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Geschrieben am

Hallo zusammen,

 

das ist mein erster Beitrag in diesem Forum. Es ist ein Gedicht, das ich ursprünglich in meiner Muttersprache verfasst und dann ins Deutsche übertragen habe. Bin gespannt auf Kommentare.

 

 

An dem Tag, da du gingst fort I

(aus der Liedersammlung Düstere Liebe)

 

An dem Tag, da du gingst fort,

ging ich auf die Straß’, sofort;

draußen war viel Sonnenlicht –

  • meinen Schatten sah ich nicht.

 

In der Welt, vor Schnee erbleicht,

der Passanten Füße, leicht,

knirschten auf der Eisesschicht –

  • meine schweren Füße nicht.

 

Fensterscheiben, Spiegeln gleich,

zeigten sich an Bildern reich:

Menschen, Tiere, Stock und Stein –

  • nirgends war mein Widerschein.

 

Ganz wie eh’ die Welt doch war

(wie bizarr, wie sonderbar…):

ganz normal sie noch bestand –

  • mich, Anomalie markant,
    hat sie wohl nicht mehr erkannt…

 

(03.08.2010: portugiesisches Original)

(09.10.2010: deutsche Nachdichtung von der Autorin)

 

 

LG,

Anna

  • Antworten 13
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aktivste Mitglieder in diesem Thema

Geschrieben

Danke Baz für das Willkommen und die positive (wenn auch knappe) Reaktion auf das Gedicht.

 

Ich bin etwas überrascht, dass du nach der Originalversion fragst, ohne vorher zu fragen, in welcher Sprache sie verfasst wurde. Und wenn sie in einer Sprache ist - in diesem Fall Portugiesisch -, die du nicht verstehst...? :?

 

Für alle Fälle - hier ist sie:

 

 

No dia em que foste embora I

(do Cancioneiro do Amor Sombrio)

 

No dia em que foste embora,

fui à rua sem demora;

fui à rua e sol fazia –

  • a minha sombra eu não via.

 

O mundo todo era neve,

o pé dos passantes, leve,

rangia ao tocar o chão –

  • o meu pé pesado, não.

 

Nas vidraças espelhadas,

imagens eram marcadas:

gente, carro, poste, cão –

  • busquei meu reflexo em vão.

 

O mundo não se alterara

(coisa estranha, coisa rara...):

normal, ele ‘inda existia –

  • a mim, grande anomalia,
    ele não mais conhecia...

 

 

(03.08.2010)

Geschrieben

Herzlich Willkommen bei uns Anna!

Ich finde es großartig, dass Baz nicht nach der Sprache gefragt hat, allein schon, weil ich es so viel spannender fand.

Man muss die ja auch gar nicht verstehen, die deutsche Fassung ist ja fürs Verständniss schon im ersten Post. Aber für die Sprachmelodie ist es interessant. Ich spreche kein Wort Portugisisch, habs aber im Urlaub ein paar mal gehört (Barcelona) und nichtmal das ist nötig um zu erkennen, dass es sich in der Orginalsprache viel schöner ließt Ich kann die Wortmelodie nur erahnen und ich spreche es garantiert nahezu lachhaft aus. Aber Zeilenlänge und Reime hauen doch hin :wink:

Bezüglich des Inhaltes mag ich dein Bild, das sich trotz eines bekannten Themas (und bei den Herzensangelegenheiten gibt es einfach keine unbekannten Themen mehr :lol: ) sehr souverän von anderen Werken unterscheidet. Das du inneres auf die Außenwelt überträgst um die Gefühle zu spiegeln empfand ich als sehr gelungen und eine geniale Idee. Das du dann noch auf die typischen "Regentagsmerkmale" verzichtet macht es umso besser! Sehr gut umgesetzt!

Die deutsch-Version holpert ganz schön, da sind sehr ungebräuchliche Formulierungen und zum Teil eine sehr verdrehte Syntax drin - aber Übersetzungen sind gerade bei Gedichten sehr schwer (selbst wenn man nur 4 Zeiler übersetzen will ~.~). Ich würde mir die Orginalfassung gern mal von jemandem mit Fachkenntnissen vorlesen lassen, mal schaun ob ich jemanden finde ^^ Wenn ich es laut lese klingts gut :lol:

 

lg Torsul

Geschrieben

Danke Torsul für das Willkommen und deine ausführliche Einschätzung.

 

Ja, du hast recht - zu dem Thema gibt es kaum etwas, das noch nicht gesagt worden wäre. Freut mich zu lesen, dass mein Gedicht da wohl anderes sei.

 

Eigentlich wollte ich nicht so sehr Inneres auf die Außenwelt übertragen, sondern vielmehr oder genauer: den Kontrast zwischen beiden herstellen (schöne, unbefangene Außenwelt, 'normale' vs. wehmütige, 'unnormale' Innenwelt). Aber v.a. wollte ich da das Gefühl von Substanzlosigkeit und Verstoßenheit aus der schönen Außenwelt zum Ausdruck bringen (kein Schatten, kein Spiegelbild, wofür übrigens meine geliebten Chamisso und Hoffmann Pate standen...).

 

Und nun zur Form... Na, ich weiß nicht... Ob dir Holprigkeiten in der deutschen Version aufgefallen wären, wenn du nicht gewusst hättest, dass es eine Übersetzung ist?... Hmm... :wink:

sehr ungebräuchliche Formulierungen und zum Teil eine sehr verdrehte Syntax

sagst du... Nun ja, das gibt's auch in meinen portugiesischen Texten... Und Letzteres - verdrehte Syntax - sieht man eigentlich andauernd in deutschen Gedichten auch (oft wegen Hebung-Senkung-Wechsel). Man siehe z.B. Brentano. Okay, da wirst du sagen "Aber Brentano, das war vor fast 200 Jahren..." Aber auch hier im Gedicht-Forum sehe ich das oft. Davon abgesehen - sag mir bitte einfach genau, welche ungebräuchliche Formulierungen und syntaktische Verdrehungen dir aufgefallen sind. Denn ich will mich auch bessern. :wink:

 

Aber du hast vollkommen recht - es ist nicht einfach, Lyrik zu übersetzen. Aber dazu ein andermal. Ich poste mal die Tage eins meiner deutschen Gedichte, einfach mal so zum Vergleich.

 

Tja, wenn ich die Technik besäße, würde ich anbieten, das Gedicht auf Portugiesisch aufzunehmen und dir zu schicken, aber... :cry:

 

Liebe Grüße,

Anna

Geschrieben

Hallo Anna,

 

Das Gefühl der Ausgeschlossenheit hast du erwischt, das hat mir ja so gefallen Formtechnisch: Ja selbst wenn es keine Übersetzung gewesen wäre, hätte ich die Form bemängelt :wink: Wahrscheinlich noch stärker, weil ich eine Übersetzung als viel schwerer betrachte als ein normales Alltagsgedicht. Brentano hatte wohl wirklich eine andere Sprache als wir heute, da hat sich einfach sehr viel getan. Dass du das bei uns aber auch siehst... ich denke der Reim ist für die meisten syntaktischen Drahtseilakte verantwortlich (Das Metrum, also Hebung und Senkung, spielt natürlich auch eine Rolle, aber das ist meist leichter harmonisch einzubinden). Aber das muss nicht sein, ich finde ein Gedicht formal dan gelungen, wenn sich die Sprache in die Wortmelodie einfügt, nicht wenn ich sie mit nem Schraubstock verbiege bis es passt.

 

Da du es genau haben wolltest, greife ich hier mal die Zeilen raus:

 

Am Tag, da du gingest fort,

auf die Straß’ ich ging sofort;

draußen war viel Sonnenlicht

– meinen Schatten sah ich nicht.

Vers 3 und 4 sind in Ordnung, so soll es sein, dass der Reim und die Sprachmelodik passt ohne, dass die Syntax verändert wird. Vers 1 und 2 hingegen leiden arg. Zum einen wirkt die Wiederholung von "ging" nicht gut, zum anderen müsste rein Grammatikalisch "Am Tag als du fort gingest" heißen. Wobei ich das auch nicht melodisch finde. Letzendlich müssten die Zeilen wohl äußerlich stark verändert werden. Eine passende Alternative will mir aber gerade auch nicht einfallen.

 

In der Welt, vor Schnee erbleicht,

der Passanten Fuß so leicht

knirschte laut auf der Eisschicht

– mein Fuß, schwer, der knirschte nicht.

Das hier ist wieder etwas besser, wobei "der Passanten Fuß so leicht knischte auf der Eissicht" so wohl auch nie gesagt werden würde. Hier fällt mir eine Alternative mit Enjambement ein:

In einer Welt, vor Schnee erbleicht,

knirscht der Passanten Fuß so leicht

laut auf der glatten Eisesschicht.

- nur mein Fuß, der knirschte nicht,

Auch das ist vielleicht keine Formulierung, die alltäglich ist (aber das wollen wir ja auch gar nicht), aber es ist den Regeln unserer Sprache einfach näher und hat eine flüssigere Metrik.

 

Fensterscheiben, Spiegeln gleich,

zeigten sich an Bildern reich:

Menschen, Tiere, Stock und Stein

– nirgends war mein Widerschein.

Hier hab ich mal nichts zu bemängeln Ein "Doch" zu beginn der letzten Zeile ließt sich mMn etwas besser. Aber muss man nicht machen.

 

Ganz wie eh’ die Welt doch war

(wie bizarr, wie sonderbar…),

unverändert sie bestand

– mich, Anomalie markant,

hat sie wohl nicht mehr erkannt…

Hier holpert Vers eins, man könnte da folgendes machen:

Die Welt, wie sie schon immer war

(so bizarr und sonderbar)

Den Einschub mit der Anomalie, hier nicht als letzten Vers wie bisher, empfinde ich als guten Abschluss. Die letzte Zeile holpert aber wieder etwas, ich würde "hat mich wohl einfach nicht erkannt" drauß machen.

 

lg Torsul!

Geschrieben

Wir haben im Deutschen (auch im Latein, Russ, etc....) den ungemeinen Vorteil, dass unsere Fälle (Gen,Dat.) ganz klar einen Unterschiedlichen Wortlaut haben. Das lässt natürlich gebenüber zB. dem Englischen oder Französischen verdrehte Syntax zu. Ich finde in deinen Gedicht, Anna, keine Wendung, die für Deutsche Lyrik ungebräuchlich wären (über die Metrik kann man streiten).

 

Richtig, ich verstehe Portugiesisch nicht, komm aber durchaus mit Latein ganz gut zurecht. Und da ich die übersetzung dazu haben, wird es mir nicht allzu schwer fallen, auch die Orginalfassung zu lesen.

 

 

Liebe Grüße

 

Baz

Geschrieben

Vielen Dank nochmal, Torsul, für deine Ausführlichkeit und Vorschläge. Eine ausführliche Antwort meinerseits schicke ich so bald wie möglich (hoffentlich morgen Abend). Für den Moment nur so viel:

 

Ich glaube, wir haben hier weniger mit Übersetzungsproblemen und sprachlichen 'Verdrehtheiten' zu tun, als mit einer Geschmacks- und Meinungsfrage... Da, wo du grammatische/lexikalische Probleme siehst, sind ja keine, sondern Altertümelndes und/oder Übliches in der Lyrik-Sprache und/oder – das gebe ich zu – Eigenheiten... Ich liebe z. B. altertümelnde Sprache, genau so wie ich sehr viel Wert auf Metrum lege. Formelle Aspekte wie diese sind in konstantem Wechselspiel mit dem Inhalt, der ausgedrückt werden soll, immer hin und her... Dahinter steckt ein Konzept, das dem der deutschen Romantiker verpflichtet ist. Man könnte fast sagen eine Poetik, aber es ist eher eine Art Therapeutik.

 

Liebe Grüße,

Anna

Geschrieben

Guten Abend zusammen!

 

@Baz: Ich finde der Punkt mit den streng definitern Fällen und unterschiedlichen Wortlaut in der deustchen Sprache macht doch eine verdrehte Syntax und grammatikalische Ungereimtheiten (gerade für nicht Muttersprachler, auch wenn ich da einige hier geborene Spezialisten kenne :mrgreen: ) gerade möglich(er). Die Engländer finde ich sprachlich viel freier :-k Wobei meiner Meinung diese Freiheit wie auch unser Reglement beides seinen ganz eigenen Charm und Reiz hat.

 

@Anna: Hum ich denke nicht, dass das so eine große Geschmacksfrage ist, wenn dann vielleicht Ansichtssache, aber ich denke, dass mir viele Deutsch-Lehrer zustimmen würden :wink: Altertümlich finde ich dein Werk ehrlich gesagt gar nicht :-k Das ist wie diese "Technik" statt "ging" "gingest" zu verwenden, das wirkt einfach eher nach dem falschen Fall, statt altertümlich. Wenn ich wirklich Althochdeutsch (oder zumindest Mittelalterlich angehaucht) verfassen möchte, dann gehört da meiner Meinung nach noch ganz andere Sachen und Formulierungen dazu, als nur den grammatikalischen Fall zu wechseln. Ich bin ja eigentlich nicht der Freund von orthografischem Perfektionstrieb und wenn ich manche Interpunktionsdebatten lese, frage ich mich auch, ob die Leute nichts wertvolleres an einem Gedicht gesehen haben, aber Passagen wie "der Passanten Fuß so leicht knischte auf der Eissicht" sind einfach wirkliche Stellungsfehler im Satzbau (egal ob absichtlich oder unabsichtlich). Klar kann man das als Stilmittel verwenden, empfinde ich aber als keinen sonderlich schönen oder kreativen Kunstgriff.

Ich möchte das Gedicht gar nicht so zerreden, ich hoffe du nimmst mir das nicht krumm!

 

lg Torsul

Geschrieben

Nein, Torsul, ich nehme das ganz und gar nicht krumm. Im Gegenteil, auch hier weiß ich dein Engagement zu schätzen. Aber wir sehen die Sache z. T. wirklich etwas anders. Ich fange hier mal an, meine Perspektive darzulegen, und zwar von hinten nach vorne:

 

Du hast recht – Formen wie 'gingest' anstatt 'gingst' macht einen Text nicht altertümlich. Das ist aber nicht mein Anspruch. Mein Anspruch ist nach dem Altertümelnden, also nach dem altertümlich anmutend. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Und obwohl gerade mittelhochdeutsche Dichtung (und Sprache) mir immer wieder Inspirationsquelle ist, ziele ich eher auf eine Sprache, wie sie – sagen wir – vor 150-200 Jahren gesprochen wurde. Aber ich bin dessen bewusst, dass ich keine Texte schreiben kann, wie sie vor 150-200 Jahren (oder gar im Mittelalter!) geschrieben worden wären, weder in meiner Muttersprache und schon gar nicht im Deutschen! Dafür haben sich diese Sprachen seit dem zu sehr verändert (vielmehr als z.B. das Englische). Ach, ich gebe zu, wenn ich Tieck oder Hoffmann oder meinen Landsmann Machado de Assis lese, muss ich immer wieder seufzen vor Entzücken über die Schönheit ihrer Sprache (und den Inhalt dahinter auch, wohlgemerkt) und vor süßer Trauer, dass ich nicht fähig bin, so zu schreiben... Aber so sind nun mal Ideale und Vorbilder, die kann man nicht verwirklichen, und deshalb die Lust am Altertümelnden, also eine Art Imitation. Deshalb eben so ein Vers wie "Am Tag, da du gingest fort", anstatt "Am Tag, als du gingst fort / fortgingst".

 

Was ging/gingest angeht, da liegt bei dir übrigens wohl eine Verwechslung vor – hier geht es nicht um Kasus (bei Nomina), sondern um Konjugation (bei Verben). ('Tschuldigung, in einem anderen Leben war ich wohl Sprachwissenschaftlerin... Und in wieder einem anderen Leben war ich wohl Lehrerin...).

 

Übrigens ist die Konjunktion 'da' anstatt 'als' in dem Vers überhaupt nicht falsch. Sondern bloß weniger üblich. Aber üblicher als man eigentlich denkt. (Siehe man z.B.: "Unsere Arbeiter sind noch genauso produktiv wie an dem Tag, da diese Krise begann." in: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,602483,00.html).

 

Zur verdrehten Syntax schreibe ich vielleicht morgen was. Aber hier schon mal ein ganz großes Dankeschön dir, Baz, dass du mich in Schutz nimmst... :wink:

 

Mich würde übrigens interessieren, Baz, welche metrische Probleme du in meinem Gedicht siehst und auch was du überhaupt zur Übersetzung sagst, nachdem (falls) du sie mit der portugiesische Fassung verglichen hast.

 

Liebe Grüße,

Anna

Geschrieben

Oh mit der Konjugation hast du mich erwischt, ich bin ja, wie gesagt, eigentlich nicht der Grammatikverfechter :oops: Und das "da" stört mich keinesfalls! Könntest du mir vielleicht mal ein Beispiel von Tieck oder Hoffman zukommen lassen (ich befürchte Machado verstehe ich eh nicht :wink: )? Einfach um zu wissen um welches Vorbild wir hier reden :-k

Ich glaube letzendlich läuft es darauf hinaus, das wir uns über dem Altertümelnden uneinig sind :lol:

Zu der verdrehten Syntax muss ich sagen, dass es mir bei meinem Paradebeispiel "der Passanten Fuß so leicht knischte auf der Eissicht" gerade wie Schuppen von den Augen gefallen ist, dass "so leicht" sich auf den Fuß bezieht, nicht auf das knirschen x_X Ich glaube dazu musst du nichts mehr schreiben - ich sollte nicht mehr so spät posten :/ Entschuldige!

 

lg Torsul

Geschrieben

Hi Torsul

 

Zu der verdrehten Syntax muss ich sagen, dass es mir bei meinem Paradebeispiel "der Passanten Fuß so leicht knischte auf der Eissicht" gerade wie Schuppen von den Augen gefallen ist, dass "so leicht" sich auf den Fuß bezieht, nicht auf das knirschen

 

Das ist aber wohl mein Fehler gewesen - ein paar Kommata hätten wohl das Missverständnis vermieden und es wäre auch konsequenter gewesen, die hatte ich ja im vorhergehenden, vom Bau her ähnlichen Vers "In der Welt, vor Schnee erbleicht,". Die Kommata stehen aber jetzt auch in "der Passanten Fuß, so leicht,". Da sieht man, dass ein paar Kommata zu viel oder zu wenig doch was auswirken können...

 

Und ich hatte eigentlich gedacht, du meinst mit verdrehter Syntax die Tatsache, dass in vielen Versen (nicht nur der obige) das Prädikat an ungewohnter Stelle kommt, nämlich nicht als 2. Satzglied, wie das sich für einen 'korrekten' deutschen Haupt-Aussagesatz gehört, sondern als 3. oder noch weiter runter im Satz... Denn ich muss sagen, das gefällt mir selbst langsam nicht so... Und so viel verdrehte Syntax habe ich in meinen Originalversionen doch nicht, musste ich nachträglich feststellen...

 

Ich danke dir also sehr für diese Diskussion, die hat mich zum Nachdenken gebracht.

 

Noch ein paar Teilantworten/Kommentare:

 

Mit dem "da" im 1. Vers/Titel "Am Tag, da du gingest fort" hatte ich schon so verstanden, dass du da ein Problem siehst, weil du geschrieben hattest:

 

zum anderen müsste rein Grammatikalisch "Am Tag als du fort gingest" heißen

 

Zur 3. Strophe hattest du geschrieben:

 

Ein "Doch" zu beginn der letzten Zeile ließt sich mMn etwas besser

 

Und ich schätze, das hast du bei allen Strophen empfunden, da du auch für die 2. Strophe Folgendes vorgeschlagen hast:

 

- nur mein Fuß, der knirschte nicht,

 

Das stimmt, bei allen Strophen hätte die jeweilige letzte Aussage irgendein adversatives Wörtchen enthalten können. Tun sie aber nicht. Das war zunächst eine Notwendigkeit, als ich die portugiesische Fassung schrieb, das 7-Silben-Schema würde bei einigen Versen gesprengt werden, die betroffenen Verse wären dann 8 Silben lang... Und ich bin da ziemlich strikt... Und stehe auch dazu. Das heißt, ich hätte dann auch die anderen Verse zu 8silbigen Versen machen müssen, wozu ich keine Lust hatte, denn dann hätte ich sie ganz neu schreiben oder irgendwelche Füllwörtchen einfügen müssen (und ich finde, Füllwörtchen können ein Gedicht ganz schön vermiesen - im mittlerweile berüchtigten Vers "der Passanten Fuß, so leicht" ist das "so" nur da wegen der Silbenanzahl, was ich echt doof finde). Wie dem auch sei, es war zunächst eine Notwendigkeit. Aber dann hat es mir so gefallen, eben weil das erst mal ein wenig Irritation verursacht (man erwartet ja ein 'aber', 'doch', 'nur' oder so). Deshalb aber auch der Gedankenstrich und die Einrückung der betreffenden Verse - die bei mir meistens irgend eine Art Bruch im Textfluss signalisieren.

 

So und dann zu Tieck, Machado & Co., da mache ich mal eine Auswahl und schicke sie dir, wohl am besten als PM(?).

 

Liebe Grüße,

Anna

Geschrieben

Hallo Anna

 

Zuerstmal muss ich gestehen, dass mir die Disskusion selber unglaublich viel Spaß macht! Die Kommata halte ich auch für eine gelungene Lösung und das Einrücken sieht ebenfalls besser aus^^ Weil ich nicht alles nochmal zitieren will, picke ich mir mal die Rosinen aus:

 

Ich danke dir also sehr für diese Diskussion, die hat mich zum Nachdenken gebracht.

Noch ein paar Teilantworten/Kommentare:

Mit dem "da" im 1. Vers/Titel "Am Tag, da du gingest fort" hatte ich schon so verstanden, dass du da ein Problem siehst, weil du geschrieben hattest:

zum anderen müsste rein Grammatikalisch "Am Tag als du fort gingest" heißen

Zur 3. Strophe hattest du geschrieben:

Ein "Doch" zu beginn der letzten Zeile ließt sich mMn etwas besser

Und ich schätze, das hast du bei allen Strophen empfunden, da du auch für die 2. Strophe Folgendes vorgeschlagen hast:

- nur mein Fuß, der knirschte nicht,

So und dann zu Tieck, Machado & Co., da mache ich mal eine Auswahl und schicke sie dir, wohl am besten als PM(?).

 

Liebe Grüße,

Anna

 

Im ersten Vers war es viel mehr das "gingest fort", was ich als unrund empfunden habe. Der Vorschlag mit "Doch" beruht drauf, dass diese Zeile (S3V4) im Gegensatz zu den letzten Zeilen der anderen Strophen eher im Auftakt gelesen werden müsste, während ein Strophenanfang mit "meinen", "mein" & "hat" jambisch ist €: Je öfter ich das lese desto unsicher werde ich mir hier im nachinein :-k Über das Argument schlafe ich lieber noch ne Nacht :wink:. "nur mein Fuß, der knirschte nicht" habe ich vorgeschlagen, weil ich das nachgestellte Adjektiv nicht so toll fand. Bei der Verslänge bin ich auch gern streng (wobei ich 8 Silben vorziehe).

Bei den Autoren wäre PM vielleicht wirklich passender, wobei das zum Thema gehört und auch hier her könnte. Das überlasse ich dir :mrgreen:

 

lg Torsul

Geschrieben

Hi Torsul

 

Zuerstmal muss ich gestehen, dass mir die Disskusion selber unglaublich viel Spaß macht!

 

Mir auch.

 

Der Vorschlag mit "Doch" beruht drauf, dass diese Zeile (S3V4) im Gegensatz zu den letzten Zeilen der anderen Strophen eher im Auftakt gelesen werden müsste, während ein Strophenanfang mit "meinen", "mein" & "hat" jambisch ist €: Je öfter ich das lese desto unsicher werde ich mir hier im nachinein :-k Über das Argument schlafe ich lieber noch ne Nacht Wink.

 

Nee, du hast schon Recht. In diesem Vers ist eine Abfolge von 3 betonten Silben ("mein Fuß, schwer"), was den Rhythmus sehr stört. Ich muss noch nachdenken, wie ich das Problem am besten löse, ohne die Aussage, dass der Fuß schwer ist und trotzdem nicht knirscht, darunter leidet. Das ist überhaupt ein Punkt, bei dem ich mehr Übung brauche. Habe vor Kurzem erst angefangen, auf Deutsch zu dichten bzw. ins Deutsche zu übersetzen. Im Portugiesischen ist die Hebung-Senkung-Abfolge nicht von Belang, da bei uns eher eine Satzbetonung (und nicht Wortbetonung) eine Rolle spielt (außer bei der im Vers letzten betonten Silbe). Dafür spielt z.B. Liaison eine große Rolle, v.a. für die Anzahl der poetischen (im Gegensatz zu grammatischen) Silben. Interessant ist hier die Feststellung, dass – ob im Deutschen oder Portugiesischen – gerade Erscheinungen der gesprochenen Sprache für die lyrische Komposition eine Rolle spielen...

 

Nun gut, dann hier erst mal mal 2 schöne Strophen aus dem Gedicht "Sind es Schmerzen, sind es Freuden" von Ludwig Tieck, allerdings ausgewählt mehr wegen dem Inhalt als wegen der Sprache... Aber auch ziemlich interessant hier ist, dass Tieck – wie mehrere Romantiker – oft mitten im Gedicht und mitten in der Strophe die Verslänge und Hebung-Senkung-Abfolge wechselte. Hat wohl mit derer Aufwertung von Volksdichtung zu tun gehabt, womit wir wieder bei Mündlichkeit sind.

 

Sind es Schmerzen, sind es Freuden,

Die durch meinen Busen ziehn?

Alle alten Wünsche scheiden,

Tausend neue Blumen blühn.

 

...

 

So schlage denn, strebendes Herz,

So fließet denn, Tränen, herab,

Ach, Lust ist nur tieferer Schmerz,

Leben ist dunkles Grab, -

 

...

 

LG,

Anna

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