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Geschrieben am

Herr H. weiß nicht, wo er ist.

wahrscheinlich weiß Herr H. nicht, warum er da ist, wo er ist.

Wir anderen nennen es Klinik, nennen es Station, nennen es „mein Zimmer“.

Herr H. Hat keinen Bezug zu dem allen.

Herr H.  leidet. Er möchte nicht hier sein, wo er ist, wo wir anderen sind.

Wir sehen fern. Sport, Nachrichten, Kochshows. Wir lenken uns ab. Mancher liest sogar. Ich habe Freundschaft geschlossen mit einem Automaten, auf dem steht LAVAZZA. Er macht mir Kaffee, sooft ich ihn aufsuche. Er versüßt mir manche Stunde, die ich mit einem meiner Bücher in einem meiner Verstecke verbringe.

Herr H. hat keine Verstecke. Nicht hier, irgendwo um sieben Flurecken, nicht in sich.

Herr H. ist oft außer sich. Dann ruft er im ewig gleichen, nölenden Singsang nach Menschen, die ihm fehlen, deren Namen er weiß, die ihm vertraut sind.

Weil niemand kommt, wird er ungehalten, es fallen Worte wie nach Hause, hier Scheisze und mehr. Ich verstehe nicht alles.

Ich verstehe, dass Herr H. leidet. 
Ich setze mich zu Herrn H. Versuche, mit ihm zu spielen. Herr H. schaut mich an. Ich schaue ihn an. Er nimmt mich wahr, schöpft Hoffnung, dass ich einer bin, der ihm vielleicht helfen kann. Ich verstehe, dass Herr H. nicht mit mir spielen will, wohl auch nicht könnte. Mein Dasein beruhigt Herrn H. kurz. Nach einer Viertelstunde wird er unruhig, beginnt von neuem seine Rufe, seine Eruptionen des Schmerzes. Irgendwann gehe ich.

Herr H. bleibt.

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  • Traurig 3
Geschrieben

Hallo Vogelflug,

 

hart ist es , wenn einer nichtmal ein Versteck in sich selbst findet.

Soche Geschichten, wie diese, können nicht erfunden werden. Erlebtes klingt aus jedem Satz.

Falls ich irre, dann bitte um Entschuldigung.

 

Grüße, Seeadler

 

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

Wie sagt meine Freundin immer so schön: "Die beste Krankheit taugt nichts!"

Du hast das sich Verloren fühlen des Herrn H. gut beschrieben, Vogelflug. 

Da möchte man nicht tauschen. Es kommt eine mächtige Hilflosigkeit auf.

Wohl dem, der sich noch selbst etwas Behelfen kann im Krankenstand. Gut 

gefällt mir, dass das LI mit offenen Augen durch die Klinik geht und versucht

zu helfen. Letztlich muss man das Beste aus der Situation machen. 

 

Mit besten Wünschen grüßt Darkjuls

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

hallo vogelflug,

 

eine zu herzen gehende geschichte. wie sehr herr h. leidet und keinen zugang mehr zur realität findet, hast du beeindruckend und ohne sentimentalität in worte gefasst, ebenso den versuch einer kleinen hilfe, die mir das herz aufgehen lässt, weil jemand nicht einfach nur wegschaut, sondern spürt und anteil nimmt.

 

die geschichte erinnert mich stark an eigene erfahrungen aus einer zeit als betreuerin im pflegeheim. da war z. b. die demente frau, die mich jeden tag aufs neue fragte, ob denn heute ihre kinder kämen, um sie zu besuchen. es tat mir weh, ihre tägliche hoffnung mit anzusehen, denn ihre kinder kamen nie, konnten nicht kommen, da sie bereits vor der alten frau verstorben waren, was sie aber nicht mehr erinnern konnte. da gab es den alten mann, der jede nacht seinen koffer packte, weil er überzeugt war, am nächsten tag nach hause gehen zu dürfen. und dutzende andere geschichten mehr. 

 

ich ordne deinen text übrigens eher als kurzgeschichte denn als gedicht ein. aber das ist natürlich nicht so wesentlich.

 

sehr gern gelesen, danke fürs teilen.

 

liebe grüße

sofakatze

  • Gefällt mir 1
Geschrieben

@Seeadler@Darkjuls @sofakatze und alle, die „nur“ geliked haben:::::::::::

 

Danke. Eure  Rückmeldungen bedeuten mir sehr viel. Sowohl von der für mich ungewohnten Anzahl, als auch inhaltlich.

Es bestärkt mich, weiter an meinem Kliniktagebuch zu arbeiten. So bleiben Hirn und Seele wach und fit, hoffe ich.

 

Ich grüße euch in Wärme und Demut.

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