Heaven? Aber Always Look on the Bright Side of Life geht auch…

 

Ganz vorne sehe ich Annie, meine treue, warmherzige Ehefrau.

Ihr Gesicht wirkt etwas traurig, 

aber ich muss sagen: Schwarz steht ihr!

 

Der Redner im langen Gewand mit dem schweren Kreuz, der mir die Sicht nach vorne etwas versperrt - ich kenne ihn gar nicht! Auf jeden Fall kann er gut reden. Klingt so würdevoll und tröstlich.

Ich glaube, er redet gerade über mich. Schade, dass ich nicht dabei sein kann…

 

…war ein liebevoller Ehemann und fürsorglicher Vater…

 

Ah, mein Sohn, in der ersten Reihe, neben seiner Mutter. Hat sich heute mal richtig ins Zeug gelegt. Krawatte binden war nie seine Stärke, und die falschen Socken seien ihm mit seiner Rot-Grün-Schwäche mal verziehen.

 

…gewann aus den gemeinsamen Gesprächen; der Austausch von Lebenserfahrungen waren…

 

Ja, da sitzt er, mein Schwiegervater, neben seiner Tochter. Mit ihm hatte ich ein ganz besonderes Verhältnis. Er hat mich als Schwiegersohn nie wirklich anerkannt. Aber es gab eine gemeinsame Leidenschaft, die wir teilten: die eine oder andere gute Flasche Wein.

 

…war jemand, der stets ein offenes Ohr für die Sorgen anderer hatte…

 

Ja, und Jimmy, der alte Gauner, ist auch hier… Dass der sich hier blicken lässt? Mit ihm habe ich eigentlich noch ein Hühnchen zu rupfen, aber unter diesen Umständen…

 

Jimmy war ein alter Schulfreund von mir. Ein Frauenheld und notorisch pleite. Stets auf der Suche nach einem neuen „geschäftlichen Abenteuer“ – oder sagen wir: einer Gelegenheit, einem das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ihm habe ich die ganze Misere zu verdanken!

 

Das mit den gezinkten Karten in der Spelunke – davon wusste ich nichts. Eigentlich liege ich hier vollkommen unschuldig. Er sprach immer von einer todsicheren Einnahmequelle… Ich wusste nicht, dass er das wörtlich meinte! Und dann noch diese verhängnisvolle Verwechslung. Zu dumm, dass wir in dieser Nacht die gleichen Jacken trugen. Als Jimmy plötzlich verschwand - er wollte angeblich Zigaretten holen - ahnte ich noch nicht was mir bevorstand.

Nach einer Weile, aber gefühlter Ewigkeit, wurde ich unruhig und ging hinaus, um nach ihm zu schauen.

Na ja, dann ging alles ganz schnell. Ein kurzer, stechender Schmerz, wohl ein Schlag auf den Kopf, und alles war vorbei. Ein paar Taucher haben mich zwei Tage später bei den Fischen gefunden…

Ein Unfall hieß es offiziell. Von der Brücke in den Fluss gestürzt. Bei der Obduktion stellten sie 2,1 Promille fest. Alkohol habe ich, im Gegensatz zu Jimmy, nie wirklich vertragen.

Der Einzige, der die Wahrheit kennt, sitzt jetzt hier seelenruhig, direkt hinter meiner bildhübschen Witwe und säuselt ihr ständig irgendwas ins Ohr!

Lass bloß die Finger von ihr, Jimmy - sonst soll dich dich der Teufel holen!

 

GK 2024

[Herbert Kaiser]

Hallo @Guenk

 

Schön, dass ich das lesen durfte. Ein Begräbnis mit Ironie, toll geschrieben. 

In der Kiste, im Holzpyjama, da hat man vielleicht einen solch humorvollen Blickwinkel. Humor ist über den Tod hinaus von bleibendem Wert.

 

LG HERBERT 

[Guenk]

Guten Abend @Jutta S, @Zorri, @Herbert Kaiser…

Sehr nett, dass euch diese ungewöhnliche Perspektive gefallen hat!

 

LG Guenk