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Tosender Applaus im Berliner Festspielhaus. Standing Ovations, Jubelrufe. Die Schaupieler in ihren Nazi-Uniformen in einer Reihe stehend verbeugen sich und winken zum Abschied. Eva Braun verteilt Handküsse. Der große blutrote Vorhang fällt. Das Stück: „Winter für Hitler“ ist auch zwölf Jahre nach seiner Uraufführung eines der beliebtesten Stücke des Theaters. Nicht zuletzt, wegen den hoch gelobten und als sehr authentisch beschriebenen Darstellungen der Figuren.

Eine halbe Stunde nach der Aufführung sitzt Regisseur Joseph im Maskenraum und verabschiedet einen Schauspieler nach dem anderen. Zuletzt erscheint Joshua in seiner üblichen Rolle als Adolf Hitler.

„ES REICHT! Es reicht endgültig! Mein lieber Joseph ich habe genug! Schluss damit! Zeit kehrt zu machen!“

„Och menno, was ist denn schon wieder Joshi?“

„Ich habe diese Rolle soooo satt! Sie langweilt und widert mich nur noch an! Seit zwölf Jahren! SEIT ZWÖLF JAHREN, bin ich nun der „FÜHRER“! Es reicht mir! Es reicht mir jetzt wirklich! SCHLUSS! AUS! ENDE! ICH KAPITULIERE!“

Joseph verdreht die Augen.

„Das hast du die letzten Male auch schon gesagt… Bitte halte dich aber an unseren Vertrag! Und außerdem spielt diese Rolle niemand so gut wie du, das weißt du doch. Du bist zum Führer geboren, mein lieber!“

„Hör auf damit! Das ist eine Lüge, alles ist eine Lüge! Diese Rolle… sie passt nicht mehr zu mir!“, Joshua dreht sich um und wird melancholisch.

„Ich… habe einiges geändert in meinem Leben. Ich meine ich war schon immer ein Anti-Faschist, durch und durch, aber mit meinem neuen Lebensstil, passt diese Rolle immer weniger zusammen. Sie wird immer mehr unvereinbarer.“

„Neuer Lebensstil, da schau an. Davon weiß ich ja noch gar nichts. Was denn zum Beispiel?“

„Ich bin zum Buddhismus konvertiert. Außerdem bin ich seit schon über einem halben Jahr Vegetarier geworden. Es wird dir wohl kaum entgangen sein, dass ich einige Pfunde abgenommen hab. Auch dank Heilfasten.“

„Ach so. Dennoch! Die Zuschauer lieben dein Schauspiel! Du bist der Star dieses Stückes! Jetzt bitte überleg dir das nochmal gut. Sehr gut sogar. Schlaf noch einmal eine Nacht drüber und Morgen früh, sieht die Welt schon anders aus. Hm?“

Joshua nimmt seine Armbinde ab und wirft sie auf den Tisch.

„Ich bin tatsächlich sehr müde und fühle mich sehr aufgebraucht. Ich werde mich zu Bett begeben. ABER AN MEINER ENTSCHEIDUNG HALTE ICH FEST! KEIN FÜHRER MEHR… FÜR MICH! Das war heute die letzte Aufführung mit mir in dieser Rolle!“, mit diesen Worten will Joshua den Raum verlassen, doch Joseph hält ihn noch auf.

„Seufz… wie du meinst Joshi. Dann besetze ich die Rolle neu. Ach, warte mal!“

„Was ist denn noch?“

„Der Schnauzbart.“

„Wie?“

„Das Bärtchen Joshi! Den musst du auch da lassen. Der gehört zum Kostüm.“

„Ach ja…“, Joshua zieht sich den aufgeklebten Mini-Schnauzer ab. Für einen kurzen Moment blickt er wehleidig auf seine Handfläche zu dem kleinen Bärtchen.

„Den fand ich immer schon ganz süß… das ist aber auch dass einzige was ich an dieser Rolle vermissen werde.“, sagte er zum Abschied und warf ihn auf den Tisch.

 

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