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Keine Zeit für Hohe Ziele (Jugendliebe, Ohnmacht, Ideal)


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Vorbemerkung: Der Verfasser -versuchte- unparteisch dokumentierend aus dem eigenen Gedächtnis eine Entwicklung wiederzugeben, und möchte weder moralisieren, noch eigentlich belehren, sondern veranschaulichen. Um einen gemächlich dahintreibenden ruhenden Pol, Zeuge des dramatischen Geschehens ("Freund") entfaltet sich die Handlung. Das Ringen zweier Menschen, befangen in einer gemeinsamen Vorstellung, nämlich konsequent sein zu wollen, schließt jede Begegnung von vornherein aus. Mit sich selbst, mit dem jeweils anderen. Immer wieder wird die Logik durchbrochen, Folgerichtigkeit offenbart sich als eine Interpretation, die zum Kampf um die Deutungs-Hoheit über das eigene Schicksal wird. Die Gegenwart selbst, als Absicht immer auf die Zukunft verschoben, bricht ständig in alle Formen ein. Eine "Lehre" könnte sein: Das Leben ist niemals auf Dauer wasserdicht zu haben..

 

 

Unter einer alten Brücke in einer Vollmondnacht. Vom Wasser her quaken Enten und Frösche. Ein Pärchen mit einer Bierflaschenbatterie, nur ihre Umrisse sind zu sehn, manchmal während des Gesprächs das Aufglimmen von Zigaretten:

 

Er: (mit einer Zigarette zwischen den Zähnen öffnet zwei Bierflaschen) und was für ein Leben würdest du gerne führn, ischmein, wenn doch eh der Alltag..., also einfach drauf losgesagt, träumen kostet ja nichts...

 

Sie: Oh, ich sehne mich so.., ich sähne mich nach Freiheit, nach absoluter Freiheit..

 

Er: aber..dazu ist ja die ganze Welt zu klein!!! Möchtest du fliegen wie ein Vogel ?..

 

Sie: Ja! Unbeschwert, nur dasein! Fliegen! Losgelöst von aller Schwääre! ..von Leid! ..von Angst! von Forderungen, von Erwartungen anderer Menschen! All das macht mir so Angst! auch frei sein..von der Angst der anderen. Ich weiß oft gar nicht, ob ich sälber Angst kenne, ich glaube, es ist oft nur die Angst der anderen, die ich fühle, die sich wie Gewichte an mich hengt und ..ich kann nicht mehr fliegen.. Ich habe oft empfunden, daß ich schon mit jedem Bissen Brot, den ich zu mir nehme, mich schwerer und empfenglich mache für diese Angst der anderen..

 

Er: Oja, diese Welt ist voller Angst, und das tägliche Brot sicher auch...hrm..

 

Sie: Deshalb wurd' ich das, was man „ magersüchtich ” nennt.. und du? wovor hast du Angst? Sag!

 

Er: Tja, warum hat man Angst? Vernichtet zu werden ?.., mh, Nicht vor dem Tod, ...aber vor dem Sterben! Ich lebe so gerne. ( er trinkt einen großen Schluck) ...aah! ich habe Angst, einmal einfach davonzufliegen, ohne je gelebt zu haben. Und Angst vor der Angst der anderen hab ich auch! Deshalb trinke ich gerne! Damit ich so schwer werde... sooo schwer, daß ich..mmh..so wie ein Fels in der Brandung würd' ich gerne sein!

 

Sie: (lehnt sich an seine Schulter, während er die Bierflasche leert)..

 

Er: Ich finde es irgendwie schlimm, wenn man lügen muß, daß man zuweilen selbst nicht..mehr weiß, was man will,..weil man gezwungen ist, sich so oft zu verstellen. Zu viele Wünsche scheinen nur über Umwege erfüllbar zu sein. Wenn du .. zum Beispiel ein Mädchen küssen willst, mußt du ihr zwei Wochen den Hof machen (er seufzt) und dann vielleicht noch drei Abende in der Öffentlichkeit, wo sie dir jeder wegnehmen will, ..fröhlich sein und mit ihr tanzen..

 

Wenn du gerne Brot bäckst, das würde mir ja was geben, mußt du viele Jahre für weenich Geld bei einem bösen Bäckermeister Frondienste leisten, sonst ist es strafbar, wenn du dein Selbstgebackenes verkäufst. Das ist doch alles ganz schön fies und gemein! Auf den Umwegen aber vertrocknen die echten Wünsche, und. .die feineren Hoffnungen geraten in Vergessenheit. Sie fallen einem (er breitet sachte die Arme aus, in der rechten Hand die brennende Zigarette, in der linken die Bierflasche) ..nach Jahr und Tag auf einmal gar nicht mehr ein!! ..und.. Ich glaube, daß fast jeder Mensch mindestens ein Doppelleben führt! Das Berufsleben, dann das Privatleben, und schließlich die Freizeit...die Freizeit, die dann vielleicht nur noch unter der Bettdecke stattfindet ..alleine natürlich..im Traum.. wie ein.. ein Gebet, ..ein..unerhörtes,... ja! (er muß lachen, sie auch)

 

Sie: Was würdest du gerne tun, wenn du frei wärest von ..Doppel- und Dreifachläben..

 

Er: Manchmal, wenn ich nachts in Häusern, sogar in Mietskasernen Lichter brennen sehe, egal..ob auf dem Land. . oder in Städten,..wenn ich im Dunkeln noch wo Licht brennen sehe, dann denke ich, wer dort jetzt wohl ist..soviele Geschichten und Menschen, die ich nicht kenne..aber hinter diesen erleuchteten Fenstern.. vielleicht ist dahinter alles nur langweilig und trist. Weißt du, wenn man reist,.. - unterwegs bist, - ..triffst du auch Menschen, aber wenn du Pech hast, erzählen sie nichts von sich, manche haben auch nichts zu erzählen. Einige verstellen sich, erzählen dir weiß gott für ne Schaisse...Vielleicht ist das Leben auf dieser Welt öder und langweiliger als man glauben möchte! ? Manchmal glaube ich, immer am falschen Ort zu sein;- und alles, was mir Freude bereiten könnte, versäume ich. Aber vielleicht ist auch gar nichts zum versäumen da. (er öffnet ein Bier) Ich würde gerne schreiben..darüber..über das Leben, was ist, über das Leben, was nicht ist,..

 

Sie: Ach, ich versuche manchmal auch zu schreiben.. Du erinnerst mich irgendwie an Aläxis Sorbas, ich glaube, wenn du die Möglichkeiten zu so einem Läben hettest, würdest du äs führen!

 

Er: Oh, dazu fehlt mir einiges.. da hätt ich schon so aufwachsen müssen wie ein Sorbas. Oder gute Chancen, Voraussetzungen .. zum Abhauen haben müsse.. Ich bin wohlbehütet .. aufgezogen worden, wie man so sagt, .. mit allen Verboten und Ängsten, die eine Phantasie sich nur ausdenken kann, um sich selbst zu lähmen. Wenn ich in einem knietiefen Weiher ein Schild mit der Aufschrift „Baden verboten ” sehe, ertrinke ich gehorsam darin. Es sei denn, ich habe vorher paar Bier getrunken. Und die meisten meiner Froinde sind auch nicht anders, haben aber ein größeres Maul.

 

Sie: Scheem dich! Du kannst bestimmt gut schwimmen... du hast mir mal erzählst, du seist im Atlantik, in der Ägäis getaucht und geschwommen!

 

Er: Ja, aber das war gefährlich, harmlos zwar, aber wenn mir jemand Angst gemacht hätte, mir wäre bestimmt 's Herz stehengeblieben.

 

Sie: Du bist süüß, du!

 

Er: Da im Mobbelweiher, drüben bei Senkelstädt, da fürcht' ich mich nicht, da liegts an mir, und nicht am Haifisch oder am messerscharfen Riff börbs.. ~

 

Sie: Du solltest nicht untertreiben, sich unter Wärt verkaufen, hörst du ?..das darf man nicht.

 

Er: Herrje, hör mir auf mit diesem Wort! Wenn ich das schon höre, „ Wert" „ verkaufen ”..

 

Sie: Das gehört im Läben auch dazu!

 

Er: ..haben dir meine Gedichte gefallen..?

 

Sie: Sie sind so, wie ich dich kenne (umarmt ihn) sie sind einfach „Du"!

 

Er: ..die werden sich sicher nicht so leicht..verkaufen lassen.. vielleicht bringt ja das Studieren paar Inspirationen..

 

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Vorhang

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Es war einmal: Inmitten einer hochmodernen posttristessen frischen Betonsiedlung, an einem heißen Sonntagnachmittag, auf der Bühne eines dieser ungemütlichen Eiscafés, wo solche winzigen Wackel-Tische und Stühlchen als wackliger Notbehelf zum Hinsetzen manchem das Gefühl geben, lieber ordentlich zu stehen, wenn man es nur dürfte. Dort hält ein jüngerer Mann namens Raphael seinem Freund folgenden Monolog:

 

Freund: ..pfü, recht heiß heute, gell..

 

Kellner: Kennschen Gaffee, sweimaa?! Sooo!

 

Raphael: ..Melanie ist ein feuriger engagierter Mensch! Sie liebt mich, ja! Es ist eigentlich wundervoll für mich! Trotzdem bin ich traurig!

 

F: Ja, aber warum denn?

 

R: Ja, ich müßte eigentlich stolz sein, wo doch mancher von solchen Frauen nur zu träumen wagt! Eine Frauu, -verstehst du?- die durch und durch Echte, ja!, das Echte will, und alle Halbheiten ablehnt!

 

F: Also, wunderbar! Du warst doch selbst schon immer gegen das Gekünstelte und die Heuchelei.. .oder, gegen den exklusiven Schein, oder. .gegen ängstliche Ausflüchte aus Angst vor Mißverständnissen, ..

 

R: Sicher, nur, ich frage mich im Augenblick immer öfter, ob sie recht hat! Ob sie recht hat, wenn sie sagt.. wenn sie sagt, ich müsse meinen inneren Schweinehund bekämpfen lernen und für das Tatsächlich Wichtige im Leben eintreten. Sie spricht von der Unbestechlichkeit einer hundertprozentigen Verantwortung, die man der Welt gegenüber habe, und die man,wenn man ein Mensch von Güte im Sinne von Qualität sein will keine Sekunde vergessen dürfe. Wenn ich das höre, fühle ich mich mit meinen Schwächen konfrontiert, wo ich an mir selbst, und so, vielleicht noch hart arbeiten muß. Eigentlich ist das doch toll!

 

F: Mh, denk an den Witz mit der Wahrsagerin, die ihrem Klienten verrät, in seinem Garten sei ein Schatz vergraben, und er sei nur dann zu finden und zu heben, wenn man beim Graben auf keinen Fall an ein Nilpferd denken tät. Wie 's dem armen Kerl gegangen ist!

 

R: Sie sagt, Konsequenz sei wichtig, gerade nach all den Erfahrungen meines Scheiterns bei halbherzigen, an sich positiven Projekten mit immerhin hohen Zielen. .Naja.. Jetzt arbeite ich zwar hart an meinem Studium, dennoch ruhe ich mich gerne aus. Ja, ich ruhe mich auch verdammt gerne aus! Und ich habe immer das Gefühl, daß mir beim Ausruhen die besten Gedanken kommen würden, wenn ich nur dieses Ziehen im Bauch nicht hätte, diese permanente Beunruhigung, daß ich soviel gute Ideen haben könnte, wenn ich mich nur nicht ausruhen würde. Aber oft frage ich mich, ob das Ausruhen nicht doch wichtig ist, vielleicht kämen mir viele Inspirationen, wenn ich mich sooo lange ausruhen würde, bis dieses Gefühl im Bauch.. diese Angst vor dem Ausruhen...eben nicht mehr da ist.

 

F: Ja, siehst du! Wie der mit dem Schatz und dem Nilpferd, woran er nicht denken darf ..

 

R: Neulich wurde mir bedrückend schwindelig, als ich im Park auf der Wiese liegend, mir versuchte, zu gönnen, das Ziehen der Wolken zu betrachten. Es waren wunderbar weiße Kumuluswolken am Himmel! Ich ertrug es nicht, das hatte ich noch nie... ich konnte nicht mehr loslassen ..um das zu genießen... ich .. mh..

 

F: ..seltsam ..es kommt mir vor, als wolltest du jetzt auch noch das ausruhen .. trainieren..?

 

R: Sie aber lacht mich aus und sagt, das sei kindisch und Menschen, die große Inspirationen hatten, hätten sie nie und nimmer im Bett gekriegt oder auf einer Wiese. Und wenn, dann nur in einer kurzen Zwischenpause: Eines arbeitsreichen und erfüllten Lebens. Und gewiß, sagt sie, hatten diese mit der Inspiration beglückten Menschen dann aber sofort wieder Bett und Wiese verlassen, um ihre Inspiration in schweißtreibende Taten umzusetzen. Alles andere anzunehmen wäre kindisch. Und ich habe echte Angst, daß sie Recht hat. Dann wäre echte Lebenserfüllung nur im Fleiß, Fleiß, Fleiß zu finden, und wehe, die Kraft erlahmt einmal und das erreichte Niveau an gewohnter Regsamkeit und Rastlosigkeit kann nicht mehr aufrecht erhalten werden! ?

 

F: (stirnrunzelnd und sehr bedächtig) Tja, aber du sprachst vom Echten, was sie sucht. Ist das für sie nur Höchstleistung? (schlürft am Kaffee) Ja, blinde Erfüllung allgemeiner Normen, im unhinterfragten Selbstverständnis der momentanen Moden? Eben unter anderem die sozial gesellschaftliche Brauchbarkeit eines Menschen? Brauchbarkeit? „für die Welt ”? Welche.. Welt? Gib acht!

 

R: Das ist es ja, was mich so verunsichert! Nun, meine Kunst, ich nannte mich doch nach drei Gläsern manchmal einen „Dichter”. Da, wegen der fünfzehn Gedichte, die ich geschrieben hab, wovon nur ein einziges Reim und Versmaß besitzt. Ich hab mich oft als wie ein Dichter gefühlt, auch ohne drei Gläser! Und auch ohne zig Meisterwerke vollbracht zu haben! Ich, hrm, ich war mir sicher, so etwas wie ein Poet zu sein, und nicht etwa Arzt oder Kfz-Mechaniker oder meinetwegen Landwirt. Manche fühlen doch in sich den Arzt, den Mechaniker, den Anwalt.. bevor sie 's richtig geworden sind! Könnte doch sein?.. Bin ich Poet? ?, mmh.. Aber mir erscheint das jetzt gelogen, ja banal, kindisch, fast wie ein Minderwertigkeitskomplex..Es ist erbärmlich! Weißt du.. es gibt professionelle Autoren, die überlassen in der Kunst nichts dem Zufall, wenn ich von Inspiration nur reeede, die lächeln, mitleidig.. und ..

 

Seit ich Melanie als Geliebte habe, viel lerne und lese, im Studium erfolgreich bin, es mir prinzipiell nicht mehr beschissen geht, ist jedes Gefühl schöpferischer Gewißheit, schon dieser Ausdruck mir jetzt klingt bescheuert, versiegt. Ich habe zwar nicht das Recht, mein augenblickliches Leben zu beklagen, doch.. hätte ich dieses Recht, würde ich bekennen dürfen: Es geht mir schlechter als je zuvor, schlechter als in den Zeiten, als es mir noch schlecht ging. Als ich ziellos war und meistens keine klar definierten Lebensaufgaben hatte, verstehst Du?

 

F: Ich geb mir Mühe..

 

R: Und all das macht mir echte Angst, unergründliche Angst!

 

F: Ich spüre eine große Unruhe in dir, so unsicher kenn ich dich kaum. Fast, als wärest du gerade aus dem Kittchen ausgebrochen, und würdest ein Versteck suchen, oder so.. (lächelt ernst)

 

R: Denn ich bemühe mich doch nun wirklich und meine Lebensumstände sind ein sicheres Fahrwasser, meine Motive ehrlich.. Begehre ich etwa gegen Melanie und ihre disziplinierte Lebensweise auf? Habe ich etwa kindische Ressentiments gegen die Herausforderung, das Abenteuer eines richtigen und ehrbaren Lebens zu wagen? Und warum... habe ich auf einmal gar keine, wirklich gar keine Phantasie mehr?

 

F: Oh, Du erscheinst mir aber wirklich sehr verkrampft! Glaubst du wirklich, daß diese Melanie dich liebt und dir Seelenkräfte entbinden kann? Dein Zustand ist beängstigend beengend! Meinst du nicht..

 

R: Siehst du, hua, auch du spürst es schon, wie sehr ich darunter leide, die alten Illusionen nicht mehr als Aufputschmittel oder als Droge zur Verfügung zu ha..

 

F: Warum denn Illusionen? Du träumtest dich als Dichter, ein Traum der wachsen könnte, sich, wie man sagen könnte, entwickeln würde und..

 

R: Ich möchte aber nicht zurück! Ich möchte mir nichts vormachen! Wahrscheinlich hat Melanie recht, ...

 

F: Hör doch mal zu, es gibt Desillusionierungen, die gibt es ..

 

R: ..wenn sie sagt, daß ich nie Phantasie hatte, daß ich in allem ein Rohling bin, daß ich lernen muß, als Grundlage ein solides Leben zu führen, ...

 

F: ..es .. hrm.. es gibt Desillusionierung und Enttäuschung, der Traum, Dichter zu sein, geht tiefer, er kann doch in dir wachsen, inmitten von Enttäuschung, Frust, Schmerz, Ängsten.. im Studium meinetwegen sogar ..einfach dran bleib..

 

R: (unterbricht in heftig).. jaja, meinetwegen, ein solides Leben aber, verstehst du denn nicht?, ..damit wahre Kreativität bei mir überhaupt einsetzen kann.. (er breitet theatralisch die Arme aus) Wenn ich bedenke, wievieles andere in meinem Alter- eben echte, echte Poeten, Autoren- ..schon geschrieben haben! Und das wird gekauft! Falls Begabung bei mir vorhanden war, wurde sie durch die falsche Erziehung und üble Kindheitsbedingungen zwar, später aber von mir selbst durch üblen Lebenswandel aufgerieben. Das fehlt mir heute. Man kann sicher jetzt noch etwas reparieren! ..Aber Illussionen? Ich möchte sie nicht mehr! Bedenke: Jeder würde mich insgeheim belächeln und bedauern! Und ich müßte dieses Lächeln für Wohlwollen und Anerkennung halten! Jeder wüßte um meine Verblendung gegenüber meinen handicaps, außer mir! Ich würde herumschweben, immer drei Zentimeter über dem Boden, .. und jeeeder andere wüßte.... wüßte um meine geistige Impotenz! Jeder, jeder, außer mir! Glaube mir, so sind die Menschen! Melanies Aufrichtigkeit ist eine meiner letzten Chancen.

 

F: Die letzte!!!? (mimt den Erschrockenen), oh mein Gott, und danach?

 

R: (schwitzend und wild) Und nutze ich sie, diese letzte Chance: Vielleicht gerade dadurch nicht die allerallerletzte.. !!

 

F: Ho, du hast dich wohl für die Personifikation eiserner Strenge und für radikale Disziplinierung, auch der Gefühle entschieden, und jetzt quälen dich lauter, lauter Gefühle, früher warst du .. manchmal cool, aber ohne für extra drauf machen zu wollen, lustig, verzweifelt manchmal, zwar, dann wieder locker, flockig, gelöst.. hör mal.. duu.. (er runzelt die Stirne..)

 

R: Ich fühlte mich meiner zu sicher, das war eine trügerische Lockerheit, ich brauche vielleicht erst einmal sogar .. ja.. Druck.. und eingebettet in eine zuversichtliche ganz neue Lebenseinstellung.. viel Disziplin,...

 

F: .. und meinst, du habest dich in sie -in der Gestalt einer Frau- verliebt! Das ist nicht ungefährlich, denn die Frau selber siehst Du nicht mehr. (er grinst Raphael wohlwollend an und hält die Untertasse in der linken, die Tasse in der rechten Hand) Aber ... (seufzt, legt den Kopf zurück, schaut zum Himmel) ..das gibt es sicher oft, so trägt sich zum Beispiel das Bürgertum ....blind füreinander und leistungsstark... Wie hast du sie kennengelernt?

 

R: Ach, das ist unbedeutend. Ich kam von meiner einjährigen Skandinavienreise zurück, war fast pleite, arbeitete in einer Tütenchipsfabrik und soff an so einigen Wochenenden mal...

Ich gestand ihr pathetisch übertrieben, daß ich ein halber Alkoholiker sei. Ich wollte ehrlich sein, aber sie bewunderte mich trotzdem. Tja, das war damals. Romantik und Illusion. Heute..heute aber .. (breitet pathetisch wieder die Arme aus)..

 

F: Ouweh! Ouwouwouw! Wärst du doch ein bunter, halbtrunkener Teppichhändler, meinetwegen ein Schlitzohr geblieben oder sowas! Ich fürchte, wenn du ihr ungreifbar und unbegreiflich geblieben wärest.. und .. (lacht laut auf) ..hahahaaarrr .. und dir selber ein Rätsel dazu.. Was mußtest du auch jetzt zu studieren anfangen? Ähnlich zudem, wie sie auch? Du siehst in -ihr- die Personifikation der Disziplin, -du- bist für sie jetzt der innere Schweinehund, den sie zu bändigen sucht! Schade um Eure Leidenschaft. Echt schade.. (starrt wie gebannt ins leere)

 

R: Du meinst doch nicht etwa..

 

F: Es wird sich bestenfalls um Wochen handeln.. wenn das so festgefahren bleibt, .. ich kenne zumindest dich, und.. Einseitigkeit, pure Disziplin, konzentriert kleinster Fokus ist ein enger Horizont.... das hast du nämlich nie lange ausgehalten.. und deine Natur, deine triebhafte Naivität wußte in dir .. warum .. also, was .. wie soll ich sagen.. (seufzt hilflos auf)

 

R: Aber wir, sie, ich, wir wir könnten versuchen, ..die Leidenschaft! Sie umzuwandeln und und..oder ? ? ?

 

F: O, dann kann es traurige Monate, Jaahre dauern und dir fällt nie im Leben mehr etwas ein.. willst du dich in einen armen Schweinehund verzaubern lassen?

Wir möchten zahlen..?

.. der Dichter würde eine Illusion.. für immer gewesen sein ..

 

R: Oh, aber das klingt furchtbar. Ich kann 's nicht glauben... neinnein..

 

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Vorhang

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Wochen später, im selben Eiscafé, fand die Fortsetzung des raphaelischen Monologes statt:

 

Freund: Nun, du hast schwarze Ringe unter den Augen! Was macht das Studium? Und wie geht es der Froindien? Lohnt sich der Aufwand, der dich offensichtlich sehr mitnimmt, mh?

 

Kellner: (Stimme aus dem Inneren des Cafés): Kennschen Gaffee, jaa?

 

Raphael: Ja, auch einen Kaffee! -Was? Auf der Terrasse nur Kännchen? -Na, gut! -Was? Ja, sicher, ein Kännchen. Entschuldigung! ... O, frag besser nicht! lm Augenblick ist alles beschissen!

 

F: Sag bloß nicht, ihr hättet Streit! ?

 

R: Ja wenn es ein greifbarer Streit wäre, wo es ein echtes pro und contra gäbe..

 

F: Wie ich dich kenne, bekommst du also contra in die ungedeckte Flanke? ..wie immer.. (kichert)

 

R: (nickt)

 

F: Und möchtest dich nicht wehren? .. du weißt nicht mehr, wie? .. stimmts? ..bist du noch du selbst? ..oder hast du dichtgemacht..? .. staut sich da nicht was an, in dir ? ?

 

R: Gut, es gab erbärmliche Streits, ich weiß gar nicht mehr den Hergang .. wie immer nach so was.. Es ist ungefähr so: Ich liebe Melanie zwar und ich achte sie sehr. Ich weiß aber nicht exakt, wo die Grenzen ihrer Übertreibungen liegen! Ähnlich wie auch ihre Frau Mamaa sagt, ... kann ich ihr ja das Arbeiten nicht verbieten!

 

F: Oh, ihre Frau Mamaa?! - Mag dich ihre Familie??

 

R: Äh, wass? Ärm, .. also.. es heißt, also sie sagt .. die Eltern würden mich für einen ganz netten Kerl halten, der sich echt bemüht, und im übrigen aber wollten sie ihre keine Einmischung bereiten, es hieße immer, sie solle sich ganz alleine entscheiden, ährm..

 

F: fffffffhh (zieht die Luft zwischen die Zähne ein)

 

R: Weißt du, sie hat jetzt gerade zwei Wochen Ferien..

 

F: Ach! ..und du bist nicht bei ihr? ?..

 

R:.. und sie wollte, ..sie ist noch so schön jung, voller Leben, - mit mir unbedingt die ganze Zeit als Urlaub verbringen! Auch an Ersparnissen dazu hatte es weder ihr noch mir im Augenblick gemangelt! Nicht mal das! Aber sie meint, sie müsse sich jetzt selbst demonstrieren, daß sie auf nichts und niemand angewiesen ist. Sie möchte sich selbst ein Exempel statuieren irgendwie..

 

F: Gib 's zu, du wirst sie verletzt haben!

 

R: Nein!

 

F: Du weißt es mal wieder nicht mehr, oder hast es überhaupt nicht bemerkt!? Sag?

 

R: Oh, ich war sehr fröhlich und ausgelassen, als ihre Ferien näherrückten, vielleicht war ich ihr zu zuversichtlich und meiner Sache zu sicher, aber das ist doch schlimm! Sie rief gleich an, in der Nervenklinik da, wo sie schon öfter als Aushilfe war, gleich einen Tag nach meinem Besuch bei ihr, wo wir uns den Urlaub in hellen Farben und so...

 

Kellner: Eh, Kennschen Gaffee!!

 

R: Ja, danke, weil meine Ferien später anfangen, schlürf, weil meine Ferien später anfangen, hab ich also blau gemacht, kann ich mir leisten, bin ja gut dabei im Studium, trotz meiner ..meiner Leidenschaft.. bin also mit dem Zug hierhergekommen und stehe bei ihr vor der Tür. Da jedoch heißt es also, sie müsse erstmal 'ne Woche arbeiten und dann sei sie auch mal so richtig für mich da. Denkste, nach drei Tagen, wo ich ziemlich frustriert in ihrer Wohnung rumsaß, kam sie, und sagte mir feierlich und streng, daß sie die restlichen Ferien inklusive Wochenenden nun auch zugesagt hätte, freiwillig, alle in der Nervenklinik seien ein Fän von ihr, und es mache ihr einfach Spaß und sie sei glücklich..

 

F: Ist 's wahr!!! oh gott! ... Personalkosten, billige studentische Aushilfskräfte sind da gefragt, klar (er kratzt sich am Kopf) .. und sie ist sicher tüchtig, motiviert.. die ließen sie dort nich gehn, oder so?

 

R: Was weiß ich!? Wie zur Steigerung schloß sie ihre Wohnung ab, und sagte echt, .. sie schlafe die Ferien bei ihren Eltern, weil 's von da nicht so weit zur Klinik sei. Mensch, als ich sie dort besuchte, da hatte sogar die Mutter ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Arbeitsfreude.. und so ne besorgte magere Miene.. sie aber lachte uns beide nur aus..

 

F: .. na.. okee. Und jetzt?

 

R: Ei, ich soll sie nicht besuchen in dieser Zeit. Sie brauche da jetzt schon viel Schlaf, Erholung, Zeit für sich .. Die Arbeit sei ein selbstauferlegter Kurs, wo sie glaubt, besser für ihren künftigen Arztberuf trainieren zu können. Ich soll es als Probe sehen und tolerant sein, sagt sie. Vielleicht ist sie mir über an Zielstrebigkeit und Willenskraft. Ich schäme mich schon irgendwie jetzt für mein hrm.. Liebesverlangen und will sie nicht aus ihrer Bahn werfen, verstehst du..

 

F: Nein ..

 

R: Aber verbiete mal jemandem engagierten Einsatz, verbiete mal jemanden gute Werke zu tun. An sich zu arbeiten. Zu lernen. Sich zu entwickeln..

 

F: Oh, gute Werke gibt es zu tausenden, immer wieder, und immer viieel der Arbeit.. verknallt.. (seufzt).. verknallt aber ist man nur selten im Leben, vorausgesetzt allerdings.. (er schaut bekümmert Raphael an..)

 

R: Hör auf, sie sagt sogar, (verquält strahlend) meine Liebe zu ihr gäbe ihr noch mehr Kraft und Freude, selbstlos zu arbeiten..

 

F: ..aber du gehst leer aus..

 

R: Du sagst das so selbstverständlich. Ich würde mir so gern selbst ein Urteil dazu bilden, aber ich bin zu verzweifelt, weil ich mich nicht entscheiden kann, ob da was nicht stimmt an ihrem Verhalten, oder ob das wirklich einfach ihre Art ist. Oder was ich falsch mache, ..Sie sagt, ich soll ihre Stärke annehmen, und selbst früh zu Bett gehen und mich auch von meinen schäbigen alten Freunden trennen.. !

 

F: Tust du 's?!

 

R: Ach, ich mache halt jetzt alles blau. Heut abend geh ich wieder saufen! Ich hatt' mich doch so auf sie gefreut, ich steck das nicht so einfach weg.!

 

F: Was hält sie denn so von m i r ?

 

R: Oh, du seiest mir weit überlegen, nur, du hättest auch eine starke Hand vonnöten, die dich führt.., deine sei Souveränität eine trügerische, da deine Begabungen so nicht voll erschlossen würden..

 

F: Oh weh, naja, dir stimmungsmäßig überlegen zu sein, ist im Augenblick nicht schwer, äh, hallo, ja, bringen sie uns doch bitte zwei große Zapf-Bier, ja, zwei, -oder? Raphael?

 

R: (nickt)

 

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Etwas später.. in der Dunkelheit einer Gasse

 

R: ... ein neuer Stern, der am Medizinerhimmel aufgeht, .das sag ich dir, haha.. , und jetz gib doch mal zuu, eh, eeeh, nee, sag, mensch, echt, gib doch mal ruhig zuuuuu ?.. wann ist Zeithaben schon anständich und gerechtferticht.. niiiee .. es sind unsere Zeiten heute, hick, eeh, versteehste das nicht!?

 

F: .. hick.. jajaja.. schon guut, schonn guut, mensch.. gehm mir noch.. ins Helly Heaven, oda ..?

 

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Vorhang

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Ein Vierteljahr später dann, vor einer angelehnten Wohnungstür ,- hinter der gerade so noch ein Bügelbrett sichtbar ist - einer von vielen Wohnungstüren, in einem kahlen Treppenhaus, Raphael und Melanie: folgender Dialog:

 

Raphael: Melanie, Melanie Du hast mir 3 Wochen Ferien versprochen, deine Finanzen stimmen und deine Klausuren sind bestanden! Den Job in der Klinik würdest du nicht verlieren, sie alle sind dein Fän dort. Du hast es doch auch, wie man sagt, verdient! Wir hätten es verdient! Du hast laut geweint, neulich, vor Sehnsucht nach liebevoller Zeit zu zweit ohne jedes Leistungsprinzip.. und jetzt schon wieder, diese Ferien auch wieder mal, diese Bescherung!

 

Melanie: (mit der keifenden Stimme einer wilden Kreissäge, dem Tempo einer Maschinenpistole) Jaa!, Raphaäll, sooo bin ich nun mal, durch und durch nur für das Ächte zu haben. Das hab ich dir aber immer gesagt. Du hast nur nie zuhören mögen! Es ist meine Aufgabe, für die ich voll und ganz einstehe: Nämlich Ärztin zu werden und mit allen mir zu Gebote stähenden Kreften diese Tat auch zu vollbringen! Freizeit heißt Schlendrian und du dürftest in deinem Leben zu oft schon selbst gemerkt haben daß schwächliches Herumhängen suchtfördernd ist! Nach Sex, nach Alkohol, nach nochmehr Herumhängen. Überleg doch!

 

R: Aaarr!!!

 

M: Lieber Raphaäll! Ich habe dich längst durchschaut! Du kannst nichts, du weißt nichts außer deinen poetischen und philosophischen Bättlektüren! Du hast weder praktische Lebenserfahrung noch praktische Menschenkenntnis. Die aber werde ich mir jetzt erwerben, in dem ich selbstbestimmt mein Leben einrichte. Du hast nur Bücher gelesen und löblich auswendig gelernt, was drin steht. Fleißig warst du, jahahaha! Dich mit Worten geschmückt! Um die Verhinderungen deines Lebens besser anklagen zu können, um anderen und auch später mal mir dein Scheitern in die Schuhe schieben zu können!

 

R: Oh, nein, Hilfe, das ist doch nicht wahr...!...!..!

 

M: (sehr laut und scharf) Du möchtest die Schwachen in deinen Gedanken verstehn und verteidigen, weil du selbst schwach bist! Du möchtest das Verhinderte rhetorisch ummänteln, weil du stets im Leben gescheitert bist! Ich aber setze mich in der Nervenklinik für die ein, die nicht mehr schreien können! Nicht mit dummen Gelaber, was niemand liest und hört!

 

R: ....!

 

M: Ich rede! Hindernisse im Läben sind da, damit man sie überwindet, ich sälber finde sogar, daß man sie suchen sollte, statt ihnen auszuweichen, Ich hatte schon Lust auf Ferien und Urlaub, du weißt, wie bedingungslos ich mich entspannen kann, anders wie du, der sich beim Ausruhen ein schlechtes Gewissen macht! Aber ich habe die Herausforderung angenommen und mich freiwillig zum Arbeiten gemeldet. Die Leute in der Klinik sind alle meine Fäns und mögen mich, weil auf mich wänigstens Verlaß ist, Gäld ..spielt bei mir sowieso keine Rolle, aber ich nehm das natürlich auf jeden Fall auch. Nur so hat es auch mein Vater gemacht: Der Fleiß und die Zuferrlessichkait, nicht Gäld, spielen eine Rolle auf dem Wäg in värantwortungsvolle Positionen!

 

R: .. oh gott, a..aber Melanie, wo bist du nur? der Urlaub, die Regeneration, das Leben, die, mh, puh, ja, die liebe? ??..

 

M: Stoppp! Raphaäll! Ich nehme beides für mich in Anspruch, Läben und Arbeit!! -Ich- im Gegensatz zu -dir- und anderen - regeneriere mich sähr schnell und brauche -nicht- soviel Freizeit, meine Puperteet ist überstanden, ich bin wieder so opferungsbereit und leistungsfeehich wie als Kind! .. eher eben spülerisch gehe ich mit der Leistung um! Ich habe es geschafft, mit meiner Bulimie und Magersucht fertichzuwerden, überleg mal, und jetzt wirfst duu mir Steine in den Wäg? Und Knüppel zwischen die Beine?

Ich habe deine verwahrlosten Kumpels gesehn! Die du ruhig ablegen solltest! Deine Kumpels gesehn, um zu wissen, mit welchen Verhinderungen du zu kämpfen hast und verstehe genau, wie es dazu kommen konnte, daß du noch keine Ausbildung hast, kainen, nücht den gerüngsten Ställenwääärt! In den Tag leben, und sich trotzdäm schlächt fühlen, ansaufen dagägen, oder Musik machen, oder im Wald oder am See herumlungern... oft mit komischen Weibern noch ...

 

R: (nimmt resigniert auf der Treppe Platz und trommelt gelangweilt auf sein Knie, mit der andern Hand das Kinn gestützt)

 

M: (umfaucht ihn wie eine Katz) Es ist deine F e i g h e i t gewesen, die dich sozial unbrauchbar gemacht hat, und nicht die anderen, die dich da verhindert haben und auf deiner sogenannten Empfindsamkeit herumgetrampelt sind, hahaha, F e i g h e i t und eine tüchtige Portion Faulheit, durch schwierige Außenseiterverhältnisse eine bequääme Ausrede vor sich sälbst gefunden zu haben, nicht wahr? -um sich jääääder, aber auch jää-därr gesällschaftlichen Värantwortung zu entziehen!

 

R: Wir waren eigentlich beim Urlaub! Oooh, hätt' ich dir nie meine Geschichte, und, - dazu was ganz anderes, nämlich meinen Lebenskummer erzählt! Beides schmeißt du nämlich jetzt zusammen, und dann über einen Haufen in den Müll...als wäre ich ein Bitterling, ein Jammerlappen, ohne jede, jede Liebe für das Leben..

 

M: Das 'Leeeben', wenn du es denn führen würdest, du lesst dich traiben, sogar im Studium, denn du bist zwar mal wieder flaissig, aber ohne Pleeene (tippt sich heftig an die Stirn).. hast noch keinerlei .. Referenzen.. nichts.. nichts ..

 

R: So ist das also, Und ich dacht, eine neue Zeit!.., und vielleicht vergessen alter Leiden, das Lösen vieler Rätsel, die mir das Leben aufgab und aufgibt, und, und halt neue Inspiration?!..

 

M: (schreit auf) Ha! ln- spi- ra-tiooon? Meine Devise lautet: Immer erst rächt! Du hast längst resigniert, du kannst nicht schreiben, (immer hysterischer werdend) .. du kannst niie - düchten, düchten schon gar nicht! ha hä ph (holt tief Luft) .. und hast auch keinen Sinn für das Schöne, weißt' warum? Alles benörgelst du, alles begeiferst du, weil du zu f e i g e bist, anzuerkennen, daß andere was können. Deine Gedichte und Geschichten sind mehr als schlecht! Bei meinen eigenen hab' ich das erkannt, und gottseidank mit dem Schreiben aufgehört! (fast zärtlich jetzt) Warum akzeptierst du nicht für dich die Konsequenzen deiner Unbegabung und bewunderst endlich: die Kunst und die Künstler?!

 

R: Ich glaube immer noch an eine- klingt wohl blöd- hrm.. (leise und kleinlaut) ..Schaffenskrise.. (schaut schamhaft zu Boden)

 

M: Du würdest auch besser arbeiten gehn, damit du in den Ferien auf andere Gedanken kommst. Geh duu doch auch arbeiten in deinen Ferien, damit wir irgendwann einmal richtige Ferien machen können! Uns -richtig- was leisten..

 

R: Oh, kein Bedarf! Wieso? wären jetzt -f a l s c h e- Ferien? Und damit du dann wieder kurz vorher einen wunderschönen Ferienjob hast, wo alle deine Fääns..

 

M: JAAA! Und wenn schon? Ich bin es mir sälber und auch meinen Ältern, meinen Geschwistärrn und meinem Studium ideellermaßen schuldig, meine Brauchbarkeit unter Beweis zu stellen - obwohl ich es eigentlich nicht mal nötig hätte. Earnstgenommen zu werden von der Gesällschaft ist mir wichtiger als verliebt herumzuhängen und wenn du das nicht verstehst, dann überleg dir gut, ob dir die Freundschaft zu mir so viel wärrt ist, mich von meinen Prinzipien abbringen zu wollen! Mich von meinen Prinzipien abbringen !!! .. dasss, das schaffst du nicht !!

 

R: Melanie!! Eins noch: Ich habe ja nie rumgehangen! Ich machte eben unkonventionelle Sachen. Die freie Kunstschule, sicher, für's Theater war ich eher unbegabt, das hab ich selber einsehn müssen! Als Selbstdarsteller mich Regisseuren beugen, mich in deren Interpretationen einfügen sollen ..Die zwei Jahre auf dem Biohof wo mir meine Frau, wir waren frisch verheiratet, mit diesem Musiklehrer weglief, sicher, .. Aufenthaltsbewilligung futsch, Prozeßkosten, Streß ohne Ende, Nervenzusammenbruch, abgehaun, Kartonfabrik, ich wollte doch nicht inne Psychiatrie!! All das hab ich dir nie erzählt, damit du mich dafür 'runtermachst! Ich wollte mich doch dieser deiner Gesellschaft da nicht conträr verweigern, nur, die Gesellschaft, das war nie alles für mich, es gibt sie, ja, sie ist lästig, finde ich, mit Konventionen, Normen, Verboten, all den dumpfen Loiten, fleißig, aber hohl, und immer im Recht, nur weil sie morgens aufstehn und wo zu arbeiten anfangen.. das hab ich nicht zu dir gesagt, um damit meinen Weltschmerz zu kaschieren..

 

M: (betrübt) Raphaäll.. zu so Gerede kann ich oft nichts mehr zu sagen. Wältschmärz. Gibt es nicht, ist eine Erfindung aus Büchern und eine längst zurückliegenden Mode.. eine.. Konvention.. nich? Die Wält, Raphaäll, ist ganz anders. Du (schaut ihn traurig an) willst nicht zuhörn, nichts wissen..

 

R: Ich wollte nicht Fahrradfahren, nach unten treten, nach oben ducken, wie andere! Ich wollte meine Jobs doch leben... ich suchte, reiste, wollte lernen, nicht müssen..

 

M: Hab ich da was falsch verstanden? (aufschreiend) Abgehaun bist du überall! Du hast nachgegeben- statt zu überwinden!

 

R: Ich bin einmal abgehauen.. auf dem Biohof weil ich sonst durchgedreht wäre! Der Kerl arbeitete ab sechs Uhr morgens im Dauerlauf, und erwartete das auch von mir, nach der Scheidung erstmal keine weitere Aufenthaltsbewilligung, der Vertrag belief sich noch auf 10 Monate, da sagte ich dem 'Lebe wohl', ja.. (duckt sich).. und zwei Wochen später Nervenleiden, Tremor, Zittern, wenn dir das was sagt, Frau Doktor Arzt..

 

M: Ein Leisetreter also auch noch! Anställe Deiner damaligen Frau..., ich wäre auch.. irgendwann durchgebrannt! Weg von dir! Statt bässere Arbeitsbedingungen auszuhandeln, ließest du dich lieber verheizen..., hast eure Liebe, eure junge Ehe auf dem Gewissen, nich? (schaut ihn bitter die Stirne runzelnd an).. hast dir keinen Freiraum auszuhandeln getraut..

 

R: Der Mann war Idealist. Das müßtest du verstehn, gerade du.. Ich hab öfter mal wo es schlecht zuging, ganz schön Krach ge.. (stellt sich in Pose, wirft sich in die Brust)

 

M: Jaja, weiß.. ..und deine ...Aggressionen konstruktiv in vernünftige Bahnen lenken kannst du auch nicht! Das hab ich selbst zu oft mit dir erlebt.. (schaut in mit magerm Trauerblick an) ..Ja siehst du denn nicht, wie wenig dir die ganze Läktüre der Anthroposophie, Psychologie, Philosophie gebracht hat. Von dir kann man nicht mal einen Rat bekommen, geschweige denn, einen befolgen! Und nun, nun will mir der grooße Manitu also weismachen, ich würde zwanghaft die Ferien versäumen!! Ich w i l l arbeiten, jawohl! Und eine Wochenendbeziehung! Wollte ich sowieso nicht! und wenn du 's wissen willst, die nächsten Ferien arbeite ich bereits auch schon! Wie immer: Aushilfe in der Psychiatrie in Senkelstädt! (mit vor der Brust verschränkten Armen tappt sie herausfordernd mit einem Fuß und stellt sich ins Profil)

 

R: (murmelnd zu sich selbst: ) Hilfe, hilfe.. ( dann zu ihr gespielt kleinlaut Auf den ersten und den letzten Tag?

 

M: Hjawohl, auf den äärsten und den lätzten!

 

R: ..und die Tränen neulich, mich nie zu sehn, das, ja verdammt, vier Wochen lange Schwärmen von den Ferien,.. ich das nicht zwanghaft, ist das überhaupt noch... nur.. noch....Arbeitssucht ? ?

 

M: (feierlich) Raphaäll! (mit ausdrücklicher rhetorischer Pause, in gefaßtem Ton dann) Ich habe erkannt, daß alles Sucht ist, und Arbeitssucht ist die gesündeste! - für alle neemlich, für mich, und für die anderen, ich bekomme etwas dafüür, .. und gebe auch etwas von mir, - und wie gesagt: Gäld spielt dabei kaine Rolle..

 

R: ...ja und ich... ?

 

M: Ich bin geheilt von meiner Magersucht und Bulimie, ich bin endlich wieder körperlich topfit, jetzt wirfst..

 

R: Du sagtest mal, wegen mir, ich hätte eine so guten Einfluß auf dein Gesundwerden, .. naja.. lange her.. und is ja auch egal..

 

M: .. jetzt wirft gerade der, von dem ich erwartet hatte, daß er zu mir steht, Verständnis hätte, du setzt mich unter Druck und wirfst mir Knüppel zwischen die Beine, und, was besonders penetrant ist: Auch noch mit der Wehleidstour, deine armen Ferien! Aber, fertig jetzt, ich beginne nun, mein Leben endlich so zu leben wie ich es will! Komm! Küß mich! Ich liebe Dich, wir werden uns lange nicht sehn!

 

Sie fallen sich in die Arme, der Vorhang fällt

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Wieder das Eiscafé, diesmal im Winter, folglich sitzt man jetzt drinnen, hinter und an einer großen Glasscheibe, draußen im frühen Halbdunkel der hochmoderne, posttristesse Beton mit etwas Schnee und Eiszapfen. Raphael und sein Freund am Fenstertisch unter einer Korblampe, auf dem Tisch mit weiß, rosa und rot karierter Tischdecke ein riesiger überdimensionaler Plastikaschenbecher.

 

Kellner: Kennschen Gaffee, jaa?

 

Raphael: Ein Bier bitte und einen doppelten Dornkaat!

 

Kellner: Hjaaa! Und Kolläägge auch eine Bier odaa..?

 

Freund: Ein Kännchen Ka. .eine Tass..ein Kännchen, ja doch!

 

Kellner: Kennschen Gaffee odder neeet?

 

Freund: Ein Kännchen Kaffee, ja!

 

Kellner: Kennschen Gaffee un einäää Biaa un Dorngaaat dobbel! Okee!

 

Freund: Nun, geschrieben hat sie also nochmal? Deine Ausraster, ihr das teure Lieblings-Geschirr zerschmissen, war auch nicht schön, damals, wo es doch eh klar war, sag?

 

Raphael: Daran lag's nicht, ja gut, es war der letzte Funken ins Pulverfaß, klar war eigentlich nie.. verstehst du .. nie irgendwas .. weder bei mir..

 

Freund: Was ist nun, warum schrieb sie? Du liebst sie noch, seh ich dir an, verfluchte Sch..

 

Raphael: Ja, eben darum. Es ist furchtbar! (holt einen Brief aus der Hosentasche nebst einem Papier-Taschentuch) Sie schreibt folgendermaßen: Fast jede Woche beglückt mich ein anderer Liebhaber, wichtig ist nicht das dämliche Gerede, wichtig allein ist es, daß die Körper sich verstehn!

 

Freund: Das steht da?

 

Raphael: Echt! Das steht da, voll!

 

F: Huu, recht schwül! wird 's heute, mh?

 

R: ..mensch, hör auf ..

 

F: .. was für ein Vertrauen sie noch zu dir hat..immerhin.. (seufzt).. geliebt hat sie dich sehr, daß merkte man.. nur etwaas.. mh... zu seeehr .. weiß nich.. ( senkt kurz verlegen den Blick, hebt dann wieder den Kopf, blickt Raphael an)

 

R: Oh weh, wenn du wüßtest wie das tut.., sie schreibt: Da ich dazu verdammt bin und auch das Glück habe, nur das Echte erleben zu wollen...

 

F: Das Ächte !

 

R: Hrm! also, sie schreibt..

 

Kellner: Aine Biaa un dobbelde Doornkaat; Kennschen Gaffee kommt sofort, jaa?

 

R: Danke, (Blubber, blubber) börbsss, Sie schreibt: du mich in meiner Leidenschaft, kraftvoll das Leben, meinen Sex, meine erotische Ader zu erfahren, behindert hast, und es soviel nachzuholen..

 

F: Muß sie nicht arbeiten??

 

Kellner: Kennschen Gaffee, soo!

 

F: Danke, - sonst mußte sie doch immer!?

 

R: .. schreibt: ..das Medizinstudium mir weltfremd heutzutage scheint, und keine weitere Erfüllung mehr für mich bietet, vielleicht später einmal, ganz wie ich - "ich" hat sie übrigens mehrmals unterstrichen -(blubber)- börbs- ganz wie i c h es will, denn in meinem Alter geht das Leben vor!.. und eine Ausbildung in der Nervenklinik Senkelstädt, wo ich einen besten Ruf habe als examinierte Krankenschwester in Betracht ziehe.

 

F: Ach, echt, das Studium geschmissen? Na gut, das Physicum hat sie ja.. mmh.. Sie mußte doch immer lernen, wenn du sie besucht hast!? Nicht?

 

R:..schreibt: ...und mein Leben und meine Welt gewaltig und reich...du brauchst emotionale Sicherheit, dadurch bleibt dein Erfahrungshorizont ewig eng....du mich nie verstanden hast.. nichts begriffen hast.. und zu schwach bist, ein Idealist und gut zu sein, und genauso aber zu schwach, wirklich asozial oder böse zu sein. Du bist ein bedauernswerter Träumer, nicht gut genug und auch nicht böse genug, um für die Welt je bedeutend zu sein!

 

F: Da ist sicher was dran...

 

R: Ihr momentaner Geliebter ist Metzger, .. hab ich gehört..

 

F: Ach ja, tatsächlich ?- Was einem da wohl für Bilder kommen, was? Weißt du: Da führt nichts dran vorbei, du wirst sie vergessen müssen! Metzger hin, Metzger her.. Metzger ist dir nicht poetisch genug, was? Metzger sind auch Menschen, die gestreichelt werden wollen.. Sie war, seien wir fair, mindestens n o c h nicht, aber auf jeden Fall n i c h t unbefangen und verspielt und genug, um für deine klitzekleine große Welt und dein Leben je wirklich bedeutend zu sein! Hättest halt ein Teppichhändler, meinetwegen Lumpensammler, mit Ohrring sein müssen, bleiben müssen, prinzipiell unnahbar für sie, und immer mit dem Nimbus des rätselhaften, ihre Welt immer nur wie ein Komet kurz erhellend, um wieder zu verschwinden für längere Zeit, so ganz ohne..weíßt schon.. sie wußte zuviel von dir..

 

R: ..ach, schön gesagt, aber ich fühle mich wie der letzte Depp!

 

F: .. nicht ächt genug??

 

R: Börbsss, aaah - äh, so eins, ja da, mhmh!

 

Kellner:.. noch aine Biaa, ja? Gut, sofoot!

 

R:...übermorgen Vor-Examen..

 

F:.. und?! vorbereitet?..

 

R:.. nichts ..

 

F: ..mh, schmerzt es sehr? ..

 

R: ..und wie..

 

..im selben Moment holt an einem entfernten Nachbartisch ein Angetrunkener einen Lachsack aus seiner dicken, altmodischen Einkaufstasche, und ein ätzend mechanisches Gewieher und Gelächter erschallt, der Angetrunkene grinst herzig, zum Kellner, dann auch grüßend zu Raphael und seinem Freund, .. auch der Freund bestellt sich jetzt ein Bier ..

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Vorhang

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1998

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