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Ein Gespräch


DerSeelenDichter

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"Setz dich ruhig auf meinen Schoß, auch wenn du es ablehnen würdest." sagte er, während man auf seinen Lippen ein leichtes Lächeln erkennen konnte. "Du bist Gott, oder?" erwiderte ich und bemerkte, wie sein Schmunzeln deutlicher wurde. Er sagte nichts. "Ich habe mir Gott irgendwie anders vorgestellt, wieso ausgerechnet dieser alter-Mann-mit-Bart-Look? Ist das nicht eher was für alte und traditionelle Katholiken?", "Oh, ich kann mir den Bart stutzen und zwei Hörner aufsetzen, wenn es dich amüsieren würde.", "Morgan Freeman fände ich sympathischer", sagte ich und wir mussten beide lachen. Ich setzte mich auf seinen Schoß. "Liebst du mich?" begann ich direkt und er musste immernoch schmunzeln. "Im Ernst, hast du deinen Sohn für mich sterben lassen, hast du mich geliebt, bevor es die Welt gab und bin ich jetzt auch so eine Art Kind für dich? Bin ich jetzt der verlorene Sohn und darf ich jetzt auch eine Party feiern, weil wir uns treffen?", "Liebst du dich denn?". Ich schwieg. Er schwieg auch. "Du glaubst doch garnicht an Gott.", "Du etwa?", fragte ich und wir mussten wieder lachen. Er sagte: "Ich glaube, dass Gott nur der Versuch ist, einem abstrakten Begriff, der die Sehnsucht der Menschen nach Sinn und Größe ausdrückt, einen Namen zu geben.", "Also bist du ein abstrakter Begriff?", "Ist doch cool, oder? Außerdem klingt es so gebildet.", "Nun, ehrlichgesagt habe ich mir abstrakte Begriffe auch anders vorgestellt.", "Ach, du glaubst an abstrakte Begriffe?" Wieder mussten wir lachen. "Und die Welt?", fragte ich. "Was ist mit ihr?", "Liebst du sie?", "Du meinst die Menschen, die dir im Grunde egal sind, oder?", "Genau die meine ich.", "Wieso willst du es dann wissen, wenn sie dir egal sind?", "Nun, vielleicht sind sie mir ja garnicht so egal.", "Warst du schonmal verliebt?" Ich schwieg. "Was hat es damit zutun?", fragte ich. "Erinnerst du dich, wie dir die Liebe erwidert wurde und du dann plötzlich enttäuscht warst?", "Ja, ein komisches Gefühl.", "Warum war es so?", "Keine Ahnung, vielleicht weil ich erkannte, dass die Welt immernoch dieselbe war und sich im Grunde nichts verändert hatte." Er schwieg. "Oh.", sagte ich. Mir gefiel das nicht. "Und was ist mit der Theodizeefrage? Und das Leben nach dem Tod? Gibt es überhaupt Moral und den ganzen Mist?" Er schwieg. "Außerdem war ich noch garnicht verliebt.", "Bringt eh nur Probleme mit sich." Ich musste schmunzeln, obwohl ich es nicht wollte. Plötzlich musste ich weinen. Ich umschlang ihn mit beiden Armen und presste meinen Kopf an seine Schulter. "Ich liebe dich", sagte ich. "Obwohl du nicht an mich glaubst?", "Genau.", "Ich liebe dich auch.", "Obwohl es dich nicht gibt?", "Genau.", sagte er.

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