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Das Opfer
Sie schnitt sich die Beine ab, da war sie 20. Das ist jetzt 60 Jahre her. Bei Dr. Gerald, er promovierte in Amputation gesunder Gliedmaßen.
Mit dem Arbeiten fing sie an, als sie 14 war, denn sie wollte für die Amputation sparen. Deswegen brach sie die Schule, die sowieso nirgendwo hinführte, ab und arbeitete.
Die Arbeit bestand daraus sie zu waschen, einzukaufen, zu Füttern wenn sie auch keine Arme hatten, sie zu beschäftigen.
Du bist noch jung, krächzte eine von ihren Klienten.
Ja, ich spare für eine Amputation, sagte sie.
Richtig so Mäuschen.
Ihre Eltern haben ihr Leben lang gearbeitet und wollten, dass sie natürlich auch ihr Leben lang ehrlich arbeitete und den armen Menschen ohne Beine beim Leben hilft oder am besten das Leben für sie führt. Sie brachen den Kontakt zu ihr ab nach der Operation.
Ich werde mich nicht wie ihr ausbeuten lassen, ich will ein Opfer sein!!! Schrie sie.
Sie war nicht bei der Beerdigung, aber sie bereut es auch nicht.
Anders als ihre Eltern, die sich mit zickigen Klienten 14 Stunden am Tag rumschlugen, lebte sie ein schönes, nein ein perfektes Leben. Alle hatten Mitleid, sie sagte ihre Beine habe sie bei einem Autounfall verloren, die Meisten logen über die OP bei Dr. Gerald. Alle kümmerten sich um sie, ihre zugeteilten Arbeiter waren sehr freundlich und machten mit ihr Ausflüge, reisten sogar mit ihr und behandelten sie wie ein Opfer oder eine Prinzessin. Das war die beste Position, was in dieser Gesellschaft von Arbeitern und Opfern erreicht werden konnte, das Opfer sein.
Alexandra Philipps
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Der Delfin und die Trainerin
Dass diese Winzigkeit von Bedeutung ihr jemals so ein Erfolgserlebnis bereiten würde. Dass der graue Schatten, kaum sichtbar und nur sehr kurz, ihr derart viele Emotionen entlocken könnte. Es war aber nicht der graue Schatten selbst, es war das Sein des grauen Schattens. Das unbeschwerte Sein. Aber wird grauer Schatten dem gerecht? Dem Großen, Klugen, dem Majestätischen? Erstens ist er nicht nur grau, sondern auch weiß. Zweitens schimmert und glitzert er zwischen den tiefblauen Wellen. Er bewegt sich anmutig, mal schnell, mal langsam, aber immer anmutig.
Er macht sich interessant, verschwindet für eine Weile, aber kommt zum Faszinieren wieder hoch, wenn er will. Nicht nur wenn er will, auch er muss atmen, denn er ist wie sie. So muss Glück sich anhören, denkt sie sich, als er die Luft nach oben prustet.
Und ja, er ist wie sie, was hatte sie sich erlaubt ihn jemals als etwas niederes zu betrachten als sie selbst. Ihn zu behandeln als könne er nicht selbst entscheiden, was richtig, was falsch.
Ein letztes Mal taucht der graue Schatten auf bevor er in den blauen Tiefen verschwindet.
Es tut mir leid, flüstert sie, ich verzeihe dir, antwortet er.