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Geschrieben am

Die Blume

 

⸺ Sonett I ⸺

 

Als ich vor Jahren schweifte durch den Garten

der Einsamkeit, da blickt‘ ich über Blüten,

durchs Buschwerk (in dem stets Pirole brüten)

zu Bäumen auf, die aller Zeiten harrten.

 

Mit ihnen wollte ich auf Rosen warten,

die wie ich selbst im Innersten erglühten –

so malerisch, dass tausend Knospen blühten.

Sanft ließen sie den Lenz des Lebens starten!

 

Doch müde war ich von der heißen Sonne,

die mich zu einem Schattenplätzchen führte

als Schlafgemach aus duftenden Lupinen:

 

So legte ich mich in die Flurenwonne

und als ich Küsse eines Pfeiles spürte,

ist mir im Traum der Liebesgott erschienen!

 

 

⸺ Sonett II ⸺

 

Ist mir im Traum der Liebesgott erschienen?

Er ließ doch eine Blume zwischen vielen

im Frühlingswind die schönsten Stücke spielen,

verhangen nur durch Nebeldunstgardinen!

 

Sie tanzte – Rot von funkelnden Rubinen

umhüllte sie! – und die Gestirne fielen

verzückt hinab; Cupido ließ sie zielen,

damit das Pflänzchen heil blieb unter ihnen.

 

Da wacht‘ ich auf voll Leidenschaft und suchte

die Blume, um sie ewiglich zu hegen.

Ich folgte Schmetterlingen, folgte Bienen.

 

Ich folgte jedem Tier, das ich verfluchte,

sobald ich sah, es führt‘ mich nicht zum Segen,

dem ich mit ganzem Herzen wollte dienen.

 

 

⸺ Sonett III ⸺

 

Dem ich mit ganzem Herzen wollte dienen,

dies war der Gott, der meine Glut entfachte,

indem er die Vision der Blume brachte –

noch fesselnder als singende Undinen.

 

Ich suchte ihn im Antlitz der Ruinen

des alten Hauses, da ich bei mir dachte,

nur er, der mich im Traum so treu bewachte,

kennt ihr Versteck (umringt von Cherubinen).

 

Doch nirgends fand ich ihn mit seinem Bogen,

den Weißgoldpfeilen, die wie Funken fallen,

und musste bis zum späten Abend warten!

 

Dann endlich hat er mich zu sich gezogen

und ließ in mir das Blut wie Ströme wallen,

just als sich seine Zauber offenbarten!

 

 

⸺ Sonett IV ⸺

 

Just als sich seine Zauber offenbarten

(des Liebesherrn), da hört‘ ich dessen Muhme.

Sie sagte mir, wo ich den Weg zur Blume

denn finden könnte – fern vom kleinen Garten:

 

»Weit hinter Flüssen, die zu Eis erstarrten,

im Felsenzug liegt jener Pfad zum Ruhme.

Entbehrungsreich – kein Wasser, keine Krume! –

wird dieser sein und steht in keinen Karten.«

 

Als ich aufs Neue von dem Traum erwachte,

da packte ich ganz hastig meine Sachen,

damit Gedanken nicht den Kurs verscharrten!

 

Bereit war ich, der jeden Schritt bedachte

noch kurz zuvor, mich auf den Weg zu machen.

Vor Sehnsucht konnte ich es kaum erwarten!

 

 

⸺ Sonett V ⸺

 

Vor Sehnsucht konnte ich es kaum erwarten,

im Höhenrausch den Gipfel zu erklimmen,

der einst bewohnt vom Echo war und Stimmen,

verwaist nun von Geschöpfen aller Arten.

 

Skelette ruhten bloß (der einst Vernarrten)

im Gletscherfirn und schienen dort zu schwimmen.

Ich aber wollt‘ mein Schicksal selbst bestimmen

und floh vom Pass, an dem sich diese scharten.

 

Bald zitterten die Füße, bald die Beine.

Der ganze Körper wurde langsam müde.

So schleppt‘ ich mich durch enge Serpentinen.

 

Mein Herz jedoch – seit langem schon alleine –

war auch nach hundert Meilen nicht zu prüde,

zu fragen, wo die Blume wohl wird grienen.

 

 

⸺ Sonett VI ⸺

 

Zu fragen, wo die Blume wohl wird grienen,

trieb mich voran durch Wälder und durch Weiden

durch Niedermoore und Luzernenheiden –

begleitet stets von fleißig-flinken Bienen.

 

Entkommen so dem Grollen der Lawinen,

wurd‘ ich jedoch beraubt im Tal der Leiden

durch Gierige, die jedermann beneiden.

Da halfen mir zwei tapf’re Gendarminen.

 

Sie gaben mir ein wenig Brot zu essen,

denn ich war matt von all den schweren Mühen.

Das schmeckte mir fast süßer als Rosinen.

 

Mein Ziel derweil hatt‘ ich niemals vergessen

und zog zur Blume – herrlich war ihr Glühen! –,

die ich verehrte mehr als Heroinen.

 

 

⸺ Sonett VII ⸺

 

Die ich verehrte mehr als Heroinen

berühmter Epen, ruhte fern der Klippen

mit grünem Kleid und schmalen, roten Lippen

voll Eleganz wie junge Ballerinen.

 

Doch war sie eine Göttin unter ihnen

und durft‘ an der Ambrosia sacht nippen,

die kühl wie leichtes Regentropfentippen

die Zunge küsst gleich himmlischen Pralinen!

 

Von Gold behaucht erleuchteten die Kronen

der Eichen, die als Tore sich erwiesen,

als würden sie mich ewig schon erwarten.

 

Dahinter sah ich Statuetten thronen

wie ein Tribut für sakrosankte Riesen

aus alter Zeit mit Tempeln und Standarten.

 

 

⸺ Sonett VIII ⸺

 

Aus alter Zeit – mit Tempeln und Standarten –

entstammten auch die Wände greiser Festen,

die längst verlassen waren von den Gästen,

die Unterschlupf gesucht für Pilgerfahrten.

 

Im Augenwinkel sah ich noch die zarten

Gezweige Efeus an den Mauerresten.

Der wilde Wein verwies mich nach Südwesten,

genau wie’s die Erinnerungen wahrten.

 

Ganz ausgezehrt schritt ich über die Erde,

die feuchtes Moos und Pilze übersäten.

Vorm Auge schwand das Abbild meiner Blüte.

 

Da wusste ich, dass ich dort rasten werde

– am Ende Mensch – und ruhte in Gebeten:

Im Schlaf fand ich den Weg zu ihrer Güte.

 

 

⸺ Sonett IX ⸺

 

Im Schlaf fand ich den Weg zu ihrer Güte

und tankte neue Kräfte für die Reise,

zog weit durch heiße Schluchten meine Kreise,

in denen das Gestein mich fast verbrühte.

 

Erst als der Himmel Sternenschnuppen sprühte,

erlosch der Brand und alles wurde leise,

wo ich grad ging; es spukten nur die Greise,

um die sich einst Gevatter Hein bemühte.

 

Die Schreie ließen meinen Geist erschaudern,

die lautlos schrillten in den Mittnachtschwärzen

wie Monster, die durch trübe Schatten schleichen.

 

Doch meine Seele durfte nicht mehr zaudern

– der Blume nah, voll Mut im treuen Herzen! –

und wollte sie den nächsten Tag erreichen.

 

 

⸺ Sonett X ⸺

 

Und wollte sie den nächsten Tag erreichen

(die Seele, die tief in mir fast verzagte,

da sie sich mit der Liebessehnsucht plagte),

so mussten ihre Ängste schnellstens weichen.

 

Drum ließ sie allen Kummer bald verstreichen

und machte mich, der seine Freiheit jagte,

nun wieder zuversichtlich; aber fragte,

warum die Spuren hinter uns verbleichen.

 

Die Antwort, dass es kein Zurück mehr gäbe,

war hart für sie, doch immer noch die Wahrheit,

die sich gezeigt inmitten karger Stätten.

 

Hier schützte ein seraphischer Ephebe

das große Tor der unentdeckten Klarheit –

am Rand der Welt, gebannt von Demutsketten.

 

 

⸺ Sonett XI ⸺

 

Am Rand der Welt – gebannt von Demutsketten –,

da endet alle Hoffnung oder funkelt

wie Sterne, wenn es draußen langsam dunkelt.

Ich mochte sie auf Wolkenpfühle betten.

 

Als ich dann durchs Portal trat zu den Städten

der Engel, wurde leise schon gemunkelt,

es käme der, für den die Blume schunkelt –

verliebt in Winden, die die Wogen glätten.

 

Da wiesen mir erleuchtete Geschöpfe

– sie wirkten rein und beinahe schon gläsern –

den Weg zu ihr mit seligem Gemüte.

 

Ganz zaghaft schaut‘ ich über ihre Köpfe

und sah, sie stand am Hang von Himmelsgräsern.

Dort strahlte sie mit ihrer hübschen Blüte.

 

 

⸺ Sonett XII ⸺

 

»Dort strahlte sie mit ihrer hübschen Blüte!«,

fuhr mir das Echo rasch durch die Gedanken,

als graue Nebel sich als Liebesschranken

vors Auge schoben, das von Tränen glühte.

 

Die Führer aber trieben – Gott behüte! –

die Schleier fort, die hin zum Boden sanken.

So sah ich meine Blume lieblich ranken

noch schöner als in jeder Minnemythe!

 

Vergessen war die Zeit; und alle Narben

vergingen wie der Schmerz der Wegesnöte.

Dann wartete ich auf ihr letztes Zeichen:

 

Betörend war ihr Duft, so reich die Farben.

Ihr Lächeln barg den Schein der Morgenröte,

als wollte sie den schönsten Musen gleichen.

 

 

⸺ Sonett XIII ⸺

 

Als wollte sie den schönsten Musen gleichen,

so lächelte sie zwischen Sonnenkränzen

zu mir herab und ließ daselbst mich glänzen.

Wie gerne wollt‘ ich ihr die Hände reichen!

 

Doch neben ihr, da lagen stumme Leichen

der Werber, die sie einlud zu den Tänzen

seit Tag und Jahr in abertausend Lenzen –

nicht wissend, dass sie niemals mehr entweichen.

 

Denn wie die Freier war mit stärksten Fesseln

die Blume an den Äthergrund gebunden,

als ob sie sie darin verankert hätten.

 

Da wagte ich mich dennoch durch die Nesseln:

Sie sah mich an – ihr Blick verschloss die Wunden! –

und bat mich, sie mit Küssen zu erretten.

 

 

⸺ Sonett XIV ⸺

 

Und bat mich, sie mit Küssen zu erretten,

mein Blümlein fein, so wollt‘ ich sie ihr schenken,

so schnell es ging! Ich konnte weder denken,

noch schildern die Gefühle in Sonetten!

 

Ein warmer Hauch drang aus den violetten

Koronenblättern (ohne sich zu senken)

direkt ins Herz und fing an mich zu lenken,

ergriff mich ganz in jeglichen Facetten!

 

Im Freudentaumel, welcher mich beglückte,

verschwand darauf die Bitterkeit des Mahnmals

aus Toten, die still auf die Blume starrten.

 

Ich schwieg und kurz bevor ich sie mir pflückte,

erschien mir die Erinnerung an damals,

als ich vor Jahren schweifte durch den Garten:

 

 

⸺ Sonett XV ⸺

 

Als ich vor Jahren schweifte durch den Garten,

ist mir im Traum der Liebesgott erschienen,

dem ich mit ganzem Herzen wollte dienen,

just als sich seine Zauber offenbarten.

 

Vor Sehnsucht konnte ich es kaum erwarten,

zu fragen, wo die Blume wohl wird grienen,

die ich verehrte mehr als Heroinen

aus alter Zeit mit Tempeln und Standarten.

 

Im Schlaf fand ich den Weg zu ihrer Güte

und wollte sie den nächsten Tag erreichen

am Rand der Welt, gebannt von Demutsketten.

 

Dort strahlte sie mit ihrer hübschen Blüte

(als wollte sie den schönsten Musen gleichen)

und bat mich, sie mit Küssen zu erretten.

  • in Love 1
  • Schön 2
Geschrieben

hallo geist, 

 

ein ganz wundervoller sonettkranz, ein absoluter lesegenuss! formvollendet und inhaltlich höchstes niveau, ich bin begeistert!

 

ganz wenige kleinigkeiten sind mir beim einmaligen lesen aufgefallen und da du feedback jeder art angegeben hast, schreibe ich sie dir gern auf: 

 

sonett V

s2v4 

scharrten

 

sonett VIII

s3v1

hier muss ich *über* unnatürlich betonen. 

vielleicht etwas wie: ganz ausgezehrt schritt ich auf dunkler erde

 

sonett XI

s3v2

gleiches bei *beinahe*, vielleicht einfach nur die position verändern.

– sie wirkten rein, beinahe schon wie gläsern –

 

sonett XIV

s2v3

fing an, mich zu lenken

 

wie gesagt, absolute kleinigkeiten, die dem lesevergnügen keinen abbruch leisten. :grin:

 

liebe grüße

sofakatze

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