Ein letztes Gespräch mit Gott
Da stand ich. Mir gegenüber Gott, oder wie auch immer man das Wesen nennen mag. Überraschenderweise sah er ganz anders aus, als in meiner kindlichen Vorstellung. Traurigerweise handelte es sich jedoch unverkennbar um ein männliches Wesen- schade, dachte ich mir. Ich war in meinem irdischen Leben nicht religiös gewesen. Ihn schien das nicht zu interessieren- auch gut, dachte ich mir.
Willst du die Antwort auf deine Frage, fragte mich der gesichtslose Mann. Stirnrunzelnd sah ich ihn an. Willst du sie nun haben? Ich konnte nicht antworten, zu sureal und sinnfrei erschien mir eine Antwort. Nunja, eine Antwort ist nicht nötig, bestätigte mich der körperlose Mann. Ich sehe dich in allem, was dich ausmacht und weiß um alles, was einmal war, was ist und was sein wird.
Verwunderung umhüllte mich wie eine warme Decke und gerade als meine Lippen Worte formen wollten, verflüchtigte sich dieser faserlose Mann. Zurück blieb ein feiner Nebel, der mir jede Sicht nahm. Tastend wollte ich mich nach vorne bewegen als meine Fingerspitzen plötzlich auf auf Widerstand stießen. Ich kniff meine Augen zusammen um die Umrisse besser ausmachen zu können. Was ich schließlich erkannte, ließ mich erstarren. Ich stand vor einer Leinwand meiner Lebenserinnerungen. Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und trat einen weiteren Schritt auf das Gemälde zu. Im Zeitraffer sah ich geliebte Gesichter lang Vergessener, längst Verstorbener und flüchtig Bekannter. Noch einen Schritt nach vorne. Unbekannte Gesichter fügten sich ein, die jedoch ein Gefühl der Nähe auslösten. Zitternd hob sich meine Hand und meine Finger berührten dieses verstörende, bewegte Bild. Szenen eines mir nicht bewussten und doch so vertrauten Lebens wechselten immer schneller die Besetzung.
Anhalten sagte mein Mund, weiter sagte mein Herz. Ich wollte es sehen, musste es sehen, dieses gelebte und erträumte Leben. Doch die Farben verschmolzen zu Seen, für meine Augen unerkennbar.
Dann war es dunkel. Kein Licht, kein Schimmer, nur Schwärze.
Ja, sagte die Stimme.
Ja zu was?! Schrie ich stumm.
Ja. Alles Geschehene war nicht für oder gegen dich, es war wegen dir.
Ich verstehe nicht, was soll mir das alles sagen?
Schau genau hin.
Was soll ich in dieser Dunkelheit denn erkennen? Es gibt kein Licht!
Dann ändere die Blickrichtung.
Verzweiflung und endlose Wut durchflossen jede Zelle, ich ballte die Fäuste, schloss die Augen-
und sah es.
Das Gesicht in der Mitte des Sees aus Farben. Glückseligkeit brachte es zu einem Strahlen, welches heller als jede Sonne war. Schlagartig wurde mir bewusst, dass jeder Farbpartikel sich in voller Absicht zu diesem Strahlen anordnete. Kein Klecks, egal wie klein, war aus Zufall an seiner Stelle.
Beim letzten Hauch des Lebens in mir erkannte ich dort mein Gesicht, als meine Seele vor Glück zerbarst.