Zum Inhalt springen

Axel

Autor
  • Gesamte Inhalte

    51
  • Benutzer seit

  • Letzter Besuch

Alle erstellten Inhalte von Axel

  1. Schwarze Nylons mit Naht Gunslinger dröhnte aus der riesigen Box auf dem Rathausmarkt. Ich war zurück. Mit guten Vorsätzen und einem klaren Blick auf das Leben. In Hamburg tobte die Freiheit. Rock`n Roll an jeder Ecke. American Graffiti auf den Straßen. Die Kids flippten aus. Rhythmen rollten durch die Stadt. Amerikanische Flaggen. Popcorn. Eiscreme. Cadillac`s. Pink. Dirty. Elvis. Tollen und spitze Schuhe. Mädels auf hohen Pfennigabsätzen und Pferdeschwanz. Fliegende Pettycoats und angemalte Lippen. Die ganze Chose lief unter dem Motto: >Rock`n Roll for President.< Sah überall Banner und Aufschriften des Logos. Hatte noch nie so etwas bescheuertes gehört. Alter. Das war voll Kindergarten. Jo. >Rock`n Roll for President<. Wie jetzt? War das dieser Typ, dessen Vorname Rock und der Nachname Roll war? Und sollte er dann die amerikanischen Staaten aus der Sklaverei führen? Ich stellte mir ein riesiges, verglastes Bürogebäude mit alten Männern und dicken Bäuchen vor. Einen Hirni mit Halbglatze und Hornbrille, der sagte, wie wichtig der richtige Slogan für diese Veranstaltung wäre. Dann griff er zu seinem teuren Wasser aus Tasmanien, nippte mit seinen dicken Fischmaul Lippen daran und trug es in seine Kladde, mit einem Häkchen dahinter, ein. Jo. Digger. Das ist nicht Rock`n Roll. Das ist Scheiße. Ich zog meinen breiten Edding aus der Jacke und schrieb in fetten Buchstaben: Klaus ist raus und Eddie bläst Freddie die Trompete. Jo. Ich fand`s gut. Hatte so was intellektuelles. Endlich ein Plakat das jeden interessierte. Beglückwünschte mich für diesen Einfall und überlegte, was ich mir dafür ausgeben sollte. Wollte gerade meinen Namen darunter schreiben, als ich die Stimme von Sinclair hörte: „Hey. Bro. Unterschrift ist ungünstig.“ „Bro? Echt?“ „Ja. Bruder klingt voll schwul.“ „Bro klingt nach 4. Klasse Sonderschule.“ „Alter. Du hast überhaupt keine Ahnung.“ „Wenn keine Ahnung quietschen würde, müßtest du die ganze Zeit mit `ner Ölkanne rumlaufen.“ Er sagte nichts mehr. Das hatte gesessen. Wir schwiegen uns eine Zeit lang an, dann zog ich meinen Flachmann aus der Jacke und bot ihm einen Schluck an. „Arschloch.“ ,sagte er. „Pöh.“ „Pöh. Echt.“ „Ja. Wichser klingt für einen Freund zu vulgär und ich weiß halt, das man das zu einem Arschloch nicht sagen sollte.“ Wir zogen noch einen Moment über die Bräute her. Dann ging er weiter. Richtung Stranger. Der zog sich, an einer Bude mit Plastikgitarre auf dem Dach, grade 12 Gläschen Korn durch die Nase. Schien ganz schön reinzuknallen, denn er schlug seine Stirn dreimal gegen den Pfosten neben ihm. Dann lachte er laut auf und rief: „Ich fahr` sie alle Baby, die ganz hohen Tiere.“ Er zog eine kleine Plastiktüte aus seiner Hosentasche und eine Tube Klebstoff aus seiner Jeansjacke. Das richtig gute Zeug. Pattex. Das, drückte er in die Tüte und hielt es sich vor Nase und Mund. Er atmete ein und aus. Sechsmal. Dann verdrehte er die Augen. „Ich fahr` sie alle.“ ,schrie er hysterisch und seine Stimme überschlug sich. Super, wenn man seine Grenzen kannte. Ich dachte so nach und sah in den Himmel. Also er selbst nannte sich Danger. Ich taufte ihn Stranger. Aber er war einfach Crazy. Gott hatte sie alle geschaffen. Die Bösen und die Guten. Bei ihm hatte er wohl eine Ausnahme gemacht. Bei Crazy hatte er es dem Teufel überlassen. l Überall sah man Teds und Rock`n Roller. Sie standen in Gruppen zusammen und machten auf cool. Das hatte ich längst hinter mir gelassen. Ich tat nicht so. Ich war cool. Steckte mir eine Lucky an und hustete mir die Seele aus dem Leib. Schaute mich vorsichtig um, ob jemand mich gesehen hatte. Ne`. War alles Ok! Ein paar Punks trieben sich in den Ecken herum. Die meisten waren besoffen und machten auf superlässig. Sie schnorrten Kippen und Kohle. Das war überhaupt nicht mein Ding. Ich sorgte immer dafür, das genügend Schotter in meiner Hosentasche aufs ausgeben wartete. Es gab noch andere Gruppierungen. Die dümpelten am Rande vor sich hin. Bedauernswerte Geschöpfe. Da gab`s noch diese gestriegelten Popper. Die trugen nur Markenklamotten und einen Seitenscheitel, der das linke Auge verdeckte. New Waver und New Romantics. Trugen hauptsächlich schwarz. Heavy Metal Typen mit Zottelmähne. Ökos in gestreifter Latzhose. Und ein paar andere, die nun wirklich nicht erwähnenswert waren. Der Rock `n Roll troff aus jeder Ritze. Es war so, als gehörte uns die Welt. Wir fühlten uns, wie die Größten. Wir standen an der Spitze der Nahrungskette. Die Drifters, die örtliche Schlägertruppe, machte auf Macker und verprügelten ein paar Popper, weil die so Scheiße aussahen. Der kleine Dieter, war dabei immer an vorderster Linie. Der war echt fies drauf. War ihm scheißegal ob es 2 oder 12 Typen waren. Wenn der seinen Rappel kriegte schlug er alles kurz und klein. Sein Spruch war immer: Hier kommt keiner lebend raus. Bei einem Bier fragte er mich mal, ob ich was in die Fresse wolle. Einfach so. Eben noch über die Bräute gesprochen und im nächsten Moment auf der Abschußliste. Aber die Geschichte hab` ich schon erzählt. Einige Paare legten eine kesse Sohle aufs Parkett. Die Luft flimmerte in der Hitze. Die Kleider wirbelten und die Typen schwitzten. Eine Katze lag auf dem Verdeck eines Buick und sonnte sich. Sie streckte ihre Pfoten auseinander, so als wolle sie auch dazwischen braun werden. Brachte nichts, die war ja schon schwarz. Ich griff mir auch so eine Puppe, die ich glaubte zu kennen und drehte mit ihr ein paar Runden. Hatte nichts von meinem Charisma und Tanzkünsten verloren. Ich sah mir beim Tanzen im Schaufenster zu und mir gefiel, was ich erblickte. Die Kleine in meinem Arm hatte auch Klasse. Ihre 20.000 Sommersproßen auf der Nase, die ich mal eben auf die Schnelle durchzählte, grienten mich an. Ich sagte zu ihr, sie sei das schönste Mädchen auf der ganzen Welt und müßte ich nicht zu einem Einsatz an den Golf von Biscaja, würde ich sie auf der Stelle heiraten. Sie lachte. Drehte sie ein Letzte mal und küßte zum Abschluß ihre Hand. So Gentleman Like. War auf der Überholspur. Ließ die ganzen anderen Penner hinter mir. Ich stand auf der Spitze des Eisbergs und schob dem Schicksal einen Eispickel in die Nasennebenhöhle. War seit zwei Tagen trocken. Spürte mit einem mal die weiße Wüste in mir. Ein schwarzer Käfer kroch aus meinen Augen in den heißen Sand. Ich war ein Blinder unter Blinden. Die Sonne schälte mir die Haut von den Knochen. Und diese Hitze in meinem Blut. Ich kochte. Jede Zelle verlangte nach einem Tropfen. Nur einen einzigen Tropfen. Nur dieses eine Lächeln, diese Glitzern zwischen der Ödnis und ich würde den Tag überstehen. NEIN. Ich war Iron Man. Aus Stahl gemacht. Unverwundbar. Unzerstörbar. Scheiße, wenn es nur nicht so hammermäßiger WAHNSINN gewesen wär`, das Leben im nebelverhangenen Olymp zu verbringen. Ich fand`s total geil, high zu sein. N Nur die Begleiterscheinungen waren echt beschissen. Trüber Blick am Morgen. Blutunterlaufene Augen. Ins Klo kotzen. Die Unfähigkeit feste Nahrung zu mir zu nehmen. Lallende Sprache, als wär man aus der Anstalt ausgebrochen. Ein Kreislauf der schwindelig machte. Keinen Job. Filmriß. Säuferleber. Eine Haut die mit roten Adern durchzogen war. Zitternde Hände. Aber da sind wir schon in der Gosse. Fragte mich, wie weit ich noch davon entfernt war. Boah. Das zog mich ganz schön runter. Ich trank also erst mal einen Rotwein. Hatte gehört, das das kein Alkohol, sondern Medizin sei. Schmeckte auch genauso Scheiße. Warf ihn samt Glas in den Rinnstein. Holte mir ein Wasser. Kostete komischerweise mehr, als ein Bier. Dachte an den Spruch von W. C. Fields. Der sagte immer, er würde kein Wasser trinken, weil da Fische drin ficken. Holte mir doch lieber einen O-Saft und schaute mich ein bißchen um. Gab` `ne Menge Fressbuden. Die Kellnerinnen sahen zum Anbeißen aus. Also erst mal `ne Curry Wurst. Wünschte, das mir was Romantisches begegnen würde. Weißer Strand. Blaues Wasser. Eldorado. Nackte Körper. Freie Liebe. Dann diese süße Kleine. 1,62 groß. Brille. Der Sekretärinnen Typ. Sweet aber hemmungslos. Stand so rum, dachte an den weißen Strand und ein weißes Kleid mit `ner Frau drin, als eine Hand über meinen Kopf und Nacken streichelte. Damit bekamen sie mich immer. Schloß die Augen. Ließ den ganzen anderen Schrott, um mich herum, draußen und genoß die Zärtlichkeit. „Na, mein Süßer. Hast du über meinen Vorschlag nachgedacht?“ ,flötete Brandy. „Ich tue alles für dich, aber hör` nicht auf.“ „Heute Abend im Hugo`s. Hab da einen Raum in dem wir für das Tanztheater üben können.“ Sie griff mir an den Arsch und schob die Finger an meine Eier. War kurz vor dem Durchdrehen. Dann massierte sie die Wurzel von meinem Schwanz. Als ich kam, war es das Beste was ich je erlebt hatte. Das Leben konnte so einfach sein. Halleluja, war voll fertig. Mußte mich erst mal setzen. Wollte noch Danke sagen, aber Brandy war schon wieder weg. Was hatte ich da eigentlich versprochen? Tanztheater? Keine Ahnung was das sein sollte. Bestimmt irgendwas schwules. In der 7. Klasse war ich der einzige Junge im Jazztanz Kurs. Konnte mich gut bewegen und machte tierisch Spaß. Ich genoß die Komplimente die ich bekam. Kannte ich von zu Hause garnicht. Da hieß es immer nur. Alex räum auf. Alex kämm dein Haar. Alex das kannst du nicht. Alex du bist der dümmste Junge, den ich kenne. Irgendwann glaubte ich es und fühlte mich unfähig und hohl. Das änderte sich erst, als der Rock`n Roll mich fand und ich ihn. Es war etwas, das ich von ganzem Herzen wollte. Es war etwas das nur mir gehörte. Etwas das meine Mutter Scheiße fand. Jeden Tag lernte ich neue Songs kennen und Leute, die diese Musik auch liebten. Und so ganz langsam wurde mir klar, das ich nicht dumm war. Das ich einen Wert hatte. Bei unserem Auftritt mit der Jazztanz Combo, in der Schule, bewunderten mich alle. Auch die Schläger. Auch die Dummköpfe. Und besonders die Mädchen. Das war am Besten. Ich hatte es durchgezogen und hatte Erfolg. Das Leben konnte so einfach sein. Als ich so da saß und auf das nächste Abenteuer wartete, kam so ein Hirni auf einer blauen Mofa und schrie: „Ich find` John Travolta Scheiße und den Film Grease zum Kotzen.“ Hatte nicht mal die Zeit zu blinzeln, da brauste er schon mit 5 kmh davon. Nahm noch geistesgegenwärtig einen Stein und warf ihn hinterher. Traf nur die Holzwand einer Bude und blickte schnell in eine andere Richtung. Es wurde sehr warm, konnte aber meine neue Lederjacke nicht ausziehen, weil ich einfach zu cooooooooooooooool darin aussah. Steckte mir erstmal eine Lucky ins Gesicht. Von rechts kam ein brennender Streichholz. Tina grinste mich aus ihrem Blechgesicht an. Ich grinste zurück. „Na mein Hübscher heute schon gefickt?“ „So Ähnlich.“ „Wie geht das denn?“ Wußte nicht so recht was ich darauf sagen sollte. Außerdem ging mir dieses ganze ordinäre Gelaber auf den Sack. „Wieso redest du die ganze Zeit vom Ficken?“ , fragte ich sie. „Weil das Leben so langweilig ist und mich alles anödet.“ „Haste Bock auf Musik. Suchen noch einem Groupie die uns den Rücken freihält?“ „Wie heißt den deine Band.“ „Sind ein Duo. Nennen uns: The Moondogs.“ „Ich find` Bandnamen die mit -The- anfangen, Scheiße. Außerdem ist so ein Duo voll schwul.“ „Und ich find` den Namen Tina voll Scheiße.“ „Find´ ich auch. Also gut, ich bin dabei. Wann geht’s los? „Wir haben einen Gig in der Musicbox.“ „Das ist doch dieser Rock`n Roll Schuppen.“ „Ja. Ich weiß, findest du voll Scheiße.“ „Ne. Find` ich voll geil.“ Wir umarmten uns. Spürte ihren warmen Atem in meinem Nacken. Das kitzelte. Diese Nähe war schön. Passte irgendwie gar nicht zu ihrem sonstigen Gehabe. Ich blickte ihr lange nach. Bis sie ein ganz kleiner Punkt war. Warf einen Blick auf meine Uhr. Der Sekundenzeiger kämpfte sich auf dem Ziffernblatt von einer Zahl zur nächsten. Erst 15:00 Uhr. Machte mich trotzdem auf den Weg ins Hugo`s. Dort purzelte Petula Clark aus dem Lautsprecher. Sailor Dieses Lied machte mich immer ganz sehnsüchtig. Dachte an den Hafen. Segelschiffe. Freiheit. Stürme. Kap Horn. Sansibar. Koffer packen. Einfach weg. Alles hinter mir lassen. Neu anfangen. Fühlte mich mit einem mal ganz klein. War nichts mehr geblieben vom großen Zampano. Mist. Nur nicht dran denken. Wegschieben. Einfach lächeln. Einfach so tun, als ob. Setzte mich an einen Tisch und bestellte einen Sekt. Sekt war schließlich nur Blubberwasser. Schmeckte lecker, also bestellte ich gleich fünf Flaschen. Sah Annegret und winkte ihr zu. Sie lachte und winkte zurück. Wir setzten uns zusammen und schlabberten die Bläschen aus dem Glas, bis der Arzt kam. 2 Stunden später wußte ich nicht mehr, ob Ghandi ein Prophet oder ein Heilmittel für Hämorrhoiden war. Ich vermied es aufzustehen, weil ich wußte, das das in die Hose gehen würde. Annegret machte auf süße Schnecke, erhob sich und lief im Hugo`s auf und ab. Erst da bemerkte ich, das sie schwarze Nylons mit Naht trug. Stand ihr echt gut. Um ehrlich zu sein, es machte mich unglaublich scharf. Versuchte mich abzulenken, indem ich eine brennende Zigarette auf meiner Nase balancierte. Ging kräftig in die Hose. Sie fiel direkt in mein Hemd und verbrannte mir die Haut. Annegret fischte sie heraus und setzte sich, angeschickert wie sie war, auf meinen Schoß. Ich bekam sofort einen Ständer. Was war bloß mit mir los? Mußte ich jede Frau haben, die sich für mich interessierte? Nein! Denn ich wollte auch die, die sich nicht für mich interessierten. Annegret rutschte so auf meinem Schoß hin und her, das sich meine Augen nach innen drehten. Hatte meine Hände schon auf ihrer Hüfte, als Brandy auf einmal neben mir stand. „Hi.“ ,sagte ich und lächelte sie mit glasigen Augen an. „Bereit?“ „Jederzeit. Um was gings nochmal?“ „Tanztheater.“ „Weiß ich doch. Nur ein Scherz.“ Ich hatte keine Ahnung mehr, warum ich hier war. „Jo. Annegret, wir hatten ja soweit alles besprochen. Kommen sie morgen zum Diktat und vergessen sie den Bleistift nicht.“ ,plapperte ich drauf los. Stand auf und wankte mit Brandy am Tresen vorbei. Im Proberaum zog ich mich sofort aus. „Was machst du?“ ,fragte sie mich entrüstet. „Äh. Gar nichts. Ich dachte nur...Ich meinte das...Also du weißt schon.“ „Nein ich weiß nicht. Entweder du nimmst es ernst oder du kannst gleich wieder gehen.“ „Nein. Entschuldige. Ich nehme es ernst. Sehr sogar.“ Tja, den Absprung hatte ich wohl verpasst. Mist. So ein Kack. Sie meinte, wir müssten uns erst mal warm machen. Ich sagte das bräuchte ich nicht, da mir die Suppe schon den Rücken runter laufen würde. Sie verzog keine Miene. Also zogen wir das Warm machen und die Dehnübungen durch. Danach meinte ich, das es super gewesen wäre und ich gern beim Nächsten mal wieder dabei sei. Sie lachte über meinen Scherz und sagte das es jetzt mit dem Tanzen losgehen würde. „Genau, muß nur eben ins Bad, um mich zu übergeben.“ ,jammerte ich. Sie lachte wieder. Diesmal lachte ich auch. Aber nur, weil ich so verzweifelt war. Eine Stunde später, hatte ich die Hälfte meines Gewichts und meine komplette Selbstachtung verloren. Ich bettelte, um Gnade und versprach ihr eine Diamanten so groß, wie das Erzgebirge. Sie lachte. Mir war nicht mehr zum Lachen. Eher danach mir eine Kugel in den Schädel zu jagen. Oder Ihr. Wir gingen in den Schankraum, tranken eine Coke, einen Kaffee, 2 Liter Wasser und aßen ein halbes Schwein auf Toast. Ich war am Ende. Konnte meine Arme kaum noch heben und hatte meine Augen halb geschlossen. „Jo. Muß jetzt noch ins Fitness Studio. Ein paar Gewichte stemmen. Wir sehen uns nächste Woche.“ ,flüsterte ich. „Nächste Woche? Nein. Wir sehen uns morgen und dann jeden Tag. In vier Tagen ist die Aufführung. Du läßt mich doch nicht hängen. Oder?“ „Quatsch! Freue mich wie wahnsinnig auf Morgen. Kann natürlich sein, das die freiwillige Feuerwehr, in der ich schon seit 20 Jahren tätig bin, eine Übung hat.“ „Smoooooooooooooke.“ „Ha. Das war ein Scherz. Du merkst nie, wenn ich einen Scherz mache.“ Beim Abschied, kniff sie mich in meinen knackigen Arsch. War zu schlapp für eine positive Reaktion. Schlich einfach nach Hause. Wollte nicht mehr trinken. Nicht mehr rauchen und auch keinen Sex haben. Nie, nie, nie mehr. Fiel ins Bett und schlief bis zum Morgen. z Erwachte mit brennenden Schmerzen in meinen Gelenken und Muskeln. Selbst meine Haare taten mir weh. Unter mir hämmerte es. Mein Nachbar hatte seinen Lieblingssong aufgelegt. Well, I ask you. Alles klar Baby. Stand 2 – 3 Stunden unter der Dusche. Dann kehrte das Leben in meinen Körper zurück. Eigentlich fühlte ich mich ganz gut. Das Training war so im Rückblick betrachtet gar nicht so schlimm gewesen. Ich sollte nur das nächste mal nüchtern sein. Hatte auch ein paar gute Ideen für das Stück. Die Geschichte überarbeiten. Einen Soundtrack, passend zur Story aufnehmen. Größere Bewegungen, damit die Schwanzlutscher in der letzten Reihe auch was mitbekamen. Jeden zur Premiere einladen der Gucken und hören konnte(auch die Einäugigen). Ich machte mich gleich an die Arbeit. Schrieb als erstes den Ablauf der Geschichte: Eine Malerin malt ein Bild. Sie steht vor einem riesigen Bilderrahmen, dahinter sitze ich auf einem Stuhl. Sie wird müde und legt sich zum Schlafen hin. Das Bild erwacht zum Leben und geht zur Malerin. Über gedachte Fäden bewege ich die Malerin und habe nun meinerseits die Kontrolle übernommen. Dann tanzen wir zusammen. Später gehe ich ins Bild zurück und die Malerin erwacht. Ende. Ging schon mal ein paar Abläufe durch. Das ganze sollte pantomimisch und tänzerisch dargestellt werde. Verbrachte den ganzen Tag damit. Fühlte sich gut an. Irgendwie sinnvoll. Schnell nochmal duschen, geile Klamotte für den Gig in die Musikbox einpacken und ab zum Training mit Brandy. Mein Motor lief auf 180 Umdrehungen. Ließ alle Stopp Schilder hinter mir. Raste über den Highway. War auf dem Weg zum Mond. Hatte das Gefühl, das es nie anders war. Liebte die Welt und liebte mich. Ging über Die Reeperbahn und warf jedem Penner einen Zehner in den Becher. Küßte eine Frau, weil sie mir gefiel. Half einer Rentnerin über die Straße. Lachte mit dem Glück um die Wette und fühlte mich gar nicht blöd dabei. Kam auf die Minute pünktlich. Brandy küßte mich ab, weil sie so froh war. Sie tat das richtige. Ich war der Richtige. Es war geil eine Aufgabe zu haben. Kniete mich voll rein in diesen Tanz Scheiß. Nach zwei Stunden war ich erledigt und wusch mir in der Herrentoilette den Schweiß vom Körper. Sog einen Hawaii Toast ein und kippte ein Wasser hinterher. Bekam einen Hustenanfall und stellte fest das ich den ganzen Tag noch keine geraucht hatte. Annegret saß am Nebentisch und winkte. Ich schlenderte rüber und küßte sie. „Du bist `ne tolle Frau.“ ,kullerte es aus meinem Mund hervor. Sie lächelte. Weltmännisch warf ich ihr, beim Rausgehen ein Zwinkern zu. Vor der Tür atmete ich tief durch. Sollte mich der Teufel jetzt holen, war`s ok. Das Leben war nie besser, als in diesem Augenblick. Schlenderte noch ein bißchen an der Alster. Sah ein einsames Segelschiff. An der Seite stand True Love. Wahre Liebe? Mmmmh. Davon hatte ich immer noch keine Ahnung. Wußte das ich jemanden lieben konnte. Der Rest war schwierig. Vielleicht kam ich ja irgendwann dahinter, wie das alles so ging. Für heute passte es. Freute mich auf den Gig. Rooster hatte sich in den Letzten Tagen die Finger blutig gespielt. Geil, wie er sich reinhing. Ganz anders als die anderen Looser die ich kannte. Die wachten auf und machten immer den gleichen Scheiß. Wir hatten uns ein richtig geiles Programm ausgedacht, in dessen Verlauf ich auf einen Tisch sprang und mir das Hemd aufriss. Dann wollte ich mit einem Satz zurück auf die Bühne und irgendwie so cool in die Menge gucken und alle Frauen zum Kreischen bringen. Überquerte die sechsspurige Straße ohne draufzugehen und blieb stehen. Mußte durch diese dunkle Seitenstraße. Das Licht hatte sich schon vor Wochen verabschiedet. Hatte so meine Schwierigkeiten mit der Dunkelheit. Lag sicher an den Fingern meines Bruders. Er kam auch immer in der Nacht. Sie kommen immer in der Nacht, damit du dich nicht wehrst. Die Schweine glauben, die Dunkelheit schützt sie. Ich war immer froh, wenn es vorbei war. Dann durfte ich wieder Kind sein. Am Ende der Gasse hörte ich wie Zwei Flaschen zusammen geschlagen wurden. Klick Klack - Klick Klack Shit! Es würde sicher gleich zur Sache gehen. Weglaufen war keine Option. Ich war dumm genug zu glauben, das meine Ehre mir dies verbot. Also ging ich weiter. Plötzlich bekam ich einen Stoß von der Seite und flog gegen die Hauswand. Da stand er. Versuchte meine Angst zu verstecken. Merkte das ich nicht atmete. Wußte plötzlich nicht mehr, wie das ging. Er rotzte einen grünen Qualzer vor meine Füße. Die Angst, wich dem Ekel. Machte es nicht besser. „Auf die Fresse?“ ,fragte er. „Kann ich drauf verzichten.“ ,sagte ich. Das ganze kam mir bekannt vor. Nur das ich diesmal wirklich was auf die Fresse bekam. Sah den Schlag nicht kommen. Spürte auch nichts, fühlte nur wie mir das Blut aus dem Mund lief. Genau in diesem Moment merkte ich, wie dieses Gefühl aus dem Bauch nach oben stieg. Ich wollte mir nichts mehr gefallen lassen. Meine Finger ballten sich zur Faust. Ging, wie ein Stier in der Arena auf ihn los. Chancenlos. Totgeweiht. Schlug mit allem auf ihn ein, was ich hatte. Das war nicht viel. Die Schläge prallten an ihm ab. Er war ein Fels aus Granit. Sah nur seine Umrisse. Gibraltar. Goliath. Titanus. Er schlug nur ein mal zu. Ich knallte wieder gegen die Wand, rutschte langsam an ihr herunter und blieb dann liegen. Dachte an den Film Blackboard Jungle. Aber war auch glücklich. Hatte es wenigstens versucht. Komisch, das ich nichts spürte. War vielleicht schon ein Stockwerk höher. Was sollte ich Petrus sagen? „Jo. Da bin ich. Kann ich rein?“ Hatte nichts vorzuweisen. War echt am Arsch. Ich erwachte im Arm von Tina, die meine Wange streichelte. Ihr Gesicht war dick geschminkt. Die Haut mit Piercings in allen Formen verziert. Sie schaute mich an und ich glaubte sowas wie Zuneigung in ihren Augen zu sehen. Vielleicht war es auch Mitleid. Diese Art Mitleid, die man einem armen wehrlosen Welpen entgegenbringt. Tat trotzdem gut. Versuchte zu lächeln. Ging nicht. Setzte mich auf und ging auf die Bühne. Rooster nickte mir zu. Ich stimmte meine Gitarre. „Den Sack kriegen wir. Versprochen.“ ,flüsterte er. Wußte nicht, ob mir das gefiel. Hatte keine Lust mehr auf diesen Scheiß. Wollte eigentlich nur jemand sein. Wollte eine Bedeutung haben. Sonst nichts. m Unser erster Song, war so ein Cowboy-Rockabilly Ding von Webb Pierce. I ain`t never. Wir waren immer noch schräg und alles andere als textsicher. Hauten es raus. Warfen es ihnen vor die Füße und stampften es ein. Sie liebten es. Die Meute schrie nach mehr. Genau das gaben wir ihnen. Noch mehr von diesem geilen Scheiß. So kurz nach Mitternacht konnten wir nur noch krächzen. Setzten uns an die Bar und bestellten einen letzten Drink. Rooster trank eine warme Milch. Ich dachte ich spinne. Bestellte einen Tee. Wir lachten uns schlapp, weil wir solche Weicheier waren. Erinnerte mich an meinen Traum: Ich war in meiner alten Schule die ich von der Ersten bis zur Vierten Klasse besucht hatte. Sie hatten die Räume, in eine Jugendherberge umgewandelt. Ich wanderte durch die Gänge und hörte diesen geilen Gitarrenrhythmus. Ging hinein und sah eine Gruppe Jugendlicher. An einem Tisch saß Elvis mit seiner Gitarre. Ja, Mann. Elvis Presley. Jung. Schön. Charismatisch. Ich kam lässig herein und sagte ebenso lässig: „Babe“ Er nickte und begann zu singen. Oh, Mann. Das war so cool. Nach ein Paar Songs reichte er mir die Gitarre und ich begann zu spielen und zu singen. Nachdem ich fertig war, sagte er nur: „Cooler Gig Buddy.“ Halleluja. Zum Abschied spielte der Wirt: It will stand. Die Gläser klirrten und die vollen Aschenbecher hüpften. Es kribbelte unter meiner Haut. Das Blut schoß in Lichtgeschwindigkeit durch meine Venen. Es war der beste Abend meines Lebens. Sollte ich jetzt mein Herz in die Waagschale werfen müssen, würde es leichter als eine Feder sein. Mit leichten Schritten verließ ich die Musicbox und tat einen Letzten Blick in die Kneipe. Tina stand direkt an der großen Scheibe. Sie lächelte mich an und zeigte mir den Mittelfinger. Ich lachte. Ihren Körper hatte sie in einen engen, hellen Rock gezwängt. Sie drehte sich und stellte ihren Fuß auf die Schulter von Sinclair, der am Bühnenrand hockte. Sie zeigte mir ihre Beine und da sah ich sie, ihre... ...schwarzen Nylons mit Naht. August 2018 von Axel Bruss
  2. Axel

    Showtime

    Vielen Dank! Liebe Grüße Axel
  3. Axel

    Showtime

    Showtime Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie sehr ich ihn hasse. Schon sein schleichender Gang, der mich an ein Wiesel aus Slowenien erinnert, bringt mich zur Weißglut. Auf leisen, leisen Sohlen versucht er sich in meine Nähe zu bringen. Ich weiß, was sein Ziel ist. Doch ich lasse es nicht zu. Seine einzige Bestimmung ist meine Vernichtung! Es gibt also nur eine Möglichkeit, dies zu verhindern. Ich muss ihm zuvor kommen. Ich muss ihn umbringen. Er kann sich nicht vor mir verstecken. Ich weiß genau, wie er aussieht. Dafür habe ich ein Gespür. Meine Intuition ist, wie ein Radar das ein genaues Bild seiner Person in 3D vor meinem geistigen Auge auferstehen lässt. Mittelgroß. Schlank. Feingliedrig. Hellhäutig. Breitfüßig. Fingernägeldolchenspitz. So, wie man sich Monstren vorstellt, die sich in Menschenkörpern verstecken. Und dann seine Augen. So wasserblau. So Tränen überflutet. So, als hätte jemand, der Blue Curacao gesoffen hat, rein uriniert. Dieser Wichser ist mir immer einen Schritt voraus. Nie lässt er sich erwischen, damit ich ihm mal so richtig die Fresse polieren kann. Würde ihm gern das Knie in seine dreckige Visage donnern, um ihm meine Abscheu gegenüber seinem abnorm, wohlgestalteten Körper deutlich zu machen. Seine gerade, aufrechte Statur und sein Getue finde ich zum Kotzen. Und sein zur Schau getragenes, freundliches Wesen, das abartig nach Lüge stinkt, ist im höchsten Maße krankhaft und widerspricht jeder Regel menschlichen Verhaltens und menschlichen zusammen Lebens. Sicher, ich stand ihm noch nie gegenüber und eigentlich weiß ich nicht mit Sicherheit, wer er ist und wie er aussieht. Doch er versteht es auf eine abseitige, anormale Art mich zum Wahnsinn zu treiben, ohne sich zu zeigen. Dieser Feigling verfolgt mich. Manchmal ist er Wochenlang nicht zu sehen. Dann wieder, ist er mir jeden Tag auf den Fersen und verunreinigt mein Gedachtes. Dieses schöne Tau bewehrte Denken. Mit dem Sonnenaufgang um die Wette laufend und verzweifelnd nach Atem ringende, zerbrechliche Dasein. Mein Lachen, das ich so nötig brauche ist mir von ihm gestohlen wurden. Er ist der Dieb, den ich am Galgen baumeln sehen will. z Wie jeden Abend stehe ich also auf der Bühne. Der Vorhang ist geschlossen, doch ich höre das erwartungsvolle Publikum. Auch heute freut sich der Pöbel wieder von mir beleidigt und bespuckt zu werden. Oh, wie ich diese Bagage hasse. Diese Ignoranten. Die weder meine geliebten Maikäfer, noch mein Programm verstehen. Die immer noch denken, ich würde Witze und lustige Geschichten erzählen. Dabei ist mir jedes Wort das ich über sie ergieße, bitterernst. Naja. Scheiß drauf. Its: Showtime! Der Vorhang hebt sich. Applaus und erste Lacher rollen zu mir herüber. „Boah. Haltet doch einfach eure Fressen!“ rufe ich in die geifernde Meute. Gelächter. „Ihr geht mir so was von auf den Sack. Wie mein Freund Walther. Der ging auf dem Deich spazieren und zieht ein Seil hinter sich her. Ich frag ihn Alter, was soll der Scheiß? Wieso ziehst du ein Seil hinter dir her? Sagt er: Ja, ziehen geht nich`, hab` ich schon versucht.“ Das Lachen hallt von den rotverputzten Wänden wieder. Gelangweilt kratze ich mich am Sack und brummle etwas Unverständliches in meinen drei Tage Bart, das so ähnlich wie: Der kleine rothaarige Pisser in der ersten Reihe ist auch wieder da. - klingt. Der lacht immer besonders laut. Ein Fan. Ich hasse Fans. Die gehen mir extrem auf die Nüsse. Genau, wie Autogrammjäger. Hab` ich nie verstanden. Warum will man die Unterschrift von einem anderen Typen haben, wenn man kein Versicherungsvertreter ist. Kommt irgendwie voll schwul rüber. Manchmal wollen sie es an die merkwürdigsten Stellen. Einer wollte, das ich es ihm innen auf die Unterlippe schreibe. Hab ich gemacht. Da stand dann: Ich bin Scheiße! Manche sollten einfach wieder unter den Stein kriechen, unter dem sie hervorgekommen sind. Die meisten, leben das Leben eines anderen. Ihr Dasein besteht nur aus Wünschen und Vorstellungen. Wie es sein könnte. Die Jahre vergehen und versickern irgendwie. Ihr Mut reicht gerade für die Geisterbahn, aber nicht für neue, spannende und unbekannte Abenteuer. Habe mich oft gefragt, warum das Leben so ist und nicht anders? Eins ist klar. Es liegt immer an den Anderen, wenn man sein eigenes versemmelt. Wenn ich noch mal neu geboren werde, dann nur als Vibrator. Den ganzen Tag surren und mich an meinen Lieblingsstellen aufhalten. Ein Traum. Naja. Wird eh` nicht passieren. Ich erzähle ein paar Witze, die ich entweder von meinen Kollegen geklaut habe oder in einer Alkohol vernebelten Nacht aufs Klopapier geschrieben hatte, während ich in meinem Hotel auf den Escort Service wartete. Die Flasche Champagner auf der Bühne ist obligatorisch. Lasse den Korken knallen und schieße ihn einem 60 jährigen Typen mit Hornbrille und Halbglatze auf die Stirn. Wieherndes Gelächter. Gieße mir eine große Portion von dem teuren Gesöff in meine Kehle und rülpse so laut, das man es noch in Tokyo hört. Dann setze ich mich auf den Schoß einer heißen 40 jährigen. Große Augen. Große Titten. Ihr Mann lacht, während ich obszöne Witze mache und ihre Nippel steif werden. Ich spule mein Programm ab, knalle kurz vor dem Nachhause gehen die Blondine hinter der Bar und bin froh, als die Tür meiner Wohnung hinter mir ins Schloss fällt. Erstmal die Glotze an. Dann duschen. Dann einen runter holen auf die Blondine, die so geil hinter der Bar stand und mich mit ihrer rauchigen Stimme verzaubert hat. Nein! Erst einen runter holen und zwar nicht auf die Blondine, sondern die dünne Nachbarin, die ist zwar auch blond, aber ziemlich schlau. Und das turnt mich an. Ich stelle mir vor, das sie unterwürfig ist. Und einsam. Das ihr Mann ein Arschloch ist und sie nicht mehr liebt. Das sie einfach so nebeneinander her leben. Sie geht zur Arbeit. Er geht zur Arbeit und knallt die Sekretärin, die ebenfalls verheiratet und einsam ist. In meiner Welt sind die meisten einsam. Die Anderen tun nur so, als wären sie es nicht. Das ist irgendwie beruhigend, weil ich dann nicht der einzige Trottel bin, der sein Leben nicht auf die Reihe kriegt. Letztendlich entscheide ich mich dafür mir keinen runter zu holen, sondern gehe duschen und esse danach ein Eis. Vanille. Das ist unkompliziert. Ich halte mein Leben einfach. Kein Auto. Keine feste Frau. Keine zu engen Kontakte zu Außenstehenden. Keine Freunde. Nur Bekannte. Und die gehen mir auch am Arsch vorbei. Eigentlich ist mein Dasein ganz schön. Minimale Verantwortung. Schöner gerader Schwanz. Halleluja. Nach dem Duschen schaue ich mir - Fear the walking dead an - . Endlich mal eine Serie, die das Leben zeigt, wie es wirklich ist. Jeder denkt nur an sich und versucht zu überleben. Dazwischen die Untoten. Deren einziger Sinn ist, dir ein Stück raus zu beißen und Asthma mäßig zu atmen. Die schlafen auch nie, oder kümmern sich um offene Rechnungen. Die machen einfach ihr Ding. Also Berufszombie könnte ich auch gut. Für die ist jeder Tag. Jede Stunde. Jede einzelne Minute Showtime. Ich strecke mich und freue mich, weil ich viel schlauer als die Anderen bin und weiß, wie der Hase läuft. Ich habe natürlich auch Dinge die mir wichtig sind: Ein sauberes gepflegtes Erscheinungsbild. Geputzte Schuhe Manikürte Fingernägel Schneeweiße, gerade Zähne. Frischer Atem. Eine klinisch saubere Wohnung. Ich esse mein Eis ganz langsam. Ich genieße es. Hin und wieder schaue ich zu meinem Terrarium mit den Maikäfern hinüber und ein Lächeln huscht über mein zufriedenes, makelloses Gesicht. Ich mag diese gelben Insekten mit den großen Fühlern und dem dicken Panzer. Maikäfer. Das klingt für mich nach Sommer. Jugend. Unverdorbenheit. Nach Liebe. Sorglosigkeit. Erfahrung sammeln. Scheiße. Mann. Ich war gern jung. Alles neu. Alles Geil. Das erste mal Musik. Bier. Strand. Die erste Frau. Wie dachten, das wir die Größten wären, aber in Wirklichkeit waren wir genauso arme Würstchen, wie unsere Eltern. Wir wussten es nur nicht. Wir dachten, die Alten haben keine Ahnung und reden nur Scheiße. Bis wir merkten, das wir alle fremdgesteuert waren. Egal. Lassen wir diesen Schwachsinn, sonst bekomme ich gleich meine Depression. Zurück zu den Maikäfer. Die gefielen mir auch, weil die mich an Wilhelm Busch und Onkel Fritz erinnerten. Natürlich sind die eigentlich ziemlich schrecklich. Diese Käfer. Aber von allem schrecklichen Getier, das ich kenne sind es die am wenigsten schrecklichen. Und es sind auch die Einzigen die ich ständig in meiner Nähe dulde. Sie beruhigen mich in einer sich immer schneller verändernden Welt. Alle drei Monate ein neues Handy auf dem Markt. Neue Krankheiten die uns heimsuchen. Corona. Grippe. Beulenbest. Und meine Mutter, die mich nervt und bei jedem Anruf den ich tätige mir mitteilt, das sie dachte ich wäre tot, weil ich mich so lange nicht gemeldet habe. Worauf ich dann immer sage. Das, wenn ich sterbe, sie auf jeden Fall die Erste ist die ich anrufe und darüber informiere. Das findet sie überhaupt nicht lustig und steht somit meilenweit über meinem zahlenden Publikum. Ich glotze aus dem Fenster und denke über weitere Gemeinheiten für meine beknackten Zuschauer nach. Ein bunter Papagei sitzt auf dem Ast vor meinem Fenster und schaut mich an. Ich starre zurück. Mit meinem Bogart Blick will ich ihm signalisieren, das es nur einen Macker in dieser Stadt geben kann. Daraufhin krächzt er: „Geh kacken du Pisser.“ „1:0 für dich Johnny.“ ,rufe ich ihm zu, während er auf Geier Sturzflug macht. Ich hole mein Luftgewehr, Marke Eigenbau aus dem Schlafzimmerschrank. Doch bevor ich diesem Viech eine verpassen kann, ist es im fallenden Schnee verschwunden und hinterlässt nicht mal eine Nachricht über das Ende der Welt. Naja, was solls. Die Visage habe ich mir auf jeden Fall gemerkt. Die blonde Nachbarin von gegenüber geht an meinem Fenster vorbei. Der schwarze Hosenanzug liegt eng an ihrem zarten Körper und ich kann jede noch so kleine Erhebung darauf erkennen. Er ist tief ausgeschnitten und ich versuche einen Blick auf ihren Bauchnabel zu erhaschen. Sieht einfach nur geil aus. Vielleicht nicht die richtige Bekleidung im Januar, aber sehr effektvoll, wenn man es liebt, das neugierige und geile Blicke einen auf Schritt und Tritt verfolgen sollen. Also: Ziel erreicht! It`s: Showtime! Sie winkt und lächelt. Dabei entblößt sie eine ganze Reihe makelloser, weißer Zähne, die sich gut in ihr niedliches und süßes Gesicht fügen. Die Grübchen in ihrer Wange vermute ich auch auf ihren Pobacken. Herrlich! Da ich grade so gut drauf bin, winke ich auch und mache eine obszöne Geste. Sie lacht und geht weiter, während sie ihren Hintern dabei raus streckt. Ein paar Zombies stolpern immer noch über den Bildschirm und die Hauptdarstellerin treibt es ausgiebig mit einem jungen Burschen. Mir wird klar, das ich schon lange keinen Pornofilm mehr gesehen und auch gar keine Lust darauf habe, weil das, was in meinem Schädel spukt immer besser als ein Film oder die Wirklichkeit ist. Ich denke zwangsläufig an Weihnachten und die Vorstellung an die Geschenke, von meiner Mutter. Je mehr Zeit verstrich, umso größer und fantastischer wurden sie und konnten natürlich mit der Realität nicht mithalten. Aber ganz ehrlich wer freut sich mit 13 über einen kratzigen Wollpullover mit einem Rentier drauf? Die Nachbarin verdrängt das Bild und nimmt Platz in meinem Kopf. Ich schalte die Serie aus und lege mich nackt ins Bett. Atme tief ein und aus. Stelle mir vor, wie sie bei mir klingelt. Ein bisschen angeschickert und bester Laune. Ich ziehe sie herein und nehme sie in den Arm. „Fester.“ sagt sie. Ich schließe meine Arme, wie eine Schraubzwinge. „Noch fester.“ Okay, denke ich. Also noch fester. „Das reicht nicht.“ Quetscht sie aus ihren Lungen heraus und bekommt kaum noch Luft. Ich lockere den Griff und knalle meine Hände auf ihre Pobacken. Dann ziehe ich sie nach oben und sie schlingt ihre Beine um meinen Hüfte. Sie reibt sich an mir. Ich werde ganz schön geil dabei, also setze ich sie ab. „Zieh die Hose aus.“ ,befehle ich ihr. Sie zieht sie aus, während ich meinen Schwanz heraus hole. Sie springt mich an und ich rutschte in sie hinein. Drücke sie an die Wand und nagele sie richtig durch. Sie läuft aus. Ihr Saft tropft an meinem Schaft herunter und bildet einen kleinen Fleck. Ich spritze in sie hinein und schicke sie zurück zu ihrem Mann. In diesem Moment spritze ich meinen Samen direkt auf meinen Bauch, also gehe ich noch mal duschen. Dann zurück zu meinen Zombies und statt des Samens liegt nun ein Teller mit einer Salami Pizza auf meinem Bauch. Lecker. So ein kleiner Gedankensplitter nistet sich bei mir ein: Jeder Tag ist geil, wenn du es zulässt. Bamm!!!!!!!!!!! Das Telefon klingelt. Es ist Herbert. Er erzählt mir, das seine Mutter gestorben ist. Ich heuchle Mitleid, obwohl ich seine 80 jährige Mutter überhaupt nicht kenne. Selbst Herbert kenne ich nicht. Bin ihn ein paar mal im Supermarkt begegnet und nachdem er ein Autogramm von mir bekommen hatte und ich ihm 20 Euro aus dem Kreuz geleiert habe. Weil mir noch ein paar Cent an der Kasse fehlten, glaubt er jetzt, wir wären Freunde. Und da ich ungern mein Publikum enttäusche, lasse ich ihm in dem Glauben. Manchmal vergesse ich meine Abneigung, die ich anderen gegenüber empfinde und liebe ALLE Menschen, aber da bin ich dann total stoned und kotze mir am nächsten Tag die Seele aus dem Leib. Ich nehme mir zweimal im Monat vor, Herbert die 20 Tacken zurück zu geben, aber sobald ich aus der Tür bin, habe ich auch das vergessen. Ich nenne es: Die kalkulierte Demenz. Da ich genug für diesen Tag erlebt habe, schlafe ich einfach ein und träume was richtig Geiles, das ich leider auch sofort wieder vergesse. Schade. Mein Erwachen ist von großem Durst und Erregung geprägt und da ist auch wieder dieser Drang nach einer Zigarette, dem ich nicht nachgebe, weil ich die absolute Kontrolle über meinen Geist und meinen Körper habe. Also quäle ich mich aus dem Bett und wanke ins Bad. Es fällt mir schwer meine Blase zu entleeren, da mein Penis Pfeilgerade nach oben zeigt. Sieht gut aus, ist aber bei der Erledigung meines, bereits schmerzenden Drucks, doch eher hinderlich. Ich also, direkt vor der Toilette, in den Handstand und lasse es laufen. Naja, die Idee war dann doch nicht so gut. Also erst mal duschen. Nehme mir vor es für mein Programm - Showtime - zu verwenden. Ich bin bester Laune. Sogar noch besserer Laune, als am 12.03.1993, denn da hatte ich das erste mal die Spitze im Mund meiner Freundin und durfte direkt in ihr kommen. Auf dem Weg ins Pfandhaus fängt es an zu schneien. Richtig dicke Flocken. Ich sehe wie eine Omma mit rotem Kopftuch ihre Zunge raus streckt um sie aufzufangen. Ihr zahnloser Mund ist klein, aber die belegte Zunge ist unglaublich lang. Das ist abstoßend und ich stelle mir lieber vor, wie meine Nachbarin das tut. Diese ständige Erregung ist Segen und Fluch zugleich. Ich schließe für einen Moment die Augen und denke an ein Blockhaus in Alaska. An Einsamkeit und eine warme Stube. An Wölfe die gemeinsam jagen. An Ziele, die wir nur zusammen erreichen. Boah! Viel zu sentimental. Würde mir gern selbst ins Bein schießen. Oder Herbert. ----- -------- ---------- Im Pfandhaus steppt mal wieder der Bär und stelle mich einfach hinten an. Ich bin gern da, aber nicht, weil ich es nötig hätte, sondern, weil ich das Ambiente liebe. Die ganzen armen Schlucker, die sich kein Brot mehr kaufen können. Die Neureichen die ihre Rolex versetzen, um bei ihren Nachbarn die Illusion von Reichtum aufrecht zu erhalten. Die Omma, die sich einen schönen Abend mit einem Pfeifchen Shit machen will und dafür den Familienschmuck versetzt. Naja, und ich. Mit einer wertvollen Kristallvase, die ich bei einer Tussie auf der Kommode gefunden habe. Bringt immerhin 2 blaue Scheinchen. Ich gebe sie einer Familie in schrecklichen Klamotten aus den 80ern, die einen Videorecorder versetzen wollen, den keiner haben will. Sie sind so glücklich, das sie mir versprechen, ihr 8. Kind meinen Namen zu geben. Ich lächle und bete das sie es nicht tun. Wer will schon Klaus-Dieter heißen. ---- Ich verarsch` euch. ---- Mein Name ist John Schmied. Ich selbst nenne mich gern - Long John Silver - Geboren in Hamburg. Aufgewachsen in einer Neubausiedlung am Rande der Stadt. Die wurde von allen nur der Papageien Zoo genannt. Wegen der bunten Häuser. Das sollte wohl bewirken, das wir alle fröhlich umherhüpften und uns lieb hatten. Das war nicht der Fall. Wir waren so was, wie die Leprastation. Die,mit denen keiner was zu tun haben wollte. In der Schule wurden wir gemieden und gab es Stunk, oder einen Diebstahl, oder jemand hatte auch nur laut gehustet, hieß es sofort: Das waren die Papageien! Irgendwann gewöhnte ich mich daran und entschied, wenn schon Scheiße, dann aber richtig. Besorgte mir einen Schlagring und eine schwarze Lederjacke. Den Schlagring verlor ich zwei Tage später, weil ich in der Badeanstalt auf Macker machen wollte und er mir beim Sprung vom 10 Meter Brett aus der Badehose fiel und ich ihn danach nicht wiederfand. Bald war ich in der Schule dafür bekannt, das ich mir nichts gefallen ließ. Das führte dazu das die Kinder aus der Siedlung mich mieden und so durchstreifte ich nach dem Unterricht, wenn ich mal da war, den nahen Wald und machte auf Einzelkämpfer in einer feindlichen Umgebung. Viel lieber, aber hätte ich einen Freund gehabt. Jemanden mit dem ich reden und Spaß haben konnte. Der mit mir Cowboy und Indianer spielte. Der über meine Witze lachte und gern mit mir zusammen war. Natürlich gab ich das nicht zu. Später wünschte ich mir eine Freundin. Ich schnitt aus dem Otto Versandkatalog Arme, Beine, Köpfe und Körper heraus und klebte mir mein Traummädchen zusammen. Dachte mir kleine Geschichten aus, wie ich sie kennenlernte und sie vor dem Drachen rettete. In diesen Story`s, war ich immer der Held. Immer zur rechten Zeit am richtigen Ort. Mit 13 erwachte die Neugier und das Verlangen nach echten Girls. Die Irmgard, war ein Jahr älter und ein bisschen pummelig. Das machte nichts. Im Gegenteil, sie hatte die richtigen Polsterungen an der richtigen Stelle. Wir knutschten oft hinter der Turnhalle. Zuerst, war das immer eine feuchte Angelegenheit und reichlich nass. Niagara Falls. Ihr wisst schon, was ich meine. Bis sie mir zeigte, wie das richtig ging. Ja, bei ihr habe ich wirklich was fürs Leben gelernt. Manchmal schlichen wir uns auch in die Turnhalle und versteckten uns zwischen den Matten. Das war ganz schön klug von uns, weil wir uns da hinlegen konnten. Da bekam ich auch meinen ersten Orgasmus, als sie für 2 Sekunden ihre Hand zwischen meine Beine legte. Peinlich, aber auch geil. Als ich das erste mal in sie eindrang, hatte ich das Gefühl im Himmel zu sein. Wir verstanden uns gut, viel geredet haben wir aber nicht. Sie interessierte sich nicht für Raumfahrer und Blockhütten und ihr Gerede über Mode und Heirat langweilte mich. Aber mit ihr zu schlafen, machte das alles wieder wett. Stellte mir vor das es in einer Ehe wohl genauso ist. Meine Eltern ließen sich scheiden, als ich 12 war. In meiner Erinnerung gab es keinen Tag, an dem sie nicht gestritten, geschrien und sich Teller und Tassen an den Kopf geworfen haben. Meine Mutter, eine zierliche, hübsche, blonde Frau, gab mir immer Schokolade und Geld für das Kino. Mein Dad, das Arschloch in unserer Familie, sorgte für Gewalt und Alkohol. Manchmal schlug er mich und meine Mutter, dann hasste ich ihn besonders und hätte ihn am liebsten umgebracht. An einem Freitag, es war der 13., und die Sonne schien durch unser Fenster und man konnte genau die durcheinander wirbelnden Staubpartikel sehen, war es fast soweit. Der Sack schlug meine Mutter so heftig das sie zu Boden ging und sich den Kiefer ausrenkte. Daraufhin griff ich mir das spitze Messer aus der Spüle und stach es ihm, mitsamt der Marmelade und der Butter die noch daran klebten, in den Arm. Als ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, kam ich in ein Kinderheim für schwer Erziehbare. Da hätte wohl eigentlich mein Dad rein gehört. Fühlte mich reichlich unverstanden und gefrustet. Meine Mama ist dann ein paar Jahr später gestorben. Ich stelle mir immer vor, dass sie an einem gebrochenen Herzen in eine schönere Welt glitt, aber eigentlich war es mein Dad. Versehentlich. Beim rückwärts Einparken . Ein ganzes Jahr lang vermied ich es in ein Auto zu steigen, weil ich immer befürchtete darin zu sterben. Mit 18 arbeitete ich auf dem Bau und mietete eine Einzimmerwohnung. Die war so winzig, das ich grad mein Bett und einen Tisch hineinbekam. Leichter Schimmelbefall an den Wänden, machte mich ein bisschen nachdenklich und das Wasser aus dem Hahn hatte meistens eine bräunliche Färbung. Die Nachbarn feierten immer, bis in die Morgenstunden und randalierten, bis die Polizei kam. Im Treppenhaus stank es nach Pisse. Spinnen und Kakerlaken sangen sich gegenseitig Schlaflieder vor, aber ich konnte die Tür hinter mir zumachen und das machte mich stolz. Alle anderen hingen noch an Mama`s Rockzipfel. Schätze das ich schneller erwachsen wurde, als die anderen Kinder. Eigentlich verwunderlich, das ich dann doch nicht die Laufbahn eines Berufsverbrechers einschlug. Irgendwie schade, weil ich in 10 Sekunden jedes Auto knacken und es kurzschließen konnte. Einbrüche habe ich auch gern gemacht, aber nur bei Reichen. Fühlte mich immer ein bisschen wie Robin Hood. Habe immer 10% meiner Beute unter die Matte besonders armer Leute gelegt und dann solange in einem Versteck gewartet, bis sie es entdeckt haben. Ja. Ich hatte da richtig Bock drauf. Wollte der Pate von Hamburg werden, doch dann bin ich eines Morgens wach geworden und hab` meine beschissene Zukunft gesehen. Das hing sicherlich mit Franzi zusammen. Die lernte ich auf einem Konzert von Green Day kennen. Die hatte ein Kind und wusste eine ganze Menge über das Leben. Also, worauf es eigentlich ankommt. Möglich, dass das, so was wie Liebe war. Die war unglaublich erfahren und ich habe viel gelernt, aber ich habe immer gewusst das sie eigentlich eine Nummer zu groß für mich ist. Konnte ihr nie das Wasser reichen. Hat `ne Zeit gedauert, bis ich das erkannt habe. Ist halt wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein. Alles andere bringt einen nicht weiter. Irgendwann ist sie mit ihrer großen Liebe nach Amerika ausgewandert. Da waren wir schon längst nicht mehr zusammen, aber es war trotzdem der traurigste Tag in meinem Leben. Abschied ist halt nichts für Weicheier. z Meine Nachbarin, die mit dem geilen Body, heißt Bärbel. Den Namen finde ich Oberscheiße, deswegen nenne ich sie Laura. Es klingelt an der Tür. Laura steht da, mit offener Jacke und ihrem Hund an der Leine. Irgendeine Promenaden Mischung, bei der keiner weiß, wo vorne und hinten ist. Er schaut zu mir rauf, mit einem Blick, der sagt: „Alter. Fick sie endlich. Ich muss pissen!“ Ich nehm` das mal als Kompliment und bitte den Hund und Laura hinein. Als erstes, also bevor ich auch nur piep sagen oder denken kann, hebt der Köter sein Bein und pinkelt an die Kommode im Flur. Laura entschuldigt sich tausendmal, läuft in die Küche, holt einen Lappen und wischt damit den Boden auf. Es ist der, mit dem ich immer mein Geschirr abwasche. Scheiß drauf. Benutz` ich halt kein Geschirr mehr. „Böser Hund. Böser, böser Hund.“ ,sagt sie immer wieder, während sich Mr. Rabbit einen weglacht und ins Wohnzimmer läuft, um es sich auf meiner weißen Designer Couch für 12196.- Euro bequem zu machen. Laura wischt und feudelt. Ich beobachte sie, wie sie, auf Knien, in ihrem schwarzen, langen Mantel, ihre Hüfte hin und her bewegt. Ich stelle sie mir nackt vor und brenne darauf ihr die Klamotten runter zu reißen. Nach endloser Zeit, in der in Japan wieder zwei Leute gefoltert und Trump sich einen runtergeholt hat, ist sie endlich fertig. Sie steht auf, verschwitzt, nach Alkohol riechend und kichernd. Unsere Körper sind gerade mal 16 cm voneinander entfernt. Ihre Hitze verbrennt mir die Haut. Sie ist die Sonne und ich der bleiche Typ am Strand von Acapulco . Das Gehirn wird in meinem Schädel auf 300 Grad erhitzt und schwappt, als klare Flüssigkeit, hin und her. Ich vergesse meinen Namen und wo ich wohne und denke an ihren Scheiß Köter. Der hat meinen Namen nicht vergessen: „Ey. Long John Silver. Du blöder Penner. Reich mal ein Schnitzel rüber. Das scheint hier `ne längere Session zu werden.“ ,ruft Mr. Rabbit. Sie sagt, das es ihr leid tut, das meine Frau gestorben ist. Ein Thema das ich aus meinem Leben ausgeklammert habe, weil ich lieber fern von bestimmten Realitäten lebe. Trotzdem sage ich höflich danke, weil ich ihr unbedingt an die Wäsche will. „Halt mich. Ganz fest.“ ,sagt sie. Also nehme ich sie in den Arm und drücke sie so fest es geht an mich. Gut das ich das in meiner Fantasie schon durchgegangen bin und somit genau weiß, was zu tun ist und wie ich sie zu halten habe. Ich schiebe ihr vorsichtshalber mein Knie zwischen die Beine. Sie lässt es zu. Meine Fresse. Ich platze gleich. Im Spiegel sehe ich Mr. Rabbit auf meiner Couch, der herzhaft gähnt. „Ich habe ein Alkohol Problem.“ ,sagt sie plötzlich. Ich weiß nicht genau, was ich mit dieser Information anfangen soll. „Darf ich dich küssen? Ich hab kein Corona.“ ,haucht sie mir ins Ohr. „Sicher.“ ,antworte ich ohne nachzudenken. „Aber nicht auf den Mund.“ ,flüstert sie „Nein, natürlich nicht.“ ,hauche ich zurück. Sie küsst mich immer wieder, abwechselnd, auf meine Wangen. Dann bin ich dran. Fühlt sich gut an. Ihre Haut ist weich. Wie warmes Latex. Ein leichter Schweißfilm liegt darauf und ich schmecke das Salz. Meine Zungenspitze tastet die Konturen ihres Gesichts ab. Scheiße. Habe nie etwas erregenderes gemacht. Ich würde gern ein Stück herausbeißen, zügel mich aber und versuche meinen Steifen nicht an ihr Bein zu drücken. Plötzlich funkt mir so ein blödes Gefühl dazwischen. Ich bekomme die volle Breitseite von ihrer Einsamkeit. Das macht mich traurig und mischt sich mit meiner Geilheit. „Fang mich.“ ,ruft sie plötzlich und reißt sich von mir los. Ganz schön sprunghaft die Schnecke. Unberechenbar. Ich sollte es hier und jetzt beenden und sie wegschicken. So auf die Vernünftige. Und, weil ich wirklich schlau bin höre ich nicht auf mich, sondern laufe hinter ihr her. Wir balgen uns auf dem Boden. Sie zappelt und wehrt sich mit aller Kraft. Dann wieder zieht sie mich an sich und hält mich fest. Mir bleibt die Luft weg, da meine Lunge sich nicht mehr ausdehnen kann. Sie ist die Boa Constrictor Imperator. Ein Reptil. Gnadenlos. Stark. Ihre Arme sind wie ein Schraubstock. Sie hat mich im Würgegriff. Kurz bevor ich das Bewusstsein verliere, steht sie auf und geht ans Fenster. Sie schaut hinaus. Ich stelle mich hinter sie und blicke auf den schmelzenden Schnee. In Japan werden sie wohl bald das Kirschblütenfest feiern. Ich wünschte ich wäre dort und säße in einem weißen Liegestuhl mit einer Kalaschnikow im Arm. Neben mir, an meinem großen Pool, drei scharfe Weiber mit riesen Titten und einem großen, runden Arsch. Strohdumm. Jedenfalls tun sie so, aber in Wirklichkeit sind sie viel schlauer, als die gesamte Elite der USA. Sie wissen, wie der Hase läuft. Sie wissen, das es nur auf drei Dinge ankommt: Sex. Macht. Geld. Neben dem Pool ist ein großes Terrarium mit 2651 gelben Maikäfern und zwölf weißen Hasen. Meine Leibwächter heißen: Conejo und Abejorro. Sie gehören zur örtlichen Mafia und wiegen zusammen 365 Kilo. Da sie so fett sind, stoße ich sie manchmal in das Becken, wenn ich genervt bin und obwohl sie nicht schwimmen können treiben sie, wie gestrandete Wale, auf dem Wasser. Denn Fett schwimmt ja bekanntlich oben. Ich räkle mich also auf meinem Liegestuhl und ein neuer Klient sitzt neben mir und ich höre seinem Angebot zu. Er will mir für zwei Millionen Schuss, 16 Panzer, 8 Hubschrauber, 10.000 Handfeuerwaffen und 10.000 Gewehre 50 Millionen zahlen. Ich sage ihm er soll sich ins Knie ficken. Unter 60 würde ich nicht mal zum kacken aufstehen. Er gibt mir die 60 und ich gebe ihm die Schwarzhaarige an der Bar und 2 Düsenjets dazu. Alle sind glücklich und holen sich einen runter. z „Das Leben ist Scheiße. Nur in unseren Träumen leben wir.“ ,flüstert sie und holt mich aus meinen Gedanken. Ich ziehe ihren Mantel aus.Ihr kleiner, süßer Arsch macht eine gute Figur in der Jeans. „Wie viel wiegst du? Bestimmt nicht mehr als 62 Kilo. Ich wiege 50.“ ,sagt sie, während sie mich anspringt und mit beiden Beinen umklammert. Fühle mich, wie in einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Um sicher zu sein, das ich nicht träume kneife ich sie in den Po. „Auh.“ ,zwitschert sie. „Genau.“ ,sage ich lachend. „Showtime.“ Sie lacht und ich greife mir ihre Pobacken. Das fühlt sich herrlich an. Ich denke an den Fujiyama und Wanda Jackson. Und während ich ihren Arsch massiere und an diesen schneebedeckten Berg in Japan und den Song von Wanda denke, rutsche ich immer wieder mit den Fingern zwischen ihre Beine. Geil! Ich will einfach nur in sie rein. Ficken! Spritzen! Doch sie reißt sich los und geht. Ich stehe da und denke an Onkel Albert. Es klingelt. „Ich habe Mr. Rabbit vergessen.“ ,flüstert sie. „Ja. Und deinen Mantel.“ „Ja. Der Mantel.“ „Ich bin geil auf dich.“ ,erklärt sie. „Natürlich.“ ,erwidere ich. Dann geht sie. Kommen wir zurück zu Onkel Albert, diesem Schweinehund. Er war so, wie wir alle sein wollten, aber es aufgrund unserer Erziehung und Moralvorstellungen nicht konnten. Onkel Albert, war das alles Scheiß egal. Der pöbelte und fickte sich durch die Weltgeschichte, wie es ihm gefiel. Halbglatze. Glubschaugen. Bierbauch. Zwei Meter zehn groß. Und ein Selbstvertrauen mit dem man das Empire State Building einreißen konnte. Er versuchte es buchstäblich bei jeder Frau. Jede 13. biss an. Gar nicht schlecht. Ne` Zeit lang lebte er mit einer Marcie zusammen. Die war heiß. Hätte jeden haben können, aber sie entschied sich für meinen Onkel. Er ließ sich von ihr aushalten. Nebenher hatte er noch andere Frauen am Start. Genau genommen, war er doch nichts weiter als ein Arschloch. Aber wenigstens hat er sich nicht verstellt. Ich überlege, noch mal duschen zu gehen, entscheide mich aber dagegen, um den Geruch von Laura, der an mir haftet nicht abzuwaschen. Ich hole mir auch keinen runter. Das käme mir jetzt irgendwie schäbig vor. Das würde den ganzen Glanz dieses Augenblicks ins All schießen, um dort elendig zu ersticken. Stattdessen werfe ich die Glotze wieder an und ziehe mir Fear the walking dead rein. Showtime! Irgendwann nicke ich einfach auf dem Sofa ein und lasse mich in meinen Träumen von den Zombies zerfleischen. Ein Stück aus der Schulter. Zwei aus der Wange. Drei aus dem Oberschenkel. Da mein Adrenalin durch den Körper rauscht, spüre ich keinen Schmerz. Nur wahnsinnige, panische Angst. Schweißgebadet erwache ich und überprüfe meinen Körper auf Bisswunden, aber bis auf einen fetten roten Pickel unter dem Knie ist nichts zu entdecken. Schwein gehabt. Es ist ein Uhr morgens. Schlafen kann ich eh` nicht mehr. Gehe also doch duschen, um die Untoten in meinem Kopf zu vertreiben, bevor ich mir selbst den Schädel wegschieße. Dann, ab in meinen schwarzen Armani Anzug. Schwarzes Hemd. Schwarze Krawatte. Schwarze Seele. - Scherz - . Ich habe keine schwarze Krawatte. Sie ist blau. Genau die gleiche Farbe, wie meine Augen. Ich schaue mich im Spiegel an. Hammer. Meine Fresse, sehe ich geil aus. Als ich so durch die Straßen wandere, ist er wieder da. Er geht, wenn ich gehe und er bleibt stehen, wenn ich stehen bleibe. So ein Schweinepriester. Er glaubt wohl ich bemerke es nicht. Da hat er sich aber geschnitten. Ganz langsam, so zeitlupenmäßig, nur noch viiiiiiiiiiiiiiiiiiiiel langsamer, drehe ich meinen Kopf. Er wird es nicht merken, denn ich bin der Houdini des Slow Motion. Ein Zauberkünstler der Illusion. Er wird denken, ich schaue gerade aus, doch in Wirklichkeit, blicke ich in seine fiesen Schweinsaugen und gebe ihm richtig was auf seine blöde Fresse. Dann ist endlich Schluss mit dem Auflauern und diesem verdammten Nervenkrieg. Ich spüre schon seinen Atem im Nacken, doch als ich mich umdrehe ist da niemand. Verdammt! Was soll ich bloß tun? Muss mich beruhigen. Erst mal weiter. Nur weiter. Da alle Geschäfte und Kneipen dicht haben, bleibt mir nur eine Chance. Ich gehe zu Herbert. Der hat sich in seiner Wohnung eine Flüsterkneipe eingerichtet. Die nutzt er aber nur allein und nur alle sechs Wochen. Der Herbert ist nämlich Quartalssäufer und Berufsdemonstrant. Er ist grundsätzlich gegen alles und setzt sich lautstark dafür ein. Natürlich glaubt er auch, das Corona ein großer Schwindel ist. Genauso eine Lüge, wie die erste Mondlandung und das die Erde eine Kugel ist. Als ich ihm sage, das man vom Küssen schwanger wird, stimmt er mir gleich zu. Endlich jemanden getroffen, der den totalen Durchblick hat. Und das Rätsel, um die Schwangerschaft der Jungfrau Maria, ist auch gelöst. Das war nicht Gott, sondern Aliens von ganz, ganz, ganz weit her. Amen. Das Leben könnte so einfach sein, wären da nicht die Schwindeleien. Lügen und Wahrheiten sind manchmal schwer auseinander zu halten. Ging mir beim Gottesdienst immer so. Sonntag Morgen. Sonnenschein. Normale Menschen, die sich schick angezogen haben. Ich in meinem Kinder – Ich seh` Scheiße damit aus – Anzug in der zweiten Reihe der viel zu harten Holzbänke. Die Glocken läuten, wie verrückt und bringen meine Gedanken völlig durcheinander. Eine freche Fliege dreht ihre mörderischen Kreise, um die fettigen Haare des Pastors und erwartet ihren Segen. Der bleiche Gottesanbeter fängt sie aus der Luft und zerquetscht sie zwischen Zeigefinger und Daumen. Nun hat auch er Blut an seinen Fingern. Na egal. Alle sitzen also da und beten und murmeln vor sich hin. Ich auch. Aber darum, das der Rock von der Frau Mutzenbacher doch bitte noch etwas höher rutschen soll, damit ich den Schlüpfer sehen kann. Ist aber nicht passiert. Da hab ich gewusst das die Sache mit Gott ein großer Schwindel ist und von da an fand ich die ganze Show immer irgendwie lächerlich. Und als ich erfuhr das Pastor Sorgenfrei in seiner Freizeit gern mit kleinen Jungs spielte, hab ich ihm die Scheiben eingeworfen und in einem Vodoo Zauber eine Puppe mit seinem Gesicht verbrannt. Hat leider auch nichts geholfen. Durch einen Formfehler bei Gericht wurde er frei gesprochen. Also auch das eine große Lüge. Deshalb und aus zwanzig anderen Gründen nahm ich mir vor, nichts mehr ernst zu nehmen, um irgendwie da draußen klar zu kommen. Tja, es ist wie in diesen Zombie Filmen. Ein paar Menschen überleben die Apokalypse, aber sie müssen jeden Tag um das bisschen Leben kämpfen und das ist doch eigentlich auch alles für`n Arsch, weil es nichts mehr gibt wofür es sich zu leben lohnt. Nicht mal gelbe Maikäfer, oder Vanille Eis. Kein Wunder, das man irgendwann durchdreht. Herbert, jedenfalls, ist gut drauf. Er erzählt mir das er eine Frau kennengelernt hat. „Wie lange brauchst du zum Aufblasen, Alter?“ ,frage ich und lache mich checkig. „Sie ist wunderschön.“ ,sagt er nur. „Ja, am Anfang sind sie alle schön, bis sie ihr wahres Gesicht zeigen.“ „Du hast nur noch nicht die Richtige gefunden.“ „Ich glaub` schon, das ein paar Richtige dabei waren, hab`s nur nicht bemerkt.“ „Kenn ich. Meistens, war ich viel zu besoffen, um überhaupt was zu merken.“ „Was macht sie so besonders?“ „Ihre Ausstrahlung hat mich umgehauen und ihr freundliches Wesen.“ „Wo hast du sie kennengelernt?“ „Im Club – Strange Things - . Das ist ein Fetisch Treffpunkt.“ „Und da hast du gleich gemerkt das sie so ein freundliches Wesen hat? „Genau.“ „Tja. Das ist............also............da freu` ich mich für...........also.“ „Danke.“ Ich weiß nicht genau, ob ich ihm gleich die Wahrheit sagen soll, oder ihn ins offene Messer laufen lassen soll. Auf der anderen Seite. Wer bin ich das ich glaube im Besitz der absoluten Wahrheit zu sein? „Wie heißt sie?“ ,frage ich. „Weiß ich nicht.“ „Wo wohnt sie?“ „Weiß ich nicht.“ „Wie willst du sie wiederfinden?“ „Das regelt sich schon.“ „Alter. Das wird nichts. Hamburg hat 1.847.986 Einwohner.“ „Ja, ich weiß und davon sind 326.392 Ausländer. Na und?“ „Wer hilft dir dabei? Gott?“ „Das Schicksal.“ „Das Schicksal?“ „Genau. Denn jetzt bin ich mal an der Reihe. Ich hab` genug Scheiße durchgemacht. Jetzt bin ich mal dran `ne Glückssträhne zu haben. Ich will endlich alles vergessen. Den Brand. Die Toten. Meine zerstörte Seele.“ Wir legen eine Schweigeminute ein, die zwanzig Minuten dauert. In der Zeit durchstöbere ich Herberts Plattensammlung und lege für ihn die ganzen schmalzigen Songs auf, die man halt hört, wenn man verknallt ist. Er nutzt sie auch und beginnt sich einen anzusaufen. „Weißt du.“ ,sagt er. „Im Grunde sind wir doch alle am Arsch. Auf die eine oder andere Art haben wir alle einen weg. Schau mal, für mich bist du der größte Entertainer den die Welt je gesehen hat. Aber ich spüre das da tief in dir was ist, das dich fertig macht. Und das macht mich traurig.“ Da merke ich plötzlich, das dieser blöde Kerl verdammt viel Gefühl für andere hat und mir tut´s echt leid, das ich ihn trotzdem öde finde. Mann ich bin total verkorkst, aber damit muss ich wohl leben. Wenn nur dieser andere Typ nicht wäre, der mir nachsetzt. Wieso verfolgt mich dieser Sack? Hab ich ihm mal eine rein gewürgt und dann einfach vergessen mich zu entschuldigen? Könnte auch so ein bekloppter Fan sein, der mich irgendwann mit einem Reisebus aus Griechenland überfährt. Überlege, ob ich zur Polizei gehen sollte, aber was soll ich denen sagen? Da ist jemand der mich verfolgt?! Ich hab ihn, aber noch nie so richtig gesehen?! Bleierne Müdigkeit überfällt meinen Körper. Ich lege mich hinter den Tresen und denke an Dean Martin, der immer unter einer Bar beerdigt werden wollte. Die Idee gefällt mir. Das einzige was Herbert sagt, ist: „Diese verrückten Künstler.“ ,und kichert in sich hinein. 4 Morgens um acht erwache ich, richte meine Krawatte und schlendere nach Hause. Es beginnt zu schneien. Ein Mantel wäre jetzt gut, oder ein Flachmann, oder eine Prise Schnee, die ich mir durch die Nase ziehen kann. Ich lache über den Witz und stolpere über ein paar Beine die leblos auf der Straße drapiert sind. Die schwarzen, halterlosen Strümpfe schmiegen sich an ihre weißen Waden und sehen unglaublich heiß an ihr aus. Eine Frau in einem roten Kleid liegt, wie ausgegossenes Blut, auf dem Gehweg. Ihre schwarzen Haare fließen malerisch, neben ihr, über den Asphalt. So, als hätte Edvard Munch sie extra da postiert. „Es wird Zeit für eine gute Tat.“ rufe ich laut. „Zeit ein Leben zu retten.“ Jetzt sieht mich natürlich keiner. Scheiße. Ich könnte es mit meinem Handy aufnehmen und sofort posten. Der wichtigste Comedian Deutschlands rettet, ohne Rücksicht auf sein Eigenes, ein Leben. Aber ich höre schon die Presse: Alternder Komiker versucht Comeback. Sein skrupelloses Verhalten spiegelt die Moral Deutschlands wider. Die Schöne und das Biest. Seine Texte sind sexistisch und Frauen verachtend, genauso wie seine angebliche Rettung. Also lasse ich es und tue so, als würde ich mir eine Zippe anzünden und sie rauchen, dann beuge ich mich zu ihr herunter. Sie ist kalt. Hebe sie hoch. Ganz schön schwer die Schlampe. Überlege kurz, ob ich sie liegen lassen sollte. Bringe sie dann, aber doch nach Hause. Ich schneide ihr die nassen Klamotten vom Leib. Sie trägt keine Unterwäsche und die Intimrasur ist nachlässig. Sollte ICH das mal eben machen? Also, wo sie doch ohnehin schon nackt ist. Gerade, als ich mein Rasierzeug hole wird sie wach. „Wo bin ich?“ ,lallt sie. „Du bist im Himmel. Ich bin Petrus.“ ,antworte ich mich dunkler Stimme. „Wirklich?“ „Nein. Schön wär`s. Ich hab dich auf der Straße gefunden. Du warst kurz davor zu erfrieren.“ „Warum bin ich nackt?“ „Dein Kleid war durchnässt. Ich will nicht das du dir eine Lungenentzündung holst.“ „Danke.“ Ich nicke und hoffe, das sie die Sprache auf ihre unrasierte Muschi bringt. Aber sie macht einfach die Augen zu und pennt weiter. Weil ich sie nicht so nackt daliegen lassen will, bedecke ich sie mit meinem Mund und wünsche mir sofort, sie doch vorher rasiert zu haben. Naja, seis drum. Ich fummle ein paar Härchen aus den Zwischenräumen meiner Zähne und tänzle, wie eine von diesen niedlichen Elfen aus Lummerland oder Disneyworld, fast schwebend zur Kommode im Wohnzimmer und greife mir eine Decke. Die Graue mit den weißen Sternen. Die ist kuschelig und warm. Ich lege sie über ihren wundervollen, drallen Körper und drehe sie auf die Seite. Packe dreizehn kleine Kissen in ihren Rücken. Logisch. Denn falls sie kotzen muss, wird sie nicht ersticken. Ich setze mich in einen Sessel und passe auf sie auf. Eine Zigarette wäre jetzt gut, aber das Rauchen habe ich schon vor dreißig Jahren aufgegeben. Würde mir sowieso nicht schmecken, aber die Vorstellung ist schon geil. Ich und eine Zigarette und die scharfe nackte Braut unter der Decke. Gute Geschichte eigentlich. Überlege, ob ich eine Story darüber schreiben sollte? Hätte auch schon den richtigen Titel: Showtime! Dann finde ich die Idee doch bescheuert und lasse es. Die unrasierte Muschi geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Vielleicht sollte ich noch mal einen Blick riskieren. Mmmmmmmh. Nö. Ich bin ein Gentleman und lasse es. Um das zu feiern klingele ich bei Laura, die mir völlig verkatert öffnet und schnorre eine Zigarette, die scheiße schmeckt. Jetzt bin ICH kurz davor zu kotzen. Laura bittet mich herein, ihr Mann ist nicht da. Da ich gerade auf einem Selbstfindungstrip bin und jeden Tag Selbstmordgedanken habe, willige ich sofort ein. Sie trägt einen weißen Bademantel und ein leichter Whiskyschleier begleitet jeden ihrer Schritte, gepaart mit einem schweren, süßen Geruch den ich von stundenlangem Sex mit mir selbst kenne. Ein Witz den ich auch gerne auf der Bühne erzähle und auch eine Geschichte, bei der alle glauben das sie nur erfunden wäre. Wie zufällig rutscht der Bademantel über ihre Schulter. Sie sieht zum Anbeißen auf. Meine Fresse. Ich glaub` ich dreh gleich durch. Diese weiße, zarte Schulter ist der Hammer und sooooooooooooo sexy. Mit meinen feingliedrigen, kräftigen Musiker Händen packe ich sie von hinten am Hals und bringe sie zum Stehen. Dann küsse ich die freie Stelle und beschließe, das dies ab sofort mein neuer Fetisch ist. Geil. Ihr leises, leichtes Stöhnen hört man auch in Japan und einige kleine Schlitzaugen verengen sich noch mehr und da ich dabei an diese winzigen Japanerinnen denke, die immer so spitze Schreie in gaaaaaaaaaaaaaaaanz hohen Tönen, bei ihrem Orgasmus ausstoßen, greife ich Laura an ihre süßen Pobacken. Herrlich. Und während Mr. Rabbit um unsere Füße wuselt, genieße ich die Konsistenz ihrer Hinterseite. In diesem Moment wird die Tür aufgeschlossen und ich verschwinde aus dem Fenster. Ich denke wieder mal an Gott und frage mich, wie er es ohne Sex aushält. ? Auf dem Weg nach Hause begegne ich Herbert der total besoffen unter einer Laterne sitzt und O Sole Mio singt. Gar nicht mal schlecht. Er sieht aus, wie der letzte Penner. Total verwarzt und vollgekotzt. Er muss schon eine ganze Zeit da hocken, denn der fallende Schnee schmilzt nicht auf seiner Haut. Ich nehme ihn mit zu mir, schneide ihm die nassen Klamotten vom Leib und lege ihn zu der Braut auf mein Bett. Scheiße. Hätte ich Freunde, würde ich mir über so viel Großmut Sorgen machen, aber da ich keine habe, lasse ich es. Nun sind wir also zu dritt in meiner Designer Wohnung. Ich frage mich, ob es schon für eine Orgie reicht? Es klingelt an der Tür. Es ist Laura. Langsam wird die Sache etwas unübersichtlich. „Mein Mann musste noch mal los. Ich will dich.“ ,raunt sie mir,wie in einem Porno, zu. Jo. Jetzt sind wir zu viert. Nun reicht es aber für eine Orgie! „Im Moment ist es etwas ungünstig. Ich habe Besuch.“ ,bedaure ich. Sie hebt ihr kurzes Röckchen. Ihre süße Spalte lächelt mich schelmisch, haarlos an. Ich grinse zurück. Sie nimmt meine Hand und drückt einen Finger zwischen ihre nassen Schamlippen. Ich wurde schon schlimmer begrüßt und gerade, als ich loslegen will meldet sich die gefundene Frau von meinem Doppelbett. „Wo bin ich?“ ,ruft sie verschlafen. Laura schaut zum Schlafzimmer. Dann zu mir. Dann wieder zum Schlafzimmer. Sie schlägt mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Das hat ganz schön Wumms. Knallt wie ein Pistolenschuss. Wutentbrannt verlässt sie mich mit ihrer willigen, feuchten Muschi. Am liebsten würde ich mir jetzt selbst was in die Fresse hauen. Scheiße. Stattdessen rufe ich in hoher, sarkastischer Stimme: „Ja. Schatz ich bin gleich daha. Kaffee und Törtchen? Wie immer?“ „Häh.“ ,kommt Herberts verdrehte Stimme aus dem Schlafzimmer. „Törtchen?“ ,wiederhole ich mich. „Sind sie der Zimmerservice?“ „Jaha.“ „Hier liegt eine Frau.“ ,krächzt er verschlafen. „Ich habe sie draußen gefunden. Sie waren kurz vor dem Erfrieren.“ ,rufe ich. Ich bringe ihnen ein exzellentes Frühstück. Sie schauen schüchtern an die Decke. „Ich war auf dieser Party. Eine Fetisch Party und ich habe diesen netten Mann getroffen. Der passte überhaupt nicht dazu. Cordhose. Kariertes Hemd. Seitenscheitel. Wir haben uns unterhalten. Ich habe in ihm etwas längst verloren geglaubtes gesehen.“ ,erzählt sie. „Was denn?“ ,frage ich. „Vertrauen. Fühlte sich gut an. Wir haben nur geredet. Er hat mich nur mit seinen Worten berührt. Das war schön. Dann verloren wir uns aus den Augen. Ich habe etwas getrunken und dann weiß ich nichts mehr.“ Herbert sitzt einfach bedröbbelt und verkatert da und stiert Löcher in die Luft. Ich gieße ihr Kaffee ein. Sie schenkt mir einen dankbaren Blick. In meinem Kopf gibt es verschiedene Schubladen: Hass. Liebe. Respekt. Eifersucht. Neid und das Höllenfeuer. Ihren Blick lege ich in eine Lade die Schönheit heißt. „Ich heiße Enigma.“ ,sagt sie plötzlich. „Wie diese Nachrichtenmaschine der Nazis?“ „Ja.“ „Echt?“ „Ja. Mein Bruder heißt Adolf und unser Hund Dagmar.“ „Dagmar?“ „Ja. Ein Schäferhund Rüde. Ist leider schwul.“ „Echt?“ „Ja.“ „Ah. Und deine Eltern heißen Hermann und Carin.“ „Ne. Das sind meine Urgroßeltern. Meine Alten heißen Flamme und Erdloch.“ „Okaaaaaaaaaaaaaay. Also ich weiß nicht genau, was du dir reingepfiffen hast, aber das war wohl `ne Nummer zu groß für dich.“ Uuuuuuuuuuund genau in diesem Moment fängt sie an zu kotzen und reihert mir das ganze französische Bett mit der Seidenbettwäsche voll. Während sie duschen geht ziehe ich das Bett ab, öffne das Fenster und werfe die Bettwäsche hinaus. Da es schneit wird es erst wieder im Frühling zum Problem. Danach gebe ich ihr einen schwarzen Anzug von mir. Sieht Bombe aus. Herbert versucht nett und nach Verständnis suchend zu gucken, während er kotzt und mir das Bett erneut versaut. Also das gleiche nochmal. Scheiße. Überlege, ob ich ihm was in die Fresse hauen soll. Würde er wahrscheinlich sowieso nicht merken und nehme mir vor damit zu warten, bis er vom Duschen wieder kommt. Dann sitzen wir zusammen und trinken Kaffee. „Tja.“ ,sagt er. „Tja.“ ,sage ich. „Das ist sie. Die Frau die ich liebe“ ,sagt er. „Echt? ,erwidere ich. „Dein Freund hat jetzt schon 30 mal echt gesagt.“ ,erklärt sie. „Echt?“ ,fragt Herbert und lacht. „Ja. Echt.“ ,meint sie lachend. Herbert beugt sich zu ihr hinüber und wirft die Kaffeekanne um. Was soll`s. War ja nur eine Original Tischdecke von Ludwig dem 14. Das könnte ein wunderbares Ende sein. Könnte. Ist es aber nicht. Laura wirft mit einer Gehwegplatte mein Fenster ein. Mein Gott. Was ist sie? Satans Braut, oder Schwarzeneggers kleines Helferlein? Ich bin ein bisschen besorgt, was als nächstes kommt und greife mir vorsichtshalber einen Stift und die Klorolle, um meinen letzten Willen aufzuschreiben. Sie steht da und rauft sich die Haare. Ihre Augen glühen, wie zwei brennende Wagenräder und ich bereue das ich das Exorzisten Seminar abgebrochen habe. „Willst du mich jetzt ficken oder nicht, du blöde Sau!!!!“ ,schreit sie hysterisch. In einer spontanen Entscheidung erwidere ich: „Ähhhh. Nö. Lass ma.......“ z Als Herbert, seine Schnecke und ich die Polizeisirenen hören sind wir schon zwei Straßen weiter. Überlege, ob ich ihnen einen Dreier vorschlagen sollte, nur ohne Herbert. Lasse es aber, weil mir Herbert irgendwie ans Herz gewachsen ist. Das mit Laura hat sich wohl erledigt. Ich versuche es zu vergessen, denn in 3 Stunden habe ich meinen nächsten Auftritt, dann ist wieder: Showtime! Ein riesiger Mond begleitet uns. Wir stapfen durch die Welt und erwarten so etwas wie Glück oder wenigstens kein Unglück. Es beginnt wieder zu schneien. Jetzt `ne Kippe. Oder Alkohol. Habe alles vor 30 Jahren aufgegeben. War `ne schlimme, geile Zeit damals. Halt irgendwie Oberscheiße. Ich frage mich, ob es mir jetzt besser geht? Wenigstens ist das morgendliche Zittern weg. Das war schon nervig. Und das Kotzen. Ich glaube es gab noch nie jemanden der so viel gekotzt hat. Naja, was soll`s. Schnee von gestern. Zum Abschied umarmen mich die beiden und ich fasse ihr an die Pobacken. Das macht mich glücklich. Dann bin ich allein. Vor mir steht die Bronzefigur von Hans Albers. „Komm doch liebe Kleine, sei die Meine, sag nicht nein lass uns bis morgen früh um Neune ein Liebespärchen sein.............“ ,singe ich leise vor mich hin. Mich fröstelt. Ich spüre seine Gegenwart. Er ist da. Will er mich jetzt zu sich holen? Sein Atem ist warm in meinem Nacken. „Gelbe Maikäfer. Gelbe Maikäfer. Gelbe Maikäfer.“ ,sage ich immer wieder. Doch es ist keine Beruhigung. Ist da nicht der Schatten seiner Hand? Ganz nah an meinem Hals. Durchdringen seine Blicke nicht meinen Körper? Direkt hinter mir. Ich werde nicht kampflos gehen. Schreiend, mit geballten Fäusten, wirble ich herum und schaue in ein riesiges Schaufenster. Ich sehe mich. Den Wahnsinn. Die ganze Verrücktheit. Es gibt nur mich. z Gehe direkt zum Theater, obwohl ich davon heute mehr als genug hatte. Der Vorhang öffnet sich und die ganzen Idioten sitzen wieder auf ihren Plätzen und betteln um Schläge. Ich gähne und Lachen brandet durch die Ränge. Ich frage die dralle Schnecke in der ersten Reihe, ob sie Nacktfotos von sich hat. Sie sagt nein. Ich frage sie, ob sie gerne welche hätte. Lachen. So geht das eine ganze Zeit, bis es mir zu langweilig wird, also lasse ich mein Mikro fallen und verlasse das Gebäude...........im Weggehen höre ich Gejohle und lautes Trampeln. Auf dem Weg zu Laura besorge ich noch zwanzig Rosen und eine Flasche Bourbon, ihr Mann ist ja heute nicht da. Januar 2021 von Axel Bruss
  4. Hallo Vielen Dank, für deine lieben Worte. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Liebe Grüße Axel
  5. Axel

    Der Friedhofsgärtner

    Der Friedhofsgärtner Lieber Herr Unbekannt Ich möchte diesen Brief an sie mit einer Enthüllung beginnen. Ich beobachte sie seit einigen Wochen und schaue ihnen zu, wie sie die Blumenbeete auf den Gräbern pflegen. Betrachte die kleine Gartenschere, die in ihrer Hand, mit Bedacht geführt, die Rosen kürzt. Ihre Finger, die zärtlich über die roten Blüten streichen. Ihr Lächeln, das spitzbübisch über den Mund huscht, wenn sie, angesprochen auf das schlechte Wetter erklären, das der Regen nur die tausend durstigen Kehlen stillt, die zu unseren Füßen liegen und in uns den Wunsch zur eigenen Wiederkehr erwecken. Oh, wie oft ich mir schon in diesen Momenten wünschte ihnen nah zu sein. Ich stelle mir dann vor, das sie wie das Rauschen, des Windes oder ein murmelnder Bach auf einer Lichtung des Waldes sind. Ja, halten sie mich ruhig für töricht und dumm. Ich bin eine romantische, empfindsame Seele und sehne mich nach Liebe. Nach Verständnis und Zuversicht. Ihre Sorgfalt mit der sie all die vergessenen Namenssteine säubern. Wie jeder Buchstabe, jeder Punkt von Staub und Moos befreit, wieder atmen kann. Die zurückgelassenen Gedanken und gebrochenen Herzen, die noch immer da sind. Sie gedenken ihrer, indem sie die Erinnerung an sie nicht verblassen lassen. Die Zeit, welche sie mit der Beschneidung der kleinen Hecken verwenden, um allem einen würdevollen Rahmen zu geben, macht mich froh. Und ihre stille Minute, die sie standhaft, mit gesengtem Kopf, zur Ehre der Toten verbringen. Wie sehr wünschte ich, neben ihnen zu stehen. Mein Name ist Erika Blum. Ich bin 42 Jahre alt und arbeite bei der Firma Faltermeier und Co. Wir stellen Grabkränze her und richten Beerdigungen aus. Mein Chef, der Herr Wintermeier, ein entfernter Verwandter des Herrn Faltermeier, meint: „Unser Job wird nie verschwinden, denn sterben tun die Leute immer.“ Da hat er recht. So, wie mein Mann. Vor drei Monaten schenkte ich ihm zu seinem 50. Geburtstag einen Tandem Fallschirmsprung. Das war zu jener Zeit groß in Mode und da mein Mann, der Gerhard, alles liebte, was mit Krieg und Luftlandedivisionsübungen zu tun hatte, freute er sich, wie der Dackel von Frau Sedelmeier und übte täglich diverse Sprünge von unserem Schrank auf seine Matratze. Das mag manchen sonderbar erscheinen, aber da er noch ganz andere Dinge tat, ist dies doch eher, als normal zu bezeichnen. Doch dazu später mehr. Der Gerhard sagte immer: „Was ist schon normal? Der Typ von gegenüber trägt Damenunterwäsche und stolziert damit, um Mitternacht, im Garten umher.“ „Nun ja, das ist auch nicht gerade einzigartig!“ meinte ich. „Wie meinst du das?“ „Ich vermisse meinen roten Spitzenslip. Du weißt schon, den der in der Mitte offen ist und den ich für besondere Anlässe gekauft habe.“ „Für welche besonderen Anlässe? Tag der offenen Tür? Und überhaupt. Was willst du mir damit sagen? ,fragte Gerhard genervt. „Nun ja. Ich sehe dich jeden Neumond im Monat, mit genau diesem Slip in unserer Garage vor dem Spiegel umher stolzieren.“ Da war Stille. Nix hat er gesagt. Nur puterrot ist er geworden und geschnaubt hat er. So Lokomotivenmäßig. Na, das fand er wohl überhaupt nicht gut, das ich ihm das so einfach gesagt hab` .Sieben Wochen hat er nicht mehr mit mir geredet. Hat immer nur jeden Tag seine blöden Sprünge geübt. Auf den Schrank rauf und mit einem entschlossen, verbissenen Blick runter auf die gute Federkern Matratze. Sieben Jahre verheiratet und jetzt redet er kein Wort mit mir, dachte ich. Selbst beim Telefonieren nicht. Geschnaubt und geatmet hat nur, wenn ich ihm eine Frage gestellt habe: „Willst du Gulasch zum Abendessen?“ „Pffffffffffffffffft.“ ,war seine Antwort. Ja, wie Pffffffffffffffffft. Das kann ja nun alles heißen: Ja gerne. Danke Liebling. Nein. Lieber Mohrrüben. Heute bleibt die Küche kalt, mein Schatz. Wir gehen essen. Ich esse alles. Denn du bist die beste Köchin der Welt. Lass mich mit diesem Scheiß in Ruhe. Viel geredet hat er eigentlich nie. Seiner einer, war eher von der schweigsamen Sorte. Für manche Frauen mag das richtig sein. Mich hat das immer mitgenommen. Regelrecht traurig hat es mich gemacht, weil ich halt daran geglaubt hab` : Ich will sie immer lieben. In Guten, wie in schlechten Tagen. Naja. Waren ja eigentlich auch nicht richtig schlechte Tage. War alles irgendwie so zwischendrin. Unser Alltag schien ein luftleerer Raum zu sein. So `ne Art Todesstreifen den jeder meidet, um nicht drauf zu gehen. Eine Zeitlang dachte ich: „Ich halt`s einfach nicht aus. Ich werde meinen Kopf gegen die Wand schlagen, bis ich alles, was mich so quält, vergesse.“ Aber dann habe ich das vergessen und der Alltag schlich sich wieder in meinen.........also, wie sag ichs jetzt. Na halt in meinen..................Alltag. Ich wollte mal den Penis von dem Gerhard in den Mund nehmen, aber mein Mann nahm das mit dem Duschen nicht so genau. Also, der hat sich schon gewaschen, aber er dachte wohl wir würden noch im 16. Jahrhundert leben, wo Ludwig der 14. nur Puder und Parfüm benutzte und kein Wasser. Jedenfalls. Ich hätte es gern gemacht, weil man ja auch soviel davon hört und blasen seinerzeit ja auch total in Mode war. Weil nämlich, meine Freundin, die Helga, hat mir da so einiges erzählt und ….........also ich dachte ich probier es mal. Die Helga hatte auch so Zeitschriften, wo man alles genau sehen konnte. Ich hab mir nichts anmerken lassen, aber das war total aufregend. Musste meine Beine auch immer wieder ganz eng zusammenpressen, weil das so ein erregendes Gefühl war. Und die nackten Körper waren auch alle so schön. Die Frauen besaßen perfekte Brüste und einen flachen Bauch und die Männer lächelten, oder guckten animalisch. Ich war kurz davor einem Burschen meinen Mund auf den, sie wissen schon, was ich meine, zu drücken. Ja. Wäre ja nur die Zeitschrift gewesen. Aber trotzdem. Aufregend. Mein Gerhard, war meilenweit von dieser Ausstrahlung entfernt. In seinem Job, als Buchhalter machte er sicher eine gute Figur, aber in diesen heißen Schmuddelheftchen würde er, wie ein Affe beim Kapitänsdinner wirken. Ja, er war Buchhalter und sah auch so aus. Hellbraune Cordhosen. Hellbrauner, dünner Ledergürtel mit selbstgemachtem, zusätzlichen Loch, das völlig ausgefranst und ganz schrecklich aussah. Hellbraunes Jackett mit modischen Flicken an den Ellbogen. Karierte Hemden, mit roten Strickkrawatten und Krawattenklemmen mit dem eisernen Kreuz. Braune Schuhe (Die Farbe glich einer Hundehinterlassenschaft nach einem Napf voll Chilli con carne) und gelbe Socken, die er noch aus seiner Kinderzeit besaß. Manchmal trug er unter seiner Kleidung einen Latexanzug, aber er wusste nicht, das ich es wusste. Sein moränenhaftes, schmales Gesicht versuchte er durch eine übergroße Hornbrille kräftiger erscheinen zu lassen. Er wirkte dadurch unbeholfen und unmännlich. Er schien immer irgendwie hilflos und verzweifelt zu sein. Jedenfalls sprach seine ganze Körperhaltung und Mimik genau das aus. Die Helga meinte, bei einem Umtrunk im Januar, als sie bei vorgerückter Stunde beschwipst vom Stuhl rutschte: „Dein Mann sieht aus, wie der letzte Vollhorst!“ „Aber er ist ein guter Mann.“ ,entgegnete ich brüskiert. „Ein guter Mann? Nur, weil er dich noch nie geschlagen hat? Lachhaft!“ „Nein. Ich meine, weil.........Er ist doch für mich da....“ „Lachhaft!“ „Gar nicht Lachhaft.“ „Doch ! - Lachhaft ! Lachhaft ! Lachhaft !“ ,wiederholte sie. „Du bist gemein.“ „Selber gemein.“ „Nein du.“ „Nein du.“ „Wir sind beide, die größten Idioten, die dieser Friedhof, den alle Neubausiedlung nennen, je gesehen hat. Weil wir zwei mit den größten Loosern zusammen sind, die es in dieser beschissenen Welt gibt.“ ,jammerte sie wütend. Dann fingen wir beide zu weinen an und bemitleideten uns gegenseitig. j Die ersten 3 Jahre gingen auf rosa Zuckerwatte schreitend, wundervoll und lächelnd vorüber. Der Gerhard war aufmerksam und liebevoll. Ein guter Zuhörer. Das liebte ich an ihm. Und seine Segelohren. Und seine guten Manieren. Wir haben oft Fern gesehen und dabei gefummelt . Er spielte gern an meinen Brüsten und nuckelte, wie ein Baby daran. Das erschien mir ein bisschen merkwürdig, aber hatte auch seine Reize. Seine Finger spielten oft mit meinem gekräuselten Schamhaar und wäre es etwas länger gewesen, hätte er mit ihnen eine von diesen Frisuren, die damals in Mode waren, daraus geflochten. Ich mochte diesen Disney Film: Dumbo. Mein Gott, dieser kleine, niedliche Elefant, mit seinen riesigen Schlappohren hatte sooooooooo treue Augen. Genau wie mein Gerhard. Am Abend fuhr er oft mit seinem Auto weg. „Hab` noch was zu erledigen.“ ,sagte er dann immer. Kam oft erst morgens wieder nach Hause und ging dann direkt zur Arbeit. - Nein - . Eine andere Frau hatte er nicht, dazu war mein Gerhard viel zu anständig. Manchmal hätte ich mir gewünscht, das er weniger anständig wäre. Denn sein Verhalten grenzte schon an Langweiligkeit. Seine Fantasielosigkeit zeigte sich auch in der Leidenschaftslosigkeit mit der wir uns 1 mal im Monat liebten. Immer am Sonntag nach dem Baden. Diese Überraschungslosigkeit nervte mich, also versuchte ich mir einzureden, das es normal sei. Ich hatte auch immer das Gefühl, das es ihm irgendwie unangenehm wäre mit mir zu schlafen. Also unangenehm ist nicht das richtige Wort. Eher peinlich. Anfangs dachte ich, das es irgendwie an mir läge und habe alles versucht es erfrischender zu gestalten. Doch da wurde es dann noch weniger. Mein Gerhard war immer noch freundlich und zuvorkommend, aber die liebe vertrocknete einfach. Genau, wie ich und meine Muschi. Irgendwann begann ich mich auf meine Teenager Jahre zu besinnen und entdeckte meinen Körper neu. Herrlich ! Aber das ist eine andere Geschichte. Obwohl !? Also........Ich mag es nackt vor dem Spiegel zu stehen und mich zu betrachten. Ich stelle mir dann vor, wie es an der Tür klingelt und ein Hausierer mir anbietet die Messer und Scheren zu schleifen. „Damit sie wieder scharf sind.“ ,sagt der Fremde. „Sie sind mir ja einer.“ ,erwidere ich unruhig. „Wir sind zu zweit.“,haucht er und sein Blick geht zwischen seine Beine. „Dann bitte ich euch am Besten mal herein.“ ,lache ich nervös. „Ja, ich würde gern hereinkommen.“ ,sagt er zweideutig. „Machen sie oft Hausbesuche?“ ,frage ich mit zitternder Stimme. „Nicht so oft, wie es nötig wäre.“ „Oh, bei mir ist es sehr nötig.“ ,flüstere ich mit erotischem Klang. Ich stehe wieder vor dem Spiegel und spreize meine Beine. Der Fremde stellt sich direkt hinter mich und schaut mich an. Dann berühren mich seine starken Hände an den Schultern. Ich erschauere und.......... Oh Gott! Ich bin eine schreckliche Person. Bitte verurteilen sie mich nicht für meine lustvollen und begehrlichen Gedanken. Ich bin einfach so..........so.......... Traurig. Die Helga sagt immer: Traurigkeit ist die Abwesenheit von Frohsinn. Ich weiß nicht. Weil, wenn ich nicht froh bin, könnte ich ja auch Hass erfüllt oder neidisch sein, aber nicht traurig. Das Leben ist so schwierig. Als Kind wollte ich Sexualtherapeutin werden. Der Bjarne und ich haben das immer im Wandschrank seiner Eltern gespielt. Erst fand er es komisch sich dabei auszuziehen, aber nach einer Weile war es ganz normal. Ich mochte es, ihm Fragen zu stellen. Der Bjarne war gut gebaut. Es war so schön ihn anzuschauen und zu sehen wie er sich bewegte. Im Grunde ist das auch meine schönste Kindheitserinnerung. Das mit dem Heim und den blöden Kindern verdränge ich meistens. Der Bjarne hatte blonde, lockige Haare und seine Brustwarzen waren hellrosa. Später ist er mit seinen Eltern zurück nach Uppsala gezogen. Uppsala !? Hab` nie geglaubt, das es so einen Ort wirklich gibt. Ich dachte der Bjarne lügt mich an, weil er mich nicht mehr mag, aber dann hab ich nachgeschaut: Uppsala ist eine Stadt in Schweden. 48.77 km ² groß. 177.074 Menschen leben dort. Uppsala ist bekannt für seine Universität. Der Bjarne hat dann auch tatsächlich studiert. Semantik. Das hat irgendwas mit Wörtern zu tun und was sie bedeuten. Naja. Ein paar Jahre später hab ich erfahren, das es die Universität gar nicht mehr gibt und das sie daraus ein Museum gemacht haben, das das Augsburger Kuriositätenkabinett beherbergt. Also, der Bjarne hat es mit der Wahrheit nie so genau genommen. Damals schon nicht. Der hat mal behauptet seine Eltern wären Außerirdische vom Planeten Melmak. Ich wusste gleich, das das gelogen ist, weil das ja der Heimatplanet vom Alf war. Und der sah ja nicht wie wir aus. Aber sonst war der Bjarne ein toller Mensch. Nie ein böses Wort. Naja. Er war taubstumm und Atheist oder Antisemit oder so ähnlich. Jedenfalls. Der Bjarne hatte so eine Entwicklungsstörung. Der war superklug, aber im Umgang mit anderen Menschen seltsam. Seine blauen Augen schienen so unergründlich. Wie einer dieser indischen Schamanen, die sich lebendig begraben lassen. Hab ich auch nie verstanden. Wieso lässt sich jemand lebendig begraben? Mama hat gesagt, das ist wegen der Religion. Da wusste ich das Religion nichts für mich ist, weil, lebendig begraben werden, so gar nicht mein Ding ist. Lustig, was man als Kind für Gedanken hat. j Am Tag des Sprungs erhielt ich eine geheime Botschaft, die in einem hohlen Baum im Garten hinterlegt war. Angeblich sollte mein Gerhard einer kriminalistischen oder kriminellen Organisation angehören, die für Mord, Prostitution, Drogenhandel, Erpressung und Glücksspiel zuständig ist. Was für eine Organisation ? Hatte keine Ahnung, was überhaupt damit gemeint sein sollte. Organisation ? Vielleicht die Heils Armee. Man hört ja soviel. Also, das die sich um Prostituierte kümmern. Na, die haben es wohl auch nicht leicht. Also die Prostituierten. Aber die haben wenigstens Geschlechtsverkehr und bekommen auch noch Geld dafür. Wenn ich Geld für meinen Geschlechtsverkehr bekommen hätte, wäre ich wohl schon längst verhungert. Jedenfalls. Das, mit der Organisation, habe ich nicht weiter verfolgt, weil ich mich ja um den Tandem Sprung für den Gerhard kümmern musste. Das Flugzeug kam aus Nord-Nord-West. Als Gerhard und Katrin, die 40 jährige Fallschirmspringerin aus dem Golfkrieg, herausfielen, hielt ich die Luft an. Wie ein Paket, das niemand haben wollte, sah das aus. Der Gerhard wirkte unheimlich dick. Selbst aus dieser Entfernung. Klein und dick. Wie ein kleiner, dicker Hobbit. Die Karin machte eine gute Figur. Schlank. Blonde, lange Haare. So `ne Art Supermodel. Nur halt für Krisengebiete. Golfkrieg eben. Aber wieso eigentlich Golfkrieg? Hat man so was schon gehört? Ein Golfkrieg. Das kann ja nicht so schwierig gewesen sein. Erstens, ist dieser Sport mit den langen Schlägern und dem kleinen Ball total öde. Zweitens, was soll das eigentlich heißen: Golfkrieg? Sind da zwei Parteien die sich gegenseitig die Schläger um die Ohren hauen? Das schien mir alles Kokolores zu sein! Der Himmel, jedenfalls, schien das einzig Dauerhafte in dieser sich ständig verändernden Welt zu sein. Blau. Endlos. Wunderschön. Ich konnte stundenlang in den Himmel schauen und die Wolken verfolgen. Sie bauschten sich zu Einhörnern, Rosen, Kutschen und Penissen. Merkwürdigerweise sah ich mehr Penisse, als Einhörner. Wie dem auch sei. Ich meinte, ein rotes Korsett zu sehen, das vor ihnen das Flugzeug verließ, aber vielleicht war es auch nur ein Trugbild. Ihre Körper sausten der Erde entgegen. Erinnerte mich an Fallobst. Reife Birnen, die das Gesetz der Schwerkraft in Anspruch nahmen. Warum öffnete sich der Fallschirm nicht? Möglicherweise wollte Gerhard ein bisschen Nervenkitzel ins Spiel bringen, aber dann dachte ich, das dieses Verhalten für ihn sehr untypisch gewesen wäre. Sein Nervenkitzel beschränkte sich aufs Boccia spielen mit unseren 60 jährigen Nachbarn. Seltsamerweise gab es in unserer Nachbarschaft nur ältere Männer, die alle in schwarzen Mohair Anzügen und dunklen Sonnenbrillen herumliefen. Ihre Frauen waren mir im höchsten Maße unsympathisch und ich vermied es ihnen zu begegnen oder mit ihnen zu sprechen. Ihre Haut sah verbraucht aus, obwohl die meisten nicht älter als 35 waren. Meistens bedeckte eine dicke Schicht Puder und Make up ihr Gesicht. Sah eher nach Karneval oder Fasching aus. Die rochen auch immer so nach Raumspray. - Fichte - . Halt so, schweißnasse Füße im Wald. Die Frau Dings vom Thaddäus, las jeden Morgen ein Wochenblatt und meinte, dort würden die großen Wahrheiten stehen. Ich glaube ja, das die sich nur die Bilder angesehen hat. Die konnte gar nicht lesen. So ungebildet, wie die war. Und große Wahrheiten gab`s in dem Wochenblatt eh` nicht. Nur eine kleine Witz Ecke und die war auch nicht lustig. Jedenfalls die Anouk Dings, was ja vom Thaddäus seine Frau ist, hat jeden Tag einen schlauen Spruch gehabt: >Süßer schmeckt, was sauer verdient ist.< Das ist, zum Beispiel, der Freitags Spruch. Oder: >Wer morgens länger schläft, bleibt abends länger wach.< Da fand die sich unheimlich schlau. Ich fand´s überhaupt nicht schlau. Ich fand es sogar total dämlich, aber alle haben immer gesagt, wie klug die Anouk wäre, weil sie sich so intelligente Sachen merken konnte. Die Anouk Dings hat auch immer unheimlich viel gestrickt, aber nur mit einer bestimmten Wolle. Die hieß - Virgin Woole - . Das kann sich heute keiner mehr vorstellen, obwohl das erst drei Jahre her ist. Aber das war damals total in Mode. - Virgin Woole - . Da muss ich heute drüber lachen. Die Anouk war ja sonst nicht sehr gescheit, aber stricken konnte die. Handschuhe. Mützen. Hundejäckchen. Muff. Ohrenwärmer. Unterhosen. Kondome. (Obwohl, die waren jetzt nicht so sicher). Westen. Tischdecken. Überzüge für Klorollen. Babyschuhe. Hundeschuhe. Achseltrockner. Die Anouk war auch eine total Nette. Immer ein Lächeln. Immer ein Liedchen auf den Lippen. Nur schade, das die jetzt nicht so musikalisch war. Ihre Stimme klang immer, wie das Kratzen der Fingernägel an der Tafel. Und mit Texten hatte sie es auch nicht so. Also die Lieder hab ich erst erkannt, wenn sie mir gesagt hat, wie die hießen. Und wenn die nicht gesungen hat, die Dings, dann hat die geredet. In einer Tour. Aber immer interessant. Also, wenn man nach Informationen über Fußpilz und Gonorrhoe hungert. Irgendwann fing sie an über ihren Mann, dem Thaddäus zu hetzen. Da haben wir versucht wegzuhören, denn das war wirklich unangenehm. Es fielen Worte wie Auftragsmord. Drogen. Prostitution. Mafia. Naja. Irgendwann kam die Anouk nicht mehr. Mein Mann sagte, das sie nach Island ausgewandert sei, wegen dem Wetter und ihren Bronchien. Da fing ich an mir Gedanken über das Leben und insbesondere, das meines Mannes zu machen. Und über den Zettel im hohlen Baum. Die Katrin, war auch eine merkwürdige Person. Woher kannte er die eigentlich? Katrin Koslowski aus dem Sudan. Wer kommt denn aus dem Sudan? Auch das, schien mir alles Kokolores zu sein! Die trug ja nicht mal einen Turban. Die war auch ganz anders, als die Anouk. Die Katrin hat nicht viel geredet, aber viel geguckt. Meine Herren konnte die gucken. Das volle Programm: Gleichgültig. Böse. Gelangweilt. Angeödet. Bedrohlich. Gemein. Missbilligend. Super Gemein. Abfällig. Manchmal sogar hasserfüllt. Aber sonst war die total lieb. Also so............Sie wissen schon. Ach mir fällt der Ausdruck jetzt nicht ein. Na, so wie eine Schlange, die auf eine Maus wartet. Nun ja. Ich kann es wohl nicht verbergen. Ich mochte die Katrin nicht. Und jetzt wo sie meinen Gerhard mit in den Tod genommen hat, noch weniger. Bei dem Sprung hat sie sich regelrecht an ihn geklammert. Das musste ja nun auch nicht sein. Und wieso überhaupt Tandem ? Ich meine: Wer springt denn aus einem Flugzeug, das 1263 Meter, mit einer Geschwindigkeit von 289 Kmh, über dem Boden fliegt. Also ich nicht und meine Freundin die Helga auch nicht. Die war ja an dem Tag dabei und die hat auch gesagt: „Erika, das war `ne Schnapsidee. Tandem Sprung. Wenn der Gerd da nicht mal was am laufen hat mit der Katrin.“ „Gerhard.“ ,hab ich da gesagt. „Was?“ „Mein Mann hieß Gerhard.“ „Ja. Sicher. Also der Gerd hatte bestimmt was mit der.............“ „Nein Helga. Das glaub ich nicht. Dazu war der doch viel zu gemütlich und zu dösig. Der hat ja sogar manchmal die Pantofelln auf dem Weg ins Büro noch angehabt.“ ,erklärte ich bestimmend. „Ach, das war doch alles nur Show. Der hatte es faustdick hinter den Ohren. Ich könnte dir Sachen erzählen.“ ,meinte Helga geheimnisvoll. „Was denn für Sachen?“ „Na zum Beispiel. Dieses späte Weggehen. Wo ist der wohl hingegangen?“ „Zur Katrin?“ ,flüstere ich neugierig. „Quatsch!“ „Du weißt wohl wirklich nicht, was dein Mann so getrieben hat. Oder?“ Ich hab` geschwiegen. Wusste gar nicht was ich darauf sagen sollte. „Mensch Erika. Der hat für die Mafia gearbeitet.“ „Für wen?“ ,frage ich völlig von den Socken.“ „Die Mafia. Erika. Die Mafia.“ ,blies sie raus und rollte dabei mit den Augen. „Ja, was glaubst du denn, wie ihr euch so ein ein dickes Auto und den Schmuck und den Chauffeur leisten konntet?“ „Ja, ich dachte der Gerhard hätte eine Erbschaft gemacht. Seine Tante aus Uppsala, die ist doch bei einem Erdbeben umgekommen.“ „Wirklich? Das hast du geglaubt? Eine Tante? Warum nicht gleich der Papst und Jesus der ihm im Traum mit den richtigen Lottozahlen erschienen ist.“ „Du meinst der lotto Gewinn, war auch erfunden?“ „Erika !!!!!!!!!!!!!!!!!!“ „Ich war so dumm!“ ,sprach ich leise. Ein leichter Wind wehte von Norden heran. Leicht und süß, mit einem Hauch Koriander. Mir fiel ein, das ich lange keinen Kuchen gebacken hatte und mir fiel auch alles andere wieder ein. Meine ganze Kindheit und mein ganzes Leben, das für lange Zeit unter einem großen Haufen Kuchenteig verschüttet war. Lieber Unbekannter. Ich bin dumm, so dumm. In all den Jahren ist mir nie auch nur in den Sinn gekommen, mein Mann wäre etwas anderes, als ein Buchhalter. Wenigstens hatte er einen guten Posten bei der Mafia. Als so eine Art Reinigungskraft. Sie nannten ihn nur den > Flüsterer < , weil er immer ganz leise sprach und man ihn kaum verstehen konnte. Wenn jemand umgebracht wurde, riefen sie ihn, um den Tatort sauber zu machen. Das war wohl manchmal eine richtige Sauerei. Das ganze Chaos. Gehirnmasse. Knochensplitter. Na, für mich wäre das nichts. Mir wird ja schon schlecht, wenn ich in der Praxis, am Bülowbogen sitze mir der Arzt Blut abnehmen soll. Ja. Also die Helga hat mir da von einem gruseligen Vorfall berichtet: „Sie nannten es das Försterpuzzle. Der Gerhard musste in einem Holzhaus im Wald, das Boudoir putzen, weil sie den ortsansässigen Förster in ganz kleine Teile zersägt hatten. Also so, Marmeladenglas Größe. Und den Förster, nannten alle nur > Stalin <.“ „Das war doch dieser russische Diktator.“ ,warf ich ein. „Ja, aber nicht der Echte.“ ,erklärt sie. „Ja, ne` . Weiß ich. Der ist ja schon tot.“ „Genau. Wie der Förster. Die zerhackten Teile waren ganz schön winzig.“ „Aber wieso? Der Arme. Das hat der doch sicher nicht verdient.“ „Ach. Wer hat schon was verdient. Ich steh` gestern im Supermarkt, in einer ganz langen Schlange, und es geht einfach nicht voran. Also, das hab ` ich auch nicht verdient. Und das nur, weil der Sönke unbedingt in die Schule musste.“ ,erklärte Katrin genervt. „Ich dachte der Sönke hat die Schule geschmissen? ,frage ich. „Ja, eigentlich schon, aber, als er gehört hat, das er stattdessen in der Schlachterei arbeiten soll, hat er sich bei der Uni für Semantik eingeschrieben. Semantik! Das braucht doch kein Mensch.“ „Wie der Bjarne.“ „Der Bjarne? Ja. Den braucht auch kein Mensch. Der hatte doch auch nicht alle Latten am Zaun.“ „Nein, der war doch Antifa........ne´.........ach........wie heißt das denn jetzt?“ „Astronaut? Artist ?“ „Nein. Ist ja auch egal. Der hat jedenfalls auch Semantik studiert.“ „Und? Brauchte er das?“ ,fragte die Helga und begann mich zu nerven. „Weiß ich nicht.“ „Siehste.“ ,gab sie triumphierend von sich. Ja. Mit der Helga konnte ich gut reden. Wir haben auch immer alles geklärt. Nicht, wie mit meinem Gerhard. Zu unserem 2. Hochzeitstag wollte ich ihm den Hasentanz schenken. Hab ich mir selbst ausgedacht. Denn ich hab` unterm Bett einen Playboy gefunden. Die Seiten klebten zusammen, aber ich hab diesen nackten Bunny gesehen und mir ein Kostüm genäht mit einem Puschel am Po. Ich sah wirklich sexy damit aus. Wirklich ! Dem Gerhard hats jetzt nicht so gefallen. Gemeckert hat der mit mir, ob ich irgendwie pervers wäre ? „Nö.“ ,hab ich gesagt. „Aber ich finde es unnormal das Eheleute keinen Spaß mehr haben und sich für ihre Neigungen schämen müssen und das der Ehemann in dem Nakedei Heft alle Seiten verklebt ist auch nicht so optimal.“ Da hat er nichts mehr gesagt und ist einfach weggegangen. Und das einen Tag vor seinem Tandem Sprung. Ich muss auch oft an den Unfall denken: Wie der Gerhard und die Katrin auf den Boden zu stürzen und der Fallschirm sich nicht öffnet. Ne, das ist kein schöner Tod. DAS wünscht man keinem. Dann doch lieber im Bett, mit einer guten Flasche Wein oder zwei. Mein Vater hat immer gesagt: „Besoffen einschlafen und nicht mehr aufwachen, das wäre das Beste.“ „Aber noch besser, wäre doch nicht zu sterben !?“ ,meinte ich darauf. „Ja und nein. Also das Leben, so im Allgemeinen, ist meistens schon Scheiße. Also wie, wenn du Kinder hast. Erst denkst du, ja alle reden davon wie toll es ist Kinder zu haben und dann merkst du, das du kaum Schlaf bekommst und Baby A A wegmachen musst. Dann das ganze Geschrei und die Undankbarkeit, wenn sie älter werden Das ist schon ganz schön Scheiße. Und am Ende musst du dir vorwerfen lassen, das deine Erziehung lieblos und ungerecht war. Ne` . Also manchmal sind 2 Flaschen Wein auch eine gute Idee. Besoffen wegdämmern und Tschüß.“ „Aber Papa. Was wird dann aus uns?“ ,hab` ich da gefragt. „Ach. Das wird schon. Die Mama ist ja auch noch da.“ „Ja, aber die ist doch jetzt in der Klapse, wegen den Stimmen und der Mülltrennung.“ „Ja, aber die kommt ja auch wieder. Solange warte ich ja noch. Ich lass euch doch nicht allein.“ ,hat der Papa gesagt. Tja, und am nächsten Morgen lag er tot im Bett, mit seiner Flasche Wein im Arm. Herzinfarkt. Ich war sauer, weil der Papa mich dann doch ganz allein zurück gelassen hat. Um 10:00 kam ich dann ins Heim und das war blöd, weil die Erzieher auch nicht alle Latten am Zaun hatten, genau wie meine Mama. Die meinten nämlich, das wir alle Gottes Geschenk wären und deshalb alle in den Himmel kämen. Außer Selbstmörder und Zweifler. Das sind die Verworfenen und die kommen in die äußerste Finsternis und da wird sein, Heulen und Zähneklappern. Ich dachte, das wäre ja blöd, denn mein Papa wüsste bestimmt nicht wo er hin sollte und bis der sich durchgefragt hätte, wäre bestimmt das Abendmahl oder die Apokalypse schon vorbei und dann nachträglich einen guten Platz im Reich Gottes zu ergattern ist äußerst schwierig. Ich stellte mir vor, das das ein ziemliches Gedränge wäre und mein Papa sich bestimmt den ganzen Fragwürdigen und Ausgesonderten anschließen würde, denn bei denen fühlte er sich sicher und aufgehoben. Ich saß also traurig und allein vor der Tür des Heims und spielte mit den roten Ameisen, die es da zu Hauf gab. Aber am zweiten Tag, nachdem ich gerade mein Müsli herunter geschlungen hatte und kurz davor war mich kräftig zu übergeben, wurde ich adoptiert und kam in die Familie. So nannten die im Heim das, wenn man Glück hatte in eine zwielichtige Gemeinschaft aufgenommen und behütet zu werden. Und das stimmte, denn ab da lief es wunderbar für mich. Das Oberhaupt der Familie hieß Corleone und sein leib war dicker, als der von Pater Noster. Die Freundlichkeit von Corleone wurde nur von seiner Großzügigkeit übertroffen und von seinen riesigen Hawaii Hemden in Übergröße. Ich glaube das dieser Christo, dieser verrückte Künstler, der riesige Objekte verpackte, für ihn ein buntes Hemd schneiderte, nachdem er das Reichstagsgebäude in Cellophan einhüllte. Naja. Entweder hatte der echt viel Freizeit oder nicht alle Latten am Zaun. Oder beides. Ist doch alles Kokolores ! Die Firma von Corleone nannten alle nur: > Den Clan < . Die waren alle in der Müllentsorgung tätig. Ich hab` dann auch viel über Mülltrennung gelernt, denn das war damals groß in Mode. Meine Mama hätte sich sicher sehr darüber gefreut. Der lazarus, zum Beispiel, hat mir eine ganze Menge darüber erzählt: „Also Erika mit dem Müll ist das so : Müll ist nicht gleich Müll. Da gibt es große Unterschiede. Als erstes musst du wissen, das wir alle aus dem Müll kommen und auch wieder dazu werden. Das steht auch in der Bibel. Nur da nennen sie es Dreck. Wir müssen halt alle darauf achten, das wir uns nicht wie Müll verhalten. Weil, das kann echt nach hinten los gehen. Manchmal enden wir dann in Marmelade Gläsern und da ist echt wenig Platz drin. Wir müssen auch manchmal so tun, als wären wir eine wohlriechende Seife, obwohl wir wie verlauste Affen stinken, um unser Ziel zu erreichen.“ „Bin ich eine wohlriechende Seife?“ ,fragte ich. „Ja, mein Kind, das bist du. Und du wirst immer meine süße, kleine Erika bleiben. Ich beschütze dich.“ Er drückte mich ganz fest an sich und schluchzte ein bisschen. Ich dachte an einen Lakritz Lolli. Den ganz Großen am Kiosk. Den für 3 Euro. Und daran, das ich den von allen Lollis auf der ganzen Welt am liebsten mochte. Genau, wie den Lazarus. Und ich glaube, der Lazarus schluchzte, weil ich SEIN Lakritz Lolli war. Lazarus ging in die Hocke und schaute mich an. So wie ein Bernhardiner, wenn sie Leute aus dem Eis retten wollen. Mit so ganz großen Augen. Ich fühlte mich richtig wichtig. „Weißt du eigentlich, warum die Menschen mich Lazarus nennen?“ „Nein.“ „Weil Ich gestorben bin und wiedererweckt wurde.“ „Von wem denn?“ „Jesus.“ „Wirklich?“ „Ja, der Hector, ein böser Mann von einer Konkurrenz Müllentsorgung, hat mich totgeschossen und ich lag im Rinnstein vor dem Wettbüro, als Jesus erschien und seine Hände auf meine Wunden legte.“ „Hast du das Paradies gesehen?“ „Ja. Also, nicht direkt das Paradies, aber einen weißen Hengst, der als Erster durchs Ziel kam und mir einen Batzen Geld eingebracht hat.“ „Wow. Das ist ja so ähnlich, wie das Paradies.“ „Genau.“ ,sagte er nur. Das war eine tolle Geschichte. Ab da wollte ich nicht mehr Königin, sondern Jesus werden. Lazarus lachte, weil das ja nur Männer vergönnt ist. Aber wenn ich wollte könnte ich Wilfried und Wilbert werden. Das sind große Zauberer und die haben immer so schicke Kostüme und würden am laufenden Band Menschen verschwinden lassen. Aber das fand ich doof und weinte. Da sagte Lazarus er würde sich an oberster Stelle für mich einsetzen und dann könnte ich doch Jesus werden. Da wusste ich, das der Lazarus mein bester Freund auf der ganzen Welt ist und ich alles über Müll erfahren wollte. j Aber kommen wir zurück zu meinem Mann Gerhard. Die Erde kam für die Beiden also immer näher. 5 Sekunden später klatschten ihre Körper ungebremst auf die saftigen, grünen Grashalme. Der Boden war weich und sie hinterließen einen kräftigen Abdruck. Mir fiel ein das Gerhard sagte: Er fühle sich eigentlich zu schwer für diesen Sprung. Jetzt wusste ich was er meinte. Die Trauerfeier war schön. Die Frau Sedelmeier hatte ihren Dackel mitgebracht, der ließ es sich nicht nehmen auf den Hügel zu pinkeln. Das fanden alle lustig, bis auf Gerhard, denn der lag ja unter dem Hügel. Die Frau Sedelmeier wollte unbedingt ihre, überall beliebten, Schnittchen machen. Die mit Schnittlauch und Eiern. „Das spart ja auch Geld, Frau Blum.“ ,flüsterte sie mir, heftig nickend, ins linke Ohr. „Ja. Danke.“ ,gab ich zurück und dachte an die 5000 Euro die sie mir immer noch schuldete, weil sie angeblich ihren Onkel in Paraguay unterstützen musste. Aber, jeder in der Straße wusste, das es ihr afrikanischer Lover in Mosambik war, dem sie das Geld überwies, weil der angeblich eine Herztransplantation machen musste und da fehlten ihm noch ein paar Werkzeuge. Also Skalpell und so und in Afrika waren solche Sachen halt teurer, als beim Kiosk um die Ecke. Mosambik !? Hat man so was schon gehört? Da gibt’s doch nicht mal Straßen oder Müllbeseitigung. Ne. Die Flaschen landen alle im Straßengraben. Erst gestern hab ich wieder eine Dokumentation über dritt bzw. viert Länder gesehen. Die machen braune Baby`s am laufenden Band und beschweren sich dann über zu wenig Windeln. Mein Mann, der Gerhard, hat auch immer gesagt: „Das mit den Windeln stinkt zum Himmel. Gut das wir in Hamburg leben. Das ist, wie Juli 1943, der Feuersturm in Hamburg. Da hat es auch gestunken, wie Sau.“ Ja. Der Gerhard wusste halt Geschichtlich gut Bescheid. Aber mit den Schwarzen hat das ja eigentlich nichts zu tun. Der Mogambe aus dem dritten Stock in der Papageiensiedlung ist ein total Netter. Grüßt immer freundlich und zeigt seine weißen, blank polierten Zähne. Der ist auch immer schick angezogen. Saubere Schuhe. Immer eine Blume im Knopfloch. Ich hab schon oft gedacht, das die Frau Sedelmeier ja nicht extra hätte nach Afrika fahren müssen, wo doch der Mogambe in unserer Nachbarschaft wohnt. Naja. Also, ich kann das auf der anderen Seite schon gut verstehen, mit dem Lover aus Afrika. Man hört ja wahre Wunderdinge in Sachen Liebe. Mein Gerhard, war ein guter Mann, aber in der Erotik gab es nur 08/15. Das war schade, denn in meinem Kopf schwirrten viele sexy Gedanken herum, die ich gerne ausprobiert hätte. Aber, wenn er in seinem gelb - grünen Anzug nachts nach Hause kam, puzzelte er noch in seiner Werkstatt und hockte sich dann vor den Fernseher, während ich so tat, als würde ich das Bad putzen, aber mir lieber mit einem Spiegel zwischen die Beine schaute. Eines Tages, war er sehr überrascht, weil ich mir die Haare unten abrasiert hatte. Ja. Ich fand das richtig, weil das nämlich grad total in Mode war. Alle wollten es blank unten rum. Und man muss ja auch mal mit der Zeit gehen und sich was gönnen. Für ihn war das alles neumodischer Kram, mit dem er nicht klar kam. Für ihn musste alles seinen üblichen Gang gehen. Nichts Aufregendes. Keine neuen Frisuren. Keine Veränderungen. Ich glaube, wenn alles beim Alten blieb, gab ihm das Sicherheit. Er sagte an einem Donnerstag: „Ich liebe die Wochentage. Da weiß man immer genau was als nächstes Kommt. Morgen ist Freitag. Das wird auch in 1000 Jahren noch so sein.“ „Aber wäre es nicht schön, wenn auf einen Donnerstag mal ein Sonntag kommen würde.“ ,erklärte ich nachdenklich. „Erika. Das würde ja alles durcheinander bringen. Und warum sollte man das machen? Da würde ja alles im Chaos versinken“ „Naja. Weil, dann könnten wir uns schick anziehen und zum Picknick raus fahren und ich würde zufällig mein Höschen vergessen.“ „Hast du dich wieder an dem Sliwowitz vergriffen? In letzter Zeit hast du so merkwürdige Ideen. Oder ist es, weil die Frau Sedelmeier mit einem Lächeln aus Afrika gekommen ist? Wieso überhaupt Afrika? Da wohnen doch nur Neger. Da ist es unerträglich heiß und die Müllabfuhr kommt nur alle Jubel Jahre.“ ,schwadronierte er. „Aber schöne, weiße Zähne haben die.“ ,meinte ich. „Weiße Zähne bezahlen auch keine Windeln.“ Kokolores ! Damit, war auch dieses Gespräch zu Ende. Ich gewöhnte mich langsam daran und dieses gewöhnen, war noch schlimmer, als der Ärger darüber. Ich dachte an einen weißen Strand. An Sonne und Palmen. An kräftige Hände, die mich überall eincremen. Im Nacken. Auf dem Rücken. Wirbel für Wirbel. Und dann verschwinden die Finger in meinem Höschen und suchen nach den Feuchtgebieten. Na, da würde der Kerl, aber nicht lange suchen müssen. Verzeihen sie mir meine Offenheit, lieber Unbekannter. Ich habe heute wieder Sissy im Fernsehen geschaut. Mit der Romy Schneider. Und dachte im Privaten war die auch unglücklich. Diese ganzen Filme erzählen uns immer, das es irgendwo das gelobte Land gibt. Alles Lüge. Ich glaube, wenn wir das Paradies finden wollen, kann das nur in uns selbst sein, aber ich weiß nicht, ob ich das allein schaffen kann ? Wir sind von so viel Unwahrheiten umgeben. Manchmal glaube ich, das die ganze Welt auf Lügen aufgebaut ist. Genau, wie das Leben von meinem Mann ! Mafia ! Ich kann es immer noch nicht glauben. Tatortreiniger ! Das Klingt so nach : Entschuldigung, ich hab da versehentlich was fallen lassen, können sie das mal eben wegräumen. Also die Menschen, die da zerhackstückelt liegen, haben ja alle mal gelebt und dann kommt der Lazarus und macht das Atmen weg. Und dann komm Wilfried und Wilbert und lassen den Menschen verschwinden und dann kommt der Gerhard und räumt auf. Warum wurden die ums Eck gebracht? Konnte man die nicht einfach ordentlich ins Gebet nehmen und ihnen das Versprechen abnehmen es nicht wieder zu tun ? Nein, das ging wohl nicht. Wäre wohl auch wieder nur eine Lüge. Der Corleone war eine imposante Erscheiung, so wie Wilhelm der 2. Der damals den 1. Weltkrieg gemacht hat. Oder Petrus. Oder Supermann. Der Corleone kam manchmal zu Besuch. Das waren die einzigen Momente wo der Gerhard aus seiner Winterstarre aufgewacht ist. Da wurde der lebendig. Am Tag zuvor hat er dann den Garten auf Vordermann gebracht und das Haus gewienert. Die Hennen und die Kaninchen ausgelagert und die Kuh im Nachbarort untergestellt. Bei Bauer Harms. Der gehörte auch irgendwie zur Organisation. Ich glaube er trieb Schulden ein. So eine Mafia ist ja ein unglaublich komplexer Organismus. Jedenfalls, sagt das die Gerda immer und die muss es wissen, denn das ist die Frau vom Corleone. IHRE Leibesfülle sprengt alles Mögliche. Das ist keine Beleidigung, weil der Corleone das immer sagt und dabei lacht. Er sagt auch, wenn Österreich wieder zu Deutschland gehört, würden sie dort eine Badewanne bauen. Nur für die Gerda. Dann lachen immer alle. Naja. Außer die Gerda. Und Wilbert und Wilfried achten darauf, das sie keine spitzen Gegenstände in der Hand hat. Die Gerda hat das auch nicht leicht. Ihre Füße schwellen jeden Abend an und in den Beinen hat sie Wasser. Der Corleone sagt immer. Wenn wir, aufgrund der Klimaveränderung in Zukunft Wüste in Hamburg hätten, müssten wir uns keine Sorgen machen, weil die Gerda Wasser für alle in ihren Beinen hat. Da hab ich gesagt, das wir alle nur froh sein können, das der Corleone so gut Bescheid weiß, weil wir ohne ihn wohl nicht mal das Klo fänden. Da hat dann keiner mehr was gesagt. Alle haben nur noch geguckt. Und mein Gerhard wurde plötzlich ganz hektisch und rot im Kopf. 5 Minuten später waren alle aus dem Haus. „Das kannst du nicht machen Erika.“ ,sagte der Gerhard. „Was denn? Wenn jemand so gemein ist, muss man doch mal was sagen können.“ ,erwiderte ich. „Eben nicht.“ ,meinte mein Mann. „Eben doch. Die Gerda tut mir leid.“ „Die Gerda ist die schlimmste von allen. Die arbeitet in der Schlachterei. Die zerhackstückelt alles, wenn es sein muss.“ „In der Schlachterei? Ich dachte, die ist in der Heils Armee.“ „Ach Erika. Du weißt gar nicht was ich alles schon gesehen habe und erdulden musste.“ ,seufzte er. „Wie meinst du das?“ „Ach nichts. Ist noch Blumenkohl da ?“ Damit war das Gespräch zu Ende und er ließ mich einfach an der Tür stehen und ging in den Keller, um irgendetwas zu bauen, zu dem er eine kleine Uhr und ein Stahlrohr brauchte. Corleone hatte immer seine zwei Bodygards dabei. Den Wilfried und den Wilbert. Die waren ja eigentlich Zauberer, aber wenn der Corleone sie brauchte kamen sie sofort. Wilbert schien immer traurig zu sein. Ein Eineiiger Zwilling in einem zweireihigen Anzug, deshalb entschied er sich für eine Gesichtsoperation. Danach war alles irgendwie anderes. Also nicht nur sah der Wilbert anders aus, sondern er verhielt sich auch anders. Vorher hatte er ein freundliches, ausgeglichenes Wesen, aber danach schrie er sofort die Leute an, wenn sie auch nur blöd guckten oder laut atmeten. Dann schlug er ihnen oft mit seinem Totschläger kleine Löcher in die Schädeldecke. Da wars dann schnell aus mit dem Atmen. Ja, ich glaub, der Wilbert war immer total unglücklich. Manchmal weinte er, wie ein Kind, dann hab ich ihn getröstet. An einem Samstag, beim ersten Schneefall, fanden wir ihn auf einem Parkplatz. Nicht nur, das er nicht mehr wie Wilbert aussah. Jetzt fehlten auch noch allerlei Teile an ihm. Die Augen. Die Nase. Die Ohren und die Zunge. Naja. Das Geld für die Gesichts Op hätte er sich wohl sparen können. Man hat nie herausgefunden, wer die ganzen Sachen von seinem Gesicht mitgenommen hat. Am nächsten Tag war Kirmes. Mein Mann wollte da nicht hin. Natürlich. Er meinte Jahrmärkte seien nur etwas für Werwölfe und Gauner. Er sei keins von beiden. Ich versuchte ihn umzustimmen, indem ich mein neues schwarzes, durchsichtiges Negligé für ihn anzog. Er fragte, ob schon wieder Karneval sei und welches beknackte Kostüm er denn tragen müsste. Ich sagte keins, denn seins würde er ja ohnehin jeden Tag tragen. Er meinte noch, ich wäre eine peinliche, dumme Gans. Da hätte ich ihn am liebsten umgebracht! Um ihm mal zu zeigen, was ich von seinem Verhalten hielt, buchte ich eine Reise am Strand. Allein. Da würde er mal sehen, wie es wäre, so ganz allein. Ohne mich. Vom Hotel aus rief ich ihn an. Er war erfreut von mir zu hören und gab mir eine kleine Liste von Ersatzteilen, die ich für ihn besorgen sollte. Ich legte sofort auf und fragte den Rezeptionisten nach einer Bar in der Nähe, weil ich beschlossen hatte mir richtig einen anzutrinken und den erstbesten Insulaner abzuschleppen, der mir über den Weg lief. Das war, aufgrund meiner Schüchternheit, schwerer, als ich dachte. Das Einzige an das ich mich noch ganz klar von diesem schrecklichen, wundervollen Abend erinnere, waren sie, lieber Unbekannter. Es schien mir ein Gottes Geschenk. Sie saßen auf der Terrasse, mit ihrem schwarzen Anzug und der schwarzen Krawatte. Sie tranken Tequila. Wie gern hätte ich mich einfach zu ihnen gesetzt. Einfach nur mit ihnen da zu sitzen und zu atmen, wäre für mich das Wundervollste auf der ganzen Welt gewesen. Ich weiß, wie sehr ich ihnen damit auf die Nerven gehe und wie sehr sie es verabscheuen müssen diesen abscheulichen Brief lesen zu müssen. Aber, glauben sie mir, sie retten mir mit ihrer Anwesenheit das Leben, denn mein Eigenes ist ein einziger Trümmerhaufen. Jahrelang glaubte ich mein Mann wäre Buchhalter und Corleone nur mein Adoptivvater. Wie konnte ich auch nur ahnen, das es sich um die Mafia handelte. Um Mord und Totschlag. Um Blut und abgetrennte Hände. Um Kolumbianische Krawatten. Wussten sie, das man den Hals aufschneiden und die Zunge nach unten raus ziehen muss, um eine kolumbianische Krawatte zu erhalten. Gut das das damals nicht in Mode kam ! Das ist alles so schrecklich, das ich kaum darüber nachdenken kann. Aber am schlimmsten ist, zu erkennen, das mein Mann mich nie geliebt hat, das ich immer nur Mittel zum Zweck war. j Ich besuche täglich den Gerhard auf dem Friedhof, nur um ihnen nah zu sein. Ja, ich gebe zu, es ist erregend ihnen bei der Arbeit zu zusehen. Ihre fleißigen Hände bei der täglichen Verrichtung der ganz normalen Dinge zu beobachten. Manchmal erwische ich mich bei einem Tagtraum: Ich bin an einem Strand, gesäumt von Palmen. Eine Lady mit großer Sonnenbrille und einem weißen Wagenrad Hut. Ich bin ganz und gar Frau. Über meinem schwarzen Badeanzug trage ich eine leichte Sommerjacke, in der Farbe des Himmels. Wenn Sommer ist und keine Wolke den Blick zur Seele versperrt, spüre ich die Liebe, wie das Streicheln des Windes auf den winzigen Härchen meiner Haut. Und ich spüre den Ort zwischen meinen Beinen. Die Lippen, die liebkost werden wollen. Das Sickern der Feuchtigkeit. Meine Scham, die geöffnet werden will. Ihre Augen, die mich begehren und verzehren. Ihre Blicke, die mir Stück für die Stück die Kleidung vom Körper schälen. Ihre Hände auf meinen Brüsten. Meine Knospen, die wie Kieselsteine in ihrem Mund von der Zunge hin und her geworfen werden. Meine Hüfte , von ihnen Kräftig umfasst. Ihre Komplimente , die mich ganz schwindelig machen. Und ich hoffe, ich gehe nicht zu weit in meiner Vorstellung, mir die Erregung vorzustellen, wie mich alle sehen können. Meine roten Haare und die langen Wimpern. Meinen vollen, alles in sich aufnehmenden Mund und meine zitternden Beine. Meine Finger, die selbst die intimsten Stellen präsentieren möchten. Durch eine Drehung schaffe ich es meinen runden Po und meine vollen Brüste ins rechte Licht zu rücken und spüre die erwartungsvollen, geilen Blicke auf meinem brennenden Körper. j Am Tag des großen Sprungs, waren wir alle sehr aufgeregt: Meine Freundin Helga Friedrichsen nahm mich zur Seite und zeigte mit ihrem knochigen Zeigefinger in den Himmel. „Manchmal trügt der schöne Schein, meine Liebe.“ „Welcher schöne Schein.“ „Na dieses ganze Ding mit der Liebe und dem Vertrauen und der Leidenschaft.“,erklärte sie tonlos. „Ich versteh` nur Bahnhof.“ „Dein Mann, der Gerhard fickt die Katrin jeden Mittwoch bis zur Besinnungslosigkeit.“ „Quatsch! Dazu ist der doch viel zu uninteressiert.“ „Bei dir vielleicht, aber nich` bei der Frau Koslowski, denn die hat auch meinen Mann gefickt. Aber das ist kein Problem. Jetzt ficken wir die beiden.“ „Helga. Du hast doch jetzt nichts unüberlegtes getan.“ „Nein. Das ist alles genau geplant. Nichts unüberlegtes, meine Liebe.“ „Na, dann ist ja gut.“ Zwei Sekunden später klatschten die zwei Körper aus 2500 Metern Höhe ungebremst auf die Wiese. Nun ja, jetzt hat sich das Puzzle wohl gelöst. Wie beim Förster Stalin. Die Helga lächelte und ich starrte nur fassungslos auf die aufgeplatzten, nicht mehr so ganz in Form gebliebenen Körper. Mir fiel ein, das der Gerhard immer sagte, das wir alle unsere Rolle zu spielen hätten und das das Leben wie so`n Theaterstück wäre. Also mit Texten, die man sagt, weil man weiß, das es das ist was die Anderen hören wollen. Ich meinte, das ich mich manchmal wie ein Kanarienvogel fühlen würde. So richtig gelb und bescheuert. Den ganzen Tag im Käfig und immer trällern und immer so tun, als wäre alles in Ordnung. Es ist aber nichts in Ordnung ! Ich werde gar nicht gesehen. Von niemandem. Ich funktioniere nur. Wie so ein blödes Spielzeug, das irgendjemand aufzieht und das eine bestimmte Zeit läuft und dann wieder in der Ecke liegt. Unbeachtet. Ungeliebt. Lieber Unbekannter, das ist für mich das Schlimmste. Nicht mehr gesehen zu werden. Ein Gegenstand zu sein. Ein Stuhl. Oder ein Tisch. Als wir uns kennenlernten, war ich seine Königin. Später hat er wohl gemerkt das meine Krone nur aus Katzengold bestand. Wertlos. Ich hasse mein Leben ! Ich hasse, hasse, hasse es ! Ich glaube ich muss erst mal lernen mit mir selbst klar zu kommen. Lieber Unbekannter, morgen werde ich sie wieder beobachten. Ich kann nicht anders und irgendwann, werde ich genug Mut aufbringen sie anzusprechen. Ihre Erika Blum xxxxxxxxxxxxxxxx P.S. Die Kreuze bedeuten Küsse ! Das wird wohl ewig in Mode bleiben. April 2021 von Axel Bruss
  6. Das Tagebuch des Doktor Vesalius Dieses Buch beginne ich am 1. Mai, im Jahre des Herrn 1538. Mein Name ist Andreas Vesal und ich wurde am 31. Dezember 1514 in Brüssel geboren. Mein Vater war Leibapotheker, am Kaiserhof, Karls des V, in Flandern. Ich studierte 1530 alte Sprachen und Wissenschaften, um dann in das Fach der Medizin zu wechseln. Ging 1533 nach Paris und wurde dort von der strikten Befolgung Galens medizinischer Bücher und der an der Wirklichkeit vorbeigehenden Ausbildung enttäuscht. Deshalb verließ ich Frankreich 1536 und entwickle seither das Konzept einer tatsächlichen Anatomie des menschlichen Körpers. Ich hoffe in Italien meinem Ziel näherzukommen, als in den anderen unwissenden Ländern. Nun bitte ich euch, mich in Zukunft Doktor Vesalius zu nennen. 1. Mai Ich bin nun seit einigen Tagen, auf dem Schiff. Sie nennen es Hope. Hoffnung. Nichts könnte weiter von der Wirklichkeit entfernt sein. Ein klappriges, altersschwaches Gefährt das uns sicher über das Meer nach Italien bringen soll. Habe bei der Abfahrt einen, zur Mitfahrt gepressten Bauernlümmel beobachtet. Er hatte heimlich einen Hasen mit an Bord gebracht. Das war strengstens Verboten und brachte Unglück. Selbst das Wort Hase durfte man nicht verwenden. Alle Seeleute nannten es nur: Das langohrige Monster, dessen Namen wir nicht nennen dürfen. Hoffentlich ist das kein schlechtes Omen. Wir sind auf dem Weg nach Padua. Das Leben auf dem Schiff ist grauenvoll. Ich teile mir, mit dem Botaniker Alan Frey eine Kabine. Er ist ein ungehobelter kleiner Wicht. 1,59 groß, mit grauen, stoppeligen Haaren und ebensolchen Bart. Zu lange, affenartige Arme und zu kurze Beine, die in holländischen Holzschuhen stecken. Zieht er sie aus, was er so oft wie möglich tut, sehen wir alle seine ungepflegten Füße, mit den langen Nägeln, die über den Kajüten Boden schnarren. Jeden Abend redet er stundenlang auf mich ein, um mich von der Göttlichkeit seiner Pflanzen zu überzeugen. Dieser Narr, ist ein nervender und langweiliger Zeitgenosse und macht mir die Zeit auf diesem Kahn zur Hölle. Gott schickte dem Pharao 10 Plagen, um Moses bei dem Auszug der Israeliten zu helfen. Frey ist die 11. und die Schlimmste. Wenn es einen Gott gibt, scheint er mich zu prüfen. Doch auch meine Leidensfähigkeit hat ihre Grenzen. Vielleicht könnte er eines Abends einfach über Bord fallen. Die Dankbarkeit der Offiziere, wäre mir gewiss sicher. Habe mich, aufgrund eines schlechten Lammspießes, dreimal übergeben und dabei mein bestes Hemd ruiniert. Alan meinte daraufhin, er würde mir eins von seinen überlassen. Verzichtete, da sein Schneider sie ganz fürchterlich zusammengefügt hatte. In Brighton – England, gab es offensichtlich nur Deppen. Ich kann nicht verstehen, warum bestimmte Berufsgruppen, so viele Stümper aufweisen. Meine eingeschlossen. Es gibt mehr schlechte, als gute Chirurgen. Muss beim Wasser lassen an Maria denken. Sie war unsere Magd und ich habe ihr immer heimlich beim Waschen zugesehen. Sie war auch die Erste. Maria wies mich in die Liebe ein. Ihre stämmige, reichliche Figur und ihre weichen Formen gaben mir Sicherheit und das Gefühl alles richtig zu machen. 7. Mai Haben gestern, beim Kapitänsdinner, über das Leben und die Fortpflanzung der Frösche gesprochen. Ich sagte, das sie es sehr viel leichter hätten, als wir Menschen, da sie die ganze Gefühlsduselei überspringen würden, um gleich zur Sache zu kommen. Der Erste und der zweite Offizier schlossen sich meiner Meinung an. Doch Alan überzeugte den Kapitän, das Gott ja für die Liebe gesorgt hätte und deshalb auch unentbehrlich für die Partnerwahl wäre. Das, war dann wohl auch der Grund, weshalb Mr. Frey kurz vor der Abfahrt noch ins Hurenhaus ging und sich bei einer der Damen einen Tripper holte. Würde mich nicht wundern, wenn diese Erkrankung, bei ihm zu Wahnsinn führen würde. Naja schlimmer, als jetzt kann es wohl nicht werden. 8. Mai Die Matrosen sind sehr unzufrieden. Im Fleisch befinden sich fingerdicke Maden und der Schiffszwieback hat eine weiß-blaue, schimmelige Färbung angenommen. Einige Seeleute haben Furunkel so groß wie Hühnereier auf ihrem Körper. Ich schneide sie auf, um ihnen etwas Linderung zu schaffen. Der beißende Geruch unter Deck ist nicht zu ertragen. Es riecht nach Meuterei auf dem Schiff. Versuche, die ein oder andere Mahlzeit, mit dem größten Maulhelden zu teilen, um mein Leben zu retten, wenn es zum Äußersten kommen sollte. Heute Morgen gab es eine Bestrafung durch den ersten Offizier, Herrn Fisterdahle. Er ist ein fetter, dummer Mann, dem die Gefühle und Meinungen anderer nicht interessieren. Seine gelben Augen sehen sonderbar aus. Er schwitzt sehr stark und trinkt übermäßig viel. Obwohl das kein Hinweis auf eine exotische Krankheit ist, denke ich, das ihn das Gelbfieber erwischt hat. Er stand an Deck, wie der Teufel persönlich. Ein Lächeln und Glitzern war in seinem Gesicht zu sehen. Die Haut des Matrosen, wurde durch die neunschwänzige Katze aufgerissen. Nur, weil sich der Bauernlümmel Hamilton klares Wasser zum Trinken holen wollte, bekommt er jetzt die harte Hand des Herrn Fisterdahle zu spüren. Ohne Gnade sausen die Lederriemen auf den aufgeplatzten, roten Leib des Leichtmatrosen herunter. Anfangs schreit er noch. Doch dann sinkt er in eine gnädige Bewusstlosigkeit. Der Kapitän erklärte mir, die Auspeitschung sei notwendig, um die Disziplin aufrecht zu erhalten. Armer, armer Hamilton. Freue mich auf das Abendessen. Es gibt Schweinebauch. 10. Mai Stürmische See. Verloren zwei Beiboote, die nicht richtig vertäut waren. Der Kapitän wütete und schlug dem Smutje ein Auge aus. Wer soll uns jetzt das Essen kochen? Oh, dieser vermaledeite Kahn. 15. Mai Fünf Tage in einem Sturm gewesen. Zwei Mann über Bord gegangen. Ich bete für die armen Seelen. Josh Percussion, der Bootsmann, sagte, das Schiff sei verflucht und erst, wenn es eine Gabe für das Meer gäbe, würde Gott uns wieder gnädig sein. Ich meinte, zwei wären doch schon bei ihm. Da antwortete er, die sind in der Hölle, weil sie kleine Kinder gefressen hätten. Die gelten nicht. Dann lachte er sein Zahnloses Lachen. Im Flüsterton sprach er weiter: „Es muss eine Gabe für das Meer geben, sonst sind wir verloren. Denkt an meine Worte Meister Vesalius.“ Es lief mir kalt den Rücken runter und ich bekreuzigte mich vorsichtshalber dreimal und rieb an meiner Hasenpfote. 16. Mai Habe heute Morgen meine Haare gekämmt und bemerkte zwei Graue. Habe sie sofort herausgerissen. Endet die Mühsal denn nie. 17. Mai Das Fock knallte am Nachmittag herunter und begrub zwei Matrosen unter sich. Einer starb, unter furchtbaren Schmerzen, an einem eingedrückten Brustkorb. Wenn der Schwund der Mannschaft so weitergeht, müssen wir bald selbst die Segel hissen. Der Kapitän lud am Abend zum Dinner und erbrach sich auf dem Teller von Frey. Empfand Schadenfreude und lachte mir ins Fäustchen. 18. Mai Habe heute zwei Leichtmatrosen, die eine Ratte fingen und ihr mit einem Totschläger das Lebenslicht ausbliesen, beobachtet. Sie schlugen ihr den Kopf ab, zogen das Fell vom Leib und befreiten sie von den Innereien. Dann überredeten sie den Koch sie zu braten und aßen, voller Lust, das Fleisch des Nagetiers und ließen nur die Knochen übrig. So müsste man auch das Fleisch der Menschen von ihren Knochen schaben, um das komplette Skelett erkennen zu können. Was, wäre das für ein Gewinn für die Medizin und die der Menschen. Natürlich dürfte man keine rechtschaffenen Menschen dafür töten. 19. Mai Auch heute beseelt mich die Idee ein komplettes menschliches Skelett zu erschaffen und die Lügen und Unwahrheiten des Arztes Galen aus der Welt der Medizin zu verdammen. Dieser Trottel und auch heute viele meiner Kollegen, glauben tatsächlich immer noch an die vier Säfte Leere. Blut – Schleim – gelbe Galle – schwarze Galle. Diesem ordnen sie alles unter und übersehen die tatsächlichen gründe menschlicher Krankheit. 20. Mai Habe heute mit dem Schiffsarzt gesprochen. Der meinte das Kolumbus einen neuen Kontinent entdeckt habe und das sie ihn wohl Amerika nennen werden. Nach einem gewissen Amerigo Vespucci. Angeblich waren es sogar zwei Kontinente. Und zwar Nord- und Südamerika. Aber vielleicht ist es doch nur Indien, wie Kolumbus sagte. Nun ja. Es wird viel geredet. 1492 war ohnehin das Jahr der Dummköpfe. Gut möglich das der Arzt sich auch nur wichtig machen will. Vom Heilen versteht er jedenfalls nichts. Nur vom Saufen. Hatte drei Tage keinen Stuhlgang und fühle mich aufgebläht und schwer. 22. Mai Endlich wieder Stuhlgang. Das Leben ist wundervoll und sonnig. 23. Mai Der Schiffsarzt ist heute bei ruhiger See über Bord gefallen und ertrunken. Keiner hat ihm eine Träne nachgeweint. Er war ein stinkender Trunkenbold und hat sich hauptsächlich um sein Hobby und seine Käfersammlung gekümmert. Er sagte mir mal in einer stillen Minute, das er glaube die Arten seien nicht von Gott geschaffen, sondern hätten sich über eine lange Zeit entwickelt. Was für ein Narr. 30. Mai Ein Matrose hat sich den Arm, bis auf den Knochen aufgerissen. Es ist eine schwere Verletzung, aber solange sie nicht eitrig wird und der Wundbrand hineinfährt, hat er gute Chancen seinen Arm zu behalten und zu überleben. Sein Name ist Françoise Hardy. Ein aufgeweckter junger Mann mit blauen Augen. In Paris geboren. Er wurde von der Mutter, an der Abtei in Cluny vor der Tür abgelegt und dort von den Mönchen aufgezogen. Von kräftiger Figur und wachen Verstand ist er mir schon oft zur Hand gegangen. Er ist bei jedermann beliebt und alle beten für ihn. Ich werde alles tun, um ihn am Leben zu erhalten. 6. Juni Nach schwerem Fieber ist Françoise auf dem Weg der Besserung. Haben heute das letzte genießbare Fleisch gegessen. Nun müssen wir das gleiche Nahrung zu uns nehmen, wie der Rest der Mannschaft. Ekelhaft. Hoffentlich landen wir bald an, sonst befürchte ich schlimme Dinge. 11. Juni Einige der Männer leiden furchtbar. Sie sind sehr schwach, die Zähne fallen ihnen aus und sie erbrechen sich. Habe von dieser Krankheit gehört. Skorbut. Weiß, aber nicht, wie sie zu behandeln ist. 18. Juni Sind an einer Insel vor Anker gegangen und wurden mit Pfeilen empfangen. Zwei Mann tot. Sechs Insulaner erschossen und erschlagen. Endlich frisches Wasser und Obst. Die Leute an Bord haben sich aufgrund dessen schnell wieder erholt. Erkenne das die Krankheit mit fehlendem Obst und sauberen Wasser zusammenhängt. 30. Juni Ankunft in Padua. Ich habe Françoise in meine Dienste genommen. Er weicht mir nicht von der Seite und ist in vielen Belangen meines Lebens eine große Stütze. Sowohl in meinen medizinischen Studien, als auch in der Herrichtung meines Zimmers. Er schläft auf dem Boden vor meinem Bett. Der Sicherheit wegen, wie er meint. 30. Juni Nicolo Branduardi, der Gouverneur von Padua, lud uns zu einem Fest in seine Villa. Ein prachtvoller Bau, mit erlesenen Weinen und wertvollen Möbeln. Er erzählte mir von seiner Geliebten und das sie allerlei erotische Spielereien aus Frankreich mitgebracht hätte. Mehr, wollte er mir nicht sagen. Ich dachte ein weiteres mal an meine Magd Maria. Nicolo besitzt auch einen Zwerg, der für kurzweilige Späße sorgte, wenn wir an der reich gedeckten Tafel speisten. Ein lustiger kleiner Mohr mit langen schwarzen Haaren. Ich hatte starke Blähungen, die ich einem Diener unterschub, die Zuhauf für kühle Luft, durch das Bewegen eines großen Fächers sorgten. Um Mitternacht traf Gräfin Maritza ein. Eine wunderschöne Frau, mit einer liebreizenden Gestalt. Wir unterhielten uns über Gutenberg, welcher die beweglichen Lettern zum drucken von Büchern erfand. Ich sagte, das dies bereits im 11. Jahrhundert die Chinesen erfunden hätten. Darauf hin meinte die Gräfin: Wer auch immer sie erfunden hat, gehört ans Kreuz genagelt, denn zu viel Wissen für das gemeine Volk sei schädlich für den Adel und die Ruhe im Land. Das führe zu Aufständen, mit dem Ruf nach besseren Lebensumständen. Doch der Pöbel brauche die Peitsche und nicht mehr Stimmrecht. Ich empfand tiefe Verachtung, für dieses Begahren und diese Frau. Dennoch vergnügten wir uns einige Minuten später aufs allerköstlichste in einem Separee. Ihre Haut war weiß wie Schnee und die Spalte in die ich hineinstieß, haarlos. Das hatte ich nie zuvor gesehen, aber es gefiel mir. Später nahm ich das Thema des Volkes noch mal auf und meinte: „Panem et circenses. Brot und Zirkusspiele.“ Sie lachte und sagte ich sei ein Holzkopf. Dann zeigte sie mir was sie in Frankreich gelernt hatte. 1. Juli Heute Morgen sprach ich mit Nicolo über meinen Wunsch, mehr über den menschlichen Körper zu erfahren. Er sicherte mir ein paar Leichen zu, indem er einige Begnadigungen rückgängig machte und die Gehängte bereits am Nachmittag zukommen ließ. Einen Mann, der Brot für seine sieben jährige Tochter stahl. Einen Priester der sich an einem Jungen vergangen hatte. Störte sonst eigentlich keinen, aber es war der Sohn von Nicolo, und eine Hure, die ein Freier angezeigt hatte, weil sie ihn bestohlen hatte. Welch ein großer Tag für mich und die Wissenschaft. Ich verbrachte zwei Tage in meinem Laboratorium und war der glücklichste Mensch auf Erden. Françoise musste sich nur zweimal übergeben. Einmal, als ich den Brustkorb öffnete und beim Zweiten mal, als ich sagte er solle mal kurz das Herz halten. 5. Juli Habe viel gearbeitet und geschrieben. Der Entschluss, über den Knochenaufbau des Menschen eine anatomische Studie zu verfassen, weckt alle Lebensgeister in mir. Habe seit drei Tagen nicht geschlafen. Manchmal, des Nachts, sehe ich kleine Gnome durch die Gänge huschen. Sie halten Fackeln in ihren winzigen Händen. Wenn ich nicht wüsste, das es der Schlafentzug ist, würde ich meinen, das der Wahnsinn nach mir greift. Denke gerade an Kolumbus und die armen Wilden. Es sollen ja schon viele umgekommen sein. Spanien hat es reich gemacht. Gold fließt in Hülle und Fülle ins Land. Die Gräfin nervt mich mit anzüglichen Briefen, die ich allesamt verbrenne. 11. Juli Es ist sehr heiß. Ich wechsle meine Kleidung alle zwei Stunden. Trotzdem fühle ich mich durch die Hitze äußerst unwohl. Am Abend lasse ich mich von Gabriele, der Hausdame, mit Zitronensaft abreiben. Danach gibt sie mir eine französische Kostprobe. Dies hat sie bei der Gräfin Maritza gesehen. Daran könnte ich ich gewöhnen. Das gewaltige Hinterteil der Gräfin passt so garnicht zu dem grazilen Rest ihres Körper. Dennoch empfinde ich es als sehr erregend sie, beim Waschen zu beobachten. Habe Gabriele freigegeben, um ihren Bruder zu besuchen, der im Sterben liegt. Vielleicht überlässt sie ihn mir danach für meine Studien 12. Juli Ich brauche neue Leichen, um meine Studien fortzusetzen. Habe, so lange es möglich war, an der alten Ware gearbeitet, doch irgendwann fingen sie an zu faulen und zu stinken. Der Barbier, bei dem ich mich rasieren lasse, kennt einen gewissen John Bishop, einen Leichenräuber. Sicher, es ist nicht billig, aber ich muss es tun. Um der Wahrheit willen. Werde, also erst mal nicht zu den Huren gehen können und es mir, zwangsweise, von meiner Hausdame Gabrielle besorgen lassen. Sie ist nicht sehr schön, aber darauf kann und will ich jetzt keine Rücksicht nehmen. Ihren Bruder hat sie mir nicht überlassen. Werde ihr wohl für diese Frechheit den Lohn kürzen müssen. 13. Juli John Bishop hat mir wunderschöne Leichen geliefert. Sie weisen kaum Gebrauchsspuren auf und machen einen neuen Eindruck. Italien ist wirklich eine Reise wert. Die Sitten und Gebräuche dieser Stadt sind sehr modern. Françoise hat sich zu einem bemerkenswerten Assistenten entwickelt. Das Blut und die weichen Organe machen ihm nichts mehr aus. Seine Zeichnungen sind sehr detailliert. Ich muss ihn ein bisschen bremsen, sonst überflügelt er mich noch. Denke an die Amputation seiner rechten Hand. 16. Juli Die Leichen verwesen, aufgrund der Hitze, rascher als ich sie bearbeiten kann. Ich brauche schnelleren Nachschub. Habe schon mit Bishop gesprochen. Er hat einen zweiten Mann angeheuert. Den Cousin seiner Frau. Thomas Williams. Ein ekelhafter, kleiner Mann mit dreckigen Haaren. Seine Augen irritieren mich. Sie stehen niemals still. Lese gerade einen Bericht über Cortés. Dieser miese Eroberer hat die Kultur der Azteken in Südamerika erobert und wird ihre Kultur sicher zerstören. Schade. Was könnte ich in diesem Land alles für die Medizin erreichen. In einem Teil der Stadt ist die Pest ausgebrochen. Der Bezirk wurde abgeriegelt. Keiner darf hinein und keiner heraus. Ich hoffe, das sich alle daran halten und uns nicht mit dieser Arme Leute Krankheit behelligen. Der Wein ist uns ausgegangen und die nächste Lieferung erfolg erst am Donnerstag. Was für ein Unglück. Soll ich etwa Wasser trinken? 21. Juli Bin ein wenig beunruhigt, das die gebrachten Leichen, von Bishop, noch warm sind. Ich habe mit meinem Freund, den Gouverneur, darüber gesprochen und er hat beide Leichenräuber des Mordes überführt. So eine Schande, jetzt muss ich mir neue Lieferanten suchen. Habe ich nicht schon genug andere Probleme? Am Montag ist die Hinrichtung von Bishop und Williams. Ich werde mit Gräfin Maritza hingehen und danach ein wenig mit ihr feiern, denn ich habe immer noch kein Geld für die Huren. Werde vielleicht Françoise verkaufen müssen, um meine Studien weiterführen zu können. 25. Juli Die Pest hat sich weiter ausgebreitet. Der Adel und die Oberen ziehen aufs Land. Gräfin Maritza hat Gefallen an mir und Françoise gefunden und nimmt mich mit auf ihr Gut. Also muss ich ihn doch nicht verkaufen. So hat die Pest doch noch etwas Gutes. Ich brauche dringend neue Beinkleider und Hemden. Meine sind verschlissen und alt. 27. Juli Die Gräfin nervt alle mit ihrer bloßen Anwesenheit. Und mich besonders. Habe noch nie so viel Dummheit auf einen Haufen gesehen. Mir wird schon übel, wenn ich nur ihren Gang im Hause höre. Diesen schlurfenden, törichten, nichtsnutzigen Gang. Was hat diese Frau in ihrem Leben geleistet? Was hat sie beigesteuert? Nichts. Sie atmet anderen die Luft weg. Unnütz! Unnütz! Unnütz! 28. Juli Fühle mich wie ein Gefangener auf dem Gut der Gräfin. Das Schlimmste ist, das sie glaubt ich wäre ihr zugetan, dabei geht es nur darum mein Leben und das von Françoise zu retten. Die Pest wütet weiterhin in Padua und hat tausende Opfer gekostet. Meine neuen Beinkleider sind heute fertig geworden und stehen mir ausgezeichnet. Heute Abend spielen wir Karten und ich hoffe, ein hübsches Sümmchen für mich herauszuholen. 29. Juli Habe gestern Abend alles verloren, was ich hatte und noch mehr. Die Gräfin hat für mich gebürgt. Ich wäre sonst wohl in den Schuldenturm gekommen. Stehe nun in ihrer Schuld. Werde wohl in den nächsten Nächten, bei ihr liegen müssen und ihr beischlafen. Mittlerweile empfinde ich großen Hass und die Kehle schnürt sich mir zu, wenn sie in meiner Nähe ist. Ich weiß nicht wie lange ich das noch aushalte. Habe ein paar Tropfen der Alraune zu mir genommen, um diese Abscheu und das triste Leben ein wenig zu vergessen. Fühlte mich leicht und ungezwungen. Muss vorsichtig im Umgang mit der Droge sein. 6. August Ich habe nun jeden Tag die Leichtigkeit genossen und leide an furchtbaren Kopf und Gliederschmerzen, wenn ich sie nicht zu mir nehme. Oh Himmel hilf mir!!! Was bin ich für ein Narr, zu glauben, ich könnte mich über die Natur erheben. 7. August Hatten heute Besuch vom Gouverneur. Er sah schrecklich bleich aus. Später stellte sich heraus, das er die Pest hat. Alle erschraken fürchterlich und in ihrer Todes angst, warfen sie ihn von der Klippe ins tosende Meer. Nun ist es also soweit. Die Angst regiert. Und die alten Werte und die alte Ordnung gilt nichts mehr. Françoise und ich flohen auf gestohlen Pferden nach Rubano. Dort wurden wir von Wegelagerern überfallen. Da wir nichts, als die Pferde besaßen, nahmen sie uns diese. Sie stahlen uns die gestohlenen Pferde. Welche Ironie. Den Rest mussten wir zu Fuß gehen. Wir litten Durst und unsere Zungen schwollen in der Mittagshitze an. 8. August Ich sitze im Gras unter einem Apfelbaum und denke an meine Mutter. Ich weiß auch nicht warum. Ich muss weinen und spüre ihre liebe Hand an meiner Wange und höre ihre zärtlichen Worte die mir Mut machen. Die mir klar machen, nicht aufzugeben, egal wie schwierig es auch ist. Mein treuer Freund Françoise ist von mir gegangen. Er fiel in eine Felsspalte und brach sich das Genick. Schade das ich mein chirurgisches Besteck nicht dabei habe. Hätte ihn gern seziert, um mir seine Sehnen und Muskeln anzuschauen. Wie wohl sein Gehirn aussieht. Vielleicht doch anders, als bei Mördern und Huren, da er von schneller Auffassungsgabe und reinen Herzens war. 28. Oktober Es ist viel Zeit seit meinem letzten Eintrag vergangen. Ich erkrankte an der Pest und genas. Nun lebe ich seit längerem bei einer armen Bauernfamilie. Ich versuche es ihnen zu vergelten, indem ich ihre kleinen und größeren Wehwechen heile. Gestern rettete ich ihrer neunjährigen Tochter das Leben. Vorgestern ihrem Hahn. Er hatte sich in einer Schlinge verfangen und lag, halb erdrosselt, neben dem Misthaufen. Am Abend gab es Hähnchen. Das war lecker. 29. Oktober Kann nun endlich meine Studien beenden. Gut das ich meine Aufzeichnungen gerettet habe. Erfahre gerade, das die Gräfin gestorben ist. Der schwarze Tod hat sie geholt. Habe mir in der Scheune ein kleines Studierzimmer eingerichtet und mit dem Pfarrer, für ein paar Goldstücke, die ich mir seinerzeit von der Gräfin lieh, ein paar Sünder besorgen lassen. Die Leiber lagen, steif gefroren, auf dem Tisch neben mir und es dauerte einige Zeit, bis sie aufgetaut waren. Die Haut und das Fleisch ließen sich dann aber gut durchtrennen. Aufgrund der Kälte halten die Leichen länger durch und ich hoffe, bis zum Ende des Jahres mein Projekt abschließen zu könne. Zum Wohle der Menschheit und meiner eigenen Person. 6. Dezember Bin zurück in Padua. Viele Menschen sind tot. De humani corporis fabrica libri septem. Mein erstes Buch, über die Anatomie, ist fertig. November 2019 von Axel Bruss
  7. Trixi und die sechs Eisbären Das neue Jahr hatte begonnen und der Himmel hing voller Geigen. Die Liebe war ins Nebenhaus, in Form einer Norfolk Terrier Hündin, eingezogen. Ihr seidiges Fell glänzte rötlich in der Sonne. Ihr lieblicher Blick schaute gedankenverloren in unsere Welt und sie war das Schönste, was ich je gesehen habe. Ich war ihr sofort verfallen. Natürlich völlig unerreichbar. Weiter weg, als der Mond. Also konzentrierte ich mich wieder auf die wesentlichen Dinge. Die Sonne ging auf und mein Kauknochen, für saubere Reißzähne, schrabbelte in meinem Maul hin und her. Der Sabber tropfte auf den Teppich und Timmy`s Mama würde sicher wieder mit mir meckern, ob ich nicht im Flur meine Zahnhygiene ausführen und dort das Linoleum vollschleimen könnte? Aber darauf konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen! Wer will schon zum Mond, mit Fleischresten zwischen den Beißerchen? Dann dachte ich wieder: So eine kleine Liebelei mit der Nachbarin würde ja auch meine Bereitschaft, heil zurückzukommen, ins Unermessliche steigern und wäre für alle zukünftigen Mondfahrten unverzichtbar. Gut, das ich so schlau war. Also doch erst mal zu meiner großen Liebe. Schnell noch das Fell sauber schlecken und die Krallen an der elektrischen Schuhbürste polieren. Ich wollte schließlich einen exzellenten Eindruck bei ihr hinterlassen. Wo war Timmy, wenn man ihn brauchte? Mein Rücken musste unbedingt gebürstet werden. Wie sollte ich jemals eine feste Freundin finden, wenn mir niemand das Fell bürstete? Boah, war ich genervt. Musste wieder runterkommen. Im Wohnzimmer flimmerten gerade die aktuellen Nachrichten von Spock und Co. über den Bildschirm. Ein geleckter Typ, mit blendenden, schneeweißen Zähnen stand in Uniform, auf dem Deck der Enterprise. Seine, in der Mitte gescheitelten Haare glänzten im Neonlicht. Er lächelte eine Frau, mit roten Haaren an und beide Lachten. Das war mega peinlich, aber so ein Mittelscheitel würde mir auch gut stehen. Genau genommen, sogar besser als ihm. Tja. Hatte wirklich alles versucht, meine Haare wachsen zu lassen: Schlammbäder. Sonnenschein. Beten. Keine Chance! Dann griff ich auf zusätzliche Mittel zurück, die ich im Bad fand. Profolan für die innere Anwendung und Regaine für die Äußere. Der Papa von Timmy haute sich alles auf die Glatze was nach Matte aussah. Er wollte so lange Haare, wie Günter Netzer in den 70ern. Ja. Gute Idee. Aber, wer zum Teufel war Günter Netzer? „Kümmer dich nicht um solche Sachen, Spiky. Bleib auf dein Ziel fokussiert!“ ,sagte ich zu mir. „Keine Hundedamen und keinen Pelz, der vielleicht auch noch auf dem Boden schleift. Deine Hauptaufgabe ist die Reise zum Mond. Sonst nichts!“ Ok. Das hatte ich geklärt. So. Mal sehen: Rechtzeitig aufstehen. Check! Zahnreinigung. Check! Fellreinigung. Check! Vorher pubsen, um mehr saubere Luft im Raumschiff zu haben. Check! Hugo einen obszönen Pfoten Abdruck schicken. Check! Norbert und Fritz benachrichtigen. Hääääääääääääh. Wo war der Check? Ja spinn` ich? Sollte ich vielleicht alleine fliegen? Ich geriet ein bißchen in Panik. Meine Herren, um 0800 sollte der Start sein. (0800 war Astronauten Sprache und bedeutete 8 Uhr morgens.) Meine Nackenhaare richteten sich im Nacken auf. Also, sie hätten es getan, wenn ein Nacken da gewesen wäre, aber da mein Kopf direkt auf den Schultern lag, hatte ich weder einen Hals noch einen Nacken. Schade. Aber ich hatte einen Spruch, den ich an alle Möpse weitergab: Ein schöner Nacken, kann dich packen und auch runter ziehen, doch wenn du eine Dame bist und der andere Spike, dann warte nicht auf Mike. „Komm zum Wesentlichen. Du lässt dich einfach zu leicht ablenken.“ ,dachte ich. Also, jetzt erst mal zu Norbert und Fritz. Die fand ich nach längerer Suche auf dem Spielplatz in der Wintersonne auf dem Dach der Villa Kunterbunt. „Echt jetzt?“ ,rief ich den beiden Halunken zu. „Was issn?“ ,kam von Nobbi zurück. „Ach nix weiter. Wie wär`s mit `ner Freifahrt zum Mond?“ Sofort waren sie auf den Beinen. Selbst Fritz der immer auf Garfield machte trabte heran und lächelte. „Sag mal Spike. Müssen wir nicht irgendwelche Anzüge tragen, wenn wir auf dem Mond rumspazieren?“ „Quatsch. Das ist nur was für Looser. Wir sind schließlich Helden.“ ,meinte ich. „Oh. Klar. Können wir auch Superhelden Namen haben?“ ,fragte Norbert. „Sicher. Aber ich hab` schon einen. Spike ist der beste Superhelden Name ever.“ ,ließ ich stolz verlauten. „Du hast recht. Dann nenne ich mich nur: Der große, allwissende, gutaussehende, von allen bewunderte Fritz the Cat.“ Kam mir irgendwie bekannt vor, aber ich wollte ihm das bisschen Glück gönnen. Wir liefen zu meinem Kumpel Timmy. Der lag immer noch im Bett und pennte. Ging gar nicht. Also bellte ich ihn erst mal wach. Schlaftrunken zog er sich an und wollte mit mir Gassie gehen. Verzweifelt versuchte ich ihm klarzumachen, das der Raketenstart kurz bevor stand. Boah. Diese Menschen! Voll nervig. Als er es endlich geschnallt hatte sagte er nur: „Raketenstart ist verschoben auf den Nachmittag.“ Naja, typisch. Ich war mal wieder der Letzte der davon erfuhr. An der Informationskette mussten wir unbedingt noch arbeiten. Ok. Wir hatten also noch Zeit. Was machte eigentlich die Norfolk Terrier Hündin im Nebenhaus? Norbert und Fritz trotteten nach Hause. Für Nobbi hieß das, ein Pappkarton unter der Brücke. Fritz der Große, würde sicher neben der Heizung auf seiner Lammfell Decke liegen. Aus dem Nachbarhaus hörte ich laute Musik und eine schräge Stimme die einen Song von Sinatra zersägte. „Say it`s only a paper moon. Sailing over a cardboard sea. But it wouldn`t be make-believe. If you believed in me.“ Schade. Dann, war das Thema, neue Liebe, leider schon erledigt. Für mich als Musikliebhaber, war es unmöglich mit jemandem etwas anzufangen, wenn mein Lieblingssänger auf diese Art und Weise zerstört wurde. Mit hängendem Kopf wollte ich mich gerade auf den Weg zum Fluss machen, um mich dort zu ertränken, als der Körper zu dieser abgründigen Horrorstimme erschien. Ein Mädchen mit Zöpfen, blondem Haar und Sommersprossen, die nach einer Trixi rief, erschien auf der Bildfläche. Erhobenen Hauptes erschien meine, über alles verehrte große Liebe und sagte mit entzückender Stimme. „Ja, Vinnegred. Ich bin auf dem Weg.“ Vinnegred? Das arme Mädchen. Ihre Eltern mussten sie wirklich hassen. Wieso nicht gleich Chantall? In diesem Moment rief sie: „Kommst du raus spielen, Chantall?“ Ok. Alles klar Vinnegd war aus dem Schneider. Den ganzen Schamott würde Chantall, ich kann dich nicht leiden, Tag für Tag abkriegen. Aber Vinne (wie zum Teufel hieß der zweite Teil des Namens? Tu? Pu?) war wirklich ein nettes Mädchen. Sie gab darauf acht, das es ihrer Schwester gut ging. Beim Spielen suchte Chantall sich die beklopptesten Verstecke aus. Sie stand hinter einem dünnen Baum und meinte dort nicht gesehen zu werden. Alter Schwede das konnte sogar Isabell besser und die war auf einem Auge blind und hatte nur drei Beine. Sie sagte immer, sie wäre ein Papillon. Hugo meinte, das käme aus dem französischen und würde Schmetterling bedeuten. Ich hasste es, wenn er auf Schlauberger machte, um die Anderen zu beeindrucken. Isabell war eine äußerst nette und umgängliche Hündin. Sie konnte auf ihren drei Beinen unheimlich schnell laufen. Wir hatten nur ein mal Streit, als ich sie fragte, warum sie so große Ohren hätte. Sie meinte, damit sie meine dämlichen Fragen besser hören könnte. Diese kleinen Biester konnten manchmal so zickig sein. Würde mir mit einem Rüden nie passieren. Wenn wir Meinungsverschiedenheiten hatten, wurde erst mal laut gekläfft und dann gerauft und dann aus einem Wassernapf geschlabbert. Naja, außer, vielleicht mit Hugo. Der war voll nervig. Dackel halt. Der hatte ein Herrchen, das wie Harry Potter aussah. Nur älter. Viel älter. So um die 568. Norbert sagte: Das ginge nicht, weil Menschen höchstens 80 werden und nur manchmal 102. Alles klar. Und wieso heißt es dann immer: Wenn ich so alt werde, wie du aussiehst, erlebe ich noch das nächste Jahrtausend. Tja! Daran sieht man mal wieder das Schäferhunde höchstens was von Schafen verstehen. Also Harry hieß eigentlich Edgar, was die Sache auch nicht erträglicher machte. Diese Schlafmütze ging mit Hugo manchmal zur Jagd. Ich hab den Hugo gefragt, was sie jagen würden. Er sagte: Enten. Alles klar. Hab` mich kugelig gelacht. Jetzt machte der Spinner schon auf Flughund. Vor einiger Zeit lag ich mal so rum und zappte durchs Fernsehprogramm. Da seh´ ich plötzlich Edgar in meiner Liebling TV-Sendung, wie er über Außerirdische und Aliens und so`n Zeug spricht. Ich, also meine Lauscher aufgestellt, denn es war ja, für mich als Astronaut, enorm wichtig zu wissen, wie es da draußen im Weltraum aussah. Leider gab es kurz vorher Reste essen bei Norbert, also bin ich nach 2 Minuten eingeschlafen. Im Traum erschien mir Frank Sinatra. Er stand auf einem Raketentriebwerk und sang: Fly me to the moon, let me play among the stars, let me see what spring is like on Jupiter and Mars. Das war genau der Moment, in dem ich die Musik für mich entdeckte. Und ich fand heraus. wie der Kühlschrank mit den Pfoten zu öffnen war. Das reinste Schlaraffenland. Achtete natürlich darauf, keine Spuren zu hinterlassen. Nach kurzer Zeit hatte ich an den Hüften ganz schön zugelegt. Stand mir aber ganz gut. Machte mich ein bisschen bulliger. Besonders von vorn. Das liebten die Bräute. Wäre Casanova ein Hund gewesen, dann gäbe es nur eine Rasse. Die des Mopses. Wir sind nicht die edelsten, aber wir sind schlau. Nur ließen wir es nicht so raushängen, wie manch anderer. Ich will keine Namen nennen, aber Don Alfredo stand ganz oben. Ein aalglatter Dobermann. Riesig. Gehörte zu einer Vereinigung die dafür sorgte, das das Glücksspiel nicht aus dem Ruder lief. Er war in Italien aufgewachsen. In einer wilden Gegend, die er selbst immer als Zwinger betitelte. Don Alfredo war brutal, aber gleichzeitig wirkte er auch unglaublich traurig. Er hatte was melancholisches um die Augen. Könnten, aber auch Tränensäcke gewesen sein. Seine Gang bestand hauptsächlich aus Streunern. Man musste echt aufpassen, das man diesen Burschen nicht zu nahe kam, sonst rissen die einem glatt den geliebten Kauknochen aus dem Maul. Also, das Glücksspiel bestand hauptsächlich darin, den Metzger in der Wanitzki Straße zu beobachten und darauf zu wetten, welchem Köter er eine Extra Wurst zukommen ließ. Don Alfredo kontrollierte den ganzen Südwesten der Stadt. Natürlich wußte ich nicht wirklich, wo der Südwesten der Stadt war, aber wenn ich Trixi davon erzählen wollte, musste ich schon mit ein paar Details rausrücken. Oh, Trixi. Wie sollte ich dieses wundervolle Wesen bloß ansprechen? Jetzt kam sie heraus. Dieser Blick. Dieser Gang. Majestätisch. Ich war unwürdig sie auch nur anzusehen. Natürlich tat ich es trotzdem und da ich grad` dabei war, haute ich gleich mal einen supercoolen Gruß raus: „Hey Babe. Wir sind Nachbarn. Mein Herrchen heißt Timmy. Ist genauso eine coole Socke wie ich. Bei dir alles locker im Strumpf?“ Wo nahm ich das nur alles nur her? Mann. Ich war so..............so...........? …..........Crash Boom Bang! Und natürlich hat sie sofort entsprechend reagiert. So fast Ladylike. Sie sah mich mit ihren bernsteinfarbenen Augen, die wie tausend Monde funkelten, an und schrie, nicht mehr ganz so Ladylike: „Hast du nicht mehr alle Latten am Zaun, mich so vor meinem Frauchen blöd von der Seite anzuquatschen. Was soll sie denn jetzt von mir denken? Das ich jeden hergelaufenen Penner der Stadt kenne? Und dazu noch einen Mops“ Mir blieb mal wieder nichts erspart. Hätte ich einen Schwanz gehabt, hätte ich ihn eingezogen und wäre wieder unter den Stein gekrochen, aus dem ich mich herausgewagt hatte. Musste mich wieder auf meine eigentliche Aufgabe konzentrieren. Erstmal der Mond. Dann der Rest der Welt. Schlich zu Timmy, um mich für meinen Einsatz zu melden. Der hatte gerade Besuch von Vinnegred, Chantall und Konsorten. Das dürre Ding und der durchtrainierte Typ neben ihnen, waren sicher ihre Eltern. Ich erinnerte mich nicht mehr an alles, was sie sagten. War einfach zu traurig und deprimiert. Es ging wohl, um schöne Nachbarschaft und Kuchen essen. Den konnten sie sich in die Haare schmieren. Wollte mich gerade an der Bagage vorbei drücken, als ich den Blick von Timmy auffing. Gefiel mir überhaupt nicht, wie er Vinnegred ansah. Überhaupt nicht!!! Es war der gleiche Blick, den ich für Trixi hatte. Schrie gleich zu ihm rüber, das es keinen Zweck hätte. Sie würden ihm nur das Herz brechen und dann wie einen alten Hausschuh vergraben. Aber keiner hörte auf mich. Alle lachten und meinten, was ich für ein süßer, lustiger Mops wär. Ok. das brachte jetzt nichts, aber ich würde sie alle im Auge behalten. Ein weiterer Tag, ohne Mondflug ging zu Ende. Was hätte Armstrong wohl gemacht? Er wäre sicher nicht einfach zu seiner Kuscheldecke gegangen, um ein Nickerchen zu machen. Ich war so enttäuscht von Timmy. Der Raumfahrt. Trixi. Edgar. Don Alfredo. Dem Eichhörnchen. Dem Leben. Aber am allermeisten …............... von mir. Sollte ich ein bisschen weinen? Nein. Astronauten weinen nicht. Ich tat`s trotzdem. Mann, war ich ein Weichei. Darüber schlief ich ein. ü Ein paar Stunden später klopfte der nächste Tag an meine schweren Augenlider. Der 2. Januar stolzierte in mein Ereignis freies Leben Vielleicht sollte mein kuscheliger Körper einfach liegen bleiben. Für Heute. Und Morgen. Und Übermorgen. Usw. Nein Spiky. Bewege deine gestählten Muskeln. Du hast dich lange auf diesen Augenblick vorbereitet. Steh auf! Good mornin` starshine. Another day. Another chance. Ich lief in den ersten Stock. Von da hatte ich einen wunderbaren Ausblick in ihr Zimmer. Selbst beim Schlafen sah sie entzückend aus. Sie hatte verschiedenfarbige, winzige Lockenwickler in ihrem Fell. Ihr spitzes Näschen kräuselte sich bei jedem Atemzug, den sie tat. Keine Ahnung, wie lange ich sie beobachtete. Die Sonne ging auf und mein Herz wurde wieder tonnenschwer. Erstmal an den nächsten Baum und dann mal schauen. Das Eichhörnchen erwartete mich schon. Bekam wieder eine Nuß an die Ohren. Ich nahm natürlich sofort die Verfolgung auf und schleifte Timmy hinter mir her. Dieses Fellding hangelte sich von Baum zu Baum. Ich ließ es nicht aus den Augen. Plötzlich lehnte sich dieses dunkeläugige, Nüsse knackende Säugetier so ganz lässig an den Baum und schaute mich superfrech an. Ich dachte ich spinne. „Hello Stranger.“ ,piepste das Ding. Meine Pfoten gingen sofort in die Eisen. „Mein Name ist Schokolade. Ich kann dir helfen. Du scheinst nicht besonders helle zu sein.“ ,piepste das Ding weiter. „Wüßte nicht wie. Außerdem rede ich nicht mit Eichhörnchen.“ ,gab ich zurück. „Machst du doch grade.“ „Mach ich gar nicht.“ „Doch machst du.“ „Nein.“ „Doch.“ „Nein.“ „Doch.“ Hätte nicht viel gefehlt und ich hätte dieses Hörnchen von der Eiche gezogen. Aber durch meine wöchentlichen Yoga Übungen, fand ich sofort meine Mitte und markierte nur meinen Baum. Dann lud ich es zum Knochen kauen, auf neutralem Boden, am Nachmittag ein. Wenn das so weiterlief, würde dieser Tag voll in die Grütze gehen. Auf dem Nachhauseweg trafen wir Isabell. Sie machte an der Ecke Fasanenweg und Elbschlösschen auf traurig und versuchte so ein paar Häppchen zu ergattern. Aufgrund der drei Beine und des fehlenden Auges war das leicht. Wusste nie, wie ich mich ihr gegenüber verhalten sollte. „Hi Isi du siehst blendend aus.“, schrie ich aus lauter Kehle zu ihr rüber.“ „Mann. Du bist wirklich der letzte Penner.“ ,brüllte sie zurück. Jetzt wisst ihr was ich meine. Ich hab`s einfach nicht drauf. Mist. Eisiger Wind durchschnitt die Luft im Vorgarten, wie mit rasiermesserscharfen Rasiermessern. An den Vergleichen musste ich noch arbeiten. Schokolade erwartete mich schon. Er hockte ganz entspannt auf einem verschneiten Ast. „Hi Kumpel.“ ,rief er mir freundschaftlich zu. „Kumpel? Ich glaube du verwechselst da was.“ ,rief ich zurück. „Kein Problem.“ Schokolade kletterte flink, wie ein Wiesel vom Baum und baute sich vor mir auf. „Also. Es ist so. Wir beobachten Don Alfredo und Luigi schon seit geraumer Zeit.“ „Wir?“ „Ja. Wir gehören zu der örtlichen, geheimen Eingreiftruppe. Wir nennen uns die sechs Eisbären.“ „Das heißt, ihr seid sechs Eichhörnchen, die sich die Sechs Eisbären nennen.“ „Du bist ja ein richtiger Blitzmerker.“ „Aber, wäre es nicht sinnvoller, ihr würdet euch gleich die sechs Eichhörnchen nennen?“ „Was verstehst du an dem Wort geheim nicht?“ „Du bist gemein und frech. Und das kann ich gar nicht leiden.“ ,schnauzte ich. Ich machte mich vom Acker. Das brauchte ich wirklich nicht in meinem Leben. Es war schon so kompliziert genug. „Du hast recht. Tut mir leid. Ich schieße manchmal über das Ziel hinaus.“ „Ok. Entschuldigung angenommen. Bin ganz Ohr.“ „Also. Don Alfredo kontrolliert die Stadt und beschränkt das Leben der anderen Tiere. Luigi hängt auch mit drin. Wie, wissen wir noch nicht genau. Aber wir würden es gerne wissen. Und genau da, kommst du ins Spiel.“ „Tja, Freunde. Ich würde euch gerne helfen, aber ich fliege in den nächsten Tagen zum Mond und da wäre es ungünstig, wenn ich was anderes machen würde.“ „Aber hier geht es um ein höheres Ziel. Es geht um die nationale Sicherheit.“ „Ja, das verstehe ich schon, aber jetzt muss ich leider los, das Essen liegt sicher schon im Napf und Timmy wird schnell ungehalten, wenn ich nicht pünktlich zum Fressen erscheine. Also, so long oder Halali oder wie auch immer ihr Geheimagenten euch verabschiedet.“ Und schon machte ich mich aus dem Staub. Ich schlenderte also nach Hause und dachte so über das Geheimagenten Leben nach. Natürlich, wäre es schon irgendwie cool, wenn ich zusätzlich zu meiner Astronauten Laufbahn, noch Spion in meinen Lebenslauf schreiben könnte. Schokolade tippte mir von hinten auf die Schulter. „Schau mal, wir bieten dir freien Zugang zu allen Ressourcen.“ ,bettelte er. „Das heißt.“ „Walnüsse, Haselnüsse, Eicheln, Fichtensamen, Kiefernzapfen, Pilze, Rinde, junge Zweige, Beeren und Obst.“ „Das klingt verlockend. - Für ein Eichhörnchen. Aber Hunde stehen dann doch auf andere Dinge.“ „Mmh. Ok. Das sehe ich ein. Ich kümmer mich drum. Und ich besorg dir ein Date mit Trixi.“ Meine Lauscher stellten sich auf. Trixi? Date? Wie konnte ich da nein sagen? „Ok. Ich bin dabei.“ „Du wirst es nicht bereuen. Ab jetzt gibt es die Instruktionen nur noch über einen hohlen Baum in der Wandergasse.“ „Du kannst schreiben?“ „Kannst du lesen?“ „Nein.“ „Also. Was soll die Frage?“ ,gab Schokolade gereizt von sich. „Naja. Du hast doch gesagt: Instruktionen über...“ „Ja. Ja. Ich weiß was ich gesagt habe. Jedenfalls nichts vom Schreiben.“ „Ok. Aber wie...?“ „Jeden Morgen um 0700 am Baum in der bereits erwähnten Gasse. Alles verstanden?“ „Jaha.“ ,ich verdrehte die Augen und war reichlich genervt. War ja jetzt nicht so schwierig. Wir trennten uns mit einem verschwörerischen Augenzwinkern. Jetzt musste ich aber los. Wo war Timmy eigentlich? Mein Gang war stolz und voller Vorfreude. Ich ging alles noch mal durch. Also, da war dieser Baum und der war hohl. Was war das für ein Baum? Klang gefährlich, wenn der schon hohl war, bestand sicher Bruchgefahr. Galt das Treffen auch bei Sturm? In welcher Straße war es doch gleich? Wie wollte er das Date mit Trixi zustande bringen? War der Baum in der Winterstraße? Oder der Wagendörfer? Aber da gab es keine Bäume. Das war Industriegebiet. Ging es überhaupt um einen hohlen Baum? Oder sagte er hohlen Raum? Wie weit war Timmy eigentlich mit dem Raumschiff? Mann war ich hungrig. Als ich endlich zu Hause war hörte ich wie Timmy und Schrappnel zusammen sprachen, das sich der Start der Rakete noch verzögern würde, wegen Schwierigkeiten im Materialbereich. Na dann. Ab in die Falle, wie es bei uns Kosmonauten hieß. Der Schlaf war traumlos und erholsam. Nach einem ausgiebigen Frühstück aus dem Kühlschrank, bei dem ich wieder sorgsam die Spuren verwischte, machte ich mich auf den Weg zu diesem hohlen Raum in der Wagendörfer. Die Schneeverwehungen machten meinem Körper ein bisschen zu schaffen. Aber schließlich kam ich doch an und zwängte mich durch den Spalt eines Tores in diesen hohlen Raum. Sofort erkannte ich einige Stimmen. Da war Luigi. Er sprach von seinem Großvater, der bei einem Metzger lebte und jeden Tag wundervolle Würstchen zum Frühstück bekam. Mein Magen knurrte. Don Alfredo`s Stimme rollte klar und gebieterisch durch die Halle. „Also. Alle Tiere arbeiten ab sofort, nur auf dieses eine Ziel hin. Die Produktion läuft schon seit Wochen auf Hochtouren. Wir werden mit unserem Produkt die Stadt überschwemmen. Heute Hamburg. Morgen die ganze Welt.“ Applaus und Gejohle brandete zu mir herüber. Wie war ich nur hier rein geraten? Wo war die Nachricht von Schoko? Warum war ich nicht einfach liegen geblieben? Offensichtlich hatte ich etwas durcheinander gebracht. Vorsichtshalber verhielt ich mich Mucksmäuschen still. „Der Transport passiert am 4. um 0900 die Wandergasse.“ ,sagte Isabell. „Meine Jungs werden da sein und die Ware abladen.“ ,meinte Don Alfredo. „Ich werde die Ware an die entsprechenden Standorte verteilen.“ ,flüsterte Luigi. Ich pieselte mich ein bisschen ein, weil ich so aufgeregt war. Plötzlich hörte ich das Knurren eines Zwergpinschers hinter mir. Tomaso war einer von Alfredos Hunden. Ein ganz gefährlicher. Die Kleinsten sind die gemeinsten. Das Fletschen seiner Zähne setzte sich in meinen Ohren fest und verursachte mir eine superkrasse Gänsehaut. Ich drehte mich ganz langsam um. Tomasos Augen waren blutunterlaufen und hatten diesen gruseligen Glanz. Versuchte ruhig zu bleiben, bemerkte aber, wie sich meine Fußnägel aufrollten. „Hi. Ihr habt hier eine superschöne Location. Wollte nur mal kurz reinschauen und Hallo sagen. Und schon bin ich wieder weg.“ ,sagte ich. „Keine Fiesematenten.“ ,zischte Tomaso. „Fiesematenten? Was, zum Teufel, soll das heißen?“ „Das heißt, wenn du auch nur mit einem Muskel zuckst, verarbeite ich dich zu Fleischmehl.“ Seit Tagen hatte ich schon diesen Blähbauch. Zuviele Karotten. Ich schwöre, es war nur ein ganz kleiner. Ein ganz leiser. Aber Tomaso verdrehte die Augen und machte gleich ein Drama daraus. Hilfe Erstickungsgefahr. Gasmaskenalarm. Röchel. Röchel. Boah. Das war ja wohl echt `n Scherz. Ich nutzte die Gelegenheit, mein Körper vollzog eine Kehrtwendung und raste Richtung Ausgang. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie der Zwergpinscher wieder zur Besinnung kam und hinter mir her hechtete. Ich schaffte es aus der Halle und lief, so schnell ich konnte, die Straße runter. Unter einem Holunderbusch fand ich ein perfektes Versteck. Es war ein gemütliches Fleckchen, bis ich bemerkte, das sich ein Dachs, dort eine Mulde gegraben hatte und laut vor sich hinschnarchte. Aus dem Vormittagsprogramm, - Wilde Tiere aus dem Kaukasus - ,kannte ich diese Marderart und wusste das sie mega gefährlich war. Stellte also, vorsichtshalber, das Atmen ein und trotzdem öffnete er die Augen. Meine Zunge troff vor Angst. Ein Wasserfall voller Panik. Oh, wie ich diese Menschen beneidete. Die schwitzten auch über die Haut. So 2 bis 4 Sekunden später, gähnte er herzhaft, drehte sich auf den Rücken und kratzte sich ausgiebig mit seinen scharfen Krallen den Bauch. Dann schaute er mich an und sagte: „Oh, Besuch. Guten Tag. Darf ich mich ihnen vorstellen? Egon. Egon Grimbart. Neu zugezogen.“ „Ähm ja.“ ,stotterte ich. „Angenehm. Aus Armenien? Mein Großvater Mütterlicherseits, kam auch aus Armenien. Ein großer, zotteliger Tierfreund, der es liebte während, einer hellen Mondnacht im nahen See zu baden.“ „Nein... ich...also...“ Sehr verehrter Ähm ja, sie brauchen sich keine Sorge zu machen. Ich bin Vegetarier.“ Wieder entfleuchte ein klitzekleiner. Das alles war mir unsagbar peinlich. „Oh. Zuviel Karotten? Ich empfehle ihnen einen Tee. Kümmel und Anis. Wirkt Wunder.“ ,teilte er mir mitfühlend mit. Ich lächelte dieses peinliche Erlebnis einfach weg. Egon war ein ganz schön schräger Typ. Aber nett. Er erzählte von seiner Jugend in den Karpaten und seiner Flucht. Vom Krieg und den Tränen. Das er seine Eltern und Geschwister zurücklassen musste. Das kein Tag verging, an dem er nicht an sie dachte. Er sang ein altes Lied aus seiner Heimat und fing fürchterlich an zu flennen. Ich musste auch weinen. Nahm ihn mit nach Hause. Was sollte ich sonst tun? Erstmal zu Norbert und Fritz. Die waren gleich begeistert von Egon. Unter dem Haus richteten wir ihm einen schönen Platz zum Wohnen. Ich spendete eine von meinen zwei allerliebsten Lieblingskuschelmuscheldecken. Norbert verschenkte seine Pfeife mit Tabak drin, obwohl niemand von uns Vieren rauchte. So als Willkommensgeste halt. Fritz hatte aus seinen ausgefallenen Haaren ein Deckchen gehäkelt. Bisschen schräg, aber passte auch irgendwie. Der Platz unter dem Haus wurde auch gleich unser Hauptquartier. Weil, so ein Hauptquartier nämlich eine ganz wichtige Sache ist, wenn man ein Astronaut und Geheimagent war. Am Abend trafen wir uns alle bei Egon, quatschten die ganze Nacht und erzählten uns gruselige Geschichten. Ich wusste, das man das so machte, weil mir Timmy davon erzählt hatte, als sie im Sommer bei den Pfadfindern waren. Fritz hatte ein bisschen Angst, als Egon die Geschichte vom gestiefelten Kater erzählte. Aber wir beruhigten ihn und erschreckten ihn danach sechs mal. Aber nur, weil er so schön plüschig aussah, wenn seine Haare vor Schreck von ihm abstanden. Norbert holte seine Pappkartons zum unterlegen, damit wir nicht so froren. Ich besorgte Kümmel-Anis Tee, der uns allen nicht schmeckte. Egon Grimbart erzählte von seiner Mama und das sie immer sagte, wenn es mal ganz schlimm kommt, wird die Sonne am nächsten Tag umso heller scheinen. Da mussten wir alle einen großen Kloß hinunterschlucken, weil wir genau wussten, was er meinte. Und insgeheim wünschten wir, das wir auch gerne so eine Mama gehabt hätten. Dann schliefen wir ein, aber Egon schnarchte so laut, das ich Petersilie für unsere Ohren besorgen musste. Am nächsten Morgen holte Norbert das Frühstück und wir waren sowas, wie eine richtige Familie. Wir konnten unser Glück kaum fassen und fast hätte ich ihnen von meinem neuen Job, als Spion erzählt. Plötzlich hörten wir ein leises Trippel-Trappel, das ums Haus schlich. Vorsichtig steckte ich mein Näschen heraus und entdeckte Tomaso. „Freunde. Ich hab da ein kleines Problem.“ ,sagte ich schuldbewußt. „Meine Mama sagte immer, es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen.“ meinte Egon. „Meine Herausforderung heißt Tomaso und gehört zur örtlichen kriminellen Vereinigung.“ ,erkläre ich. Fritz und Norbert gerieten sofort in Panik. Egon meinte, Panik sei nur die Abwesenheit von Mut. Naja, da konnte wir ihm 1000 prozentig recht geben. Nach 3 Minuten, wich die Panik der Verzweiflung und die wich der Hoffnungslosigkeit. Es gab zwei Optionen: Südamerika oder der Mond. Aber keiner von uns sprach portugiesisch oder spanisch. Da fiel die Wahl leicht. Ab zum Mond. Aber jetzt waren wir schon zu viert. Wenn das so weiterging, konnten wir da oben bald eine Kolonie gründen. Vorsichtshalber machte ich mir schon mal Gedanken über eine Flagge und die Nationalhymne. Ein weißer Adler auf weißem Grund hätte was. Oder Bäume. Große grüne Bäume. Na super. Jetzt musste ich auch noch pieseln. Also, ab zum nächsten Baum. Vorsichtig steckte ich mein Näschenraus und schnupperte nach Tomaso. Die Luft war rein, wie wir im Geheimagentenjargon so sagten. Auf einmal schepperte es ganz gehörig in meinem Kopf. Eine Nuss prallte an meiner Schädeldecke ab und landete an der Hauswand. Schokolade stand breitbeinig und herausfordernd auf dem dicksten Ast und machte auf ebensolche Hose. Nun ging das Erklären los. Es dauerte eine ganze Zeit bis Schoko begriffen hatte, um was es ging. Logisch so ein Eichhörnchen Gehirn ist ja viel kleiner, als das von uns Möpsen. Er meinte, ich hätte mehr Glück, als Verstand gehabt. Das machte mich ganz schön stolz. Aus unserer Familie, war ich der erste, der es zu etwas gebracht hatte. Schokolade pfiff gaaaaaaanz schrill und sofort tanzten fünf weitere Eichhörnchen an. „Darf ich vorstellen? Wir sind die Sechs Eisbären: Das sind Rixi und Raxi.Dann Flutschi und Lutschi. Neben mir das kleine Kerlchen heißt Schaka und mich kennst du ja schon. Ich bin Schoko. Wir finden, das du das gut gemacht hast.“ Ich wurde ganz verlegen, bei soviel Lob, also brachte ich schnell die Sprache auf das Versprechen, Trixi kennenzulernen. „Hello Stranger.“ hörte ich eine Stimme sagen, die eindeutig meiner Angebeteten gehörte. Sie stand auf der Treppe und sah mich an. „Wie wär`s mit einem Spaziergang?“ ,fragte sie. Konnte leider, weder atmen, noch reden. Mein Kopf nickte und meine Beine bewegten sich. Doch mein Magen rebellierte und war kurz davor überzuschwappen. Hatte mir noch nie so sehr gewünscht, ein Pferd zu sein, denn die können ja bekanntlich nicht kotzen. Alles in allem war ich dennoch, der glücklichste Mops auf Erden. So flanierten wir, mehr oder weniger, entspannt um den Häuserblock. „Tja.“ ,sagte ich so beiläufig, wie möglich. „Da sind wir nun.“ Sie sagte nichts, also fuhr ich weiter fort. „Das Wetter ist...also...so...der Wind weht...und die Sonne.“ Spiky, reiß dich zusammen. Du kannst das. Sagte ich zu mir. Also so innerlich. „Also. Ich flieg in den nächsten Tagen zum Mond. Soll ich dir was Schönes mitbringen?“ ,brachte ich dann heraus. „Kannst du mir einen Fußabdruck von Neil Armstrong mitbringen?“ ,fragte sie. „Na klar. Der Junge war ja richtig viel da oben unterwegs. Links oder rechts?“ „Was?“ „Linker oder rechter Fuß?“ „Rechter.“ „Wird gemacht. Kein Problem.“ Ich hatte keine Ahnung, wie ich das machen sollte. Mondstaub in den Eimer und zu Hause, als Fußabdruck ausschütten? Wir liefen einige Zeit auf und ab, bis sie sagte, sie müsse jetzt zur Maniküre. „Jo. Das war schön und sollten wir unbedingt wiederholen.“ ,meinte ich zuversichtlich. „Ja. Du bist nett.“ „Nein. Ich bin nicht nett. Chihuahuas sind nett. Oder ein warmer Regen im Sommer. Ich bin Spike. Astronaut und Geheimagent.“ So. Das hatte ich klargestellt. Wütend stapfte ich durch den Schnee davon. Musste an die sechs Eisbären denken. Hah. Sechs Eisbären? Das sollte ja wohl ein Witz sein! Warum nicht gleich sechs Einhörner! Boah. War ich genervt. Langsam wurde mir das alles zu viel. Erstmal sortieren. Also was hatten wir hier: Sechs Eichhörnchen. Don Alfredo. Luigi. Tomaso. Egon Grimbart. Trixi. Wie hing das alles zusammen? Mein Weg führte mich nach Hause. Erstmal eine Runde schlafen. Morgen war auch noch ein Tag. Zu Hause schaute ich mir nochmal die Rakete genau an. Weiß. Groß. Übermächtig. Aber! Wie, zum Teufel, sollten wir alle in diesem Teil Platz haben? Es hatte nicht mal die Maße von Timmy`s Zimmer. Und das war schon winzig. Da passte grade mal sein Bett und meine Fluschelkuschelmuscheldecke rein. Ohhhhh. Das sah gemütlich aus. Mann, war ich müde. Ich haute mich aufs Ohr und schlief sofort ein. Mein letzter Gedanke galt Trixi. Süße Trixi. Mann, war ich verknallt. Ich träumte von einem Spaziergang auf dem Mond. Nur wir zwei, auf dem Weg zu unserem Lieblingsbaum. Irgendjemand pfiff Moon River. Sehr romantisch. Trixi schaute mir überglücklich und liebevoll auf meine breite Hüften. Im Hintergrund plätscherte der Wasserfall. Alles war, wie es sein sollte. Aber jetzt musste ich unbedingt pieseln. Also. Wo, zum Teufel, war der nächste Baum? November 2018 von Axel Bruss
  8. Hi Vielen Dank. Deine Geschichte über den hinkenden Rauhaardackel passt wirklich gut in dieses Thema und, als ich es gelesen habe, tauchten sofort Geschichten und Charaktere vor meinem geistigen Auge auf.:-) Liebe Grüße Axel
  9. Spike und die Raketenmänner Es war ein schöner, eiskalter Tag im Dezember. An den Zweigen hing der Schnee, wie Zuckerwatte. Das Wasser lief mir im Maul zusammen und tropfte auf den steinhart, gefrorenen Boden. Mein letztes Essen lag schon sehr, sehr lange zurück. Hatte mich schon ein paar mal umgeschaut, um das Knurren zu lokalisieren, das mir folgte. Es dauerte ein bisschen, bis ich merkte, das das Grummeln von meinem Magen kam. Also, mal sehen. Wie spät war es denn? Der Blick auf die Kirchturmuhr zeigte mir irgendetwas. Da war ein großer Zeiger der auf einer Zahl stand und ein kleiner auf einer anderen Zahl. Böhmische Dörfer. Leider sagte mir das alles gar nichts. Ich konnte die Uhr nicht lesen. Fragezeichen tanzten vor meinen lieblichen, dunklen Augen. Ein Eichhörnchen beäugte mich neugierig. Um genau zu sein: Es glotzte mich schon minutenlang unverschämt an. Versuchte mir nichts anmerken zu lassen und schaute grimmig woanders hin. Dieses winzige Felldings, war allerdings mega frech. Es warf eine Nuß nach mir. Kann man das glauben? Eine Nuss. Wer war ich? Pinocchio? Ich tat so, als hätte ich es nicht bemerkt, nahm mir aber vor, dieses Gesicht in meinem Gedächtnis abzuspeichern und das Pelz besetzte Geschöpf, später um den Baum zu jagen. Im Winter waren diese Biester besonders nervig. Ich stand bis zum Bauch im Pulverschnee, und meine kurzen Beine zitterten vor Kälte. Mir fiel ein, das ich Fritz lange nicht gesehen hatte. Das war der schwarze Kater von unserem Nachbarn. Wir waren die besten Freunde, mußten aber natürlich immer so tun, als würden wir uns hassen. Image und so. Ihr wißt schon was ich meine. Mit bestimmten Tieren durfte man sich einfach nicht sehen lassen. Wieso war es mir eigentlich so wichtig, was die anderen dachten? Timmy beobachtete das Eichhörnchen und machte ein fröhliches Gesicht. „Das ist soooooo niedlich.“ ,flüsterte er. „Meine Herren, Timmy, das ist ein Eichhörnchen. Welpen sind niedlich oder ein gemaltes Bild von Welpen. Eichhörnchen sind einfach nur nervig.“ ,flüsterte ich. Timmy warf ein Stöckchen und erwartete tatsächlich, das ich es holte. Echt jetzt, Timmy? Darüber waren wir doch wohl schon hinausgewachsen. Mann, das war sooooo langweilig. Ich hatte keine Lust hinter einem Stück Holz herzulaufen. Oder Männchen zu machen. Oder so zu tun, als würde ich mich freuen, morgens, bei Regen eine halbe Stunde durch die Gegend zu laufen. Und wieso sah er mir immer zu, wenn ich mein Geschäft erledigte? Das war so entwürdigend. Ich tat wenigstens so, als würde ich nicht zusehen, wenn er sein`s verrichtete. Aber sonst war Timmy ein tolles Herrchen, auch wenn er erst elf Jahre alt war. Er kannte tolle Spiele. Toter Mann zum Beispiel. Timmy war ein Revolverheld und erschoß mich. Ich ließ mich fallen und machte auf sterbend. Meistens schlief ich dann eine Runde, während er versuchte mich zum Leben zu erwecken. Mein Herrchen war immer glücklich, wenn er machen durfte, was ich von ihm wollte. Das Zusammensein mit ihm war herrlich. Nur baden fand ich blöd. Wer, zum Teufel, kam eigentlich auf die bekloppte Idee, zu glauben, Hunde würden ein Schaumbad brauchen? Ich möchte ein für allemal feststellen: Hunde hassen es gewaschen zu werden. Leute, ich roch danach, als hätte ich eine Freikarte bei Douglas gewonnen. Alle Fliegen im Umkreis von 2 Kilometern stürzten sich auf den Geruch und piesackten mich so lange, bis ich mich in die nächste Pfütze stürzte und im Schlamm wälzte. Das hatte automatisch zur Folge das ich gebadet wurde und das Spiel von vorn begann. Eine never endig Story. Mein Heim war sauber und gemütlich. Mein Schlafplatz kuschelig und mein Fressen üppig, was man an meinen Hüften sah. Aber das war nicht schlimm, denn alle liebten Spike. Das ist mein Name und ich bin ein Mops. So nun ist es raus. Der Papa von Timmy, hatte auch ein breites Becken, genauso wie seine Mama und seine Schwester. Ganz gemütliche Menschen. Keiner von denen kam je darauf zu Joggen oder zu Turnen. Die saßen meistens vor dem Fernseher und aßen Chips und tranken Cola. Das waren voll die Schlaffis. Nur Tim war so ein bisschen aus der Art geschlagen. Immer in Action. Immer irgendeine Wahnsinns Idee die er umsetzen mußte. Ich konnte mich meistens irgendwie raushalten, oder abseilen. Ein wunderbares Leben. Alles hätte so schön sein können. Bis in alle Ewigkeit. Aber nein. Ich musste mir ja auf N 24 einen Bericht über den Weltraum anschauen. Es ging um diesen Hund: Am 03. November 1957 schickten die Russen Laika in den Weltraum. Ja, Freunde. Ein Hund war das erste Lebewesen da draußen. Kein Mensch. Oder `ne Kuh. Oder ein Wiesel. Nein. Ein Hund. Das wollte ich auch. Ich wollte da hoch. Die Erde von oben betrachten. Schwerelos. Glücklich. Frei. Diese Gedanken machten mich zum glücklichsten Hund der Welt. Für genau 43 Sekunden. Dann wurde mir bewusst, das es nie geschehen würde. Das stieß mich in eine Depression, die dazu führte, das ich drei Stunden nichts essen konnte. Dann gönnte ich mir ein Steak das Timmy`s Vater versehentlich auf dem Stuhl liegengelassen hatte. Das Leben hatte mich wieder und sah großartig aus. Es gab keinen Grund weshalb ich nicht der erste Mops im Weltall sein sollte. Spike der Weltraum Abenteurer. Klang Super! Ok. Erstmal zurück zum Fernseher. N 24. Mist. Jetzt gab es, Luxus Autos. Interessierte mich nicht die Bohne. Und danach. Berühmte Skelette der Geschichte. Schon besser. Für einen Knochen war ich immer zu haben. Lecker. Nein Spiky. Lass dich nicht ablenken. Bleib auf dein Ziel fokussiert. Also. Welches Datum hatten wir? 1. Dezember! Ok! 24 Tage bis Heiligabend. Ist machbar. Ich checkte erstmal meine Möglichkeiten. Timmy baut ein Raumschiff und schießt mich nach oben. Timmy kennt jemanden, der ein Raumschiff baut und der schießt mich nach oben. Ich schleiche mich in das Nasa Camp und mache auf blinder Passagier. Ich ändere meinen Namen in Neil und versuche mit Armstrong Kontakt aufzunehmen. Ich gebe eine Anzeige in der berühmten Zeitschrift, Space Invader, auf. Plötzlich fiel mir ein das ich Pfoten und keine Finger hatte. Also kein Internet. Außerdem konnte ich weder lesen noch schreiben. Mmh. Das ganze war schwieriger, als ich dachte. Also, tat ich das einzig richtige in dieser Situation. Ich ging schlafen. Sofort ergriff mich ein Traum, der wundervoll und erschreckend zugleich war. Ich bestieg ein selbstgebautes Raumschiff aus Knochen. Sehr schmackhaft und soooooo praktisch. Die Hebel und Pedale waren Hunde gerecht angebracht. Alles in einem blasslila. Wunderschön. Der Start war etwas holprig. Naja, war mein erster Flug. Ich schaute so aus dem Fenster, der Sabber tropfte von meiner Schnauze und ich lächelte blöd vor mich hin. Auf einmal ruckelte und zuckelte die Kabine. Hinter mir fing die Konsole mit den Instrumenten Feuer. Vor mir gab es einen lauten Knall mit Rauchentwicklung. Voller Angst, begann ich laut zu bellen und zu strampeln. Es ging mit 1523 Stundenkilometern abwärts. Ich machte mich bereit für den Hundehimmel und schickte schnell noch ein Gebet zum Heiligen Knochen. Da wurde ich wachgerüttelt und Timmy nahm mich in den Arm . Er streichelte mich und sprach leise und beruhigend auf mich ein. Guter, lieber Timmy. Er war ein wunderbares Herrchen. Der Beste, den man sich wünschen konnte. Ich holte die Leine und wir gingen eine Runde um den Block. Es war ja schließlich schon 3:00 morgens. Wir spielten Fangen. Mann war ich schnell. Ich war der rote Blitz unter den Möpsen. Mein Versteck unter der Eiche, war großartig. Als er mich 2 Stunden später fand, war er überglücklich. Tim mußte dann zur Schule und gähnte die ganze Zeit. Das machte mich ganz schön müde, also haute ich mich noch ein paar Stunden aufs Ohr. Ja, so ein Alptraum konnte echt anstrengend sein. Nach meinem Erwachen zerrte ich ein paar gemütliche Kissen vor den Fernseher und endlich kam die gewünschte Sendung. Das Weltall. Unendliche Weiten. Es ging um einen Captain Kirk und eine Typen mit spitzen Ohren. Spock. Hat man schon mal so einen bekloppten Namen gehört? Erinnerte mich an meinen besten Kumpel Norbert. Ein bißchen unterbelichtet. Schäferhund. Hatte so einen treudoofen Blick. Aber ich konnte mich immer auf ihn verlassen. Und er sich auf mich. Ich nannte ihn immer Robert, weil er mich irgendwie an Bob Dylan erinnerte. Das nervte ihn und er bekam dann immer grüne Pickel um seine graue Schnauze. Mein Besuch bei ihm kam unerwartet. Er erschreckte sich, wie ein Nasenbär vor seinem Spiegelbild und pieselte sich ein bißchen ein. Kam in den besten Familien vor. Meine Idee mit dem Raumschiff, kam jetzt nicht so gut bei ihm an. Er würde sich um mich sorgen, meinte er. Ich erklärte ihm, das ich alles über die Raumfahrt wußte. Die Enterprise stünde zwar im Moment nicht zur Verfügung, weil ein anderer Typ damit unterwegs wär und auch die medizinische Versorgung, war noch nicht geklärt, weil Pille woanders unterschrieben hatte, aber ich war sowieso nie krank. „Ach ja? Und was war letzte Woche als du den Splitter in deiner Pfote hattest. Wer konnte stundenlang rumlaufen und einen Spatz suchen, der in dir wieder rauszog?“ ,ließ er vom Stapel. „Du.“ ,sagte ich. „Und wer besorgt dir einen Underberg, wenn du Verstopfung hast?“ „Du.“ „Und wer schleckt dich trocken, damit du dich nicht erkältest?“ „Du.“ „Genau. Du fliegst auf keinen Fall allein. Ich komm mit.“ „Meine Güte. Du benimmst dich wie meine Mutter.“ „Du kanntest deine Mutter garnicht.“ „Ja. Aber genauso nervig stelle ich sie mir vor.“ „Red` nicht so schlecht über deine Mutter.“ „Ok.“ „Wie jetzt ok?“ „Du kannst mitkommen.“ Norbert freute sich wie ein Schneekönig. Was hatte ich mir nur wieder aufgehalst? Er ging schon mal seine Sachen packen. Ich wußte nicht was er meinte. Er hatte keine Sachen. Er war ein Streuner und lebte auf der Straße. Nun ja, des Hundes Glaube ist sein Himmelreich. Ich wußte nicht genau was das bedeuten sollte. Hatte es mal im Zusammenhang mit Nietsche im Fernsehen gehört. Sehr spannend und lehrreich. Aber. Wer zum Teufel war Nietsche? Als ich noch so darüber nachdachte fiel der erste Schnee. Dicke weiße Flocken. Sah super aus. Stellte mir vor, das es auf dem Mond auch schneien würde. Mmh. Da gab es nicht mal Wasser. Auch keine Bäume. Oh, Mann. Wie sollte ich dann Pipi machen. Ich mußte unbedingt trainieren, so lange wie möglich anzuhalten. Morgen wollte ich damit anfangen. Jetzt erst mal zum nächsten Baum. Mit der Zunge fing ich noch ein bißchen Schnee und schlenderte dann zu meinem Katerkumpel Fritz. Mein Körper zwängte sich durch die enge Katzenklappe, was mich völlig außer Atem brachte. Hatte ich zugenommen? Mein Spiegelbild sagte: „Ja!“ Mann, mir blieb wirklich nichts erspart. Fritz hatte sich vor der Heizung eingerollt und gähnte herzhaft, als er mich sah. „Jo, Digger. Alles klar?“ ,fragte ich völlig relaxed und versuchte zu verbergen das ich mir einen Happen aus seinem Napf genehmigt hatte. „Ja. Doch. Sicher. Ist schon Weihnachten?“ „Nein. Ich hab ein Geheimnis.“ ,flüsterte ich so geheimnisvoll wie möglich. „Ich liebe Geheimnisse.“ ,posaunte Fritz heraus und war mit einem Mal hellwach. „Also. Es ist so.“ Ich blickte mich nach allen Seiten um, ob auch keiner in der Nähe war. „Ich werde zu Weihnachten ins Weltall fliegen.“ ,stellte ich fest. „Zum Heiligen Knochen?“ ,schrie er voller Begeisterung. Mann dieser Kater war ja noch dämlicher als Norbert. Ich schüttelte den Kopf und rollte genervt mit den Augen. „Jeder Hund und Jede Katze weiß ja wohl, das der Heilige Knochen nicht im Himmel wohnt, sondern in Florida.“ „Wieso.“ „Na weil`s da warm ist! Muss ich denn wirklich alles erklären?“ Natürlich wollte Fritz auch mit. Was sollte ich machen? Ich konnte ihn schlecht zu Hause lassen, wenn ich Norbert mitnahm. Zu Hause in meinem Körbchen arbeitete ich dann auch gleich ein Trainingsprogramm für uns aus: Jeden Morgen drei zusätzliche Runden um das Haus laufen. Auf dem Kinderkarussel, vor dem Haus, 10 x den Flieger machen. Kopfüber an der Reckstange hängen und versuchen aus einem Strohhalm zu trinken. (Hoffentlich schlossen sich meine Lippen, sonst könnte ich`s vergessen.) 10 Stunden die Luft anhalten. Auf dem Mond gibt`s schließlich keinen Sauerstoff. Das weiß doch jeder. Herausfinden, wie lang 10 Stunden sind. Zufrieden schlief ich ein. Ein paar Tage später hatte Timmy von seinem Kumpel, Schrappnel, Besuch. Eigentlich hieß er Torsten Schrappmeier, aber der Name war total behämmert, deswegen legte er sich was Cooleres zu. Das hatte ich nicht nötig. Ich hatte den coolsten Namen in der ganzen Straße. Spike. Total der Macker Name. So Dobermann mäßig. Da fiel mir ein, das ich da mal eine Pudel Dame kannte. So ein ganz niedliches, kesses Ding. Schneeweiß. Mit einem Hang zum Extravaganten. Die war auch mega beeindruckt von meinem Namen. Ich lud sie zum Reste Essen ein, aber als es zur Sache gehen sollte, machte sie auf Parfum und verduftete. Mann. Ich war unglaublich genervt, also erstmal zum Italiener, Amore und so. Vielleicht hing da ja Rita, die süße Cockerspaniel Hündin, rum. So ein schnuggeliges, entzückendes Ding. Ich liebte diese langen, puscheligen Schlappohren. War nicht ganz meine Liga, aber vielleicht...? Ist dann doch nichts gelaufen. Ich hatte den Blues. Aber kommen wir zurück zu den beiden Jungs. Sie tuschelten die ganze Zeit von Obi, Han Solo, Luke, R2-D2, C3-PO und der Matsch sei mit dir, oder so ähnlich. Hatte keine Ahnung, um was es ging, aber ich mußte dringend an einen Baum. Das war ein sicheres Zeichen, für was ganz Großes. Also nicht das mit dem Baum, sondern das Tuscheln. Ich war sooooo aufgeregt. Dann hörte ich wie Schrappnel die erlösenden Worte Rakete und Weltraum aussprach. Dem Heilige Knochen sei Dank. Wir waren im Geschäft. Die Sache lief. Jetzt aber schnell raus, das Revier mußte unbedingt markiert werden. Ich tippelte von links nach rechts und von rechts nach links. Timmy merkte mal wieder gar nichts. Auch wieder typisch Mensch. „Ich muß an meinen Baum!“ ,bellte ich Timmy verzweifelt an. ( Das menschliche Gehirn ist einfach zu klein für die komplexe Hundesprache:-) Endlich verstanden mich die beiden Hohlbirnen. Die hatten wirklich nur ihre Raumfahrt im Kopf. Gut, das Ich ein bisschen weiter dachte. Das war ein spitzen Tag für mich und alle Tiere auf der Welt. Ein großer Schritt für einen Hund und ein kleiner für die beiden Weicheier. Die Tage und Nächte rasten dahin. Sie waren angefüllt mit Training, Hunger und Essen. Es war sehr erfüllend auf ein großes Ziel hin zu arbeiten. Aber es war echt schwer, der Boss zu sein. Ich musste mich wirklich um alles kümmern. Timmy bei Laune halten. Schrappnel nicht aus den Augen lassen. Für geregelte Mahlzeiten sorgen. Und Norbert und Fritz. Meine Herren. Da konnte ich reden und reden. Die waren unglaublich untalentiert. Die konnten nicht mal Reis essen. Ok. Ich geb ja zu, das mit den Stäbchen war schwierig, aber muss man deshalb gleich jaulend zu seiner Tussi rennen und sich ausheulen. Fritz meinte, ich würde das alles viel zu eng sehen. Ich sagte, wenn ich`s eng sehen würde, käme er in die Waschmaschine. Schleudergang. 1000 Umdrehungen in der Minute. Wir sind dann alle wütend nach Hause gegangen. 2 Stunden später hab ich mich bei entschuldigt und wir sind wieder auf den Übungsplatz gespurtet. Also ich bin gespurtet und die beiden sind geschlurft. Voll die Schlaffis. Am Abend hab` ich mich mit Esmeralda auf ein Blind-Date getroffen. Das blöde Eichhörnchen hatte mir eine Walnuß auf beide Augen geworfen. Ich also halbblind vor Esmeralda gesessen und mit ihr über die Erde, die Sterne und das, was dazwischen lag, geredet. War eine schöne Nacht. Wir sprachen über Dante und den Weltuntergang und das sie an Verstopfung leiden würde. Leider hatte ich keinen Underberg dabei. Irgendwann rutschte ich dann ganz nah an sie heran, schnupperte ein bißchen an ihrem Fell und wurde ganz wuschig. Unsere Nasen berührten sich für einen kurzen Augenblick mein Herz rutschte mir in die Pfoten und es fing wieder an zu schneien. Sie tat natürlich so ,als würde sie das Ganze kalt lassen. Noch 4 Tage bis Weihnachten. Tag Morgens: Es schneite. Die Mama von Timmy hatte mir einen Hundepelz gekauft. Ich sah aus wie George, der Bulldoggentrottel zwei Straßen weiter. Das Training lief gut, auch wenn Norbert mit Esmeralda shakerte und ich ihn wohl zu einem Duell fordern mußte. Das Jucken zwischen meinen Beinen wurde immer schlimmer. Versuchte mir nichts anmerken zu lassen, da der Hundearzt ein Quacksalber erster Güte war. Hatte von Norbert gehört, das es im Basement, beim Italiener, einen Basset geben sollte, der sich auskannte. Das ganze Programm. Pflanzenheilkunde. Schamanismus. Akupunktur. Kneippen. Humangenetik und Bobfahren. Alle kannten nur seinen Künstlernamen: Doktor Fantastic. So im nachhinein, hätte mich das stutzig machen sollen! Um die Mittagszeit wollte ich einen Knochen aus der Erde holen, den ich vor ein paar Monaten, als Notration, vergraben hatte. Der Boden war steinhart gefroren, also mußte ich Heino den Bernhardiner um Hilfe bitten. Die waren ja bekanntlich alle in den Alpen großgeworden. War voll der Reinfall. Hat nicht mal was zu Trinken mitgebracht. So waren wir alle nüchtern ins Bett gegangen. In der Nacht einen wundervollen Traum gehabt. Ich saß mit Esmeralda auf einem Stern und wir haben Return to me von Dean Martin gesungen. Sole tu Sole tu Sole tu me amore. Tag In der Nacht hatte es geregnet. Alle Plätze und Straßen waren vereist. Das war gut. Ich weitete das Training auf Katastrophenschutz aus und band allen Hühnerknochen an die Pfoten, um das Bergen von, im Eis eingebrochenen Vierbeinern, zu üben. Norbert fragte, ob sie Isabell auch retten dürften, denn die hätte ja eigentlich nur drei Beine. Für diese blöde Frage, gab ich ihm `ne Schelle. Er gab mir eine zurück, das mir der Schädel brummte. Forderte ihn doch nicht zum Duell, sondern lud ihn zum Eis ein. Am Nachmittag lachten wir uns schlapp, weil Schrappnell tatsächlich in den See fiel, aber bevor wir die Hühnerknochen anhatten, war die Feuerwehr schon da und rettete ihn. Am Abend schneite es wieder. Wir versuchten eine Schneeballschlacht zu machen, bekamen aber keine Schneebälle hin. Stattdessen ärgerten wir Hugo. Der Dackel aus dem dritten Stock war ein Angeber, Sportler und Frauenliebling. Drei Dinge, die wir haßten. Besonders an Hugo. Ich hatte eine gute Idee und nannte sie: Finde den Yeti. Fritz machte den Köder und als Hugo hinter ihm herlief versteckten wir sein Lieblingsspielzeug im Schnee. Heino hatte es nach 3 Minuten gefunden. Na toll. Jetzt haßten wir auch Heino. Tag Tauwetter. Gute Möglichkeit meinen Knochen zu finden. War leider nicht an vermuteter Stelle. Dachte über Hundedemenz nach und war darüber eingeschlafen. Als ich erwachte konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Meine Idee einen Seenotrettungsdienst für Möpse ins Leben zu rufen, fanden alle blöd. Ignoranten. In der Nacht schaute ich in den klaren Himmel und gab jedem Stern einen Namen: Esmeralda. Jeanny. Baby. Rita. Ricarda. Babette. Dolores... Ich erwachte mit meiner Kuscheldecke auf der Zunge und brauchte 20 Minuten, um alle Haare aus meinem Maul zu entfernen. Ich heulte den Mond an und weckte so die ganze Nachbarschaft. Das war ein erfolgreicher Tag. Morgen war Weihnachten! Tag Endlich. Der große Augenblick. Hatte extra lange Zeit für meine Fellpflege aufgewendet. Ich glänzte, wie das Pomadenhaar von Luigi im italienischen Restaurant in der Bananengasse. Das gehörte einem Mafia Boss. Don Alfredo. Er war ein rabenschwarzer Dobermann und Luigi war sein Bodyguard. Ein cooler Jack Russel. Der schleifte seine Zähne an einem Bleistiftanspitzer, zu messerscharfen Verteidigungswaffen. Krasser Typ. Machte auf Russel Crow. Wenn das nicht passte, wusste ich es auch nicht. Am Abend sangen alle Weihnachtslieder. Hab` mich unter dem Schrank verkrochen. Hatte noch nie so ein Gejaule gehört. Nach dem Fressen konnte ich mich kaum noch rühren. Ein Happen mehr und ich hätte gekotzt. Upps. Ich meinte natürlich übergeben. Timmy schenkte seinen Eltern selbstgestrickte Handschuhe. Selbstgestrickte Handschuhe? Echt jetzt? Timmy! Ich verzieh ihm diese Entgleisung, als ich den Riesenknochen sah, den er mir schenkte. Guter Timmy. Dann der große Augenblick. Trommelwirbel. Mann war ich aufgeregt. Hätte mich fast eingepieselt. Wo war der nächste Baum? Er riß, sehr unprofessionell, das Geschenkpapier herunter. Auf diesem riesigen Karton stand: Der Home Katalysator zum selber bauen. Wie jetzt? Welten brachen für Timmy und mich zusammen. Katalysator? Das konnte doch nicht war sein. Unser Training. Unsere Träume. Alles für die Katz. Und was zum Teufel war ein Katalysator? Plötzlich lachten sich Mum und Dad checkig. Sie prusteten und schrien vor lachen. Sie kugelten sich auf dem Boden. Ich fragte mich, ob sie wieder am Luft Erfrischer genascht hatten. Dann holte Dad ein noch größeres Geschenk aus dem Schrank. Dort, wo sonst seine Magazine und die Lackhöschen lagen. Ein Raketen Bausatz XXL. Halleluja. Das Leben war so aufregend. Auf leisen Pfoten stratzte ich zu Norbert und Fritz Und platzte in ihre Weihnachtsfeier. Beim Erzählen der frohen Botschaft verhaspelte ich mich immer wieder. Am Ende dachten sie, ein Meteoriteneinschlag stünde bevor und sie würden zum Heiligen Knochen auffahren. Ich brauchte 20 Minuten, um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Und noch mal 20 bis sie geschnallt hatten, das Timmy eine Rakete zu Weihnachten bekommen hatte. Wir feierten bis in die Morgenstunden. Wir sangen und hielten unser Hinterteil aus dem Fenster. Nur so, um Aufmerksamkeit zu erregen. Wir schrien: „Hugo ist ein Dugo! Hugo ist ein Dugo!“ Als er am Fenster erschien, versteckten wir uns schnell und lachten uns checkig. Fritz wurde tatsächlich checkig. Vom Lachen, bekam er immer Ausschlag. Achso. Für alle Unwissenden. Dugo kommt aus dem ungarischen und heißt Stöpsel. Am frühen Morgen pupste Norbert und alle gingen nach Hause. Das war wirklich die schönste Weihnachtsfeier ever. Der 25. Dezember. Timmy und Schrappnel waren dabei die Rakete zusammenzusetzen, als sie plötzlich die Arbeit niederlegten und ganz feierlich wurden. „Wir müssen einen Namen haben.“ , sagte Timmy. „Ja. Genau. Wie wäre es mit Die Flying Saucers.“ Ging für mich gar nicht. Saucers? Saucers? Um was ging es dabei. Ein Nudelgericht? „Ne` ich dachte mehr an was Weltraummäßiges.“ ,sinnierte Timmy. „Genau Digger. Weltraum. Nicht Imbiß.“ ,dachte ich so bei mir. „Wie wär es mit Spike und die Raketenmänner!“ Das war mein Timmy. Genau so. „Was hat Spike damit zu tun?“ , meinte Schrappnell Wie jetzt? Wer hatte diesen Dummkopf überhaupt eingeladen? „Spike und du, seid nun mal meine besten Freunde.“ Ich mußte einen großen Kloß der Rührung hinunterschlucken. Das war mein Timmy. Und so bauten wir den ganzen Tag an unserer Rakete, mit dem ich und Norbert und Fritz das Universum erobern sollten und neue Welten und unbekannte Wesen entdecken würden. Nach 5 Stunden war mir allerdings so langweilig, das ich anfing meinen eigenen Schwanz zu jagen. Erst da bemerkte ich, das ich gar keinen hatte. Das deprimierte mich nicht wenig und ich unternahm einen Streifzug durch mein Revier. An der Ecke zur Kirschkoppel traf ich Esmeralda. Sie machte ein auf Zuneigung und ich ließ mich darauf ein. So nahm der Tag eine weitere Wendung. Ich will nicht ins Detail gehen, aber das Jucken war weg. Der 26. Dezember Meine Jungs bauten immer noch an der Rakete. Es war kein Ende abzusehen. Sie gaben sich alle Mühe, obwohl Schrappnel mehr Pause machte, als ihm zustand. Unter Oppenheimer hätten sie ihn, bei dieser Arbeitseinstellung, längst in der Wüste ausgesetzt. Der 27. Dezember Wir waren gut voran gekommen. Die Rakete machte einen fast fertigen Eindruck. Ich hatte einen weißen Belag auf der Zunge der ekelhaft war. Hoffentlich bekam ich keine Erkältung. Der 28. Dezember Die Jungs machten eine Pause und spielten den ganzen Tag mit der Eisenbahn. Hätte Armstrong das auch gemacht? War doch keine Erkältung, sondern ein Käsebelag, den ich am Tag zuvor gefressen hatte. Der 29. Dezember Noch ein Tag der nutzlos verstrich. Die Jungs spionierten den ganzen Tag das neueingezogene, blondbezopfte Mädchen von nebenan aus. Ehrlich Jungs. So geht das nicht. Ich würde mich das nie getraut haben. Mein alter Herr, hätte mir aber die Levieten gelesen. Ohne Knochen ins Bett, hätte er gesagt. Bei Menschen ist das wohl nicht so. Na, die könnten aber eine Menge von uns Hunden lernen. Am Abend waren wir wieder alle an Bord. Meine Jungs knieten sich voll rein und ihr Feuereifer setzte mein Herz in Flammen. Es stand kurz vor der Vollendung. Esmeralda zeigte mir die kalte Schulter. Ich war mir keiner Schuld bewußt. Pöh. Die konnte mir mal das Fell kratzen. Das große Ziel war in Sicht. Wo war eigentlich meine Brille? Wir Wissenschaftler und Kosmonauten mußten auf das Ziel fokussiert bleiben. Der 30. Dezember Würden wir es noch im alten Jahr schaffen? Die Raketenmänner gaben alles. Keine Pausen. Keine Kekse. Keine blondbezopften Mädchen. Ich war sehr stolz auf mein Team. Norbert und Fritz meckerten, wann es denn endlich losgehen würde. Sie hätten schließlich noch mehr Verpflichtungen. Was Für Verpflichtungen? Am Hintern kratzen und die Flöhe zählen? Beide rümpften nur die Nase und ließen mich im eisigen Wind stehen. Der 31. Dezember Der große Tag. Es war vollbracht. Die Rakete war fertig. Alle hatten sich schick gemacht. Timmy, Schrappnel, Norbert, Fritz und ich standen ergriffen vor unserer Rakete. Wir hatten eine Mission. Wir wollten die Erde zu einem besseren Ort für Hunde und Katzen machen. Morgen würden wir starten. Heute war aber erst mal feiern, bis zum Abwinken angesagt. Den Prosecco mußte ich diesmal aber weglassen, obwohl der Akttanz auf dem Tisch alle begeistert hatte. Esmeralda ließ immer noch nichts von sich hören, aber das würde sie schon, wenn ich als strahlender Sieger vom Mond zurückkäme. Ich war der glücklichste Hund der Welt. Aber jetzt mußte ich unbedingt pieseln. Also. Wo, zum Teufel, war der nächste Baum? Oktober 2018 von Axel Bruss
  10. Guten Morgen Freut mich das sie dir gefallen hat. Liebe Grüße Axel
  11. Axel

    Die Engelmacherin

    Die Engelmacherin 1835 gab es bei uns in Süddeutschland eine Frau, die als Engelmacherin bekannt war. Besonders die feine Gesellschaft bediente sich ihrer Hilfe. Natürlich. Jede Welt und jede Generation hat ihre eigenen Gesetze. Eine Schwangerschaft, war zu jener Zeit etwas heiliges, Gott gewolltes. Doch das Leben schert sich nicht, um diese Regeln. Es findet Wege und Pfade, um der Lust zu frönen. Denn es ist so wundervoll begehrt zu sein. Dem hellen Schein zu folgen und dem Werben nachzugeben. Heimlich sich zu treffen, ohne das die eigene Ehefrau es merkt. Oh, wie süß ist das Verlangen und wie schön sich ihm zu beugen. Schade nur, wenn aus dieser Liebelei neues Leben im Leib der Geliebten entsteht. Dann kommt die Reue. Dann kam die Bitterkeit. Dann kommen sie zu Gerda. Sie lebte abgeschieden in einer Hütte auf dem Berg und ihre weißen Haare lagen, wie ein Meer aus Wolken auf ihrem Kopf. Ihr weiches Gesicht lächelte immer gütig. Ihr Körper war rund wie eine Kugel und die Finger kurz und breit. Die Haare streng nach hinten, zu einem Zopf geflochten. Ihr breiter Mund, mit den schmalen Lippen, umkränzt von kleinen Falten, gaben ihr die eiserne Disziplin eines Soldaten. Auch sie stand im Dienst einer höheren Macht. Der des Lebens und des Todes. Sie arbeitete, als Hebamme. Alles medizinische und jede Art von Kraut , war ihr wohl bekannt. Vor vielen Jahren, an einem Sonntag im Mai, kam eine Frau zu ihr aus dem Nachbardorf und erzählte von der Vergewaltigung des Gemeindevorstehers und dem Kind das sie erwartete. Sie weinte und gestand schluchzend das man sie totschlüge, wenn irgendjemand davon erfahren würde. So kam es das Gerda, diese pflichtbewusste Frau, ein ungewolltes Kind abtrieb und die Existenz einer Frau rettete. Sicher war es schändlich und gefährlich, denn erführe es jemand, wären beide wohl verloren. b Natürlich durfte niemand von diesem Geheimnis wissen und man bleute mir ein, ja nichts zu verraten, weil sonst Menschen sterben würden. Ich versprach eher in ein tiefes Loch zu fallen, als irgendjemanden irgendetwas von irgendwem zu erzählen. Ich wusste auch nicht genau, was ich hätte berichten sollen, denn keiner erklärte mir, was eine Engelmacherin überhaupt war und so füllten sich meine Gedanken mit allerlei ausgedachten, vermuteten Gegebenheiten und Unrat. Da ich viele Stunden damit verbrachte auf Hügeln zu sitzen und aufzupassen, hatte ich auch viel Zeit mir zu überlegen, wie die Welt wohl funktionierte. Ich bin der Sohn vom Bastelgreiner, einem armen Bürstenmacher, der über die Dörfer zieht, um dort seine Ware anzubieten. Meine Statur ist eher klein, als groß und mein Lachen laut und zuversichtlich. Meine Arme sind lang und die Beine kurz. Der Kopf gleicht einem Ballon und die Augen sitzen tief in ihren Höhlen und sind näher an den Ohren, als der Nase. Ich bin ein Dummkopf und das sagen mir die Leute auch. Manchmal, wenn ich in einem Bach mein Spiegelbild betrachte, wünschte ich schlauer zu sein. Dann könnte ich das Leben und die Menschen besser leiden und verstehen. So aber bleiben sie mir ein Mysterium und oft durchschaue ich ihr Verhalten nicht. Viele Fragen stelle ich mir: Warum schlagen sie die Kinder, wenn sie etwas nicht begreifen? Warum saufen die Männer, bis sie sich erbrechen? Warum ist ein Kuss verboten, aber der Griff unter den Rock der Magd nicht? Warum ist die Lüge des Gutsherrn nicht so schlimm und meine wird bestraft? Warum schickt Gerda die Kinder in den Himmel und lässt sie nicht am Leben? b In meiner Vorstellung kommt Gott jeden Sonntag zu ihr, um bei einem Plausch zu bestimmen welche von den neuen Seelen denn nun Flügel bekommen sollen und so zu einem Engel werden und welche nicht. Des weiteren dachte ich mir aus, das wir uns zu dritt bei leckerem Nussbeugel unterhielten: Gott : „Ja, also, mein lieber Franz, was wünscht du dir denn zu Weihnachten?“ Franz : „Ich wünsch mir sehnlichst und seit langem Schlittschuhe.“ Gerda: „Ja. Des kannst dem Bub scho gebn.“ ,pflichtete sie mir bei. Gott : „Hat er denn auch nichts verraten?“ Gerda: „Der Bub doch nicht. Das is a Feiner a ganz Feiner.“ Franz: „Ja. Ich achte auch Mutta und Vatta und meine kleine Schwester, obwohl die ganz schön nervt und mich jeden Tag piesackt.“ Gott : „Also, wenn die kleinen Kinder nicht geboren werden, kann nicht jedes in den Himmel, denn die Plätze sind begrenzt. Franz : „Warum?“ Gott : „Wie auf Erden gibt es auch im Himmel eine Ordnung. Erst die Wichtigen, dann die Anderen, dann das Bauernvolk und am Ende die Kinder.“ Franz : „Aber das ist gemein. Jeder hat doch den gleichen Wert.“ Gott : „Franz du bist ein Dummkopf. Wie soll das gehen?“ Franz : „Jeder könnte doch vielmehr an seinen Nächsten denken.“ Da lacht Gott und mit einem Fingerschnippen verschwindet er in den Himmel. Gerda: „Du wirs scho sehn. Zu Weihnacht hast dei Schlittschuh doa.“ ,sagt sie gütig und streichelt dem Bub über sein Haar. Da wir erst Juni haben, heißt das lange warten, aber ich freue mich wie ein Schneekönig und vergesse dabei, das es nur ein Spiel und gar nicht Wahrheit ist. Doch für den Moment ist`s mir egal und ich jauchze und schreie vor Glück und renne zu meinen Schafen den Hügel rauf. Ich heiße bei den Leuten nur der Schäferfranz. Ich bin 13 Jahre alt und lieb` die Franzi, die eigentlich Franziska heißt. Ich hab` uns ein Herz in den Eichenbaum geschnitzt. Damit wir immer zusammenbleiben. Ich werd` sie heiraten und 12 Kinder mit ihr haben. 6 Buben und 6 Mädl und am Karfreitag ziehen wir uns schöne Sachen an und gehen in die Kirche zum Pastor Edelmut. b Jedes meiner Schafe hat einen eigenen Namen. Das ist besser so, damit ich sie auseinander halten kann und sie mich verstehen, wenn ich mit ihnen über die Dinge dieser Welt spreche. Oskar, Bärbel, August, Josch, Janisch, Liesl, Bratenheinz, Leberhans, Huckenreiter und Entenbleich. 10 Schafe haben wir und ich liebe jedes einzelne, als wären es Geschwister, nur nicht meine eigenen, denn die find` ich blöd. Meine Schwester, die Traudl, ist eine Zicke. Blonde, lange Mäusezöpfe und Sommersprossen im Gesicht. Ganz wach ist sie und kann gut denken. Süß anzusehen und beliebt. Sie ist 8 und der Vatta lässt ihr alles durchgehen. Das ist gemein, wo ich doch bald der Herr im Hause bin. Denn der Vatta sagt ganz oft, wenn er mich sieht: „Der Bub, der bringt mich bald ins Grab.“ Meine Mutta ist die Beste. Sie singt mir oft was vor, wenn ich schlechte Gedanken habe oder einen bösen Traum. Manchmal weine ich auch ohne Grund und dann ist es, als wäre ich abgestorben, wie der alte Baum unten am Wiesengrund. Aber heute bin ich froh und red` mit meinen Schafen: „Holla, Entenbleich ärgere nicht immer die Liesl. Sonst komm ich gleich mal hin und geb`s dir mit dem Lederriemen, wie der Vatta.“ Dann antworten sie mir, aber ich bin der Einzige der sie versteht. Natürlich blöken sie nur, das weiß ich selbst, aber die Art, wie sie`s tun, zeigt mir ihre Stimmung. Sie wissen, das ich nur Spaß mache, wenn ich mit ihnen meckere. Ich lieb` doch meine Schafe und das wissen sie. Der Bratenheinz ist ein ganz frecher, stibitzt immer die besten Grasbüschel der Anderen, besonders auf die Bärbel hat er`s abgesehen. Die knufft und pufft er immer in die Seite und rülpst dabei ganz laut. Ich glaub die hat er gern, sonst würd` er sie nicht knuffen. Der Huckenreiter und der Leberhans kommen oft zu mir hin und stupsen mich mit ihren Nasen an. Ich umarme sie ganz fest und singe ihnen dann ein Liedl vor das die Mutta immer singt: „Schlaf Kindlein Schlaf. Der Vatta hüt` die Schaf. Die Mutta schüttelst Bäumelein, da fällt herab ein Träumelein. Schlaf Kindlein Schlaf.“ Manchmal liege ich einfach so im Gras, mit einem grünen Halm zwischen meinen Lippen und schaue den Wolken nach. Das ist schön, weil jede etwas anderes zeigt. Da gibt es große Schafe, kleine Schafe, dünne Schafe, dicke Schafe, wollene Schafe, nackte Schafe, tolle Schafe, lachende Schafe, weinende Schafe und springende Schafe. Mein Leben ist ruhig und entspannt, bis zur Langweiligkeit. Und es ist genau so, wie ich es mag und mir auserwählt habe. Manchmal denke ich, das jeder sich sein Dasein selbst aussucht. Also ich mein, ob er glücklich sein will oder nicht. Ich könnte sicher auch ein guter Bürstenmacher oder Großbauer oder König sein, aber ich bin zufrieden mit dem, was ich hab`. Ich bin gern bei meinen Schafen und der Franzi. Gestern habe ich mit ihr zusammengesessen und wir haben wilde Trauben gefuttert, da hat sie lustig geguckt, weil die meisten noch ganz sauer waren. Ich mag sie sehr und wünsche mir sehnlichst einen Kuss von ihr. b Die Sonne beginnt zu sinken und ich werde müde. Nun muss ich den langen Weg nach Hause machen. Es ist spät und der Vatta wird wieder meckern und die Mutta macht sich Sorgen um ihren kleinen Franz. Ich lieb` die Mutta sehr. Sie ist klein von Statur, aber riesig im Gefühl zu mir. Bei ihr da bin ich sicher und gut aufgehoben. Grad gestern hat sie mir geholfen. Die Kuh von unserem Nachbarn hat gekalbt und der Bauer Hubert hat mich angeschrien. Ich soll verschwinden sonst schlägt er mich tot, denn ich wäre ein Unglücksrabe und brächte die Milch zum säuern, da hab ich ihm mit einem Stiel auf den Kopf gehauen. Es gab ein kleines Loch. Da ist der Hubert dann richtig wütend geworden und mit der Mistgabel auf mich los. Mit `nem Hammer hab ich ihm, ganz leicht, mit zarter Hand, eins überzogen, das er fiel und liegenblieb. Geschnauft hat er aber noch, doch die Augen waren zu. Ich hab dann das Kalb zur Welt gebracht. „Wie ein richtiger Doktor. Wie der Vesalius.“ ,hat die Franzi gesagt. Das hat mich mächtig stolz gemacht. Später ist die Mutta zu dem Hubert rüber und hat ihn versorgt. Aus seinem Kopf lief Blut und er klagte über Schmerzen. „Hör mal. Der Franz hat dir das Kalb und die Kuh gerettet. Entschuldigen tust du dich bei ihm und einen Schinken gibst du als Wiedergutmachung.“ ,hat sie auf ihn eingeredet. Der Schinken hat uns gut geschmeckt. Der Franzi hab` ich auch was gebracht, weil die nicht viel zu beißen hat. Ihre Eltern sind Knechte auf dem Hof vom Eselshubert, wie Hubert,der Depp, bei uns zu Hause heißt. Die Mutta von der Franzi ist eine ganz hagere, die beim leichtesteten Windstoß aus den Latschen kippt und ihr Vatta ist auch nur ein schmales Hemd mit weißen Stoppeln im Gesicht. Das sind arme Leut. Die hungern viel. Dem Bauern ist`s egal. Dem schert nur sein eigener Dreck. Der haut die Leute über`s Ohr, das es nur so scheppert. Er ist ein Lump, ein hochgradiger und ich möcht` nicht der Ochs in seinem Stalle sein, denn dann wären wir schon zwei. Geleuchtet haben die Augen bei der Franzi, als ich ihr den Schinken brachte. Ganz doll umarmt hat die mich und einen Kuss auf meine Wange gedrückt, das es nur so schmatzte. Grad wie zu Weihnachten. Ich hab` ihr erzählt, das ich manchmal mit Gott rede und er auch antwortet. Da hat sie nicht schlecht gestaunt. Sie meinte das wäre toll, aber ich sollte keinem davon erzählen, weil die Leute zu dumm für solche Geschichten wären. Versprechen musste ich es ihr. Jetzt hab ich sogar zwei Geheimnisse. Wenn das so weitergeht, muss ich doch bald schreiben lernen. Soviel kann sich ja nicht mal die Traudl, merken und die ist schlauer, als wir alle zusammen, sagt der Vatta immer. Vor ein paar Tagen saß ich auf dem Plumpsklo und beobachtete die Fliegen, wie sie sich um die besten Plätze balgten, als Gott plötzlich seine Stimme an mich richtete. Gott: „Diese Johanna ist ganz schön nervig.“ Franz: „Johanna?“ Gott: „Johanna von Orleans. Die ganze Zeit redet sie auf mich ein. Ohne Unterlass. Ich bin schon ganz wirr im Kopf. Es ist ja nicht so, das ich nichts zu tun hätte. Schließlich warten ja noch mehr Menschen auf meinen Rat. Der Diesteljörg, zum Beispiel, der mit dem steinigen Acker, jammert mir die ganze Zeit die Ohren voll. Er würde Tag und Nacht arbeiten und trotzdem seien sie arm, wie Kirchenmäuse. Oder Achim aus Uppsala. Seine schwangere Frau verweigere ihm den Beischlaf und, ob es ok wäre, wenn er des Nachts mal zu der Katrin gehen würde. Denn, die sei ja auch allein. Muss ich denn nicht schon genug Dinge erledigen? Wichtige Dinge?“ Die ganze Fragerei wurde mir jetzt ein bisschen viel, also sagte ich: Franz: „Ich würd` dir da gerne helfen und auch raten, aber ich hab jetzt auch nicht so richtig Zeit. Ich muss ja gleich noch mal weg und das mit Achim ist auf jeden Fall...........Du weißt schon. Komm doch später noch mal vorbei und wir setzen uns ins Gras und palavern, so auf nett, noch in der Runde mit der Bärbel und dem Leberhans.“ Naja, ER verschwand einfach. Ohne Tschüß oder Lebwohl. Fand ich nicht so schön und unhöflich dazu. Ist aber auf der anderen Seite auch wieder ganz schön typisch für so hohe Tiere. Nachdem ich meine Schafe in den Stall gebracht habe wandere ich noch zu der Gerda hoch. Die hat gerade Besuch von dem alten Herrn Studienrat und einer jungen Dame, die ich nicht kenne. „Ist die Frau Studienrat krank?“ ,frage ich ihn. Er ignoriert mich und spricht mit der Gerda in einem leisen Tonfall. „Ich hoffe sie wissen was zu tun ist. Und kein Wort, zu niemanden. Was ist mit diesem Dummkopf hier? Wieso spricht er mich an?“ Er zeigt auf mich, mit bitterer Miene und sein gezwirbelter Bart zittert in den Spitzen. „Das is nur de Franz.“ ,sagt Gerda. Ich setze mich still und leise auf einen Stuhl, in der hintersten Ecke, und werde sogleich von allen vergessen. Der Tisch in der Küche wird freigeräumt und abgewaschen. Die Gerda macht heißes Wasser. Man sieht ihr an das sie dies alles schon 100 mal getan hat. Das Wasser kocht und sie legt ihre Instrumente hinein. Versucht sie die Dinge aufzuweichen oder gar schmackhaft zu machen? Ich weiß es nicht, schaue nur neugierig und erwartungsvoll weiter diesem Treiben zu. Ein sauberes, weißes Bettlaken kommt auf den Tisch und daneben, sorgsam aufgereiht die Instrumente: Spreizer, Klemme, längliche Zange, ein Skalpell, Abortuszange, Klemme, Drahtschlinge und andere Sachen, die ich nie zuvor gesehen habe. Nun legt sich die ängstliche Dame auf den Tisch. Untenherum hat sie sich freigemacht. Gerda gibt ihr ein Mittel. Nun ist sie halb benommen und redet wirr über einen Apfelbaum, mit großen Früchten der zu ihr spricht. Wie verrückt kann man wohl sein, denke ich und schmunzele. Plötzlich kommt Bewegung in die Szenerie. „Wo sind die Tücher und die große Klemme. Rasch Bub. Ins Schlafzimmer. Kleiner Schrank rechts oben. Ganz durch bis hinten. Da liegt noch Ersatz. Rasch sonst muss die Maid hier sterben.“ ,sagt die Gerda schnell und exakt. Ich bin sofort losgelaufen und habe im Sauseschritt alles gleich gefunden und gebracht. In letzter Sekunde rette ich so dem Mädl ihre Haut und die des alten Studienrats dazu. Der gibt mir einen Groschen für die Hilfe und klopft mir auf die Schulter. Ganz stolz hat mich das gemacht. Gleich darauf renne ich zurück nach Haus. Meine Schwester erwartet mich schon. „Na. Warst du bei der Franzi?“ ,fragt sie mich frech. „Nein.“ ,antworte ich einsilbig. „Dann hast du sicher mit Gott gesprochen.“ „Und wenn`s so wäre?“ „Hast du ihn von mir gegrüßt? Wie sieht es mit einem neuen Kleid für mich aus.“ „In deiner Größe waren sie ausverkauft.“ „Du hast also nicht gefragt.“ „Vergessen.“ „Trottel.“ „Blöde Ziege.“ „Dummer Dummjahn. Blödsinniger Blöder.“ „Nervige Johanna.“ „Wer ist das? „Gott hat gesagt sie hat mit den Franzosen gegen die Engländer gekämpft und gewonnen.“ „Eine Frau?“ „Ja.“ „Siehst du. Wir sind viel stärker als die meisten Männer.“ „Frauen sind auch viel schlauer, denn Männer haben nur eins im Kopf, sagt Gerda.“ „Du bist ein Dummkopf.“ ,sagt die Traudl wieder. „Blöde Ziege.“ ,sage ich. „Ich geh jetzt schlafen. Gute Nacht.“ ,rufe ich ihr im Weggehen zu. „Gute Nacht.“ ,lacht sie. Ganz still liege ich in meinem Bett, damit mich niemand hört. Eine bleierne Dunkelheit legt sich auf mein Gesicht. Viele Dinge gehen mir durch den Kopf: Der Studienrat hat ein Monokel vor dem rechten Auge, dass stelle ich mir schwierig vor. Wenn er auf dem einen Auge nicht richtig gucken kann, aber auf dem Anderen ja, wie entscheidet er, welches von den beiden Bildern richtig ist? Wenn ich eine Entscheidung treffen muss und ich hab` zwei Möglichkeiten, denke ich lange nach und merke meist, das die Dinge einfach sind und Probleme auch. Die sind nur schwer, weil wir sie selber zu einem Berg auftürmen. Ich nehm` immer nur den klaren Weg. Oder geh` um den Berg herum. Mit der Franzi, war`s ganz ähnlich. Die war erst viel zu schön für mich, aber dann hab` ich gemerkt das es sie freut, wenn ich schöne Sachen zu ihr sag` und plötzlich hab ich gesehen, das sie mich ganz anders anschaut. So lieb` halt. Da wurde es mir warm ums Herz und ich habe ihre Hand geküsst. Völlig lichtlos liege ich mit offenen Augen in meinem Bett und höre den Geräuschen des Hauses und des Windes zu. Sie erzählen mir Geschichten. So dunkel und gefährlich. In der Nacht kommt oft der schwarze Mann und holt die bösen die Kinder. So erzählt es uns der Pastor Edelmut. Aber nur die Sünder, fügt er stet`s hinzu, kommen in den Sack. Der Pastor hat eingefallene Wangen und eine krumme Nase, die er ständig mit dem Daumen reibt. Er fragt mich in der Beichte oft, ob ich etwas Schlimmes gemacht habe. „Nur die Schlimmen machen schlimme Dinge.“ ,erkläre ich ihm dann. Ich hab` mir vorgenommen vom schwarzen Mann zu träumen und ihn in ein tiefes Loch zu werfen. Dann mach` ich die Grube zu und die Kinder sind gerettet. b Der nächste Morgen ist grau und schwere Wolken hängen in den Bergen. Heute muss ich gut auf meine Schafe achten. Sie haben Angst bei diesem Wetter. Es ist kalt in meinen Holzschuhen. Ich hüpfe auf der Stelle, um mich warm zu halten. Langsam trotten wir über schmale Pfade und weite Wiesen, auf denen noch der Morgentau schläft, hinauf zum Berg. Beschwerlich ist die Wanderung und Mühsal sein Begleiter. Oben ist ein kleines Wäldchen. Ein umgestürzter Baum ist meine Bank. Ein dicker Ast daneben, der Tisch auf dem ich meinen Käse und den Schinken lege. Wenn ich Gott wäre, überlege ich, würde ich arm und reich abschaffen. Die Welt wäre wohl glücklicher, wenn jeder genug zu essen und einen warmen Schlafplatz hätte. Auch würde ich die echte Liebe den Menschen schenken. Nicht nur das, wo die Gerda die Kinder wegmachen muss. Ich frag` mich immer wieder, ob überhaupt die Kinder in den Himmel dürfen, weil eigentlich sind sie ja nicht getauft. Vielleicht kommen sie auch zum schwarzen Mann und müssen für ihn die Socken stopfen und den Boden kehren. Ich nehme mir vor mit Franzi darüber zu sprechen. Plötzlich höre ich ein Knacken im Unterholz. Ein abgemagerter Wolf nähert sich langsam meinen Schafen. Sein Fell ist struppig und verdreckt. Die Rippen stehen ihm heraus. Ich stelle mich ihm entgegen und schaue ihn an. Er sieht traurig aus. Ich habe Mitleid mit ihm, doch ich kann ihm keines meiner Schafe überlassen. Ich treibe sie zu Gerda auf den Berg. Die sitzt vor ihrem Kamin, mit einem Mann der seine Hände in den Kopf gestützt hat und er ist wie der Wolf. Einsam. „Das Leben ist nur eine Illusion. Wir werden geboren. Wir wachsen. Haben Glück oder auch nicht. Lieben oder hassen. Wir essen, wenn wir hungrig sind und bekommen Kinder. Wir werden alt und sterben. Es ist eine ewige Wiederholung. Es ist ein Kreis.“ flüstert der Mann. „Der is scho a bisserl hinüber.“ ,sagt Gerda zu mir. „Der is verzweifelt.“ Der Mann trägt einen grauen Anzug. Das ist sein Fell. Die Augen starren ins Leere. Seine buschigen Augenbrauen sehen verwildert aus. Ich würde sie gern nach oben kämmen, wie bei Slatko, unserem Bernhardiner. Der Mann hat schwarzes Haar. Es ist ein bisschen zu lang und die Fingernägel haben dunkle Ränder. An den Schuhen klebt zäher, dunkelbrauner Torf. Vielleicht kommt er aus dem Moor. Vielleicht ist er der schwarze Mann. „Du.“ ,sagt er plötzlich und schaut mich mit durchdringenden, kalten Augen an. Der Schreck fährt mir derart in die Glieder, das ich zusammen zucke und mich ducke. „Du bist der Auserwählte. Gott hat dich gesandt, um mich zu bestrafen.“ ,fährt er fort. „Äh, nee. Ich bin der Franz und hüte nur die Schafe.“ „Du BIST der Auserwählte!“ ,sagt er scharf. Die Gerda dreht sich zu mir und rollt mit den Augen. Ich denke an ihren Mann den Goisen, Ludwig. Den hat`s, nach kurzem Wahn, in die Irrenanstalt 13 Eichen verschlagen. Der hat gedacht er wäre der König von Frankreich und hat sich eine Schleppe aus Papier gemacht. Er hat den Hubert verprügelt, weil der ihm die Holzkrone am 1. Mai vom Kopfe schlug. Dann schnitt er ihm ein Stück vom Finger ab und warf es in den Schweinestall. „Ach so. Der Auserwählte, wie die Jungfrau von Orleans. Ja. Der bin ich.“ ,sage ich. „Wusst` ich`s doch. Ich bin ein Sünder. Die Hanna hab ich dick gemacht und jetzt ist sie bei diesem Weibe hier und die wird das Kindl umbringen. Das ist alles meine Schuld. Wie kann ich Buße tun?“ „Tja. Also fürs erste reichen 5 Ave Maria und ein neues Kleid für die Traudl, meine Schwester.“ Er sinkt zu Boden und küsst meinen Fuß. Das ist mir unangenehm, weil die ja ganz dreckig vom Laufen sind, aber ihm scheint es zu gefallen, also reiche ihm ihm auch noch den Andern. Aus dem Schlafzimmer höre ein Stöhnen. Das ist die Hanna. Gerda geht zu ihr und ich bin mit dem Mann allein. Ein Schauern fährt in meinen Körper. Er setzt sich neben mich ganz nah. „Ich hab schon viele dick gemacht. Die meisten sind nicht mehr.“ ,raunt er mir zu. „Weggefahren?“ ,frage ich ganz ahnungslos. „Eher aufgefahren.“ ,flüstert er, leise lachend und dreht sich hastig um, zur Tür. „In den Himmel?“ „Ja, in den Himmel. Blutig war das.“ ,sagt er und schaut seine Hände dabei an. Ist er nur verrückt vor Traurigkeit? Ich sehe die Qual in seinen Augen. Nein er lügt nicht. Es ist die Wahrheit. „Wie viel?“ ,frage ich. „Sieben. 1. Korinther 6, 19-20.“ Die Gerda kommt wieder und der Mann steht auf. Er legt das Geld auf den Tisch und geht. Nun sind es drei Geheimnisse. Am letzten trage ich besonders schwer. Soll ich es der Gerda sagen? „Du bleibst heut hie Bub. Es ist spät. Kümmer dich um die Hanna. Ich muss noch mal weg, ein Kraut besorgen. Sie blutet stark.“ ,sagt sie und geht. Also setze ich mich neben sie und halte ihre Hand. Die ist ganz klein. Wie ein Spatz. Plötzlich schreit Hanna auf und ihre Finger werden hart, wie Fels. Da ist viel Blut. Es läuft in einem kleinen Rinnsal aus ihr raus. Was tun? Herr Gott. Was soll ich tun? ,schreie ich innerlich. Ich erinnere mich an das Kälbchen und schaue mir die Hanna an. Da ist was offen. Ich nehme einen Spreizer und die Klemme und finde das Problem. Dann veröde ich es mit dem Feuerhaken. Ihr Schreien vertreibt den Wolf und ruft die Gerda wieder auf den Plan. Die kommt angehetzt und kümmert sich um Hanna. Später sitzen wir am vor dem Kamin. „Bub. Du hast der Hanna ihr Leben gerettet.“ ,sagt Gerda leise. Die ganze Nacht wache ich am Bett, während Gerda eine Medizin aus Kräutern braut. Meine Schafe sind sicher im Schuppen untergebracht. Der Wolf streicht wieder um das Haus. Ich sehe ihn, wenn ich aus dem Fenster blicke. b Am nächsten Morgen stürzt Hubert herein. Sein Kalb hat jemand tot gemacht und seine Frau liegt in den Wehen. Die Gerda muss kommen. Der Arzt ist nicht da. So geht die Gerda mit dem Eselshubert. Ich räume auf und bringe den Haushalt in Ordnung. Denn Ordnung ist das halbe Leben, sagt die Mutta. Ohne Ordnung sind wir, wie die Tiere im Wald und die Karpfen im Teich, beim Gutsherrn. Ich bin ganz leise, um die Hanna nicht zu wecken. Trotzdem höre ich ein leises Räuspern. „Wo bin ich?“ ,fragt sie schwach. „In Sicherheit.“ ,sage ich betont langsam. „Ich fühle mich so elend und allein.“ ,schluchzt sie. „Sei unbesorgt. Ich passe auf dich auf.“ Gerda hat eine Suppe für Hanna gekocht, damit sie zu Kräften kommt. Die flöße ich ihr ein. Sie ist dankbar. Ich seh`s in ihren Augen. Plötzlich. Polternd. Schritte. Es klopft energisch an der Tür. Der schwarze Mann will Einlass. Er ist verschwitzt. Er stinkt. In ihm ist etwas wildes. Ich blicke aus dem Fenster. Der Wolf ist weg. Der Mann setzt sich auf den morschen Stuhl und schaut die Hanna an. Der Wind aus Osten pfeift durch das Gemäuer. Er bringt allerlei komische Geräusche und ein Wispern. „Lass mich nicht allein mit ihm. Er ist der Gemeindevorsteher aus dem Nachbarsdorf. Er ist böse.“ ,erklärt sie voller Furcht. „Ich bleibe bei dir.“ ,spreche ich ihr zu. Die Stunden vergehen und vergehen auch nicht. Wir sind in einer Zwischenzeit. In einem Stillstand. Wie das Leben, wenn du krank bist oder auf etwas wartest. Zu warten ist das Schlimmste. Auf die Liebste. Das Lachen. Den Tod. „Ich bring euch um.“ ,sagt der Mann ganz plötzlich. Ganz ruhig. „Ich hab das Kalb getötet. Ich töte alle die du rettest.“ Ich stehe auf und nehme den glühenden Schürhaken aus dem Feuer. Ich schlage ihm damit auf den Kopf. Zischend verbrennt sein Haar an dieser Stelle. Sein Körper kracht zur Seite. Doch er ist schnell wieder auf den Beinen. „Du bist wahrhaftig der Auserwählte.“ ,spricht er lächelnd. Dann stürzt er sich auf mich und drückt mich auf den Boden. Seine Hände sind an meiner Kehle. Ich spüre wie das Leben langsam aus mir entweicht. Wie er es herausdrückt. Meine Hände tasten auf den Dielen und finden eine Gabel, die ramme ich ihm mit letzter Kraft in seinen Hals und drehe sie herum. Der Mann lässt ab von mir und wankt ins Freie. Dort steht er eine ganze Zeit auf der Stelle. Schwarzes Blut schießt aus ihm heraus. Die Augen aufgerissen und den Mund zum stillen Schrei geöffnet. Schließlich erlischt sein Leben, mit einem letzten flackern und er bricht zusammen. Das Grauen ist noch immer in diesem Raum. Es will nicht durch die Tür hinaus. So öffne ich das Fenster und es flieht. Frische Luft strömt herein und das Atmen kehrt zurück. Ich setze mich wieder zu Hanna und spreche leise auf sie ein. Beruhigend. Nach einer Weile schläft sie. So mag es wohl im Leben sein. Auf den Wahnsinn folgt der Schlaf. Früh am Morgen gehe ich in den Stall und schaue nach den Schafen. Prüfe, ob alle wohl auf und mir gewogen sind. Oskar, Bärbel, August, Josch, Jenisch, Liesl, Bratenheinz, Leberhans, Huckenreiter und Entenbleich. Alle sind gesund und freuen sich herauszukommen. Die Sonne scheint. Im Hof liegt der tote Körper. Ich schaffe ihn lieber fort bevor die Gerda kommt. Doch wohin? Ein tiefes Loch muss her. Nein. Besser noch die Teufelsschlucht. Ich packe ihn auf die Schubkarre und los geht’s über Stock und Stein. Hanna schläft. Ich eile, um schnell zurück zu sein. Eine halbe Stunde laufe ich über einen Feldweg. An einem schroffen Felsen sehe ich den Schatten eines Wolfes. Hier ist es richtig. Hier muss es sein. Vorbei an ihm zum Abgrund. Dort werfe ich den Mann hinunter, dann zum Bach, die Karre sauber machen. Nach schnellem Rennen erreiche den Hof. Die Gerda wartet schon. „Wo hast di rumgetriebn mit de Schubkarr?“ ,fragt sie müde. „Ich wollt` ein bisschen Holz holen für den Kamin.“ „Warum ist hier so viel Blut?“ „Der Wolf kam und hat ein Schaf gerissen.“ Damit ist sie zufrieden und geht hinein. Wir sitzen am Kamin und die Müdigkeit hat uns am Schlawittchen. „De Hubert ha an Mädl bekommen. Es is gsund.“ „So hast du ein Leben auf die Welt gebracht und nicht weggemacht?“ ,frage ich freudig. „Ja.“ ,sagt sie nur. Die Jahre sind so schnell vergangen, als wär`s ein Augenblinzeln. Gott hat nicht mehr mit mir gesprochen und die Franzi hat ein paar Jahre später geheiratet. Einen anderen. Hubert ist irgendwann gestorben und seine Frau hat den Hof geführt. Die Gerda hat noch viele Kinder auf die Welt gebracht und andere zu Engeln gemacht. Meine Schwester ist Lehrerin geworden. Ich bin immer noch Schäfer und sitze auf dem Felsen, wo der Schatten von dem Wolf gewesen ist. Dann blicke ich hinunter in die Teufelsschlucht und manchmal, wenn der Wind aus Osten kommt höre ich seine Stimme, die mir zuraunt ich sei der Auserwählte. Juni 2020 von Axel Bruss
  12. Guten Morgen Flutterby Freut mich sehr, dass dir die Geschichte gefallen hat und bin gespannt, wie du die den anderen Story`s findest. Tolles Bild. Muss ein tolles Gefühl gewesen sein, dort zu stehen. Liebe Grüße Axel
  13. Kopfschuss Geschichten vom Erwachsen werden Teil 6 Sie flogen hin und her und verteilten ihren Mist auf den Bäumen, den Straßen und den Vorgärten. Sie waren für den Dreck in der Stadt verantwortlich. Genau, wie all die Kanacken, Juden und Schwulen. Ihre Flügel schwangen im Takt der Musik, die im Hintergrund lief. Im Moment hörte er AC/DC rauf und runter. So laut das die Wände wackelten. Diese kleinen roten Augen glotzten ihn an, als würden sie etwas von ihm Verlangen. Irgendetwas, das einen Sinn ergab. Natürlich, war das ohne jegliche Bedeutung für ihn, denn er schoss ihnen trotzdem, während des Fluges, den Kopf weg. Er hasste sie. Sein Vater hatte Tauben gezüchtet. Auf dem Dach. Dort oben, gab er ihnen ein Zuhause. Aber nicht einfach einen Verschlag aus geklauten Brettern, wo die Biester ein und aus gingen, sondern eine Villa aus Eichenholz. Ja. Sein Vater liebte diese Viecher über alles. Mehr als sein Auto, oder seinen Job, oder seine Frau. Für diese fliegenden, stinkenden Geschöpfe mit ihrem nervtötenden, bei jedem Schritt nach vorne schnellenden Kopf, empfand er mehr Zuneigung, als für seinen eigenen Sohn. Und egal wie Magnus sich anstrengte die Gunst des Vaters zu erringen. Immer standen ihm die Tauben im Weg. Immer waren sie mehr Wert als er. Er wurde traurig, wenn er an die zurückliegende Zeit dachte. An das Fußballspiel, das sein Vater ihm versprach und nicht hielt. An die Schulaufführung, wo er Balthasar spielte und sein Vater nicht kam. An den Gürtel und die Ohrfeigen. In jedem Schlag von seinem Vater spürte Magnus, das er nur ein Mitbringsel war, ein Geschenk das keiner wollte. Wie die grüne Wanduhr von der Oma. Der gelbe hässliche Schal von Tante Gertrud Die Gläser und die Teller von Onkel Albert. Die mit dem blauen Zwiebelmuster. Der ganze gebastelte Schund der Enkelkinder. Alles Unnütz. Zuneigung? Freundschaft? Gehörte alles auf den Müll. Die ganze Welt wurde ein Müllhaufen und auch er wurde zu etwas, bei dem alle nur so taten, als würden sie es mögen. Er wurde zu einem Schal. Einem Teller. Einem Ding. Magnus hörte vor langer Zeit auf zu lieben. Er erkannte, das das Leben leichter ohne diesen Ballast war. Er drückte das Luftgewehr wieder fest an seine Schulter und zielte ruhig und genau. Kimme und Korn mussten eine Linie bilden. Seine Klassenkameraden übten Mathe und Deutsch. Er trainierte seine Fähigkeiten im Treffen. Am liebsten schoss er zwischen die Augen. Er fühlte, das sich dies, als die Sicherste aller Möglichkeiten anbot und er wollte Sicherheit. Er sehnte sich danach. Trotzdem wusste er genau, das es dafür keine Garantie gab und das Geborgenheit und Glück, wie eine aufgedunsene Leiche im Meer der Lüge schwamm. So, wie alles um ihn herum nur einer großer Schwindel war. Am liebsten schaute er Actionfilme. Da wo richtig viel geballert wurde. Und Kriegsfilme, aber da fand er es blöd, das die Deutschen immer die Dummen waren. So als konnten sie 1+1 nicht zusammenzählen. Und dann die ganzen Lügen über die Juden. Er wusste genau, das Hitler keine vergast hatte, denn das erzählte ihm sein Großvater und der musste es wissen, denn er wurde im 2. Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet wurden. Sein Großvater berichtete ihm auch vom Mut der Hitlerjugend und wie sie den Russen so lange stand gehalten hatten, bis sie das geliebte Vaterland überrannten und zerstörten. Der deutsche Soldat bekam ein Ziel und das wurde erreicht, egal wie hoch der Berg, oder wie tief der Fluss war. Diese Krieger erschienen ihm, wie die wahren Helden. Die wussten immer genau, wo sie den Gegner treffen mussten, um ihn auszuschalten. Denn darum ging es. Man konnte nur siegen, wenn der Andere unterging. l Seit Magnus aus dem Jugendknast heraus war, ließ er es langsam angehen. Seine Kumpels aus den Kindertagen hatte er abgehakt. Olaf und Piet waren Dummköpfe. Die dachten tatsächlich, das alles nur ein Spiel wäre, doch es war alles andere, als das. Magnus begriff sich selbst, als Überlebender. So hatte er es in den Filmen gesehen und so lebte er. Die auswendiggelernten Filmzitate steckten tief in ihm drin: „Kommt doch her! Ich schlucke eure Kugeln! Ich bin Tony Montana! ich stecke eure Kugeln alle weg! Ihr wollt mich umlegen!?" Tony Montana hatte sich in ihm breit gemacht. Tony, war keine Figur aus einem großartigen Film, sondern Wirklichkeit. Manchmal stellte er sich vor, einer von den ganz Bösen zu sein. Er dachte daran auf der Fernbedienung einen Knopf zu haben, mit denen er die ganzen Idioten, die ihm auf die Nerven gingen, einfach ausknipsen konnte. Und er wusste, das ausknipsen genau das richtige Wort dafür wäre. Morgen war Schulfest. Die größte Feier des Jahres. Ihn hatten sie natürlich nicht eingeladen, denn er gehörte ja jetzt zu den Aussätzigen. So, als würde ihm eine fürchterliche Krankheit anhaften. Grippe, oder Röteln oder Lepra. Viele Leute sprachen mit ihm. Die Lehrer. Der Direktor. Das Jugendamt. Passanten. Polizisten. Bauarbeiter. Sogar die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Magnus war gefährlich. Er sollte sein Verhalten überdenken. Sich ändern. Pah! Wieso? Sollten die Anderen sich doch ändern. Er ließ sich von niemandem vorschreiben, was er zu tun oder zu lassen hatte. Wieder presste er den Gewehrkolben an seine Schulter. Langsam suchte er sein Ziel. Sein Atem ging ruhig und kontrolliert. Er wurde ganz still und dachte an seine Mutter. An ihr Haar und ihre Stimme. Da wurde er ganz weich. Innen drin. Aber nach einigen Sekunden bezwang er dieses Gefühl, visierte eine Taube an und schoss ihr direkt ins Auge. Das kleine Köpfen flog nach hinten. Dann fiel sie vom Dach auf den Bürgersteig, genau in ihren eigenen Dreck. Ja, er würde zum Schulfest gehen und ihre Kinnladen herunterfallen sehen, wenn er durch das Tor spazierte. Er würde ihnen seinen wahren Charakter zeigen. Er war Tony Montana. Die Geißel Gottes. Das klang gut. Nach Endlösung. ERE Ich erwachte, an einem Dienstag, schweißgebadet in meinem Bett. Ein immer wiederkehrender Alptraum heftete sich an meine Fersen und ließ mich nicht entkommen: Eine dunkle Wüste mit zwei Monden und ein Gleis, der ins Nirgendwo führte. Finstere Mächte klammerten sich in meinen Gedanken fest und ließen mich nicht los. Meine Beine waren schwer, wie Blei und mein Körper steckte in einem Korsett aus Fischbein und während die Angst, wie eine Anakonda heranschlich und Besitz von meiner Seele ergriff, versuchte ich wegzulaufen. Doch wie sehr ich mich auch bemühte, mein Leib bewegte sich nicht von der Stelle. Ich war gefangen. ||||||||||||||||||||| In der Schule lief alles nach dem gewohnten Muster ab: Morgens aus dem Bett quälen. Zwei Butterkekse von Leibniz hinter die Kiemen schieben. Versuchen die Zacken zu zählen und nach 23 aufhören, weil die Zeit zu knapp wird. Mit hängen und würgen in die Klasse huschen und das verschwitzte Unterhemd auf der Haut spüren. Torsten die neuesten Nachrichten aus dem Musketier Heft erzählen und sich daran freuen, welchen Spaß er an diesen Geschichten hat. Versuchen auf dem Schulhof über den eigenen Schatten zu springen und feststellen, das es schwieriger ist, als erwartet. Auf der Treppe sitzen und so tun, als wäre man ein erfolgreicher Rockstar und das Kichern der Mädchen, als Bestätigung verstehen. Im Kunst Unterricht nickte ich regelmäßig kurz weg, da ich Nachts zu lange in dem neuesten Musketier Heft las und mir vorstellte D`Artagnan zu sein. Ich erlebte großartige Abenteuer mit meinen Freunden Athos, Porthos und Aramis. Das waren natürlich Bert, Uwe und Thomas. Schade, das wir aus dem Alter raus waren, wo wir mit Schwertern und Schilden gegen die Ungerechtigkeit der Welt kämpften. Michaela lächelte mir zwei Wochen zu und ich lächelte zwei Wochen lang zurück. Aber schließlich traf sie jemanden aus der Parallelklasse, den wir alle nur Doktor Schiwago nannten, weil seine Eltern russische Emigranten aus dem Kaukasus waren und schenkte ihm ihr zuckersüßes Lächeln. Er schien ein ganz netter Typ zu sein, aber da er mir das Mädchen weggeschnappte, kam er auf die schwarze Liste der Kobra Gang. Er würde schon sehen, was das bedeutete. Hoffentlich kamen wir nicht dazu es ihm sagen zu müssen, denn wir wussten es selber nicht. Wir fanden es bloß cool eine schwarze Liste zu haben und es ihm regelmäßig unter die Nase zu reiben. Wahrscheinlich machte er sich darüber keine Gedanken, weil er mit dem Namen Kasimir schon genug bestraft war. Der Direktor hatte mich seit einigen Monaten nicht gesehen, was alle mit Wohlwollen zur Kenntnis nahmen. Sowohl meine Mutter, als auch meine Oma und der Rest der gesamten westlichen Hemisphäre. So, redete ich es mir jedenfalls ein. Im Unterricht kam ich auch ganz gut mit, weil ich mit 18 nach Amerika auswandern wollte, um ein berühmter Sänger zu werden. Und damit mich niemand über den Tisch zog, lernte ich besonders gewissenhaft Mathe und Englisch. Fühlte sich gut an, ein Ziel zu haben. Frau Raszikowa meinte, mein Englisch würde von Tag zu Tag besser werden und sie wäre sehr froh, das ich endlich meinen Weg gefunden hätte. Ging es noch peinlicher? Weil ich nicht als Streber dastehen wollte, den Job hatte ja Siegfried Kanne schon, sagte ich: „Thank you Mrs. Raszikowa, aber der Siegfried ist ein Meister auf diesem Gebiet und ich werde ihn wohl nie überholen können.“ „Du stehst auf 1- und Siegfried auf 2+. Toll, wie du dich gesteigert hast Alex.“ Jetzt nannte sie sogar meinen Namen vor der ganzen Klasse. Das konnte ich unmöglich durchgehen lassen. „Also, die Engländer haben ja vor 150 Jahren alles daran gesetzt die Chinesen mit Opium unter Drogen zu setzen, um sie gefügig für ihre wirtschaftlichen Ambitionen zu machen.“ ,erklärte ich. „Oh, das hast du aber gut recherchiert, Alex.“ Das wurde schwieriger, als ich dachte, also schob ich die schweren Geschütze nach vorne. Genau, wie die Engländer. Und ich feuerte. „Mr. Siegfried Kanne is a perfekt Idiot and his China letters to his girlfriend Mrs. Raszikowa give him the best Notes in this school.“ So. Wenn das nicht reichte, wusste ich auch nicht. Unsere hübsche Englischlehrerin in dem engsten Pullover, den je eine Klasse gesehen hatte, wurde erst puterrot und dann bleich wie die Wand hinter der Turnhalle. Die hatte der Hausmeister erst vor zwei Tagen gestrichen. Die 6 in Betragen war mir sicher und damit würde ich dann auf die Note 3 rutschen. Das passte. Als ich fröhlich beim Direktor rein schneite schüttelte dieser nur den Kopf. „Mensch Meschke. Es lief doch alles wunderbar. Was ist bloß los mit dir? Warst du im Ausland und hast dir eine Krankheit eingefangen oder ist es einfach nur der ganz normale Teenager Wahnsinn?“ „Teenager Wahnsinn.“ ,sagte ich. „Aber es gibt Grenzen, die man nicht überschreiten darf, Meschke. Respekt. Meschke. Respekt.“ ,erklärte er mit enttäuschter Stimme. Da wurde mir klar, das ich Mist gebaut hatte. Eben noch strahlender Held mit allen Lachern der Klasse auf meiner Seite und im nächsten Augenblick der dümmste Dummkopf, den die Welt je gesehen hatte. Noch dümmer, als die Liesl mit ihrem Regenwurm. Jetzt wurde ich bleich und musste mich setzen. „Das wird schon Meschke. Die Frage ist immer, was kann man tun, um die Sache zu bereinigen. Verzweifle nicht an deinen Taten, sondern wachse an ihnen.“ ,erklärte der Direktor versöhnlich. Ich ging zurück in die Klasse. Klein. Eine Maus. Ein Wurm. Fühlte mich elend, verbraucht und alt. Wie ein Methusalem auf Haribo Entzug. Die Vögel hörten auf zu zwitschern. Alle hielten den Atem an. Selbst Kanne sah von seinem Streberbuch hoch und zog seine buschigen Augenbrauen nach oben. Ich stand in der Tür und mit krächzender Stimme und flauem Magen versuchte ich mich zu erklären: „Ich möchte mich bei ihnen entschuldigen, Frau Raszikowa, und bei Siegfried. Mein Verhalten war falsch. Ich..........entschuldigung.“ „Ich nehme deine Entschuldigung an.“ ,sagte sie sanft. Ich blickte den Rest der Stunde aus dem Fenster und sah einem Eichhörnchen zu. Es hielt eine Nuss zwischen den kleinen Pfoten und knabberte daran herum. Plötzlich blickte es mich mit seinen kleinen, schwarzen Knopfaugen direkt an. Mann war das süß. Ich musste an Joy denken. Komisch das sie so schnell weg waren. Komisch das ihr Vater ins Gefängnis gekommen ist. Bei unserem letzten Gespräch sagte sie, ihr Vater sei immer nett zu allen und besonders zu ihr. Was meinte sie damit? Was hatte ihr Dad getan? Die Schulglocke klingelte Sturm und die Freiheit füllte meinen Körper mit neuer Energie. Ich riss mich von meinen düsteren Gedanken los. Treffpunkt: Rückseite Sporthalle. Die Gang erwartete mich schon. Torsten zeichnete die Musketiere auf die frisch geweißte Wand und Hannes verteilte Zippen. „Für mich nicht. Meine Stimme ist mir wichtiger.“ „Aber wir rauchen alle eine.“ ,protestierte Hannes. „Und wenn alle von der Brücke springen, springst du auch!?“ ,entgegnete ich. „Du klingst, wie mein Alter.“ ,fuhr Hannes fort. „Und du, wie meine kleine Schwester.“ „Jungs. Vergesst doch nicht. Wir sind auf der gleichen Seite.“ ,mischte sich Thomas ein. „Auf dem Schulfest ziehen die Bräute bestimmt ihre schärfsten Klamotten an. Was meint ihr?“ ,fragte Bert. „Ich geh` als Krümelmonster.“ ,sagte ich. „Dann brauchst du nicht umziehen.“ ,warf Uwe lachend in die Runde. „Ich hab` neue Schuhe, mit Plateau und zwei fette Blasen an den Hacken. Zieh` ich trotzdem an.“ ,bestimmte Torsten wichtig. „Haste schon mal ein Mädchen geküsst?“ ,wollte Hannes wissen. „Nö. Aber heute.“ ,meinte Torsten und sah dabei, wie ein Feuermelder aus. „Mann, der Rauch zieht immer zu mir rüber.“ ,meckerte ich. „Bist du ein Mädchen, oder was?“ ,rief Hannes. Boah, der nervte mich total. „Ich bin WAS.“ ,schrie ich ihm ins Ohr. „Ganz ruhig Jungs.“ ,beschwichtigte Thomas. „Jetzt gebt euch mal die Hand.“ Widerwillig grabschten wir nach den Flossen des Anderen und warfen uns, mit Giftpfeilen bespickte, Blicke zu. Als mein Blick kurz abschweifte, entdeckte ich einen Regenwurm, der vermutlich der Goliath unter allen Würmern war. Der glotzte mich ziemlich unverschämt an, was merkwürdig genug war, weil Regenwürmer zwar 5 Herzen, aber keine Augen haben. Bei unserem Direktor fand ich vor ein paar Monaten ein Buch über die Ordnung der Wenigborster, zu denen ja bekanntermaßen die Regenwürmer gehören. Dort stand, das sie innerhalb der Ringelwürmer zur Klasse der Gürtelwürmer zählen und das es ungefähr 600 Arten gibt. Also, ich dachte schon, das ist irgendwie bekloppt, weil ich es spannend fand diese Dinge zu erfahren, aber ich las das Buch an zwei Abenden mit 5 Tüten Chips und einer Kiste Cola an meiner Seite. Und da wir gerade so viel über Würmer erfuhren: Michaela trabte mit Doktor Schiwago, Hand in Hand, so auf lässig, an uns vorbei. „Na, Jungs. Alles im Lot?“ ,säuselte sie. Hähhhhhhhhhhhhhhh. Wie jetzt? Was ging hier denn ab? Sah ich vielleicht, wie die örtliche Fußmatte aus? Oder der Volltrottel aus Gütersloh, der nicht mal bis 3 zählen konnte? Erst entschied sie sich für: Kasimir Schrägstrich Doktor Schiwago - Den größten, hundsgemeinen Mädchenklauer der ganzen Schule - ….......und jetzt machte sie auf witzig und stellte mich vor meinen Kumpels bloß. „Michaela hat mir erzählt das du auf Elvis stehst. In Russland hatte ich Leistungskurs Englisch. Ich hab` dir ein paar Texte raus geschrieben.“ ,sagte er. Kasimir reichte mir die Blätter. Hielt er mich für einen Idioten? Natürlich wollte ich die Texte. Und natürlich konnte ich sie auf keinen Fall annehmen und fragte stattdessen, in einem herablassenden Tonfall. „Wie läuft`s in Kasachstan? Mal wieder auf einem Rentier geritten?“ „Rentiere sind nicht so mein Ding. Ich dressiere Bären, die dann für mich dumme Fragen beantworten. Bei uns ist es nämlich nicht üblich andere mit Schwachsinn vollzutexten.“ ,erklärte er mir. „Und bei uns ist es nicht üblich anderen die Freundin auszuspannen.“ sagte ich. Wir standen uns, wie zwei Gunmen, aus der guten alten, Zeit 1881, gegenüber. Revolverhelden aus dem wilden Westen Amerikas. Tombstone. Eine staubige Straße. Links und rechts gesäumt von Holzhäusern. Abblätternde Farbe. Knarrende Türen und Frauen in bauschigen Kleidern mit Sonnenschirm. Der Saloon. Eine Bank. Die Stallungen. Dazwischen immer wieder Privat Häuser. Das Büro des Sheriffs, nebst Gefängnis. Und dahinter der OK Chorall. Dort wo der große Kampf stattfinden würde. Ich stellte mir immer vor, Doc Holliday zu sein. Ein Spieler, Zahnarzt, Frauenversteher und schießwütiger Gentleman. -Neunmal kämpfte ich, um mein Leben und tötete 7 Männer. Böse Zungen behaupteten es wären nur 3 gewesen. Alles Lüge. Ich muss es wohl wissen, denn ich war dabei. Zu jener Zeit war ich mit einer widerspenstigen Lady namens Big Nose Kate zusammen. Die machte mir das Leben wirklich zur Hölle, aber tief in ihrem Innern hat sie mich geliebt und ich sie auch.- Da mir dieser Gedanke bis in die Haarspitzen gefiel, legte ich den Kopf etwas schief (sehr effektvoll) und schaute ihn von unten nach oben an. „Um 4 an der gleichen Stelle.“ ,sagte ich mit dunkler Stimme zu Kasimir und stakste, mit meinem John Wayne Gang davon. So, ich hatte meine Position klar gemacht und ihm gezeigt, wer hier der Macker war. Jetzt musste ich mir nur noch überlegen, wie ich aus der Nummer wieder rauskam. Auf dem Weg nach Hause traf ich den Herrn Pumpelmeier. Der war wohl auf dem Trip zu einem Auftritt, denn er hatte seinen Gitarrenkoffer dabei und trug einen schwarzen Cowboy Hut. Seine, am Hacken abgeschrägten, spitzen, mexikanischen Boots besaßen vorne einen gravierten Metall Überzug. Die Bullenpeitsche an seinem Gürtel fand ich einen Tick zu viel, aber wer wusste schon, was einem alles auf seinem Weg zum Gunslinger Event begegnen würde? Vielleicht eine Herde Longhornrinder, die in einer Stampede über die Straßen Hamburgs hetzten, weil ein Blizzard sie so sehr verschreckte, das sie vergaßen, wo sie waren und wie sie hießen. Ich stellte mir den Herrn Pumpelmeier auf einer Klippe über dem Grand Canyon vor. Auf einem schwarzen Hengst sitzend und Lonesome Cowboy von Elvis singend. Stilbewusst rief er mir im amerikanischen Slang etwas zu, das wie: „Howdy Partner!“ klang. Ich überlegte was ich wohl Cooles entgegnen konnte. Leider fiel mir nichts ein, also winkte ich einfach und kam mir ziemlich blöd dabei vor. Er lächelte und schon verschwand er im Laden von Herrn Schlichting. Überlegte, ob ich auch reinschauen sollte, um mir das neueste Musketierheft zu holen. Dann fiel mir ein, das ich kein Geld hatte und ging nach Hause. Das Schulfest sollte um 4 starten. Schaute auf die Uhr. 3. Also noch Zeit. Legte mich aufs Bett und starrte an die Decke. Meine Gedanken wirbelten durch den Raum, wie ein verschreckter Haufen grüne Grillen und schlingerten sich über meinen Schreibtisch zur Deckenleuchte und wieder in mein Hirn. „Wieso war das eigentlich so schwierig mit den Mädchen? Warum konnte man ihnen nicht einfach sagen, das man sie mochte? Nochmal mit Michaela zusammen kommen zu wollen, war Blödsinn! Wieso, war die Haut von Mädchen eigentlich so viel weicher, als bei uns? Und..... Wie ging es eigentlich mit D Artagnan weiter? Mist das ich kein Geld mehr hatte. Der Spruch ist Spitze: „Einer für alle und alle für einen.“ Hätte von mir sein können. Als Musketier kannte man bestimmt viele Mädchen. Die anderen Girls aus der Klasse sprachen mich überhaupt nicht an. Ingrid machte mir seit 3 Wochen schöne Augen, die ich versuchte zu ignorieren. Nicole knuffte und buffte mich, um mir ihre Zuneigung zu zeigen. Alles uninteressant. Wen gab es noch?“ Die Liesl. Die hatte sich ganz schön verändert. Keine Zöpfe mehr. Keine Faltenröcke. Keine Regenwürmer. Die schaute mich auch auf so eine seltsame Art an. Schöne Lippen hatte die. Verdammt schöne Lippen. Irgendjemand warf kleine Steinchen an mein Fenster. Ich öffnete es und schaute hinaus. Da stand tatsächlich die Liesl. Das musste ein Zeichen sein. „Hi.“ ,sagte sie. „Hi.“ ,sagte ich. „Gehste auch zum Schulfest?“ ,fragte sie. „Bin der Hauptakt.“ ,meinte ich „Wieso?“ „Hab ne` Band. Wir spielen Mystery Train.“ „Von Elvis?“ „Yep!“ „Cool. Bist du der Sänger?“ „Yep!“ „Hast du jemanden, mit dem du hingehst?“ ,fragte sie. „Nö. Hab` keinen.“ „Wollen wir zusammen gehen?“ „Krieg ich jetzt einen Zettel mit JA NEIN VIELLEICHT ?“ „Nur mit JA “ ,sagte sie und lachte. Die Liesl sah toll aus. Eine ganz enge Jeans und bauchfreies rotes Top. Bauchfrei fand ich gut. Genauso, wie lange Wimpern. Lange Wimpern waren der Ferrari unter allen abgestorbenen Zellen. Sogar noch besser, als rote Fingernägel, die übrings aus dem gleichen Material bestanden. Nämlich aus Keratin. Das wäre auch eine gute Story. >Das Mädchen aus Keratin.< Eine Erzählung die ich für Torsten schreiben wollte: Dieses Mädchen würde aus dem East End in London kommen und sehr zerbrechlich sein. Sie könnte in einem schäbigen Haus bei ihrer Stiefmutter leben. Ihren Vater hätten sie versehentlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aufgrund einer Zauberei bestand das Mädchen komplett aus Keratin und ihre Lebenszeit war begrenzt. 5 Jahre blieben ihr noch, dann würde das Keratin, das ihren zarten Körper zusammenhielt abfallen und sie würde aufhören zu existieren. Sie nahm sich vor, die ihr verbleibenden Jahre zu nutzen und ging nach Transvaal um Gold zu schürfen und etwas über die Liebe zu lernen. Die Versuchung folgte ihr in Form eines gutaussehenden Mannes und....... Naja, ist ne` andere Geschichte. Zurück zur Liesl. Wagenrad Ohrringe und in Locken gelegte, blonde Haare, mit einer goldenen Spange. 13 Sommersprossen. So ein verschmitztes, geheimnisvolles Lächeln, wo du nicht wusstest, ist das Zuneigung oder bloß Verachtung. Feine, helle Härchen auf dem Oberarm, aber keine im Gesicht. Mit fünf Worten: Sie sah zum Anbeißen aus. Sie war mein Sahnebesee. „Kommst du?“ ,fragte sie ungeduldig. „1 Sekunde.“ ,rief ich zurück. „1.“ ,sagte sie und lachte. Ich hatte mir zu diesem wichtigen Anlass Bühnenklamotten zugelegt. A: Eine zerfetzte Jeans, in die ich zahlreiche Reißverschlüsse eingenäht hatte. B: Ein blaues Hemd, das die gleiche Farbe, wie meine Augen hatte. SCHWARZE, geliehene Schuhe von Herrn Pumpelmeier. Haargel. E: Eine schwarze Unterhose auf der in neongelb Rockstar stand. Wir hatten es nicht weit zur Schule. Nur die Straße runter und dann links. Liesl nahm meine Hand und hielt sie ganz fest. „Ich wollte schon immer mit dir zusammen sein.“ ,meinte sie. „Das beweist deinen guten Geschmack.“ ,entgegnete ich trocken. Innerlich zitterte ich wie 20.000 Regenwürmer die am Haken hingen. „Ich leg` mir einen neuen Namen zu. Ich nenn` mich jetzt Candy.“ ,meinte sie. „Ich auch.“ ,sagte ich. „Dann würden wir beide Candy heißen. Ist doch eher ungünstig.“ ,lachte sie. Ich hatte gar keinen. Ich sagte das nur, weil sie das sagte. Jetzt aber schnell. ?????????????????????????????????????????????????????????????????????? A: Elvis? B: Engelbert Humperdinck? Der Lord von Barmbek? The Rock? Rocky. „Ich steh` auf Rock`n Roll.“ ,erklärte ich. „Ab heute heiße ich Rocky.“ BAMM Das knallte voll rein. Ich hatte es geschafft. Ich war der König von Lummerland. A: Kobra Gang B: Eigene Band Eine coole Freundin Einen spitzen mäßigen Spitznamen. Die besten Freunde der Welt. Als meine Füße und der Rest des Körpers durch das Schultor schritten, machte ich gleich erst mal auf Macker, damit alle sofort wussten woher der Wind blies. Denn ich war schließlich der LEADSÄNGER! Leider schien das keiner zu bemerken, denn alle waren noch mit der Dekoration beschäftigt. Das Schülerkomitee gab sich große Mühe, die alten Gebäude und den schäbigen Schulhof gut dastehen zu lassen, aber es wurde überdeutlich, das Mühe allein nicht reichte. Die bunten Fähnchen und die gebastelten Girlanden aus Stanniol Papier sahen aus, als hätten sie 3 Jährige in Taiwan hergestellt und ihre 4 jährigen Schwestern sorgten für weiße Pfingstrosen aus handgesägtem Asbest. Irgendjemand kam auf die glorreiche Idee große Tücher aus der Batik Gruppe des örtlichen Männergesangsvereins vom Geländer abzuhängen und schlaue Sprüche darauf zu platzieren: A: Die Welt ist zuckersüß! [ Würg. ] B: Lachen ist die beste Medizin! [ Wir waren 14. Nicht 40. ] Rettet die Welt, lest Comics! [ Fand ich gut. ] Keinen Strom aus der Steckdose! [ Hä. ] E: Alle Lemminge an Bord! [ Kam von Uwe. Witzig! ] Irgendjemand, wahrscheinlich Siegfried Kanne, war wohl der Meinung die verbeulten und verrosteten Draht Mülleimer könnten einen neuen Anstrich vertragen und sprühte sie mit neongelber Farbe an. Das hatte zur Folge, das alle Insekten von Nah und Fern sich an diesen Sammelpunkten trafen und nun ihrerseits dort ein rauschendes Fest feierten. Ich gab allen, vorsichtshalber schon mal Namen: A: Willy > Floh B: Sarah > Grille Francine > Libelle Bruno > Nashornkäfer E: Gisela > Hummel Kanne versuchte sich bei allen lieb Kind zu machen. Das wirkte so verdammt verzweifelt, das er mir schon fast leid tat. Natürlich konnte ich das keinem zeigen, denn Streber standen in der Klassen Hierarchie ganz weit unten. Sogar noch tiefer, als der Klassentrottel, was nichts über Kannes Intelligenz aussagte, aber über sein Timing, wenn es ums Erzählen von Witzen ging, oder darum, den Lehrern eins auszuwischen. Also wir sahen das so: Wir, die ausgebeuteten Schüler, saßen Tag für Tag auf den extra harten Stühlen diesen Instituts und fühlten uns hintergangen und ausgenutzt. Wir verstanden nicht, warum wir auf biegen und brechen wissen mussten wer Alexander der Große war und warum Pythagoras auf dicke Hose machte, weil er gut in Mathe war. Physik erschien uns ebenso nutzlos, wie Chemie und Herr Röntgen. Ich brauchte keine Bilder von meinem Oberschenkelknochen. Wir wollten nicht IN den Körper, sondern AUF den Körper schauen. Aber das durften wir nicht. Um nackten Tatsachen ins Auge zu blicken, musste man schon sehr erfinderisch sein. Also schickte die Kobra Gang ihren besten Spion ins Gefecht: Den heiligen Thomas. Er war mit allen Kniffen und Finten, die es für eine erfolgreiche Beschaffung dieser Bilder brauchte, vertraut. Da ich vor längerer Zeit, beim Direktor etwas über Frau Mutzenbacher, ausbaldowert hatte, wussten wir WO es zu finden war. Thomas konnte das WANN und WIE beisteuern. Unser Herr Direktor baute sich mit den Jahren eine umfangreiche Bibliothek erotischer und wissenschaftlicher Literatur auf. Thomas stellte an einem Freitag einen Antrag, in den Büchern des Direktors mit einem Klassen Team forschen zu dürfen, um mehr über das sich ausdehnende Universum zu erfahren. Der Direktor war sofort über so viel Enthusiasmus begeistert und genehmigte es. „Meine lieben Meschkes, es ist mir eine Freude sie hier, in meinen Hallen, zu begrüßen.“ ,rief er. „Oh, ja. Wir wollen nicht Abseits stehen und unseren Beitrag für unser kleines Völkchen beisteuern.“ ,rief auch ich. „Ja. Denn wir spüren, das wir nur zusammen etwas in diesem Staat und dieser Schule erreichen. Wir wollen wachrütteln und erkennen.“ ,rief Thomas, als glaubte er selbst daran, etwas überaus Wichtiges gesagt zu haben. „Ja. Sicher. Denn der Fortschritt ist............ist..........ÄH.“ ,stotterte Uwe. „Unaufhaltsam.“ ,rettete Bert ihn aus dieser Sackgasse. „Genau.“ ,steuerte Hannes bei. Unser Direktor lächelte über alle vier Backen. Es ist so einfach die Menschen glücklich zu machen, dachte ich bei mir und zog mit der Gang ins Nebenzimmer zu Frau Mutzenbacher. Wir fanden sie auch recht zügig und waren ebenso schnell enttäuscht, denn es gab keine Bilder, sondern nur ellenlange Monologe und Texte. Wer, zum Teufel, wollte denn Buchstaben, die zu Wörtern und Sätzen wurden? Niemand! Enttäuscht verließen wir diesen Ort der Nichtbilder und schlurften deprimiert zu Oma`s Schlemmerparadies, um uns mit einer extra großen Portion Eis, mit doppelt Sahne, zu trösten. Eine Zeitlang stritten wir, wer von den Mädchen aus der Klasse wohl die größten Brüste hätte, doch, als ich sagte ich würde einen knackigen Po Mega Brüsten vorziehen, wollten mich diese Banausen, wie damals im wilden Westen, Teeren und Feder UND aus der Kobra Gang werfen. Nun ja. Die Welt drehte sich weiter und wir uns mit ihr. Diese Vorstellung allein, war schon schräg genug, um den Verstand zu verlieren, denn die Erde bewegte sich mit 220 Stundenkilometern pro Sekunde im Sonnensystem und aus irgendeinem Grund merkte die Menschheit nix davon. Außer mir, denn, wenn ich manchmal in der Nacht wach lag und an die Decke starrte, wurde mir ganz schön schwindelig. Also. Liesl und ich wanderten in der Schule umher. Ich machte auf Rock`n Roll und meine Tolle wippte im Takt der Schritte, die ich in den schwarzen Boots von Herrn Pumpelmeier tat. Dazu trug ich meine Lederimitat Jacke mit der amerikanischen Flagge auf dem Ärmel und im Schlepptau hatte ich meine Freundin, die Liesl. Also. Das fühlte sich schon mal gut an. Dann geschah etwas seltsames. Der Mond ging riesengroß über der Sporthalle auf. Eine Fledermaus flog eine Acht nach der anderen. Die Acht ist ja bekanntermaßen ein Unendlichkeitssymbol. Ich musste mich setzen und mal über das Leben, so im allgemeinen, nachdenken. Noch 4 Jahre, dann war ich 18. Nochmal 18 war 36. Plus 20 = 56 . Das wäre über ein halbes Jahrhundert und was hätte ich dann vorzuweisen? Nur eine Lederimitat Lederjacke mit einer Flagge drauf! Mann. Aus welchem Grund machte ich mir all diese bescheuerten Gedanken? Manchmal fühlte ich mich, wie das Mädchen aus Keratin. Musste endlich anfangen das Leben zu genießen und nicht immer wieder in diesen Schwachsinn abgzugleiten. Ich war verärgert über mich selbst. Kurz davor, wie ein 3 jähriges Mädchen zu flennen. Mein Freund Bert schlug mir auf die Schulter und holte mich aus der Dunkelheit. „Komm schon, wir haben unseren Auftritt.“ sagte er lachend und zog dabei eine Grimasse. „Sind sie bereit Dr. Frankenstein?“ „Der Dr. ist bereit, das Experiment zu starten. Folgen sie mir Igor. Wir wollen etwas Außergewöhnliches erschaffen. Etwas, derer man sich an uns erinnern wird.“ ,sprach ich in dunkler, mysteriöser Stimme zu Bert. Er beugte sich nach vorn und tänzelte, als affenartige, Buckel gebeugte Kreatur vor uns her und brachte etwas Pepp auf den Schulhof. Mumien. Monstren. Mutationen. Schnell noch mal auf Toilette. Auf dem Weg dahin sah ich eine bekannte Gestalt. „Hi. Buddy.“ ,flüsterte Magnus. Sofort begannen meine Hände zu schwitzen und die Nackenhaare stellten sich auf. „Begrüßt man so einen alten Freund. Hast du nichts zu sagen?“ ,fuhr er fort. „Oh. Sicher. Hat der Jugendknast alle entlassen die ein Schädeltrauma haben?“ „Willst du auf die Fresse?“ „Nicht unbedingt, aber ich lass mich auch nicht mehr rumschubsen.“ ,sagte ich. „Ich mach dich fertig.“ ,erklärte Magnus mit bösartiger Miene. „Nun mal nicht so schnell, mit den lahmen Gäulen, wir sind hier nicht in Tombstone.“ ,ging Kasimir dazwischen. Um meiner Überraschung Ausdruck zu verleihen stieß ich ein „Hah!“ hervor. Magnus kam mit schnellen Schritten auf mich zu. Da stellte sich Bert in seinen Weg. Dann Uwe und Thomas. „Was wird das? Meint ihr das soll mir Angst machen. Ich mach euch alle kaputt!“ ,schrie Magnus und sein Gesicht rötete sich, wie eine überreife Paprika. „Einer für alle und alle für einen.“ ,schrie Kanne aus sicherer Entfernung. Aufgrund dieses Einwurfs, gab es eine kleine Pause. „Du hältst dich für Böse? In Kasachstan gibt es das Böse an jeder Straßenecke. Da hungern die Kinder und die Menschen leiden. Da gibt es kleine Teufel, die dir für ein Stück Brot den Arm abreißen. Ich bin einer von diesen Teufeln.“ ,sagte Kasimir. Magnus wurde unsicher, doch schließlich straffte er seinen Körper und tat einen Schritt nach vorn. Er war entschlossen lieber unterzugehen, als aufzugeben. Er war Tony Montana. Ihm gehörte die Welt. Plötzlich stellte sich Candy vor ihn und gab ihm eine Ohrfeige. Fassungslos stand Magnus da. Er wurde zurückversetzt in seine Kindheit. Er dachte an die Schläge seines Vaters. An den gebrochenen Unterkiefer seiner Mutter. Am liebsten hätte seinen Alten umgebracht. Aber die Liesl konnte er nicht umbringen. ++++++++++++++++++++++++++ Ein Blatt fiel vom Baum. Das Letzte des Jahres. Der Winter hatte begonnen. Eine Schneeflocke segelte langsam herunter. Es wurden zwei, vier, acht, vierzehn. Wir gingen einfach weg und ließen Magnus da stehen. Was interessierten uns die Magnusse aus unseren Kindertagen. Wir waren Freunde und das würde immer so bleiben. „Hey KA. Ich nehm` die Texte.“ ,sagte ich zu Kasimir. Er nickte nur kurz in meine Richtung. Damit war auch das geklärt. Ich nahm Candy in den Arm und küsste sie direkt auf den Mund. Sie schmeckte nach Zuckerwatte. Die anderen bewegten sich keinen Millimeter und starrten mich einfach nur an. Ich versuchte ihnen zuzuzwinkern, bekam es aber nicht richtig hin. Egal. Ich war trotzdem der King. Auf der Bühne klotzten wir richtig ran. Mystery Train machte alles platt. Die Welt gehörte uns. Alle waren der Meinung, das dies wohl die aufregendsten 2 Minuten der gesamten Schulzeit waren. Naja, bis auf die Tatsache, das ich noch ganz schön mit der Liesl, im Haus ihrer Eltern, rummachte und der Rock`n Roll mein stiller Teilhaber wurde. Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte. August 2020 von Axel Bruss
  14. Ein neuer Morgen Geschichten vom Erwachsen werden Teil 5 Die Welt stand wieder mal am Abgrund. RAF Terrorristen hielten Deutschland und Hamburg und unsere Eltern in verzweifelter Atemlosigkeit. Irgendjemand kidnappte irgendjemanden. Menschen starben, Bomben explodierten und alle redeten von einem neuen Staat. Kommunistische Demonstrationen überschwemmten die Innenstadt und Kappenträger mit einem roten Stern auf ihrer Mütze versuchten die Leute von einem besseren Leben unter Marx und Engels zu überzeugen. Atomkraftwerke wurden eröffnet und langhaarige Männer und Frauen in Schlabberklamotten waren dagegen. Bischöfe unterrichteten kleine Jungs in Dingen, die sie nicht wissen sollten und kamen ungeschoren davon. Wir wussten von alldem nichts, denn obwohl wir die Kobra Gang waren interessierten uns nur die wirklich wichtigen Dinge: A: Wer, war mit wem und wie lange zusammen? B: Warum haben sie Schluss gemacht? Weshalb hatte sie keinen Freund? Wo war der beste Platz zum Schmusen? E: Wann würde es endlich zum Ersten Mal, bis zum Äußersten gehen? Isabel und ich waren immer noch nicht zusammen. Bert wurde ständig von einem Typen, namens Gloster gehänselt. Der kam aus Irland und hatte echt fiese Nasenflügel. Die bewegten sich immer, wenn er wütend war. Er schien wohl zu glauben, das die Sesamstraße wirklich existierte, denn er fragte ständig, ob Ernie nun der Liebhaber von Bert sei oder, ob er es sich nur gern selber machte. Mich verglich er mit Oscar aus der Mülltonne und Uwe sollte sich einen Lodenmantel zulegen, damit er dem Krümelmonster noch ähnlicher wurde. Thomas wurde von ihm zu dem besten Grobi ernannt, den er jemals gesehen hatte. „Leute. Ich bin doch kein Grobi. Das ist ein Trottel. Wenn ich jemand bin dann dieser Dracula Typ. Graf Zahl.“ ,meinte er. „Du kennst dich ja gut aus.“ ,lachte ich. „Meine Schwester guckt das immer.“ ,erklärte er. „Sicher. Und mein Onkel Adolf hat eine Schweinefarm in Australien.“ ,sagte ich. „Willst du behaupten ich lüge?“ ,fragte er ärgerlich. „Deine Schwester ist 17.“ ,sprach Bert. „Ich weiß nicht, wieso du dich jetzt einmischt. Du bist der Grund für diese Probleme mit Gloster.“ ,rief Thomas. „Ich kann doch nichts dafür, das meine Eltern meinten, sie müssten den beklopptesten Namen für mich raus suchen, den es auf der ganzen Welt gibt.“ ,erklärte Bert genervt. „Der Einzige der wirklich Schuld hat, ist Gloster.“ ,sprach Uwe. „So sehe ich das auch. Vollversammlung um 6.“ ,bestimmte ich. Eindeutig ein Fall für die Kobra Gang. Wir befanden uns mittlerweile auf dem Olymp aller Gangs. Denn wir fühlten uns für alles verantwortlich. Das Wetter. Die Müdigkeit. Die Mädchen. Das Lachen und Fußball Sammelbilder. Wir wollten alles verbessern. So, wie die Superhelden in den Comics, die wir uns immer reinzogen. Iron Man. Spiderman. Batman. Superman. Aquaman. Ant-Man. Hauptsache Man. Wir glaubten an Gerechtigkeit und Mickey Maus. Jeden Donnerstag übten wir unsere Superkräfte, denn wir hatten gelesen das die nur verschüttet wären, unter unserem Alltags Geröll. Unter zu viel Englisch, zu viel Mathe und zu viel Deutsch. Das machte total Sinn und deshalb beschlossen wir, wieder zu unseren Wurzeln zurückkehren. Also, was ich damit sagen will: Wir waren Helden! Uwe, zum Beispiel starrte Blumen an, bis sie verwelkten. Der Zerstörer. Thomas konnte Gläser kaputt rülpsen. Er nannte sich Der Brecher. Hannes redete oft mit seinem verstorbenen Bruder. Der Geisterjäger. Bert streichelte mal eine Katze, die dann aufhörte zu atmen. Der Katzenmann. Ich schrieb Gedichte und ließ Mädchenherzen höher schlagen. Der Heartbreaker. Wir führten eine auch eine Gefahren Liste: Gloster Der Sandman ( Gegenspieler von Spiderman ) Dr. Speichelalptraum. ( Unser Schularzt mit feuchter Aussprache ) Siegfried Kanne ( Streber und Petzer ) Joy ( Jungsherzenklauerin ) Wir fanden das Joy eigentlich nicht auf die Liste gehörte, aber uns fiel kein anderer 5 er ein, der uns nervte. Joy war eine von den Hammer Mädchen an die wir nie, nie, nie ran kamen. Auch nicht, wenn wir diesen Goldschatz von Käpt`n Kidd finden würden. Oder Uwe sich einer, längst fälligen Nasenoperation unterziehen würde. Joy umgab diese überirdische, nicht zu fassende, Aura. Ihre Topfigur wurde nur durch ihr Lächeln und ihre freundliche Art übertroffen. Niemand konnte ihr böse sein. Alle liebten sie. Sogar ihr Vater. Aber, da war auch immer etwas trauriges. Sie war, wie die Gedichte von Novalis. Voller Melancholie. Wie ein Herbsttag ohne Sonne. Doch kommen wir zurück zum Thema. Da wir gerade so beisammen saßen überlegten wir weiter: „Wir sollten nicht mehr Kobra Gang heißen, sondern die magischen 5 oder so.“ ,erklärte Hannes. „Nein. Das ist bescheuert. Lieber was englisches. The Fantastic 5.“ ,meinte Bert. „Sowas ähnliches gibt es schon.“ ,sagte ich. „Außerdem brauchen wir keinen neuen Namen. Wir sind die Kobra Gang. Fertig.“ „Richtig.“ ,stimmte Thomas zu. „Richtig.“ ,sagte Uwe. „aber für den Fall das nicht.....wäre The Underdogs richtig cool.“ Ich stimmte ihm zu und versprach mich zu melden, wenn wir einen neuen Namen brauchten. Damit beendeten wir die Versammlung und trotteten nach Hause. Das es eigentlich, um diesen Spasti Gloster ging, hatten wir völlig verdattelt, aber morgen war ja auch noch ein Tag und der Superhirni Gloster, würde sicher bis dahin auf seinen Sesamstraßen Untergang warten können. Der Wind pfiff um die Ecken und ich spürte das sich die Kälte bei mir unterhakte und sich ganz eng an mich schmiegte. Bald würde es schneien. Brauchte unbedingt eine neue Winterjacke. Und vernünftige Schuhe. Die letzten waren von meinem Bruder. So ganz olle, braune, zertretene Galoschen. Wer, zum Teufel, zog denn braune Schuhe an. Die mussten doch schwarz sein. Und was ich mir in der Schule alles anhören musste. Alter Schwede. Kuhfladen Treter. Neger Latschen. Schweinepriester Sandalen. Das nervte kolossal. Da fiel mir ein das ich lange nicht zum Direktor abkommandiert wurden war. Das würde ich gleich morgen ändern. An der Ecke zur Pferdekoppel passte mich Gloster ab: „Wo sind deine schwulen Freunde?“ „Was?“ „Ernie und Bert.“ ,sagte er schnippisch. „Bin grad` auf dem Weg zu ihnen. Wir wollen zusammen mit Bibo den Apfelbaum plündern und dann, mit Kermit, so richtig einen drauf machen.“ Erklärte ich mit schlotternden Knien. „Du bist ganz schön frech.“ Dann kam er mit großen Schritten auf mich zu und gab mir eine Ohrfeige. „Damit du dir das merkst.“ ,sagte er. Ich lief weg und weinte. Nicht wegen dem Schmerz, sondern weil ich so ein Feigling war. Es war nicht das letzte Mal, das Gloster uns das Leben zur Hölle machte. Aber an einem Dienstag, direkt nach der Schule, kam ein großer Junge aus der 9ten auf ihn zu und drückte ihn gegen die Wand. Seine kleinen Füße hingen in der Luft und seine Arme schlackerten marionettenhaft hin und her, als er ihn schüttelte. „Du kleiner Pisser. Wenn du nochmal meinen kleinen Bruder schlägst oder ihn auch nur blöd von der Seite anguckst mach ich dich platt.“ ,schrie er Gloster an. So ein großer Bruder ist eine gute Sache. Da waren wir uns einig. 2 Monate später wurde Super Vollpfosten Schurke Gloster von der Schule geschmissen und wir hatten unsere Ruhe. Ich bekam eine 1 im Betragen und eine Auszeichnung vor der ganzen Schule, weil der Direktor meinte, von allen Idioten in der Lehranstalt hätte ich mich am wenigsten, als solcher Verhalten. Ich überlegte, wie ich aus der Nummer wieder rauskam, aber mir fiel nur ein das ich unbedingt den Heimweg antreten musste. Denn zu Hause gab es Spaghetti. Die aus der Packung, mit der fertigen Soße. Lecker. Danach verzog ich mich in mein Zimmer und überlegte, was ich mir selbst für Ziele setzen konnte. Was wollte ich erreichen? Nach einer Tüte Chips und einer Flasche Cola saß ich immer noch grübelnd im Schneidersitz auf dem Schreibtisch und hatte keinen blassen Schimmer, was das wohl sein könnte. „Komm schon streng dich an, Alex. Du kannst das. Sei nicht einer von diesen anderen Loosern. Aus dir soll doch was werden.“ ,sprach ich zu mir selbst. Ich hatte extra das Wort vernünftig weggelassen, weil ich alles werden wollte, nur nicht vernünftig. Die Erwachsenen sprachen immer davon, wie wichtig das war, aber bekamen ihr eigenes Leben nicht auf die Reihe. Mann, mein Onkel war Entbeiner. Leute! Das Wort war schon schrecklich. Warum sagen die Leute nicht Schlachter? Also am besten erst mal eine Liste von Sachen, die ich nicht werden wollte: A: Entbeiner! B: Direktor! Raucher! Verkäufer! E: Fußgänger! So. Und jetzt weiter: A: Schauspieler! B: Sänger! Cowboy! Schriftsteller! E: Millionär! Geht doch. Pinnte die Liste an die Wand und stellte mich davor. Ein Mann musste ein Ziel im Leben haben und einen Baum pflanzen und ein Kind zeugen. Das sagte mein Onkel immer. Langsam kam ich drauf, das ich mich viel zu sehr von anderen beeinflussen ließ. Denn, wenn jemand Adolf heißt und Tieren die Beine abhackt, ist er wohl nicht der richtige Ratgeber für mein Leben. Und da ich grad` dabei war, stellte ich gleich noch ein Paar Regeln für mein Leben auf. A: Jeden Tag rasieren. B: Mädchen besser verstehen. Auf meine eigene Stimme hören. Mehr Obst essen. E: Jeden Tag auf der Gitarre üben. Jetzt ging ich erst mal schlafen. Mist. Schon wieder vergessen Zähne zu putzen. Egal. Kam auf die Liste. Ich verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte an die Decke. Da gab es einen Riss, quer durchs Zimmer. Stellte mir vor, das dies ein Fluss sei. Auf der einen Seite die Indianer. Auf der Anderen die amerikanische Armee. Wounded Knee. Überlegte ob ich lieber eine Rothaut, oder ein Soldat sein sollte. Wollte lieber zu den Siegern gehören. Bert entschied sich immer für die Indianer Das verstand ich überhaupt nicht. Wollte er nicht gewinnen? „Ich gewinne die Herzen der Menschen mit meiner Tat.“ , erzählte er. „Häh!“ ,erwiderte ich entschieden und ärgerlich über seinen Großmut. „Die Indianer brauchen jede Unterstützung, die sie kriegen können.“ ,fuhr er fort. Ich nahm mein Gummimesser heraus und stach ihm ins Herz. Damit, war er raus aus dem Spiel. Nachdem er zwei Tage nicht mit mir geredet hatte, hab` ich mich entschuldigt. Danach wollte er nie wieder der Indianer sein. Das tut mir bis heute leid. Ich schloss meine Augen und dachte an Isabel. Wieso, war die so doof zu mir? Ich gab doch wirklich alles. Vielleicht musste ich einfach cooler sein. ????????????????????????????????? Thomas meinte: „Du musst sie an der kurzen Leine halten. Sie müssen auf DICH zu kommen. Du machst auf Gentleman und feinfühliger Schurke. Genau das lieben sie. Du bist ein Geheimnis. Sei nett, wenn sie es nicht erwarten und gemein, wenn es nötig ist.“ Wo hatte er das alles her? Bestimmt aus irgendwelchen Filmen, die man erst ab 18 gucken durfte. Ich wusste nicht genau was er meinte. Sollte ich mich verstellen? Sollte ich jemand anders sein? Stellte mir vor, wie Isabel und ich auf einer Klippe standen. Der Wind zerzauste ihr Haar und sie fror. Ich nahm sie fest in meine starken Arme und sie lud mich in ihre Berghütte auf ein Glas Malzbier ein. Lecker. Dazu ein halbes Hähnchen. Nein! Dazu später. Also zurück. Berghütte. Ich sagte ihr, wie gut sie duftete und sie lachte und drückte mir einen Kuss auf. Ihre Finger glitten über meine Wange. Ich machte auf unnahbar und dadurch wollte sie mich noch mehr. Plötzlich waren wir nackt. Unter meiner Bettdecke regte sich etwas. Wie jeden Abend. Ich tat, was getan werden musste. Irgendeiner musste es ja tun. Das war schön und entspannend und echt deprimierend. „Ab morgen läuft das hier, aber anders.“ ,versprach ich mir. Ein neuer Morgen. Die Englischlehrerin hatte wieder mal ihren engen, schwarzen Rock und den auf die Haut gepressten Pullover an. Dachte, während der Stunde daran, wie sie mich nach der Schule abpasste, um mir extra Stunden zu geben. Wenn das so weiterging, würde ich bald besser englisch sprechen, als die Engländer in China im Opiumkrieg 1839. Aber, als sie mich aufrief und fragte was besuchen heißt, sagte ich: „Meine Mutter kommt erst um vier, solange bin ich allein.“ Also wurde ich wieder mal zum Direktor gebeten. „Wer ist da?“ fragte er, nachdem ich geklopft hatte. „Meschke. Herr Direktor.“ „Komm rein. Der Tee ist gleich fertig. Englisch?“ „Ja.“ „Das muss anders werden, Meschke. Ich ertrinke in Papierkram und mein neuestes Projekt nimmt viel Zeit in Anspruch, da habe ich keine Zeit für blaue Briefe an die Eltern.“ „Ok. Was ist das für ein Projekt?“ „Ameisen.“ „Mein Cousin hatte mal eine Ameisenfarm in einem Glasbehälter. Er wollte herausfinden, ob er sie, wie Kühe melken konnte. Irgendwann haben sie ihn abgeholt und nach 13 Eichen gebracht. Da wurde er richtig irre. Er bekam immer diese blauen Pillen. Seine Augen waren danach ganz stumpf.“ „Und?“ ,fragte der Direktor. „Und was?“ ,fragte ich zurück. „Kann man Ameisen melken.“ „Nein. Er hat es mit einer Mini Pipette versucht, aber keine Zitzen gefunden.“ Wir saßen noch einige Zeit zusammen und tranken Tee, der sehr bitter war. Danach ging ich zu Frau Raszikowas und entschuldigte mich für mein Verhalten. Sie schien äußerst gerührt und drückte mich an ihren üppigen Busen. Ab jetzt würde ich mich öfter entschuldigen. Glücklich und entspannt trottete ich zur Bandprobe. Jeder durfte einen musikalischen Vorschlag machen und nur, wenn alle dafür waren, wurde er in Programm genommen. Bisher hatten wir folgende Titel: A: Bad moon rising. B: Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz. Mystery train. Tush. E: Hoch auf dem gelben Wagen. Den letzten Song mussten wir nehmen, weil der Vater von Isabel es wollte, sonst könnten wir das Proben vergessen, meinte er. Ich hätte ihm am liebsten gesagt er solle sich seinen Proberaum und seine Goldzähne doch dahin stecken, wo die Sonne nicht scheint. Stattdessen sagte ich: „Oh, sicher. Das ist ein wunderbarer Titel. Meine Ur Ur Ur Oma Frieda, Gott sei ihrer Seele gnädig, hat dieses Lied über alles geliebt. Sie ist vor über 100 Jahren gestorben und hat selbst einen gelben Wagen gefahren.“ Er schaute mich verdutzt an und musste dann lachen. Er klopfte sich auf die Schenkel und lachte so laut, das das Haus wackelte. Ich verstehe wirklich nicht warum die Leute immer glaubten ich mache Witze. Der Vater von Isabel trug einen langen grauen Schnurrbart und sein dicker Bauch war grundsätzlich fünf Minuten früher da, als er selbst. Seine längsgestreiften Hemden rutschten unten immer aus der Hose. Das sah peinlich aus und er versuchte sie wieder hineinzustopfen. Doch sobald er sich bewegte, oder auch nur atmete, flutschten sie wieder heraus. Er machte immer Witze, die nur er verstand. Isabel tat uns leid, das sie so einen bekloppten Vater hatte und wir waren uns einig das unsere Eltern auch ihre Macken mit sich herumschleppten, es aber verstanden sich aus unserer Welt herauszuhalten. Endlich ging er und wir schauten was wir so an Instrumenten zur Verfügung hatten: Isabel >>>>>>>>>>>>> Gitarre. Uwe >>>>>>>>>>>>>>>>>>>Eine Trommel. Bert >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Akkordeon. Hannes >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Blockflöte. Thomas >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Triangel. Ich >>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>>Stimme. Für mich sah das nicht nach Rock`n Roll Band aus, sondern eher wie die Hansi Hinterseher Memory Revival Show aus Hintertupfingen. Vielleicht war die Idee mit dem gelben Wagen doch nicht so verkehrt. Ich war genervt. Aber so was von. Wir probten trotzdem und legten uns mit Feuereifer ins Zeug und jeder spielte so gut er konnte. Es stellte sich raus das Isabels Fähigkeiten auf der Gitarre doch eher begrenzt waren, aber das machte nichts, denn sie sah wirklich toll damit aus und wir nannten sie: RG = Rocker Girl. Das schien uns nicht nur cool, sondern auch sinnvoll. Überhaupt brauchten wir Künstlernamen. Auf dem Weg zur Spitze klang Bert oder Hannes doch eher nach Kleinkleckershausen aus dem Schwarzwald, als nach Weltstadt. Jeder bekam, als Hausaufgabe, jeden Song mindestens 50 mal zu hören und auswendig zu lernen. Mystery Train von Elvis klang schon richtig gut. Thomas sagte, sein Vater meinte. Der Blues käme von den Schwarzen und hätte etwas Trauriges in sich und die Schwarzen hätten allen Grund down zu sein, weil die Weißen so gemein zu ihnen waren. In der Parallelklasse gab es einen Jungen aus Kenia. John. Der war so hellbraun und größer als die anderen. Er ärgerte jeden in der Schule. Er schubste sie, bis sie am Boden lagen, dann lachte er laut und spuckte sie an. Wir fanden das merkwürdig und widerlich. Das ging einen Sommer lang, bis er das gleiche bei Uwe versuchte. Der war von seinem Bruder ganz andere Sachen gewöhnt und schlug ihm mit der Faust ins Gesicht. Da hat er geheult und ist weggelaufen. Später hat er sich entschuldigt und hat nie wieder jemanden geschubst oder angespuckt. Auf dem Schulfest kam sein Finger versehentlich in die Klassenraum Tür. Seit dem hieß er nur noch 9 Finger Joe. Später ist er ein Basketballspieler geworden und beim Autofahren eingeschlafen, als er mit 220 besoffen über die Landstraße jagte. Da verlor er dann nicht nur 2 weitere Finger, sondern auch sein Leben. Wie kam ich da denn eigentlich drauf? Ach ja! Der Blues. Nach 3 Stunden und reichlich Cola machten wir Schluss mit der Probe. „Das war voll Hammer.“ ,rief Bert. „Wir werden ganz groß Jungs. Das spür` ich.“ ,ließ Hannes verlauten. „Ich glaub` Triangel ist doch nichts für mich.“ ,erklärte Thomas. „Wie wär`s mit Tambourin? Das kommt auch bei den Mädels gut an.“ ,meinte ich. „Tja, ich weiß nicht. Vielleicht doch lieber Saxofon oder Bratsche.“ ,sinnierte er. „Bratsche?“ ,fragte Isabel. „Na klar. Das ist doch diese große Standtrommel. Das macht was her.“ „Diese Trommel heißt Conga und eine Bratsche ist eine größere Geige.“ ,erklärte Isabel. „Hast du schon mal Congas gespielt?“ ,fragte Thomas und warf ihr seinen schelmisch-schüchternen Blick zu, wie er es immer tat, wenn er sich verknallte. Dieser Penner. Hatte er etwa unsere Gangregeln vergessen? Niemals, das Mädchen eine Kumpels anbaggern! Die nächste halbe Stunde steckten sie ihre Köpfe zusammen und quasselten und quasselten. Meine Güte, wir waren hier doch nicht beim Tigerenten Club. Wir wollten cool abhängen und uns wie Rockstars fühlen und nicht wie auf einer Aftershow Paty von den.........Dings..........den........Herr Gott jetzt fällt mir der Name nicht ein. Boah. War ich sauer!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Ich strich Thomas schon mal von meiner Geburtstagsliste. Beim nach Hause gehen entschuldigte er sich und sagte es sei einfach passiert und ob ich ihm vergeben könnte. „Weißt du, Isabel ist eigentlich meine Freundin.“ ,sagte ich. „Ja. Ich weiß, aber eigentlich findet sich dich nur als Kumpel gut und wäre lieber nur deine Kumpeline.“ „Mann!“ ,rief ich. „Ja. Das ist Mist, aber so läuft es eben manchmal. Ist mir auch schon passiert.“ „Echt?“ „Nein. Aber es hätte mir passieren können.“ ,stellte er fest. Ich redete mir ein, das das alles irgendwie Sinn machte und wir gaben uns die Hand. „Du bist so ein Penner.“ ,sagte ich. „Ich hab die Nummer von Joy.“ ,sagte er. „Aber ein cooler Penner.“ Er gab sie mir und ich war wieder im Rennen. Isabel lief in der A Klasse. Aber Joy schwebte eindeutig in der Luxus Klasse. Wer brauchte schon Isabel? Ich nicht! Denn ich war selbst Luxusklasse. j Am Wochenende wollte mein Opa mit mir Angeln gehen. Dazu hatte ich keine Lust, aber meine Mutter meinte, ich solle das machen, damit er auch mal rauskommt. Mein Grandpa, wie ich ihn immer nannte, weil das so schön amerikanisch klang, hatte an der rechten Hand nur noch drei Finger. Das sah schräg aus. Wie eine Dinosaurier Klaue. Die restlichen Finger ließ er in Russland auf dem Feld der Ehre. Als Kind dachte ich immer, er hätte sie dort nur vergessen und irgendjemand würde sie ihm schon bringen. Vielleicht Ivan, oder Wladislaw, oder Igor. Dann musste ich immer lachen, weil mir mein Onkel oft von einem geheimnisvollen Dr. Frankenstein erzählte, der einen neuen Menschen erschuf und sein Kumpel Igor ihm dabei half. Stellte mir auch vor wie er die Russen mit einem Maschinengewehr ummähte und sie zu Tausenden in den Graben zurückfielen. Später erzählte meine Oma das er ein Russen Lager bewacht hätte, weil er im Krieg durch eine Bombe seine zwei Finger verloren hätte. Sie sagte auch, das sie keine Nazis gewesen wären, der Hitler aber schon gute Sachen gemacht hätte. Die Autobahn. Keine Arbeitslosigkeit. Schöne Uniformen. Ja, sicher. Das mit den Juden wäre jetzt nicht so gut gewesen, aber das wird alles schon seinen Grund gehabt haben. Ich hatte ja nicht so viel Ahnung von der Zeit damals, aber DAS, war ja wohl die Oberhärte. Hitler und mein Onkel Adolf gehörten eindeutig in die Anstalt 13 Eichen Dann dachte ich nochmal drüber nach, das der Hitler dieses Chaos niemals allein hätte erreichen können. Es musste da noch mehr Typen geben haben, die genau solche Hirnis waren. Wie hieß noch mal der kurzsichtige, quallenköpfige Teflonmann der die ganzen Juden vergast hat? Der besaß eine Familie. Eine Frau. Kinder. Und hat trotzdem den Leuten in den Kopf geschossen und Säuglinge ermordet. Mir fiel dieser Name nicht ein. Herrgott nochmal. Wie das nervte. Mmmmmmmmmmmmmmmmmm. Denk nach. Denk nach. Es gab doch dieses Springspiel. > Himmel und Hölle < Himmler! Gott sei Dank. Es nervte mich kolossal, wenn mir etwas nicht einfiel. Wie damals, als ich nach dem Namen von Elvis toten Zwillingsbruder suchte. 3 Wochen. Eine Qual. Ich wälzte Bücher. Fragte Hector, der in der Handelsmarine und oft in Übersee war. Betete zu Gott, um eine Eingebung. Aber nichts half. Bis ich dann, an einem Montag den Herrn Pumpelmeier traf und der sagte mir, das der Name von Elvis` Bruder Jesse Garon wäre. Endlich schien die Sonne wieder und 200.000 Betonklötze fielen polternd von meinen Schultern. Irgendwie auch bescheuert. Naja. Was solls. Aber zurück zu dem Angelausflug mit meinem Opa. In der Nähe gab es einen Wald, der Schwarze Berge hieß. Das klang total geheimnisvoll und als ich ein Kind war, also vor gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz langer Zeit, stellte ich mir immer vor, das dort Elfen und Zauberer wohnten. Die Elfen trugen alle so durchsichtige kurze Kleider und darunter waren sie nackt. Logisch. Elfen halt. Ihre langen blonden Haare reichten bis über die Schultern und sie hatten glockenklare Stimmen. Ein paar Jahre später war es nur noch ein Wald in dem jemand wohnte der einen langen Mantel trug. Darunter war er auch nackt. Wie die Elfen, aber das war wohl was anderes. Am Samstag standen wir ganz früh auf und mein Opa hatte tolle Sachen für das Picknick eingepackt. Tomaten. Gekochte Eier. Butterbrote. Den Stürmer von 1933. Kartoffelsalat und schlesische Gurkenhäppchen. Wir fummelten den armen Regenwurm auf den Haken und warfen ihn dann ins Wasser. Der wand und krümmte sich und ich dachte an die Liesl, die als Kind mal einen gegessen hatte und sagte der würde wie Gummibärchen schmecken, doch als ich auch einen zerkaute, war es eher wie Pearl Habour und genauso blutig. Dann hockten wir am Wasser. Mein Opa und ich. Wir saßen auf seinen alten Campingstühlen. Zerschlissen, muffig und verrostet. Kein Wind. Kein Vogelgezwitscher. Keine Zeit die verging. Nur luftleerer Raum. Das war soooooooooooooooooooooooooooooooooooooooooo langweilig, das ich sogar anfing über unsere Band zu sprechen. Mein Opa meinte, so eine Band wäre eine gute Sache. Er würde aber nur Marschmusik kennen und das bedeute für ihn, das sie an die Front müssten, um sich totschießen zu lassen. Damit war das Thema erledigt. Mein Opa redete nicht viel. Von meiner Oma bekam er deswegen immer Zunder, weil sie meinte er würde sich nicht für sie interessieren. In der Nähe gab es eine Reifenfabrik. Auf dem Gelände standen riesige Schlote die schwarzen, stinkenden Rauch ausspien. Mein Opa, war genau wie diese Fabrik. Er rauchte in einer Tour. Wie eine von diesen alten Dampflokomotiven und egal wo ich saß, der Rauch zog immer in meine Richtung. Nach 5 Stunden beendeten wir die Anglerei und gingen wieder nach Hause. Konnte mich nicht erinnern jemals so einen öden Tag hinter mich gebracht zu haben. Der war sogar noch schlimmer, als der Geburtstag von der Liesl und da blieb ich beim Tauchen solange unter Wasser bis mir die die Trommelfelle zu platzen drohten, nur um dieses Gefühl der Leblosigkeit und der Starre loszuwerden. „Das hat Spaß gemacht, Junge, das sollten wir bald mal wiederholen.“ ,sagte er zum Abschluss. „Oh, ja. Sicher. Vielleicht im Dezember.“ ,meinte ich. „Aber da ist der See doch zugefroren.“ ,erklärte mein verdutzter Opa. „Dann könnten wir doch Schlittschuhlaufen und Würstchen grillen.“ Da lachte mein Opa, wie ich ihn noch nie habe lachen hören. Er umarmte mich herzlich und dann trennten wir uns. 4 Wochen später kam er ins Krankenhaus und da lag er dann und trocknete langsam aus. Seine Lippen sah aus, wie Sandpapier. Das ganz Grobe. Und er wurde immer kleiner. Oder seine Ohren wurden größer. Aber darüber wollte mir niemand Auskunft geben. Manchmal, wenn ich an ihn denke, bin ich froh das ich ihn, an diesem Tag vor der Haustür zum Lachen brachte und das blieb mir sogar noch mehr im Gedächtnis, als seine wasserlose, faltige Haut. E Am Sonntag rief ich Joy an und fragte, ob sie die Biologieaufgabe schon gemacht hätte. „Ja.“ ,sagte sie. „ Ich hab` sogar ein Eichhörnchen gezeichnet.“ „Cool. Das würde ich gern sehen, vielleicht fällt mir dann auch was ein. Ich komm damit nicht klar. Eichhörnchen sind nicht so mein Ding.“ „Was ist denn dein Ding?“ ,fragte sie. „Musik. Ich steh total auf Musik. Rock`n Roll.“ „Ich mag auch Musik. Die Klassiker. Bach. Beethoven. Brahms.“ ,erklärte sie. „Ja. Die großen drei. Super.“ Ich ließ es dabei, weil ich keine Ahnung hatte wen sie meinte. Von denen hatte ich noch nie gehört. Bach? Das war doch kein Name. Vielleicht ein Pseudonym. In Wirklichkeit hieß er wohl Leonard Bachtreter. Ich verkniff es mir zu fragen. „Kannst du mir zeigen, was du schon gemacht hast? Noch eine 5 wäre mein Untergang.“ ,fragte ich schließlich. „Ja. Ich habe Zeit. Treffen wir uns bei Oma`s Schlemmerparadies?“ „Okay. In einer halben Stunde.“ Boah. Das war der Hammer. Ich hatte es einfach drauf. Jetzt nicht die Nerven verlieren. Alles richtig machen uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuund cool bleiben. A: Duschen gehen. B: Nase prüfen, wegen Haare. Niemanden von dem Date erzählen, falls es doch nicht klappte. Allen davon erzählen, falls wir ein Paar werden. E: Keine Witze über Eichhörnchen. Als ich abgehetzt und verschwitzt ankam saß sie schon da und hatte zwei Eis bestellt. „Kommt noch jemand?“ ,fragte ich. „Nein. Das ist für dich.“ „Das ist.........äh..........Danke.“ „Bist du gelaufen?“ „Ja. Ich musste für meine Mutter noch schnell Augentropfen besorgen. Sie sieht alles doppelt und sie meinte zwei von meiner Sorte würde sie nicht ertragen.“ „Ist das ein Witz?“ ,fragte sie. „Ja. In echt hab ich zu lange beim Duschen gebraucht.“ „Wir duschen immer nur Mittwoch und Sonntag. Wegen dem Wasserverbrauch.“ „Wir leihen uns das Wasser immer von Herrn Pumpelmeier. Danach bekommt er es zurück.“ „Witz?“ ,fragte sie erneut. „Ja.“ Sie zeigte mir ihre Zeichnung und dabei berührten sie unsere kleinen Finger. Ein elektrischer Impuls zog durch meinen Körper. Wir lachten kurz auf und wurden rot. Und ab diesem Moment hatte sich was verändert. Alles wurde irgendwie magisch und hell und intensiver. Wir trafen uns jeden Tag nach der Schule. Nur nicht am Freitag. Da hatte ich ja Bandprobe. Ich mochte sie sehr. Sie war ganz anders als Michaela. Sie sprach ganz ruhig und wählte ihre Worte immer genau aus. Ich hatte Angst, das etwas Schlimmes passieren würde und alles vorbei wäre. Ein Lastwagen oder ein Tsunami oder die Vogelgrippe. Umso mehr genoss ich jeden Augenblick mit ihr. Manchmal saßen wir stundenlang einfach da und streichelten uns. Also nur die Arme und so. Sie sagte für alles andere bräuchte sie Zeit. An einem Mittwoch kam sie nicht mehr zur Schule. Niemand sagte uns etwas. Der Direktor meinte, das sie nicht mehr käme und sah ganz traurig aus. Ich lief zu ihr nach Hause, aber da war keiner mehr. Ihre Wohnung stand leer. Später las ich in der Zeitung, das ihr Vater ins Gefängnis gekommen war. Ich litt drei Monate wie ein Hund und heulte den Mond an. Das Leben war ungerecht und gemein. An einem Mittwoch kam der Schulzahnarzt in unsere Klasse. Wir kannten ihn noch vom letzten Jahr und nannten ihn nur Speichelalptraum. Er hatte eine ekelhafte feuchte Aussprache und redete in einem fort von seiner schiefgegangenen Karriere, als Wissenschaftler und das die anderen Schuld daran wären. Irgendwann blickte ich hoch, sah ihm in seine verwässerten Augen und sagte: „Ja. Das kenne ich. Es sind immer die Anderen.“ Die Ironie darin verstand er wohl nicht, denn er entgegnete: „Das Universum expandiert und wir werden alle sterben.“ Ich las daheim nach was das bedeute. Das Universum dehnte sich aus und alles Leben würde aufhören zu existieren. Wenn sowieso alles den Bach runterging, wieso dann noch anstrengen. 6 Monaten ließ ich alles schleifen, bis mir Herr Pumpelmeier erklärte, das dieser Dr. Speichelalptraum ein Holzkopf sei und die Erde erst in Milliarden von Jahren explodieren würde und wir auf jeden Fall noch Zeit hätten unsere Träume zu verwirklichen und ein Vanille Eis mit Schokostreuseln zu essen. Darüber schlief ich eine Nacht und als ich erwachte, fühlte es sich wie ein neues Leben an. Der 29. September. Mein Geburtstag. Endlich 14. Ich sprang aus dem Bett und rief die Kobra zusammen. Gemeinsam wollten wir die Welt erobern. Aber erst Morgen. Heute ging es in Oma`s Schlemmerparadies. Vanille Eis bis zum Abwinken. Am Nebentisch saß Michaela mit ein paar Freundinnen und lachte mir zu Ich lachte zurück und war wieder im Rennen. Juni 2020 von Axel Bruss
  15. Auf der Reeperbahn Geschichten vom Erwachsen werden Teil 4 Der Herbst zog durch die Straßen. Eine Eisenbahn auf der Überholspur. Er brauchte keine Schienen. Keine Kohle. Keinen Diesel. Er dampfte durch den Park und meine Gedanken und rollte durch mich hindurch. Ich mochte den Herbst. Alles schien seinen rechten Gang zu gehen. Das Leben wurde langsamer. Entspannter. Meine Füße wollten laufen und so tat ich ihnen den Gefallen und ließ sie machen. Es fiel mir schwer Menschen um mich zu haben und so ging ich allein durch die Straßen und ließ die warme Luft an mir vorbeiziehen. Die Sonne gab noch mal alles. Warm und golden, wie flüssiger heißer Atem. Klang, wie ein Song. Mittlerweile spielte die Musik eine immer größere Rolle. Nur bei Michaela spielte ich die letzte Geige. Irgendwie kam es nie zum Äußersten. Langsam beschlich mich das Gefühl, das da irgendetwas im Busch war. Ich wusste nur noch nicht was. Die Schule begann mich nach den Sommerferien richtig zu nerven. Ich wurde langsam zu alt für Fragen, wie: Hilft uns Pythagoras auch im Alltag bessere Arbeit zu leisten? A: Ich hatte keine Ahnung, wer Pythagoras überhaupt war. B: Nachdem Herr Mewes es erklärte, interessierte es mich noch weniger. Was meinten sie mit Arbeit? Fußböden bohnern? Das übernahm mein Hamster. Mein Alltag war auch ohne P. Schwierig genug. Ich sage nur M. E: Konnte immer nur an verpasste Gelegenheiten denken. Die Mädchen in der Klasse hatten sich verändert. Noch zickiger. Noch lauter. Noch nerviger. Noch runder an bestimmten Stellen. Einfach wunderbar. Wir mochten es, wenn sie hinter uns her liefen, weil wir freche Sprüche klopften und wir mochten es, wenn sie uns Sachen klauten und wir versuchten sie ihnen wieder abzunehmen. So gesehen lief es mit der Schule, in den Pausen, doch ganz gut. Michaela meldete sich bei einem Sportverein an und da ging sie dann jeden Nachmittag, Montag bis Freitag von 14:00 bis 17:00 hin. Soviel Sport konnte doch nicht gesund sein. Wir fanden kaum noch Gelegenheit miteinander zu sprechen. Ständig nörgelte an mir rum: A: Ich wäre zu oft mit den Jungs unterwegs. B: Einen Seitenscheitel fände sie blöd, weil ich damit wie Bauer Harms aussähe. Meine Fingernägel seien zu lang oder zu kurz. Nie ging ich mit ihr zu einer Vernissage. Eine Vernissage? Leute! Ich schaute extra nach, was das überhaupt war und stellte fest, das sich da reiche Dummbrazzen aufhielten, die glaubten Kunst sei nur wertvoll, wenn sie 100.000.- Mark kostete. Aber die Jungs und ich wussten natürlich, das Kunst nur aus dem Herzen kommen konnte. Nur das Herzklopfen zwischen Michaela und mir verpuffte einfach. Noch vor 3 Wochen lachte sie über meine Witze. Jetzt gähnte sie bei meinen kleinen Einlagen und fand sie geschmacklos und langweilig. Meine Freunde johlten weiterhin, weil ich, geistreich und amüsant, über die Lehrer herzog und sie in kleinen Spielszenen originell darstellte und besonders ihre kleinen Schwächen in den Vordergrund stellte. Mein Ruhm, den ich mir durch die Festsetzung von Magnus und Piet erworben hatte, verblasste allerdings langsam. Da half es auch nicht, immer mal wieder, wie zufällig, das Gespräch darauf zu bringen. Im Gegenteil. Es wurde behauptet. Ich würde mich nur in den Vordergrund drängen wollen. Das stimmte natürlich, aber ich fand es blöd, das sie es so geradeheraus sagten. Am 29.09.1976 wurde ich 14. Endlich. Die Hälfte von 28. Da würde ich dann schon in der Villa Kunterbunt vor der Stadt leben. Mit einem Caddy vor der Tür und einem Rolls in der Garage. Die Jacht dümpelte furchtlos auf dem Titicaca See in Südamerika vor sich hin und meine Füße baumelten im Pool von Onassis. „Naja, oder du würdest zu Hause mit einer Tüte Chips und dickem Bauch deiner Mama weiterhin auf die Nerven fallen“, sagte Michaela. Gefiel mir überhaupt nicht, wie sie mit mir redete. Und was sollte eigentlich >weiterhin< heißen. So, als wäre meine einzige Aufgabe auf dieser Welt andere zu nerven. Dann noch diese Geschichte mit Achim. Hatte wirklich keine Lust mir anzuhören, das sein neuer Haarschnitt ihm Bombe stand oder sein Hund Gastritis hatte, was auch immer das bedeutete. Mir ging es auch am Allerwertesten vorbei, das er sich mit seiner Katze gestritten hatte und die jetzt nicht mehr fressen wollte. Wieso kümmerte sie sich eigentlich um Achim? Und was war das überhaupt für ein Name? Achim Das klang eher nach Kotze. Oder einer ganz schlimmen Krankheit. Oder nach Gastritis. Was immer das auch war. Das regte mich so auf, das ich 20 Sekunden in eine Papiertüte atmen musste, um wieder klar zu kommen. In der Deutschstunde schrie ich Uwe an, er solle aufhören Nietsche zu zitieren, sonst würde ich durchdrehen. Besonders, weil seine scharfe Kritik an Moral, Religion, Wissenschaft, Philosophie und Kunst mir aufs Gemüt drückte. Alle schauten mich schockiert an und ich lief raus und riss einen jungen Baum aus dem frisch angelegten Schulgarten. Nach 3 Sekunden tat es mir leid und ich pflanzte ihn wieder ein. Dann ging ich zurück und entschuldigte mein Verhalten mit einer akuten Gastritis Typ A, an der ich derzeit leiden würde, denn in der Bibliothek fand ich heraus, das dies eine schmerzvolle Magenentzündung war. Alle schauten mich mitleidig an und meinten, es wäre schon ok. Dadurch bekam ich tatsächlich Bauchschmerzen, weil ich sie anlog und sie so taten, als hätte ich tatsächlich Gastritis. In der Pause trafen wir uns hinter dem Werkraum in der Raucherecke, um Rat zu halten und uns Riesenkracher reinzuziehen. Die schleiften uns die Zähne ab und putzen uns den Rachen sauber. Wir scharten mit den Hufen im Sand und keiner traute sich was zu sagen. Endlich ließ Bert die Katze aus dem Sack: „Du brauchst ein bisschen Abwechslung Alex. Wir wollen nach der Schule auf die Reeperbahn.“ ,sagte er. „Reeperbahn?“ ,fragte ich ungläubig. „Klar. Oder traust du dich nicht?“ ,gab er herausfordernd zurück. „Logisch. War selber schon 3 mal da. Hab` da praktisch mein zweites zu Hause.“ „Na klar und dein Hamster bohnert auf dem Mond mit Spike die Fußböden.“ Wir lachten uns checkig, weil wir beide solche Schnacker waren. Tag X des Abenteuers brach mit ungünstigen Vorzeichen an. Hatte in der Nacht zuvor von Elvis und Michaela geträumt, die auf der Reeperbahn, bei Glatteis, ein halbes Hähnchen aßen, das wie ich aussah. Fühlte mich mega unsicher, ob es bedeutete, das ich ein armes Würstchen war, oder die beiden einfach nur Hunger hatten. In jedem Fall wachte ich schweißgebadet auf und legte >Peacy in the Valley< von Elvis auf, um mich wieder zu beruhigen. Im Englischunterricht schlief ich ein. Frau Raszikowa weckte mich unsanft und fragte mich irgendetwas mit unregelmäßigen Verben. Ich bot ihr an, mich lieber nach dem Wohnort von Elvis zu fragen, denn darauf wüsste ich garantiert eine Antwort. Da der Direktor mich lange nicht gesehen hatte, bot er mir gleich eine Tasse Tee an und wir kamen ins Plaudern. „Wie läuft es so?“ ,fragte er mich so auf nett. „Ach, ganz gut, wenn nur nicht dieses ewige Generve in der Schule wäre.“ ,meinte ich genervt. „Was denn zum Beispiel?“ „Na, Englisch zum Beispiel. Also für mich ist das Thema durch. Sollen die Engländer doch deutsch lernen und nicht umgekehrt.“ „Ja, gute Idee Meschke, aber wie willst du dann deine Texte von Elvis übersetzen.“ Ich überlegte eine ganze Zeit, doch es fiel mir keine passende Antwort ein, also sagte ich: „Mein Name ist nicht Meschke.“ „Ich weiß. Aber da ich mir Namen ohnehin nicht merken kann, nenne ich einfach alle Schüler so. Also, nimm es nicht persönlich.“ „Wie läuft es mit Frau Mutzenbacher?“ ,fragte ich interessiert. „Das Projekt ist abgeschlossen. Widme mich nun Seidenraupen, um mir einen eigenen Kaftan zu weben.“ ,sagte er voller Stolz. „Einen Kaftan!?“ ,wiederholte ich und konnte einen gewissen Spott nicht unterdrücken. „Ja. Ein langes Gewand, das in der Hüfte mit einem Gürtel......“ „Ja. Ich weiß was ein Kaftan ist.“ ,unterbrach ich ihn. „Aber warum kaufen sie sich nicht einfach so ein Teil, das geht doch viel schneller. „Das stimmt Meschke, aber es geht um die Freude des Entstehungsprozesses. So, wie es Elvis nie darum ging viel Geld zu verdienen. Das war immer nur Mittel zum Zweck. Es ging darum kreativ zu sein und etwas zu erschaffen.“ Boah, wie das nervte. Er schaffte es immer wieder mir etwas spannendes und schlaues zu erzählen, das Hand und Fuß hatte. „Jo, ich muss los.“ ,sagte ich, völlig frei von jeglicher Intelligenz. „Ok. Und sei etwas netter zu Frau Raszikowa. Sie gibt sich wirklich Mühe.“ „Geht klar. Ich sehe sie morgen Herr Direktor.“ „Nicht, wenn es nicht unbedingt sein muss, Meschke. Du weißt ja die Raupen.“ „Sicher. Sicher.“ ,rief ich im rausgehen. Irgendwie `ne coole Socke, dachte ich und stolperte in die Arme eines Mädchens. Isabell. Braune, lockige Haare. Grün-metallig-glänzende Augen und eine Hammerfigur. Ich konnte die Träger ihres BH`s durch den dünnen Pullover genau erkennen. Die Nähte ihrer Hose waren aufs äußerste gespannt. Genau wie ich. Die kleinen, niedlichen Ohren hatten bestimmt schon tausend Komplimente gehört. „Na.“ ,sagte ich. „Und?“ ,fragte sie. „Wie jetzt?“ ,gab ich verwirrt zurück. „Was willst du?“ „Ähhhh. Nichts.“ ,antwortete ich verblüfft. „Warum sprichst du mich dann an?“ Ja. Das war eine gute Frage. Darauf gab es natürlich nur eine Antwort: > Du bist total schön. < Das sagte ich natürlich nicht. „Also, ich mache hier grad` ein Interview für die Schülerzeitung und du gehörst genau in unsere Zielgruppe. Es geht um Mondlandungen während der Sommerferien.“ erklärte ich selbstsicher. Sie drehte sich wortlos um und ging weg. Boah, da bin ich nochmal ganz geschmeidig und elegant aus der Nummer raus gekommen. Beinah hätte sie mich für einen kompletten Idioten gehalten. Hannes, der sich vor langer Zeit aus unserer Truppe abseilte, winkte mir aufgeregt vom anderen Ende des Ganges zu. Sein schlabber Look schien aus einer anderen Welt oder der Müllkippe zu kommen. In der Hand hielt er eine Kette mit hölzernen, kleinen Kugeln die er unablässig durch seine Finger gleiten ließ. Seine Haare wuchsen kreuz und quer auf seinem Kopf und er machte keine Anstalten sie schneiden zu lassen. Seit 3 Monaten trug er ein speckiges Stirnband auf dem >Mao< stand. Als ich ihn das erste mal damit sah und ihm sagte, da würde jemand kein Deutsch verstehen, denn das Wort hieße ja wohl Majo und nicht Mao, sprach er 4 Wochen kein Wort mit mir. Danach hielt er mir einen Vortrag über die Kulturrevolution in China und das wir uns noch alle umschauen würden, was in Hamburg so alles passieren konnte. Die Bonzen und Industriellen könnten es gar nicht abwarten uns unter das Joch der Unterdrückung zu zwingen und auszubeuten. Ich hatte keine Ahnung wovon er sprach und was er überhaupt von mir wollte, also nickte ich und versprach ihm, am nächsten Tag mit ihm und den anderen Müllsammlern auf eine Demo zu gehen. Dann lud ich ihn zu Pommes mit Ketchup und Majo ein. Als ich aber bemerkte das Mao auf Pommes das Beste sei, wollte er mir eine knallen. Konnte ihn nur durch eine weitere Cola beruhigen. Aber zurück zu Isabell. Die kam aus Bayern und war seine Kusine. Ihre Eltern zogen nach Hamburg, weil der Vater einen Job in der Werft bei Bloom und Voß annahm und dort als Ingenieur arbeitete. Die bauten dort die ganz großen Pötte. Der Hannes durfte mal mit und gab, wie Graf Koks, damit an. Wir waren alle neidisch und machten uns bei ihm lieb Kind, um auch eingeladen zu werden. Daraus wurde leider dann doch nichts, denn der Hannes hatte uns angelogen. Ihr Vater arbeitete beim Köhler Franz in der Frittenbude. Wenigstens gab es hin und wieder Pommes umsonst, sonst hätte Hannes für 3 Wochen auf die Ersatzbank gemusst. Denn Lügen unter Freunden ging gar nicht! Diese Isabell jedenfalls, war schon 15. Das fand ich gut. Ich stand auf ältere Mädchen. Jedenfalls, seit ich sie sah. Sie trug kurze Röcke und die Jungs und ich nahmen unser altes Ritual wieder ins Programm und versuchten herauszufinden, welche Farbe ihre Unterhose hatte. Von 5 Runden gewann ich 4 und stieg somit vom Außenseiter zum Champion auf. Ich versuchte sie einzuladen, aber sie lehnte jedes Angebot kategorisch ab: A: Zum Eis eingeladen – ABGELEHNT! B: Rollschuhbahn - ABGELEHNT! Stepptanzen - ABGELEHNT! Yoga - ABGELEHNT! E: Welpen gucken - ABGELEHNT! Über mein Vorgehen bei älteren Mädchen, musste ich wohl noch mal nachdenken. Und da ich gerade dabei war, also beim Nachdenken, überlegte ich, ob es Gott etwas ausmachte, wenn ich tot wäre. Ich schaute also mal in der Bibel nach, kam aber irgendwie nicht damit zu recht und verschob es auf den ersten Sabatt im Monat. Das ist bei den Juden der siebte Wochentag und ein Ruhetag. Michaela sah ich immer seltener und wenn, sprach sie nur von diesem Achim. Ich konnte es nicht mehr hören! Achim, war gleichbedeutend für mich mit Halsschmerzen und Drüsenfieber. Drehte langsam am Rad. Bert hatte recht! Ich musste mich ablenken. Wir trafen uns um 14:00 Uhr Ortszeit vor der alten Kaserne unter der Linde. Uwe, Thomas, Bert, Hannes und ich. Mittlerweile nannten wir uns Kobra Gang. Komplett mit Blutschwur und Mutprobe. Wir ritzten uns den Daumen und pressten unseren blutigen Fingerabdruck unter eine Schriftrolle. Das schien uns nur recht und billig, denn in unseren Herzen waren wir Rebellen, die sich nicht unterdrücken ließen. Weder von Bonzen, noch von der Lakritz Mafia. Wir durchschauten das System. Wir sind das Proletariat, sagte Hannes. Nur ohne Bärte. Und weil wir so cool waren, schrieben wir unsere Magna Carta: Hiermit schwören wir, den Geknechteten beizustehen. Den Anderen niemals vor Mädchen bloßzustellen. Cola und Riesenkracher immer zu teilen. Magnus und Piet niemals nicht zu erwähnen. Jeden Tag Spaß zu haben und ehrlich zu sein. Keine Mädchen zu Treffen mitzubringen. Niemals die Ex Freundin des Freundes daten. Die Kobra Gang Bert wurde kreidebleich, als Uwe ihm in den Daumen schnitt. Da ich vor drei Tagen eine Sanitäter Ausbildungsdokumentation gesehen hatte, wusste ich genau was zu tun war: Auf den Rücken legen und Beine anheben! Musste mir natürlich sofort anhören, das Michaela mir das beigebracht hätte. Konnte darüber überhaupt nicht lachen, tat aber so, als wäre es superwitzig, um mir nicht noch mehr Sprüche rein drücken zu lassen. Wir flößten Bert eine Flasche Cola ein, damit er wieder fit wurde. Bei Herrn Schlichting kauften wir einen großen Aufnäher, der eine Kobra darstellte und unsere Mütter mussten die auf unsere Jacken nähen. Ich besaß eine aus schwarzem Lederimitat, mit der amerikanischen Flagge auf dem Ärmel. Damit war ich eindeutig der Chef in unserer Gang. Logisch. Im nächsten Jahr wollten wir uns Mofa`s wünschen und sie zu Choppern umbauen, damit wären wir die Könige in unserem Viertel und niemand würde es wagen Witze über uns zu machen oder uns auch nur schief anzusehen. Logisch Musste die ganze Zeit an Isabell und Michaela denken. Das war total nervig und machte mich ganz brummkreiselig. Ich hoffte durch unseren Trip auf die Reeperbahn, den Tsunami in meinem Herzen besänftigen zu können. Endlich ging es los und wir fuhren Richtung Abenteuer. St. Pauli stiegen wir aus und schlenderten um 16:32 über die sündigste Meile der Welt, wie mein Opa sie immer nannte. Gleich vorne an, gab es einen Sex Shop der wohl seine besten Tage schon hinter sich gelassen hatte. Die abblätternde Wandfarbe döste willenlos vor sich hin, während tote Insekten hinter dem staubblinden Fenster auf eine Wiederbelebung warteten. Aber auch, wenn sie im Konfirmandenunterricht immer behaupteten, das Himmelreich Gottes sei nah, glaubte ich keinen Moment an diesen Blödsinn und hoffte nur auf das Ende und dem daraus folgenden Geldsegen der Verwandten. In der Auslage fristeten, neben den steifen Fliegen, ein paar leblose, vergilbte und ausgefranste Zeitschriften ihr Leben und warteten auf bessere Zeiten, die es wohl nie gegeben hatte und die auch nie kommen würden. Doch direkt daneben gab es einen Buchladen. Genauso dreckig, aber voller Leben und Musik. Dort gab es die tollsten Sachen. Eine verrostete Trompete, die über Jahrzehnte alter, mit Patina bedeckten Schätzen schwebte. Im Schaufenster sah ich ein Buch von Arnold Shaw. Rock`n Roll. Die Stars, die Musik und die Mythen der 50er Jahre. Das musste ich haben. Allerdings kam man nur durch den Eingang des Sex Shops zum Buchladen. Egal. Meine Gang Mitglieder hielten mich für verrückt, als ich einfach so rein stolzierte. An Gummipuppen und sabbernden alten Männern vorbei lief und 20 Sekunden später mit meiner Trophäe wieder draußen vor der Tür stand. „Du bist ja voll krass drauf Alter.“ ,meinte Hannes und zückte aus seiner Hosentasche 5 zerdrückte Zigaretten die er seinem Vater geklaut hatte. Wir lehnten entspannt an der Mauer und pafften, bis sich ein pelziger Geschmack auf unsere Zungen legte. „Ja. Das ist Freiheit.“ ,meinte Bert. „Sagt Dr. Marlboro.“ ,lachte Uwe und inhalierte den Rauch, bis seine Lungen Halleluja schrien und er, wie eine alte Lokomotive, keuchte und hustete. Der Ladenbesitzer kam raus und jagte uns weg. Wir liefen um die Ecke und stolperten über einen Mann mit einem blauen Anzug, aber ohne Schuhe, der regungslos da lag und sich auf seinem blauen Hemd übergeben und es braun gefärbt hatte. Seine unbestrumpften Füße sahen schrecklich aus. Verkrustetes Blut mit wundgelaufenen Stellen zeigten, uns das er um die halbe Welt gelaufen und hier gestrandet sein musste. „Der kommt sicher aus Amerika.“ ,stellte ich fest. „Ja. Das sieht man an dem Anzug. Das ist Seide.“ ,sagte Hannes. Ich dachte an unseren Direktor. Vielleicht verkaufte er ihm diesen blauen Anzug und bekam als Gegenleistung die Adresse der Frau Mutzenbacher. „Ne, Jungs. Das ist ganz klar einer der Luden. Den hab`n sie fertiggemacht.“ ,meinte Uwe. „Fertiggemacht? Lude?“ ,fragte ich. „Klar Mann. Ein Lude lässt die Frauen für sich laufen und kassiert sie ab. Hat mein Bruder mir erzählt. Dann gab es sicher Ärger mit einer anderen Gang und dann voll auf die Fresse.“ Ich bekam es mit der Angst, aber gleichzeitig durchströmte mich auch das Abenteuer. Voll auf die Fresse. Das schien mir ein guter Titel für eine Geschichte über die Reeperbahn zu sein. „Äh. Ja. Ok. Sollten wir dann nicht lieber weiter?“ ,gab Bert mit zittriger Stimme von sich. „Aber vielleicht ist er tot, dann muss Alex Erste Hilfe leisten.“ ,sagte Thomas. „ICH?“ ,rief ich entsetzt. „Na klar. Du bist doch hier der Spezialist, wenn es um Verletzungen und Verstümmlungen jeglicher Art geht.“ ,fügte er hinzu. Aus der Nummer kam ich wohl nicht raus und ging zu dem Mann hinüber. Der stöhnte plötzlich auf und setzte sich hin. Wir schrien, wie 12 kleine Mädchen und liefen weg. „Hab ich doch gesagt. Alex bringt Tote aus dem Schattenreich zurück ins Leben.“ ,lachte Uwe. Wir legte zusammen und kauften mit unserem letzten Geld 2 Cola und eine Pommes rot-weiß. Danach fühlten wir uns besser. Aus einem Schuppen, der Star Club hieß, dröhnte eine verzerrte Gitarre. Wir blieben vor der halbgeöffneten Tür stehen. Hannes schlich sich als erster rein. Mit angehaltenem Atem folgten wir, wie betäubte Kinder dem Rattenfänger von Hameln. Diese wundervollen und schrägen Töne zogen uns in ihren Bann. Es roch merkwürdig in dem Schuppen. Parfüm, wie Kinder es sich selbst zurecht mischen, um wie erwachsene Frauen zu riechen. Zigarettenqualm und der Geruch von Klosteinen waberte durch den schmalen Gang. Endlich kamen wir in einen größeren Raum. Vor einer kleinen Bühne saßen an einem großen Holztisch fünf Männer. Die waren über und über mit Goldketten behängt und trugen die neuesten Klamotten. Sie rauchten Zigarren und tranken Whiskey aus schweren Kristallgläsern. Sie lachten und rissen Witze, die wir nicht verstanden. Auf der Bühne stand ein langhaariger Typ mit Cowboyhut und ließ die Bude mit seiner Gitarre und Reibeisenstimme erzittern. „Hey Eddie, spiel was von Elvis!!!“ ,schrie jemand, den alle Rocky nannten. Eddie schlug in die Saiten und haute Jailhouse Rock raus. Sie warfen ihm Geldscheine vor die Füße und johlten und gröhlten mit. Wir schlichen uns in die dunkelste Ecke, damit wir nicht entdeckt wurden. „Oh Mann, wisst ihr wer das da oben ist?“ flüsterte Hannes. „Deine Mama.“ ,kicherte Bert. „Nein. Das ist Herr Pumpelmeier mit Perücke.“ ,stellte Hannes fest. Tatsächlich. Herr Pumpelmeier. Der gleiche Herr Pumpelmeier der am Samstag immer in den Ring stieg und die Leute verprügelte. Der, den alle ehrfürchtig nur den Würger nannten. „Das ist soooooooooooooooooo cool!!!!!!!“ ,riefen wir so leise wir konnten. Genau das wollte ich auch. Auf der Bühne stehen und tausend Mädchen die vor Begeisterung schrien und mir Teddybären zuwarfen. Dann würde Michaela nicht mehr von Achim reden, sondern nur noch von mir. Aber dann konnte sie mir gestohlen bleiben. Uuuuuund Tschüß! Gerade als Eddie Maybellene anstimmte, wurden wir am Schlawittchen gepackt und rausgeworfen. Draußen rannten wir bis zur nächsten Kreuzung und beglückwünschten uns für dieses famose Erlebnis. Hannes meinte, wir sollten uns auch Zigarren besorgen um das richtig zu feiern. Ich sagte, davon sei ich ab, weil ich ein großer Rock `n Roll Star werde wolle. Stille. Alle schauten sich ungläubig an. Dann lachten sich alle schlapp und schlugen mir auf die Schulter. Sie hielten das wohl für einen großen Witz. „Ihr Idioten. Ich meins ernst.“ ,schrie ich. „Mensch Alex. Du spielst doch nicht mal Gitarre und singen kannst du auch nicht. Erinnerst du dich noch an den Musikunterricht, als du....“ ,sagte Thomas. „Na und. Was interessieren mich die Sprüche von gestern. Das Jetzt ist doch wichtig. Seid ihr blind? Das ist doch genau unser Ding. Eine Rock`n Roll Band.“ „Ja. Wär schon cool.“ ,stellte Uwe fest. „Mein Opa hat ein Akkordeon.“ ,beteiligte sich Bert. „Kannst du das Ding spielen?“ ,fragte Hannes. „Nö, aber kann ja nicht so schwer sein. Mein Opa ist 80 und spielt immer noch.“ „Wir sind eine Band und nicht die Wildecker Herzbuben.“ ,zickte ich. „Ich kann Schlagzeug spielen. Übe oft auf den Töpfen meiner Mutter.“ ,sagte Hannes. „Ich besorg mir einen Bass.“ ,meinte Uwe. „Klasse. Willst du die im Chor mitsingen Bert? Wir brauchen dich.“ ,fragte ich. „Geht klar. Mein Bruder war 3 Monate im Frauenchor der Harmonia, der kann mir ein paar Tricks zeigen.“ „Sag mal, die Isabell kann doch Gitarre spielen.“ ,sagte Thomas. „Ein Mädchen?“ ,zweifelte ich. „Na klar. Mädchen sind doch eine Bereicherung. Außerdem haben ihre Eltern einen Party Keller. Da können wir bestimmt üben.“ Das brachte den Ausschlag. Am nächsten Tag machte Michaela mit mir Schluss. War mir ganz recht. Damit hatte Achim sie am Hals und ich musste mir nicht mehr anhören, das ich ein Träumer war. Außerdem fand ich jetzt sowieso keine Zeit für diese Dinge. Wollte mich ganz auf meine Karriere konzentrieren. In der Sportstunde wählte ich Isabell in meine Völkerball Gruppe und zeigte mich von meiner Gentleman Seite. Komischerweise kam das gut an. Da ich gerade auf der Überholspur war, lud ich sie zu einem Hot Dog in Oma`s Schlemmerparadies ein. Nachdem wir 10 Minuten über die Lehrer gehetzt hatten, ließ ich die Katze aus dem Sack: „Du hast die Möglichkeit in meiner Band mitzuspielen.“ „Wie heißt die ihr denn?“ ,fragte sie. „Die Downtowns.“ ,gab ich stolz von mir. „Oooooooookay. Wie wäre es mit die Meschkes?“ „Warum nicht gleich die Adams Family?“ ,meinte ich genervt. „Oder, die Goldkehlchen?“ ,konterte sie und lachte sich scheckig. Erst da merkte ich das sie mich auf den Arm nahm. „Also. Ihr wollt, das ich in eurer Rock`n Roll Band Gitarre spiele und meinen Keller dafür zur Verfügung stelle, dann darf ich auch den Namen aussuchen.“ Mann. Ein eisenharter Verhandlungspartner. Ich stimmte zu. Was blieb mir übrig? „Wir nennen uns die Uptowns!“ ,rief sie. Zum Abschluss gaben wir uns die Hand. Danach umarmte ich sie und sie stieß mich weg. Alles klar. Und schon war ich wieder verknallt. Das würde ein großartiger Herbst werden. Der großartigste den diese Welt je gesehen hatte. Mann, war ich ein Glückskind! Mai 2020 von Axel Bruss
  16. Hallo Sali Danke für deine Zeilen. Höre gerade Michael Bublè, die schnelleren Sachen, und bin guter Dinge. Ich freue mich sehr, das dir die Geschichte so gut gefallen hat. Ja. Also. Das mit dem dass, ist schwierig. Genau genommen ein Mysterium. :-) Übrigens, es gibt insgesamt 6 Teile. Hast du die beiden ersten Teile schon gelesen? Liebe Grüße Axel
  17. Der Tag, als ich auf einem Drachen ritt Geschichten vom Erwachsen werden Teil 3 Dieser Sommer, war der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte. Meine Herren. Wir schliefen in einer Sauna, die früher mal unser Kinderzimmer gewesen war und wachten schweißgebadet am Amazonas auf. Duschen brachte nichts. Wir tranken viel und ließen alles wieder raus. Ein ewiger Kreislauf. Die Wiese wurde gelb und die Bäume warfen ihre schlappen Blätter ab. Der Teich in der Nähe trocknete aus und eine Million Mücken nisteten sich an der Uferböschung ein. Wir wurden gestochen und jammerten und kratzten uns. Wir brauchten neue Badehosen. Die Alten klemmten uns alles ab und hoben Es hervor. Wir lachten uns über die anderen Jungs schlapp, weil sie verschämt knapp oberhalb der Grasnarbe entlang krochen, um alles zu verdecken. Das hatten wir nicht nötig. Konnten alles zeigen, was wir hatten. Bis wir merkten, das sich die Anderen auch über uns schlapp lachten. Wir brauchten neue Badehosen, aber keiner bekam das Geld dafür. Wir waren Kinder armer Eltern, aber das wussten wir nicht. Es gab genug zu essen. Unsere Wünsche zum Geburtstag wurden uns erfüllt. Oder auch nicht. Keiner wollte nach Karstadt, um halbe Hähnchen zu essen und Pulloverfabrikanten gingen ein. Wir schleppten uns jeden Tag zur Schule und saßen die Zeit dort ab. Träumten von der Ostsee und Meerjungfrauen. Dachten an Norwegen und das der heilige Thomas sagte, das jeder Junge ab 13 bei der Einreise in dieses wundervolle Land einen Kuss von einem blonden Mädchen bekäme. Noch am selben Tag beknieten wir unsere Eltern in den Ferien genau dort hin zu fahren. Meine Mutter zeigte mir einen Vogel. Norwegen? „Das ist viel zu weit weg, Junge. Wir machen uns das zu Hause schön.“ Zu Hause? Das konnte nur ein Scherz sein. Auf unserem Balkon bekam sogar ein Wellensittich Platzangst. Früher bauten wir einen kleinen Plastik Pool dort auf und ich badete mir, in ihm, die Knie wund. Das war im letzten Jahr, schien aber schon 2 Jahrhunderte oder länger her zu sein. Konnte jetzt natürlich nicht mehr zugeben, das es erfrischend war. Im Gegenteil ich jammerte, das wir die Einzigen in Deutschland, nein der ganzen Welt, waren die nie in Urlaub fuhren. Nicht mal nach Norwegen, denn da hatten selbst die Mücken sagenhafte Namen: A: Emma B: Svenja Hedda Ynavild E: Runa Unser Schuldirektor weigerte sich, uns eine Woche vor Beginn der großen Ferien Hitzefrei zu geben. Typisch. Michaela bekam die Entlassungspapiere früher, weil ihre Oma in Wiesbaden im Sterben lag. Wir hatten keinen der im Sterben lag, obwohl es meinem Wellensittich seit Tagen nicht gut ging. Blähungen. Unglaublich, was in einem solch kleinen Vogel für Luft drin ist. Ich saß am Montagnachmittag zu Hause und paukte Mathe. Den Sinn verstand ich nicht, aber meine Mutter meinte, sie wolle, das aus mir was vernünftiges wird. Keine Ahnung was sie damit meinte. Sie führte immer meinen Onkel an, der zwar keine Haare auf dem Kopf, aber einen langen Ziegenbart hatte. Seine schwarzgeränderten Fingernägel wuchsen kreuz und quer in der Weltgeschichte herum. Er prahlte immer mit seiner 2 im Rechnen und einer 1 in Mathe. Ich bezweifelte stark, das er jemals eine Schule von innen sah. Aufgewachsen ist er in Schlesien, das damals noch zu Deutschland gehörte. Etwas später verlor Adolf nicht nur Schlesien, sondern auch sein Leben. Komisch, das er den gleichen Namen, wie dieser andere Mann, mit dem blöden Bart und den irren Augen hatte. Wie hieß der doch gleich? Na egal. Mein Onkel fand seine Bestimmung, wie er wieder und wieder betonte, in einem Metzgereibetrieb. Dort stellte man ihn als Entbeiner an, das ich immer als Zumutung empfand, weil das für mich nach dem Zwillingsbruder von Freddie Krüger klang. Gruselig. Aber lassen wir das. Ich hatte meinen Berufswunsch mit 10 in das Deutschheft geschrieben: Was ich einmal werden will Ich werde Schauspieler, weil man dann jemand anders sein kann und viel Geld verdient. Mathe brauche ich nicht, weil mein Agent alles für mich regelt. Sowie der Manager von Elvis. Der heißt Colonel Tom Parker und ist sehr dick. Elvis ist mein Lieblingssänger. Er kann toll singen und kriegt jede Frau die er haben will. Ich will einmal meine Traumfrau kennen lernen. Aber heiraten werde ich nie. Das funktioniert nicht, sagt meine Muter. Die Eltern von Bert lassen sich scheiden oder reisen in unterschiedliche Länder. Das weiß ich nicht mehr genau. Heute haben wir für 10 Mark Eis beim Eismann gekauft. Eine ganze Schüssel voll. Nachdem ich Durchfall bekommen habe, schwor ich nie wieder Eis zu essen. Als Schauspieler muss man auf seine Figur achten, damit man nicht so dick, wie die Frau über uns wird. Die heißt Frau Schachtelhalm und ist schwerhörig. Sie kauft ihre Kleidung in der Zeltabteilung. Ich übe jeden Tag, wie andere Menschen zu gehen und zu sprechen. Am einfachsten ist John Wayne. Das ist ein Cowboy aus Amerika. Am liebsten wäre ich wie Elvis, denn der kann alles. Singen und schauspielern. Manchmal wünschte ich mich besser zu kennen, um mich mehr zu mögen. Alex Klasse 4a Schon interessant, was für einen Blödsinn man als Kind verzapft. Kleine Steine flogen durch mein geöffnetes Fenster und trafen meinen Lieblingsteddy der immer noch, inoffiziell, auf meinem Bett saß und auf dicke Hose machte. Jetzt bekam er die Rechnung dafür. Er verlor sein rechtes Auge, als ich letztes Jahr ein berühmter Chirurg werden wollte, bei dem Versuch seinen Blinddarm zu entfernen. Flohklaus assistierte mir und übergab sich zweimal, weil ich ihm den Bauch aufschnitt. Also dem Teddy, nicht Flohklaus. Der nächste Stein, durch mein Fenster flog, war ein roter Backerstein und knockte meinen Teddy aus. Guter Wurf. „Hey Alex, wir wollen ins Schwimmbad. Kommst du mit?“ ,rief Bert. „Muss lernen.“ ,entgegnete ich schleppend und atmete dabei hörbar aus. „Die Neue von Uwe ist auch da.“ „Die mit den Hasenzähnen?“ „Ja und sie bringt ihre Freundin mit.“ „Die mit den großen Dingern?“ ,schrie ich. „Ja.“ ,antwortete Bert ebenso lautstark. „Ich bin gleich da.“ Das durfte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Schwimmbad und dicke Dinger, waren das Non Plus Ultra. Ich würde zurück sein, bevor meine Mutter von der Arbeit kam. Ja, ich würde sogar zurück sein, bevor irgendeiner Schmusebacke sagen konnte, denn ich war das Augenzwinkern, während eines einschlagenden Blitzes. Das las ich in einem Bericht über das Liebesleben der Eichhörnchen und das beeindruckte mich so sehr, das ich es mir gemerkt habe. Ich konnte mir alles merken, außer diesen blöden Formeln, die mich zu einem Mathe Genie machen sollten. Mein neues, altes Fahrrad war in Top Form. Genau wie ich. Bert sang: >Hoch auf dem gelben Wagen< und rülpste zwischendurch so laut, das ein grasendes Reh vor Schreck pupste und die Sonne sich verdunkelte. Wir radelten gemeinsam über einen Feldweg. Rechts und links stand der Raps in voller, gelber Blüte. Das sah klasse aus. Das wollte ich mir merken, um darüber ein Gedicht zu schreiben. Natürlich erzählte ich niemandem davon. Gedichte schreiben, war etwas für Weicheier und das wollte ich auf gar keinen Fall sein, denn ich bildete mir ein eine geheimnisvolle Aura zu haben. Hatte mir angewöhnt bei Erzählungen der Anderen bedeutungsvoll und langsam zu nicken. Dann sah ich in den Himmel und sagte Sätze, wie: Die Kraniche ziehen nach Süden. Oder: Der Weg ist weit, doch die Gedanken sind schnell. Oder: Das Heute ist das Morgen von Gestern. Natürlich war ich meiner Zeit soweit voraus, das mich alle nur mitleidig anschauten und mir einen heftigen Sonnenstich bescheinigten. Oh, diese Ahnungslosen. Also, mal davon abgesehen. das ich dachte entweder der Auserwählte oder ein morsches Stück Holz zu sein, war ich ein ganz normaler Teenager. Ne` nicht ganz, denn ich hatte eine Freundin. Außer dem heiligen Thomas hatte noch nie jemand eine Freundin gehabt. Das Uwe jetzt eine hatte, zählte nicht. Im Freibad roch es nach Chlor und Sonnenmilch und Freiheit. Wir wussten gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollten. Diese ganzen wundervollen Mädchen machten uns ganz wuschig. Badeanzüge fanden wir gut, aber Bikinis brachten unsere Fantasien noch mehr auf Touren. In der Schule versteckten sie ihre Brüste unter weiten Pullis. Hier wurden sie nur durch dünnen Stoff zurück gehalten. Da wir uns alle für Profis hielten, wenn es um Girls ging, führten wir ein Benotungssystem ein. 10 war das Beste. 1 das Schlechteste. Als erstes zählten wir alle Mädchen und trugen die Zahl in unser Heft ein. Auf die Vorderseite schrieben wir: Berichte über Blitzeinschläge. Hannes, der gut rechnen konnte und ein Angeber Shirt von Mark Spitz trug, nahm die Zahl mal 2. Logisch. 2 Brüste. Am Ende hatten wir 93, was uns reichlich verwirrte. Wir holten uns erst mal Pommes rot-weiß und taten so, als wären wir die coolsten Kerle auf der ganzen Welt. Wir trugen natürlich Sonnenbrillen. Das gehörte sich so. Ich hatte eine von meinem Onkel geliehen. Die war so groß, wie der Eiffelturm und bedeckte fast das ganze Gesicht. Damit war ich natürlich die Nummer eins. Denn wir alle wussten: Größer ist besser. Auch, wenn die anderen keine Freundin hatten, gaben sie mit ihren Erlebnissen an, das man hätte denken können, sie wären 50 Jahre alt und blickten auf ein erfülltes Liebesleben zurück. Uwe erzählte von einer Magda, die er letztes Jahr in Berchtesgaden, in einem Ort namens Schneizelreuth kennenlernte. Die war 15 und 1,73 groß. Wir lachten uns checkig, weil seine Geschichte schon so unglaubwürdig anfing: A: Berchtesgaden? Das klang viel zu sehr nach einem Tierpark in Schweden. B: Magda? So hießen doch keine Mädchen, höchsten Erdhörnchen. 15 Jahre alt? Warum nicht gleich 35 und Fotomodel aus der Bravo? Schneizelreuth? Wieso nicht gleich Pupshausen? E: 1,73? Jeder wusste, das Mädchen höchstens 1,63 groß werden. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Nachdem wir uns leer gelacht hatten, wollte Uwe nicht mehr erzählen und war kurz davor uns die Freundschaft zu kündigen. Wir konnten ihn nur beruhigen, indem wir zusammenlegten und ihm ein Eis spendierten. Er quälte uns, indem er es gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz langsam aß. Dann steckten wir die Köpfe wieder zusammen und Uwe begann mit gedämpfter Stimme zu berichten: „Also, die Magda war die Tochter der Hotelbesitzerin. Sie hatte ganz grüne Augen, so wie die Gesichtsfarbe von Henning, als dem schlecht war und er kotzen musste. Wisst ihr noch? Das kam von dem Auflauf aus der Schulkantine.....“ „Ja. Ja. Ja. Weiter!“ ,meldete sich Bert. „Also, die Magda....“ ,fuhr Uwe fort. „Alter. Das hatten wir schon.“ ,wurde Bert ungeduldig. Uwe holte tief Luft. Wir konnten die Anspannung und die Elektrizität in der Luft spüren. Hoffentlich gab es kein Gewitter. Aber, wenn, wussten wir wer Schuld hatte. „Am dritten Tag trafen wir uns in der Scheune. Sie wollte mir etwas zeigen.“ Wir hielten den Atem an. „Sie trug einen Pullover. Sehr eng. Und einen Overall.“ Bert begann zu sabbern. Ich hielt die Anspannung nicht mehr aus und musste lachen, aber weil alle mich mit bösen Augen anfunkelten, bekam ich mich gleich wieder unter Kontrolle. „Wir standen uns gegenüber und sie sagte ich sei der netteste Junge den sie bisher kennengelernt hatte.“ ,fuhr Uwe fort „Kannst du das überspringen und zum Wesentlichen kommen?“ ,fragte der heilige Thomas ganz sachlich. „Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihre Brust.“ „Oh mein Gott. Wahnsinn.“ ,riefen wir aus. Das hatte es noch nie gegeben! Im Urlaub. In einem fremden Land. Wir freuten uns für Uwe und waren furchtbar neidisch. Was für ein Glückspilz. Ich hätte ihnen gern von Michaela erzählt und davon, was wir alles getan hatten, aber es kam mir wie ein Verrat vor, dies zu tun. Also ließ ich es. Thomas fischte aus seiner Hosentasche ein quadratisches, verpacktes Teil. „Das habe ich immer bei mir. Solltet ihr euch auch zulegen.“ sagte er. „Was ist das?“ ,fragte ich. „Präser.“ ,erklärte Bert. „Ahh. Präser.“ ,wiederholte ich. „Weißt du auch wofür?“ ,fragte Bert. „Na klar. Bin doch nicht aus Dummsdorf.“ ,sprach ich ärgerlich. Ich hatte keine Ahnung, was das war. Zum Glück steckte Thomas es gleich wieder weg. Ich nahm mir vor im Lexikon nachzuschauen, um herauszufinden was es damit auf sich hatte. Versuchte an etwas anderes zu denken. Also....am letzten Tag vor ihrer Abreise, nachdem ich Schokokekse und Milch hinter mich gebracht hatte und wir in ihrem Zimmer auf dem Bett lagen, fragte sie mich: „Hast du schon mal mit einem Mädchen geschlafen?“ Sofort kroch die Morgenröte, erst über mein Gesicht und dann über den Rest meines, zu allem bereiten, Körpers. Suchte verzweifelt nach der richtigen Antwort. Wenn das eine Fangfrage war, konnte mich das ganz schön reinreißen. Ich versuchte es mit der Wahrheit. „Nein. Du?“ ,fragte ich bemüht locker. Natürlich war ich meilenweit davon entfernt entspannt und easy darauf zu reagieren. „Nein, aber manchmal träume ich davon, wie es wäre. Ist das merkwürdig?“ „Überhaupt nicht. Es schön mit dir darüber zu reden.“ „Und komisch.“ „Ja. Und komisch.“ Wir lagen eine ganze Zeit angezogen nebeneinander und sie streichelte mich an meiner Lieblingsstelle. Das machte mich reichlich verrückt und freute mich, weil ich jetzt etwas Neues hatte an das ich denken konnte, wenn sie nicht da war. Plötzlich kam ihre Mutter ins Zimmer und wir sprengten auseinander. Damit zerplatze auch diese Erinnerung und mein Gehirn suchte nach anderen Gedanken: So ein Präser war sicher eine gute Sache und während wir in der Sonne dösten und die Haut krebsrot machten überlegte ich was es sein könnte: A: Ein abgepackter Pfefferminz gegen schlechten Atem. B: Überzieher für Straßenschuhe, damit sie bei Regen nicht schmutzig wurden. Ein 5 Mark Schein, um sie zum Eis einladen zu können. Die Telefonnummer eines Sorgentelefons, bei Liebeskummer. E: Getrocknete Rosenblätter zum Kennzeichnen eines romantischen Abends. „Oh Mann. Die habe ich lange nicht gesehen.“ ,rief Uwe ängstlich. „Das riecht nach Ärger.“ ,meinte Thomas „Ja. Nach reichlich Ärger.“ ,fügte Bert hinzu. Die Magnusbande stolzierte über den Platz und verbreitete Angst und Schrecken. Wir hörten von der Liesl, mit der wir uns mittlerweile gut verstanden, das Magnus und Piet bei einem Einbruch erwischt wurden und für ein paar Monate ins Jugendheim mussten. Alle sagten, das sie es verdient hätten und ich war froh meiner angesagten Höllenfahrt entgangen zu sein. Jetzt waren sie wieder da, aber der Mut des Löwen aus Mitternacht, war mit ihrem Auftauchen baden gegangen. Wortlos packten wir unsere sieben Sachen und schlichen uns davon. Oh, wie armselig. Keiner sagte ein Wort. Fühlten uns, wie die letzten Looser. In unserer Schule gab es auch reichlich Nieten und die größten waren die Streber aus dem Grammatik Leistungskurs. Jetzt standen wir sogar noch unter denen. Ist das zu glauben? Oh, Mann. Wie armselig. Jetzt zitierte ich schon wieder Herrn Mewes. Beim Abschied nickten wir uns nur zu. Wie Verurteilte die zu ihrem letzten, endgültigen Gang aufbrachen. Zu Hause saß ich auf unserem Balkon und überlegte, wie wir diese Situation bereinigen konnten. Zwischendurch machte ich Kopfstand, um meine Gehirnzellen anzustacheln, nach einer Lösung zu suchen. „Denk nach. Denk nach.“ ,sagte ich immerzu. Doch es führte nur dazu, das ich tierische Nackenschmerzen bekam und mich übergeben musste. Verabschiedete mich schon mal innerlich und bereitete mich auf das unausweichliche, unabänderliche Ende meines noch so jungen Lebens vor. Einem jämmerlichen, beklagenswerten Tod mit dem Kopf in der Schultoilette am Valentinstag. Ich verlor jedes Zeitgefühl und spielte 100 mal > Long black Limousine < von Elvis. Das zog mich noch mehr runter, weil es um einen Typen ging der aus seiner Stadt wegging und immer damit angab in einem schicken Auto wiederzukommen. Jetzt lag er in einer schwarzen Limousine und alle klagten und weinten. Das zog mich noch mehr runter, also ich drückte ein paar Tränen heraus und schaute mir dabei im Spiegel zu. Um 21:00 rief Michaela an: „Hallo mein Süßer.“ „Hi.“ ,sagte ich. „Alles ok?“ ,fragte sie besorgt. „Oh sicher, sicher.“ „Du klingst aber überhaupt nicht so.“ „Doch. Wir waren schwimmen und Uwe ist auf einer dicken Frau ausgerutscht und Bert hat sich wieder den Kiefer ausgerenkt und Thomas wird nicht mehr Priester, sondern Außenminister, weil man dann auch nach Norwegen fahren kann, um von den hübschen, blonden Frauen geküsst zu werden.“ „Und?“ ,fragte sie. „Uuuuuuuuuuuuuuuund..... die Magnusbande ist wieder da!“ ,gab ich zu Protokoll. Am anderen Ende hörte ich nur ihren Atem. Meine Hände begannen zu schwitzen. Mein Herz ließ sich zu einem Galopp hinreißen. Meine Kehle wurde durch eine unsichtbare Hand zugedrückt. „Ich komme sofort nach Hause!“ ,presste sie keuchend hervor. „Nein. Das bringt doch nichts. Wir kommen schon klar.“ ,sagte ich so dahin. „Ach ja. So, wie mit dem 5 jährigen der dir gegen das Schienbein getreten hat und dann weggelaufen ist?“ ,nörgelte sie. „Oh, Mann. Der konnte wirklich schnell rennen.“ „Genau. Oder der 10 jährige der dir dein Eis geklaut hat.“ „Jaha. Aber, der war wirklich groß für sein Alter und sein 16 jähriger Bruder ist Großmeister im Mikado. Was willst du mir eigentlich sagen?“ „Du musst da verschwinden.“ „Hab schon einen Flug nach Hong Kong gebucht.“ „Es ist jetzt keine Zeit für Witze. Du kommst zu meiner Oma nach Osnabrück“ „Osnabrück?“ ,wiederholte ich mit quietschender Stimme. „Ja. Osnabrück.“ ,wiederholte Michaela. „Aber das ist doch das Dorf der Schlümpfe.“ „Nein. Das heißt Schlumpfhausen und Donald wohnt in Entenhausen und Asterix und Obelix in....“ „Ja, ich weiß, in einem von unbeugsamen Galliern bevölkerten Dorf. Und das passt genau zu mir: Der Unbeugsame!“ ,stellte ich fest. „PPPPPPPFFFFFFFFFFFF.“ ,hörte ich vom anderen Ende der verschwitzten Ohrmuschel. Das wurde mir langsam zu blöd. War ich denn nur ein Clown? Ein Schwächling? „Du musst dir keine Sorgen machen ich hab hier alles im Griff. Ich muss jetzt Schluss machen, also mit dem Telefonat nicht mit dir, mein Hamster will noch den Boden bohnern. Ich liebe dich.“ ,dann legte ich auf. Nach 3 Millisekunden wurde mir bewusst was ich gesagt hatte: Ich liebe dich! Sie musste mich wirklich für einen dummen und verliebten Trottel halten. Das Telefon klingelte abermals. „Ich liebe dich auch. Du machst das schon.“ ,flüsterte Michaela mit ihrer weichen Stimme durch den Hörer und legte dann auf. Oh, mein Gott. Ich sank auf meinen Stuhl, da meine Beine mich nicht mehr tragen konnten. Nach 13 Minuten konnte ich wieder klar denken und schnappte mir das Lexikon: „PPPPPPP.......PPPRRRRR.....PPPPPRRRRÄÄÄÄ...........PRÄSER................ Also: Nach einem französischen oder englischen Arzt Conton (17. Jahrhundert) benannter dünner Überzug aus Gummi für das männliche Glied zur Verhinderung einer unerwünschten Schwangerschaft. Aha. Ich wusste noch nicht genau, wie ich diese merkwürdige Information verarbeiten sollte. Ein dünner Überzug aus Gummi? Für das.....was?......Glied? Natürlich hatten wir alle den totalen Durchblick, was Sex anging. Uwe`s großer Bruder erzählte ihm haarklein, wie das alles zusammenhing und dann erzählte Uwe uns, was er von dem, was sein Bruder ihm erklärte noch wusste und wir hörten genau zu und verstanden nur die Hälfte. Mann und Frau. Im Bett. Nackt. Körper die aufeinander liegen. Hände. Jo! Aber, wie passte ein dünner Überzug während dieser wundervollen Erfahrung menschlichen Zusammenseins dazu? Sollte ich zwischendurch aufhören und zu Michaela sagen: „Jo. Alles klar. Es ist soweit. Fanfare. Ich reiße jetzt diese Verpackung auf und rolle den dünnen Überzug aus Gummi über mein Glied.“ Diese Vorstellung befand sich meilenweit von einem entspannten ersten Mal entfernt auf einem Berg dessen Spitze ich nicht mal sehen konnte: A: Was sollte Michaela in der Zeit machen? B: Waren wir schon nackt? Würde sie meinen Körper schön finden? Half sie mir beim Finden des Eingangs? E: Was sollten wir danach machen? Das Telefon klingelte wieder. Berts Stimme sagte nur: „Um 3. Besprechung“. Machte mich sofort auf den Weg und schwang mich auf meine Rosinante, so hieß mein Drahtesel. Irgendwie bescheuert. Klang nach 3. Klasse. Rutschte manchmal in ein wehmütiges Gefühl. Hauptsächlich, wenn alles so schwierig wurde. Dann wünschte ich mir meine Kindheit zurück. Eine Zeit, wo alles noch einfach war. > Schlafen. Essen. Schreien. < Besonders das Schreien fehlte mir. Aber das ging vorüber und wenn ich die Kontrolle zurückgewann, suchte ich meinen Kiosk auf und kaufte 3 Lakritz Bonbons. Die besonders Harten, weil man die besonders lange lutschen konnte. Herr Schlichting, der Ladenbesitzer, war ein alter, weißhaariger Mann mit freundlichen Augen und einer großen, schweren Brille. Er trug immer viel zu große, graue Anzüge, die um seinen dünnen Körper schlackerten und den Eindruck hinterließen, er wäre ein Außerirdischer und wohnte auf dem Planeten Melmak. An einem Montag vor 4 Wochen las ich, in seinem Laden, gerade in einem Superman Comic, als er der dicken, schwerhörigen Frau Schachtelhalm, von dem Überfall erzählte: „Also, Frau Halterschwamm, diese dummen Jungen kamen doch tatsächlich mit einer Maske über dem Kopf herein und verlangten mein Kassengeld, sonst würden sie den Laden verwüsten und alle Süßigkeiten mitnehmen. Ich sagte ihnen, das ich sofort die Polizei rufen würde, wenn sie nicht mit diesem Unfug aufhören würden. Daraufhin schlug mich der Größere von den beiden mit einem Stock. Hier sehen sie, da ist noch die Narbe. Gott sei dank, kam dann Herr Pumpelmeier und hielt beide solange fest, bis die Gesetzeshüter kamen. Herr Pumpelmeier ist Ringer, wie sie sicher wissen Frau Weiterqualm. Jedenfalls. Ich bin ganz schön überrascht gewesen, das Piet und Magnus unter den Masken steckten.“ Frau Schachtelhalm nickte die ganze Zeit eifrig mit ihrem kleinen, runden Kopf, obwohl sie sicher nicht mal die Hälfte von dem mitbekam was Herr Schlichting ihr erzählte. Das alles hatte sich wieder in meinem Kopf breitgemacht, als ich Flohklaus beim Kiosk traf und ihm einen meiner Riesenkracher, wie die Bonbons bei uns hießen, schenkte. Er bedankte sich höflich und wollte mir unbedingt etwas zeigen. Hinter dem Hochhaus gab es eine große Wiese und dahinter einen kleinen Wald. Unter einer alten Eiche lag eine verrostete Kiste mit einem Adler und einem Hakenkreuz drauf. In dieser Kiste lag.............Nichts. „Da war eine Pistole drin. Ich schwör.“ ,beteuerte Flohklaus. „Mmmmmh.“ ,gab ich zurück. „Wirklich!“ ,blieb er standhaft. Ich untersuchte den Tatort gewissenhaft. Da waren Fußabdrücke von Springerstiefeln und einer geriffelten Sohle sehr teurer Schuhe. Magnus und Piet mussten vor kurzer Zeit hier gewesen sein. Die Spuren waren frisch. „Kennst du die Geschichte von Nepomuck?“ ,fragte ich Flohklaus. „Nein.“ ,antwortete dieser stirnrunzelnd. „Dieser Nepomuck, war ein kleiner, aber pfiffiger Kerl. Er fand eine giftige Pflanze und rief seinen Kumpel Hasra. Doch bevor sie die Pflanze vernichten konnten, wurde sie von den bösen Zauberern Hesikjael und Bodro gestohlen. Die wollten damit das Elfenland auslöschen und die Macht an sich reißen.“ Mit offenem Mund hörte Flohklaus gespannt zu. „Was passierte dann?“ ,fragte er atemlos. „Nepomuck und Hasra liehen sich einen Drachen aus dem Feenland und verfolgten die beiden. Und während Hasra auf dem Drachen ritt und sie mit lautem Gebrüll ablenkte, konnte Nepomuck den beiden Gaunern die Pflanze entreißen und somit das Land retten. Sie bekamen soviel Eis, in jeder Sorte die sie begehrten, wie sie essen konnten.“ „Sollen wir die Polizei rufen?“ ,fragte er. „Ja. Gute Idee Torsten.“ „Torsten?“ „Ja. Der Name Flohklaus ist bescheuert und du bist viel zu groß für so einen Namen.“ ,erklärte ich. „Danke.“ ,sagte er stolz. Bevor sie einen zweiten Überfall im Kiosk, bei Herrn Schlichting, machen konnten, wurden sie gefasst und kamen ins geschlossene Jugendheim. Ich lud alle in Oma´s Schlemmerparadies ein, weil wir doch noch alles zum Guten gewendet hatten. Und da saßen wir dann: Torsten, der früher Flohklaus hieß und jetzt Ehrenmitglied unserer Kumpelei war. Uwe, Bert, der heilige Thomas, der nicht mehr nach Norwegen, sondern nach Berlin wollte, weil da alle Frauen gefärbte, rote Haare hatten und das schon immer ein Zeichen von Leidenschaft war und alle machten sich über das Eis her. Plötzlich stand Michaela in der Tür. Ich sprang auf und stürzte auf sie zu. Meine Hand streifte dabei versehentlich ihren Po. „Du Schlingel.“ ,flüsterte sie mir ins Ohr. „Hast du`s schon gehört?“ ,fragte ich lachend. „Ja. Ihr seid die großen Helden. Habt eine Pistole aus dem 2. Weltkrieg gefunden und einen Überfall verhindert.“ „Ich heiße jetzt Torsten.“ ,meldete sich Torsten. „Das freut mich. Du bist gewachsen, in den 2 Wochen, die ich nicht da war.“ Er reckte seinen Kopf und wurde ein bisschen rot. „Gibt es noch mehr Geschichten von Hasra und Nepomuck?“ ,fragte er mich. „Ich schreibe sie dir auf.“ ,rief ich ihm zu. Ich glaube an jenem Tag entschloss ich mich Geschichtenerzähler zu werden, denn das konnte ich wirklich besser, als alles andere. Michaela kam ganz nah an mein Ohr: „Ich habe dich vermisst.“ ,flüsterte sie. „Ich dich auch.“ „Hab dir eine Hantel mitgebracht.“ ,teilte sie mir freudig mit. „Äh. Super. Wozu?“ ,fragte ich verdutzt. „Naja. Zum Trainieren. Der Achim meint, das wäre wichtig.“ „Der Achim?“ „Ja. Stell dir vor, der hat auch eine Oma in Osnabrück und wohnt auch in Hamburg.“ „Ach was?!“ ,gab ich gereizt von mir. „Ja! Und er ist in einem Sportklub. Toll ne`?“ „Ja. Total toll.“ ,grummelte ich. „Ja und er hat gesagt, ich soll mal vorbeikommen. Im Sportklub.“ „Ach!?“ „Jetzt sag doch nicht die ganze Zeit Ach.“ ,zickte sie mich an. „Das ist erst das zweite Mal, das ich Ach gesagt hab.“ „Ach, du bist doof. Ich geh jetzt nach Haus!“ „Nein warte. Tut mir leid.“ ,sagte ich reumütig. Sie umarmte mich und legte ihre Hand auf meinen Po. Das war ganz schön aufregend. Dachte sofort an den Überzug und an Norwegen und rote Haare und das es Zeit wurde, bis zum Äußersten zu gehen. „Meine Mutter ist übermorgen Abend nicht zu Hause.“ ,flüsterte sie in mein Ohr. „Soll ich Schokokekse und Milch mitbringen?“ ,flüsterte ich zurück. Sie kniff mich in den Po und wir küssten uns. Oh, Mann. Dieser Sommer, war wirklich der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte. Der Tag, als ich auf einem Drachen ritt Geschichten vom Erwachsen werden Teil 3 Dieser Sommer, war der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte. Meine Herren. Wir schliefen in einer Sauna, die früher mal unser Kinderzimmer gewesen war und wachten schweißgebadet am Amazonas auf. Duschen brachte nichts. Wir tranken viel und ließen alles wieder raus. Ein ewiger Kreislauf. Die Wiese wurde gelb und die Bäume warfen ihre schlappen Blätter ab. Der Teich in der Nähe trocknete aus und eine Million Mücken nisteten sich an der Uferböschung ein. Wir wurden gestochen und jammerten und kratzten uns. Wir brauchten neue Badehosen. Die Alten klemmten uns alles ab und hoben Es hervor. Wir lachten uns über die anderen Jungs schlapp, weil sie verschämt knapp oberhalb der Grasnarbe entlang krochen, um alles zu verdecken. Das hatten wir nicht nötig. Konnten alles zeigen, was wir hatten. Bis wir merkten, das sich die Anderen auch über uns schlapp lachten. Wir brauchten neue Badehosen, aber keiner bekam das Geld dafür. Wir waren Kinder armer Eltern, aber das wussten wir nicht. Es gab genug zu essen. Unsere Wünsche zum Geburtstag wurden uns erfüllt. Oder auch nicht. Keiner wollte nach Karstadt, um halbe Hähnchen zu essen und Pulloverfabrikanten gingen ein. Wir schleppten uns jeden Tag zur Schule und saßen die Zeit dort ab. Träumten von der Ostsee und Meerjungfrauen. Dachten an Norwegen und das der heilige Thomas sagte, das jeder Junge ab 13 bei der Einreise in dieses wundervolle Land einen Kuss von einem blonden Mädchen bekäme. Noch am selben Tag beknieten wir unsere Eltern in den Ferien genau dort hin zu fahren. Meine Mutter zeigte mir einen Vogel. Norwegen? „Das ist viel zu weit weg, Junge. Wir machen uns das zu Hause schön.“ Zu Hause? Das konnte nur ein Scherz sein. Auf unserem Balkon bekam sogar ein Wellensittich Platzangst. Früher bauten wir einen kleinen Plastik Pool dort auf und ich badete mir, in ihm, die Knie wund. Das war im letzten Jahr, schien aber schon 2 Jahrhunderte oder länger her zu sein. Konnte jetzt natürlich nicht mehr zugeben, das es erfrischend war. Im Gegenteil ich jammerte, das wir die Einzigen in Deutschland, nein der ganzen Welt, waren die nie in Urlaub fuhren. Nicht mal nach Norwegen, denn da hatten selbst die Mücken sagenhafte Namen: A: Emma B: Svenja Hedda Ynavild E: Runa Unser Schuldirektor weigerte sich, uns eine Woche vor Beginn der großen Ferien Hitzefrei zu geben. Typisch. Michaela bekam die Entlassungspapiere früher, weil ihre Oma in Wiesbaden im Sterben lag. Wir hatten keinen der im Sterben lag, obwohl es meinem Wellensittich seit Tagen nicht gut ging. Blähungen. Unglaublich, was in einem solch kleinen Vogel für Luft drin ist. Ich saß am Montagnachmittag zu Hause und paukte Mathe. Den Sinn verstand ich nicht, aber meine Mutter meinte, sie wolle, das aus mir was vernünftiges wird. Keine Ahnung was sie damit meinte. Sie führte immer meinen Onkel an, der zwar keine Haare auf dem Kopf, aber einen langen Ziegenbart hatte. Seine schwarzgeränderten Fingernägel wuchsen kreuz und quer in der Weltgeschichte herum. Er prahlte immer mit seiner 2 im Rechnen und einer 1 in Mathe. Ich bezweifelte stark, das er jemals eine Schule von innen sah. Aufgewachsen ist er in Schlesien, das damals noch zu Deutschland gehörte. Etwas später verlor Adolf nicht nur Schlesien, sondern auch sein Leben. Komisch, das er den gleichen Namen, wie dieser andere Mann, mit dem blöden Bart und den irren Augen hatte. Wie hieß der doch gleich? Na egal. Mein Onkel fand seine Bestimmung, wie er wieder und wieder betonte, in einem Metzgereibetrieb. Dort stellte man ihn als Entbeiner an, das ich immer als Zumutung empfand, weil das für mich nach dem Zwillingsbruder von Freddie Krüger klang. Gruselig. Aber lassen wir das. Ich hatte meinen Berufswunsch mit 10 in das Deutschheft geschrieben: Was ich einmal werden will Ich werde Schauspieler, weil man dann jemand anders sein kann und viel Geld verdient. Mathe brauche ich nicht, weil mein Agent alles für mich regelt. Sowie der Manager von Elvis. Der heißt Colonel Tom Parker und ist sehr dick. Elvis ist mein Lieblingssänger. Er kann toll singen und kriegt jede Frau die er haben will. Ich will einmal meine Traumfrau kennen lernen. Aber heiraten werde ich nie. Das funktioniert nicht, sagt meine Muter. Die Eltern von Bert lassen sich scheiden oder reisen in unterschiedliche Länder. Das weiß ich nicht mehr genau. Heute haben wir für 10 Mark Eis beim Eismann gekauft. Eine ganze Schüssel voll. Nachdem ich Durchfall bekommen habe, schwor ich nie wieder Eis zu essen. Als Schauspieler muss man auf seine Figur achten, damit man nicht so dick, wie die Frau über uns wird. Die heißt Frau Schachtelhalm und ist schwerhörig. Sie kauft ihre Kleidung in der Zeltabteilung. Ich übe jeden Tag, wie andere Menschen zu gehen und zu sprechen. Am einfachsten ist John Wayne. Das ist ein Cowboy aus Amerika. Am liebsten wäre ich wie Elvis, denn der kann alles. Singen und schauspielern. Manchmal wünschte ich mich besser zu kennen, um mich mehr zu mögen. Alex Klasse 4a Schon interessant, was für einen Blödsinn man als Kind verzapft. Kleine Steine flogen durch mein geöffnetes Fenster und trafen meinen Lieblingsteddy der immer noch, inoffiziell, auf meinem Bett saß und auf dicke Hose machte. Jetzt bekam er die Rechnung dafür. Er verlor sein rechtes Auge, als ich letztes Jahr ein berühmter Chirurg werden wollte, bei dem Versuch seinen Blinddarm zu entfernen. Flohklaus assistierte mir und übergab sich zweimal, weil ich ihm den Bauch aufschnitt. Also dem Teddy, nicht Flohklaus. Der nächste Stein, durch mein Fenster flog, war ein roter Backerstein und knockte meinen Teddy aus. Guter Wurf. „Hey Alex, wir wollen ins Schwimmbad. Kommst du mit?“ ,rief Bert. „Muss lernen.“ ,entgegnete ich schleppend und atmete dabei hörbar aus. „Die Neue von Uwe ist auch da.“ „Die mit den Hasenzähnen?“ „Ja und sie bringt ihre Freundin mit.“ „Die mit den großen Dingern?“ ,schrie ich. „Ja.“ ,antwortete Bert ebenso lautstark. „Ich bin gleich da.“ Das durfte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Schwimmbad und dicke Dinger, waren das Non Plus Ultra. Ich würde zurück sein, bevor meine Mutter von der Arbeit kam. Ja, ich würde sogar zurück sein, bevor irgendeiner Schmusebacke sagen konnte, denn ich war das Augenzwinkern, während eines einschlagenden Blitzes. Das las ich in einem Bericht über das Liebesleben der Eichhörnchen und das beeindruckte mich so sehr, das ich es mir gemerkt habe. Ich konnte mir alles merken, außer diesen blöden Formeln, die mich zu einem Mathe Genie machen sollten. Mein neues, altes Fahrrad war in Top Form. Genau wie ich. Bert sang: >Hoch auf dem gelben Wagen< und rülpste zwischendurch so laut, das ein grasendes Reh vor Schreck pupste und die Sonne sich verdunkelte. Wir radelten gemeinsam über einen Feldweg. Rechts und links stand der Raps in voller, gelber Blüte. Das sah klasse aus. Das wollte ich mir merken, um darüber ein Gedicht zu schreiben. Natürlich erzählte ich niemandem davon. Gedichte schreiben, war etwas für Weicheier und das wollte ich auf gar keinen Fall sein, denn ich bildete mir ein eine geheimnisvolle Aura zu haben. Hatte mir angewöhnt bei Erzählungen der Anderen bedeutungsvoll und langsam zu nicken. Dann sah ich in den Himmel und sagte Sätze, wie: Die Kraniche ziehen nach Süden. Oder: Der Weg ist weit, doch die Gedanken sind schnell. Oder: Das Heute ist das Morgen von Gestern. Natürlich war ich meiner Zeit soweit voraus, das mich alle nur mitleidig anschauten und mir einen heftigen Sonnenstich bescheinigten. Oh, diese Ahnungslosen. Also, mal davon abgesehen. das ich dachte entweder der Auserwählte oder ein morsches Stück Holz zu sein, war ich ein ganz normaler Teenager. Ne` nicht ganz, denn ich hatte eine Freundin. Außer dem heiligen Thomas hatte noch nie jemand eine Freundin gehabt. Das Uwe jetzt eine hatte, zählte nicht. Im Freibad roch es nach Chlor und Sonnenmilch und Freiheit. Wir wussten gar nicht wo wir zuerst hinschauen sollten. Diese ganzen wundervollen Mädchen machten uns ganz wuschig. Badeanzüge fanden wir gut, aber Bikinis brachten unsere Fantasien noch mehr auf Touren. In der Schule versteckten sie ihre Brüste unter weiten Pullis. Hier wurden sie nur durch dünnen Stoff zurück gehalten. Da wir uns alle für Profis hielten, wenn es um Girls ging, führten wir ein Benotungssystem ein. 10 war das Beste. 1 das Schlechteste. Als erstes zählten wir alle Mädchen und trugen die Zahl in unser Heft ein. Auf die Vorderseite schrieben wir: Berichte über Blitzeinschläge. Hannes, der gut rechnen konnte und ein Angeber Shirt von Mark Spitz trug, nahm die Zahl mal 2. Logisch. 2 Brüste. Am Ende hatten wir 93, was uns reichlich verwirrte. Wir holten uns erst mal Pommes rot-weiß und taten so, als wären wir die coolsten Kerle auf der ganzen Welt. Wir trugen natürlich Sonnenbrillen. Das gehörte sich so. Ich hatte eine von meinem Onkel geliehen. Die war so groß, wie der Eiffelturm und bedeckte fast das ganze Gesicht. Damit war ich natürlich die Nummer eins. Denn wir alle wussten: Größer ist besser. Auch, wenn die anderen keine Freundin hatten, gaben sie mit ihren Erlebnissen an, das man hätte denken können, sie wären 50 Jahre alt und blickten auf ein erfülltes Liebesleben zurück. Uwe erzählte von einer Magda, die er letztes Jahr in Berchtesgaden, in einem Ort namens Schneizelreuth kennenlernte. Die war 15 und 1,73 groß. Wir lachten uns checkig, weil seine Geschichte schon so unglaubwürdig anfing: A: Berchtesgaden? Das klang viel zu sehr nach einem Tierpark in Schweden. B: Magda? So hießen doch keine Mädchen, höchsten Erdhörnchen. 15 Jahre alt? Warum nicht gleich 35 und Fotomodel aus der Bravo? Schneizelreuth? Wieso nicht gleich Pupshausen? E: 1,73? Jeder wusste, das Mädchen höchstens 1,63 groß werden. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Nachdem wir uns leer gelacht hatten, wollte Uwe nicht mehr erzählen und war kurz davor uns die Freundschaft zu kündigen. Wir konnten ihn nur beruhigen, indem wir zusammenlegten und ihm ein Eis spendierten. Er quälte uns, indem er es gaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaanz langsam aß. Dann steckten wir die Köpfe wieder zusammen und Uwe begann mit gedämpfter Stimme zu berichten: „Also, die Magda war die Tochter der Hotelbesitzerin. Sie hatte ganz grüne Augen, so wie die Gesichtsfarbe von Henning, als dem schlecht war und er kotzen musste. Wisst ihr noch? Das kam von dem Auflauf aus der Schulkantine.....“ „Ja. Ja. Ja. Weiter!“ ,meldete sich Bert. „Also, die Magda....“ ,fuhr Uwe fort. „Alter. Das hatten wir schon.“ ,wurde Bert ungeduldig. Uwe holte tief Luft. Wir konnten die Anspannung und die Elektrizität in der Luft spüren. Hoffentlich gab es kein Gewitter. Aber, wenn, wussten wir wer Schuld hatte. „Am dritten Tag trafen wir uns in der Scheune. Sie wollte mir etwas zeigen.“ Wir hielten den Atem an. „Sie trug einen Pullover. Sehr eng. Und einen Overall.“ Bert begann zu sabbern. Ich hielt die Anspannung nicht mehr aus und musste lachen, aber weil alle mich mit bösen Augen anfunkelten, bekam ich mich gleich wieder unter Kontrolle. „Wir standen uns gegenüber und sie sagte ich sei der netteste Junge den sie bisher kennengelernt hatte.“ ,fuhr Uwe fort „Kannst du das überspringen und zum Wesentlichen kommen?“ ,fragte der heilige Thomas ganz sachlich. „Sie nahm meine Hand und legte sie auf ihre Brust.“ „Oh mein Gott. Wahnsinn.“ ,riefen wir aus. Das hatte es noch nie gegeben! Im Urlaub. In einem fremden Land. Wir freuten uns für Uwe und waren furchtbar neidisch. Was für ein Glückspilz. Ich hätte ihnen gern von Michaela erzählt und davon, was wir alles getan hatten, aber es kam mir wie ein Verrat vor, dies zu tun. Also ließ ich es. Thomas fischte aus seiner Hosentasche ein quadratisches, verpacktes Teil. „Das habe ich immer bei mir. Solltet ihr euch auch zulegen.“ sagte er. „Was ist das?“ ,fragte ich. „Präser.“ ,erklärte Bert. „Ahh. Präser.“ ,wiederholte ich. „Weißt du auch wofür?“ ,fragte Bert. „Na klar. Bin doch nicht aus Dummsdorf.“ ,sprach ich ärgerlich. Ich hatte keine Ahnung, was das war. Zum Glück steckte Thomas es gleich wieder weg. Ich nahm mir vor im Lexikon nachzuschauen, um herauszufinden was es damit auf sich hatte. Versuchte an etwas anderes zu denken. Also....am letzten Tag vor ihrer Abreise, nachdem ich Schokokekse und Milch hinter mich gebracht hatte und wir in ihrem Zimmer auf dem Bett lagen, fragte sie mich: „Hast du schon mal mit einem Mädchen geschlafen?“ Sofort kroch die Morgenröte, erst über mein Gesicht und dann über den Rest meines, zu allem bereiten, Körpers. Suchte verzweifelt nach der richtigen Antwort. Wenn das eine Fangfrage war, konnte mich das ganz schön reinreißen. Ich versuchte es mit der Wahrheit. „Nein. Du?“ ,fragte ich bemüht locker. Natürlich war ich meilenweit davon entfernt entspannt und easy darauf zu reagieren. „Nein, aber manchmal träume ich davon, wie es wäre. Ist das merkwürdig?“ „Überhaupt nicht. Es schön mit dir darüber zu reden.“ „Und komisch.“ „Ja. Und komisch.“ Wir lagen eine ganze Zeit angezogen nebeneinander und sie streichelte mich an meiner Lieblingsstelle. Das machte mich reichlich verrückt und freute mich, weil ich jetzt etwas Neues hatte an das ich denken konnte, wenn sie nicht da war. Plötzlich kam ihre Mutter ins Zimmer und wir sprengten auseinander. Damit zerplatze auch diese Erinnerung und mein Gehirn suchte nach anderen Gedanken: So ein Präser war sicher eine gute Sache und während wir in der Sonne dösten und die Haut krebsrot machten überlegte ich was es sein könnte: A: Ein abgepackter Pfefferminz gegen schlechten Atem. B: Überzieher für Straßenschuhe, damit sie bei Regen nicht schmutzig wurden. Ein 5 Mark Schein, um sie zum Eis einladen zu können. Die Telefonnummer eines Sorgentelefons, bei Liebeskummer. E: Getrocknete Rosenblätter zum Kennzeichnen eines romantischen Abends. „Oh Mann. Die habe ich lange nicht gesehen.“ ,rief Uwe ängstlich. „Das riecht nach Ärger.“ ,meinte Thomas „Ja. Nach reichlich Ärger.“ ,fügte Bert hinzu. Die Magnusbande stolzierte über den Platz und verbreitete Angst und Schrecken. Wir hörten von der Liesl, mit der wir uns mittlerweile gut verstanden, das Magnus und Piet bei einem Einbruch erwischt wurden und für ein paar Monate ins Jugendheim mussten. Alle sagten, das sie es verdient hätten und ich war froh meiner angesagten Höllenfahrt entgangen zu sein. Jetzt waren sie wieder da, aber der Mut des Löwen aus Mitternacht, war mit ihrem Auftauchen baden gegangen. Wortlos packten wir unsere sieben Sachen und schlichen uns davon. Oh, wie armselig. Keiner sagte ein Wort. Fühlten uns, wie die letzten Looser. In unserer Schule gab es auch reichlich Nieten und die größten waren die Streber aus dem Grammatik Leistungskurs. Jetzt standen wir sogar noch unter denen. Ist das zu glauben? Oh, Mann. Wie armselig. Jetzt zitierte ich schon wieder Herrn Mewes. Beim Abschied nickten wir uns nur zu. Wie Verurteilte die zu ihrem letzten, endgültigen Gang aufbrachen. Zu Hause saß ich auf unserem Balkon und überlegte, wie wir diese Situation bereinigen konnten. Zwischendurch machte ich Kopfstand, um meine Gehirnzellen anzustacheln, nach einer Lösung zu suchen. „Denk nach. Denk nach.“ ,sagte ich immerzu. Doch es führte nur dazu, das ich tierische Nackenschmerzen bekam und mich übergeben musste. Verabschiedete mich schon mal innerlich und bereitete mich auf das unausweichliche, unabänderliche Ende meines noch so jungen Lebens vor. Einem jämmerlichen, beklagenswerten Tod mit dem Kopf in der Schultoilette am Valentinstag. Ich verlor jedes Zeitgefühl und spielte 100 mal > Long black Limousine < von Elvis. Das zog mich noch mehr runter, weil es um einen Typen ging der aus seiner Stadt wegging und immer damit angab in einem schicken Auto wiederzukommen. Jetzt lag er in einer schwarzen Limousine und alle klagten und weinten. Das zog mich noch mehr runter, also ich drückte ein paar Tränen heraus und schaute mir dabei im Spiegel zu. Um 21:00 rief Michaela an: „Hallo mein Süßer.“ „Hi.“ ,sagte ich. „Alles ok?“ ,fragte sie besorgt. „Oh sicher, sicher.“ „Du klingst aber überhaupt nicht so.“ „Doch. Wir waren schwimmen und Uwe ist auf einer dicken Frau ausgerutscht und Bert hat sich wieder den Kiefer ausgerenkt und Thomas wird nicht mehr Priester, sondern Außenminister, weil man dann auch nach Norwegen fahren kann, um von den hübschen, blonden Frauen geküsst zu werden.“ „Und?“ ,fragte sie. „Uuuuuuuuuuuuuuuund..... die Magnusbande ist wieder da!“ ,gab ich zu Protokoll. Am anderen Ende hörte ich nur ihren Atem. Meine Hände begannen zu schwitzen. Mein Herz ließ sich zu einem Galopp hinreißen. Meine Kehle wurde durch eine unsichtbare Hand zugedrückt. „Ich komme sofort nach Hause!“ ,presste sie keuchend hervor. „Nein. Das bringt doch nichts. Wir kommen schon klar.“ ,sagte ich so dahin. „Ach ja. So, wie mit dem 5 jährigen der dir gegen das Schienbein getreten hat und dann weggelaufen ist?“ ,nörgelte sie. „Oh, Mann. Der konnte wirklich schnell rennen.“ „Genau. Oder der 10 jährige der dir dein Eis geklaut hat.“ „Jaha. Aber, der war wirklich groß für sein Alter und sein 16 jähriger Bruder ist Großmeister im Mikado. Was willst du mir eigentlich sagen?“ „Du musst da verschwinden.“ „Hab schon einen Flug nach Hong Kong gebucht.“ „Es ist jetzt keine Zeit für Witze. Du kommst zu meiner Oma nach Osnabrück“ „Osnabrück?“ ,wiederholte ich mit quietschender Stimme. „Ja. Osnabrück.“ ,wiederholte Michaela. „Aber das ist doch das Dorf der Schlümpfe.“ „Nein. Das heißt Schlumpfhausen und Donald wohnt in Entenhausen und Asterix und Obelix in....“ „Ja, ich weiß, in einem von unbeugsamen Galliern bevölkerten Dorf. Und das passt genau zu mir: Der Unbeugsame!“ ,stellte ich fest. „PPPPPPPFFFFFFFFFFFF.“ ,hörte ich vom anderen Ende der verschwitzten Ohrmuschel. Das wurde mir langsam zu blöd. War ich denn nur ein Clown? Ein Schwächling? „Du musst dir keine Sorgen machen ich hab hier alles im Griff. Ich muss jetzt Schluss machen, also mit dem Telefonat nicht mit dir, mein Hamster will noch den Boden bohnern. Ich liebe dich.“ ,dann legte ich auf. Nach 3 Millisekunden wurde mir bewusst was ich gesagt hatte: Ich liebe dich! Sie musste mich wirklich für einen dummen und verliebten Trottel halten. Das Telefon klingelte abermals. „Ich liebe dich auch. Du machst das schon.“ ,flüsterte Michaela mit ihrer weichen Stimme durch den Hörer und legte dann auf. Oh, mein Gott. Ich sank auf meinen Stuhl, da meine Beine mich nicht mehr tragen konnten. Nach 13 Minuten konnte ich wieder klar denken und schnappte mir das Lexikon: „PPPPPPP.......PPPRRRRR.....PPPPPRRRRÄÄÄÄ...........PRÄSER................ Also: Nach einem französischen oder englischen Arzt Conton (17. Jahrhundert) benannter dünner Überzug aus Gummi für das männliche Glied zur Verhinderung einer unerwünschten Schwangerschaft. Aha. Ich wusste noch nicht genau, wie ich diese merkwürdige Information verarbeiten sollte. Ein dünner Überzug aus Gummi? Für das.....was?......Glied? Natürlich hatten wir alle den totalen Durchblick, was Sex anging. Uwe`s großer Bruder erzählte ihm haarklein, wie das alles zusammenhing und dann erzählte Uwe uns, was er von dem, was sein Bruder ihm erklärte noch wusste und wir hörten genau zu und verstanden nur die Hälfte. Mann und Frau. Im Bett. Nackt. Körper die aufeinander liegen. Hände. Jo! Aber, wie passte ein dünner Überzug während dieser wundervollen Erfahrung menschlichen Zusammenseins dazu? Sollte ich zwischendurch aufhören und zu Michaela sagen: „Jo. Alles klar. Es ist soweit. Fanfare. Ich reiße jetzt diese Verpackung auf und rolle den dünnen Überzug aus Gummi über mein Glied.“ Diese Vorstellung befand sich meilenweit von einem entspannten ersten Mal entfernt auf einem Berg dessen Spitze ich nicht mal sehen konnte: A: Was sollte Michaela in der Zeit machen? B: Waren wir schon nackt? Würde sie meinen Körper schön finden? Half sie mir beim Finden des Eingangs? E: Was sollten wir danach machen? Das Telefon klingelte wieder. Berts Stimme sagte nur: „Um 3. Besprechung“. Machte mich sofort auf den Weg und schwang mich auf meine Rosinante, so hieß mein Drahtesel. Irgendwie bescheuert. Klang nach 3. Klasse. Rutschte manchmal in ein wehmütiges Gefühl. Hauptsächlich, wenn alles so schwierig wurde. Dann wünschte ich mir meine Kindheit zurück. Eine Zeit, wo alles noch einfach war. > Schlafen. Essen. Schreien. < Besonders das Schreien fehlte mir. Aber das ging vorüber und wenn ich die Kontrolle zurückgewann, suchte ich meinen Kiosk auf und kaufte 3 Lakritz Bonbons. Die besonders Harten, weil man die besonders lange lutschen konnte. Herr Schlichting, der Ladenbesitzer, war ein alter, weißhaariger Mann mit freundlichen Augen und einer großen, schweren Brille. Er trug immer viel zu große, graue Anzüge, die um seinen dünnen Körper schlackerten und den Eindruck hinterließen, er wäre ein Außerirdischer und wohnte auf dem Planeten Melmak. An einem Montag vor 4 Wochen las ich, in seinem Laden, gerade in einem Superman Comic, als er der dicken, schwerhörigen Frau Schachtelhalm, von dem Überfall erzählte: „Also, Frau Halterschwamm, diese dummen Jungen kamen doch tatsächlich mit einer Maske über dem Kopf herein und verlangten mein Kassengeld, sonst würden sie den Laden verwüsten und alle Süßigkeiten mitnehmen. Ich sagte ihnen, das ich sofort die Polizei rufen würde, wenn sie nicht mit diesem Unfug aufhören würden. Daraufhin schlug mich der Größere von den beiden mit einem Stock. Hier sehen sie, da ist noch die Narbe. Gott sei dank, kam dann Herr Pumpelmeier und hielt beide solange fest, bis die Gesetzeshüter kamen. Herr Pumpelmeier ist Ringer, wie sie sicher wissen Frau Weiterqualm. Jedenfalls. Ich bin ganz schön überrascht gewesen, das Piet und Magnus unter den Masken steckten.“ Frau Schachtelhalm nickte die ganze Zeit eifrig mit ihrem kleinen, runden Kopf, obwohl sie sicher nicht mal die Hälfte von dem mitbekam was Herr Schlichting ihr erzählte. Das alles hatte sich wieder in meinem Kopf breitgemacht, als ich Flohklaus beim Kiosk traf und ihm einen meiner Riesenkracher, wie die Bonbons bei uns hießen, schenkte. Er bedankte sich höflich und wollte mir unbedingt etwas zeigen. Hinter dem Hochhaus gab es eine große Wiese und dahinter einen kleinen Wald. Unter einer alten Eiche lag eine verrostete Kiste mit einem Adler und einem Hakenkreuz drauf. In dieser Kiste lag.............Nichts. „Da war eine Pistole drin. Ich schwör.“ ,beteuerte Flohklaus. „Mmmmmh.“ ,gab ich zurück. „Wirklich!“ ,blieb er standhaft. Ich untersuchte den Tatort gewissenhaft. Da waren Fußabdrücke von Springerstiefeln und einer geriffelten Sohle sehr teurer Schuhe. Magnus und Piet mussten vor kurzer Zeit hier gewesen sein. Die Spuren waren frisch. „Kennst du die Geschichte von Nepomuck?“ ,fragte ich Flohklaus. „Nein.“ ,antwortete dieser stirnrunzelnd. „Dieser Nepomuck, war ein kleiner, aber pfiffiger Kerl. Er fand eine giftige Pflanze und rief seinen Kumpel Hasra. Doch bevor sie die Pflanze vernichten konnten, wurde sie von den bösen Zauberern Hesikjael und Bodro gestohlen. Die wollten damit das Elfenland auslöschen und die Macht an sich reißen.“ Mit offenem Mund hörte Flohklaus gespannt zu. „Was passierte dann?“ ,fragte er atemlos. „Nepomuck und Hasra liehen sich einen Drachen aus dem Feenland und verfolgten die beiden. Und während Hasra auf dem Drachen ritt und sie mit lautem Gebrüll ablenkte, konnte Nepomuck den beiden Gaunern die Pflanze entreißen und somit das Land retten. Sie bekamen soviel Eis, in jeder Sorte die sie begehrten, wie sie essen konnten.“ „Sollen wir die Polizei rufen?“ ,fragte er. „Ja. Gute Idee Torsten.“ „Torsten?“ „Ja. Der Name Flohklaus ist bescheuert und du bist viel zu groß für so einen Namen.“ ,erklärte ich. „Danke.“ ,sagte er stolz. Bevor sie einen zweiten Überfall im Kiosk, bei Herrn Schlichting, machen konnten, wurden sie gefasst und kamen ins geschlossene Jugendheim. Ich lud alle in Oma´s Schlemmerparadies ein, weil wir doch noch alles zum Guten gewendet hatten. Und da saßen wir dann: Torsten, der früher Flohklaus hieß und jetzt Ehrenmitglied unserer Kumpelei war. Uwe, Bert, der heilige Thomas, der nicht mehr nach Norwegen, sondern nach Berlin wollte, weil da alle Frauen gefärbte, rote Haare hatten und das schon immer ein Zeichen von Leidenschaft war und alle machten sich über das Eis her. Plötzlich stand Michaela in der Tür. Ich sprang auf und stürzte auf sie zu. Meine Hand streifte dabei versehentlich ihren Po. „Du Schlingel.“ ,flüsterte sie mir ins Ohr. „Hast du`s schon gehört?“ ,fragte ich lachend. „Ja. Ihr seid die großen Helden. Habt eine Pistole aus dem 2. Weltkrieg gefunden und einen Überfall verhindert.“ „Ich heiße jetzt Torsten.“ ,meldete sich Torsten. „Das freut mich. Du bist gewachsen, in den 2 Wochen, die ich nicht da war.“ Er reckte seinen Kopf und wurde ein bisschen rot. „Gibt es noch mehr Geschichten von Hasra und Nepomuck?“ ,fragte er mich. „Ich schreibe sie dir auf.“ ,rief ich ihm zu. Ich glaube an jenem Tag entschloss ich mich Geschichtenerzähler zu werden, denn das konnte ich wirklich besser, als alles andere. Michaela kam ganz nah an mein Ohr: „Ich habe dich vermisst.“ ,flüsterte sie. „Ich dich auch.“ „Hab dir eine Hantel mitgebracht.“ ,teilte sie mir freudig mit. „Äh. Super. Wozu?“ ,fragte ich verdutzt. „Naja. Zum Trainieren. Der Achim meint, das wäre wichtig.“ „Der Achim?“ „Ja. Stell dir vor, der hat auch eine Oma in Osnabrück und wohnt auch in Hamburg.“ „Ach was?!“ ,gab ich gereizt von mir. „Ja! Und er ist in einem Sportklub. Toll ne`?“ „Ja. Total toll.“ ,grummelte ich. „Ja und er hat gesagt, ich soll mal vorbeikommen. Im Sportklub.“ „Ach!?“ „Jetzt sag doch nicht die ganze Zeit Ach.“ ,zickte sie mich an. „Das ist erst das zweite Mal, das ich Ach gesagt hab.“ „Ach, du bist doof. Ich geh jetzt nach Haus!“ „Nein warte. Tut mir leid.“ ,sagte ich reumütig. Sie umarmte mich und legte ihre Hand auf meinen Po. Das war ganz schön aufregend. Dachte sofort an den Überzug und an Norwegen und rote Haare und das es Zeit wurde, bis zum Äußersten zu gehen. „Meine Mutter ist übermorgen Abend nicht zu Hause.“ ,flüsterte sie in mein Ohr. „Soll ich Schokokekse und Milch mitbringen?“ ,flüsterte ich zurück. Sie kniff mich in den Po und wir küssten uns. Oh, Mann. Dieser Sommer, war wirklich der heißeste Sommer den ich je erlebt hatte. Mai 2020 von Axel Bruss Mai 2020 von Axel Bruss
  18. Liebe Lina Vielen Dank für deine netten und schönen Worte. Bis schon ganz gespannt darauf, wie du meine Geschichte in dir aufnehmen wirst und was sie dir zu sagen hat. Liebe Grüße Axel
  19. The best Frühling ever Geschichten vom Erwachsen werden Teil 2 Eine kühle Sonne kroch schwerfällig an jenem Montag über den Rand und versuchte krampfhaft, so was wie Wärme in die Stadt zu bringen. Erfolglos. Missmutige Menschen schleppten sich, mit hochgeschlagenem Kragen, an meinem jungen, mit ausreichend Sauerstoff und voller Glückshormone versehenen Körper vorbei. Frisch gebügelt und gestriegelt galoppierte ich, wie John Wayne, aus dem Stall und setzte mich an die Spitze der Gequälten und Geschundenen. Fühlte mich unbesiegbar und erkannte die Leichtigkeit der Welt. Fühlte mich imstande alle Probleme und Krankheiten zu lösen. Voller Durchblick! Klare Richtung! Der Anfang der Woche schien für mich nicht mehr eine endlose, verschwendete Zeit, bis zum Wochenende, zu sein, sondern die Möglichkeit Großes zu tun. In mir schlummerte ein großer Dichter und Songschreiber. Das wusste ich genau. Wenn ich mir ein Ziel setzte, kniete ich mich voll rein: Mit 10 wollte ich ein neues Löschmittel erfinden, um Großbrände zu verhindern. Dabei fackelte ich fast die Küche ab. An meinem 11. Geburtstag sprang ich mit einem Sonnenschirm vom Dach, um den Luftwiderstand zu testen. Im Krankenhaus meinten sie in 3 Wochen sei der Bruch des linken Beines verheilt, dann könnte ich mich zum Segelflug anmelden. Fast auf den Tag, ein Jahr später ,erklärte ich meinem Freund Bert, das es möglich wäre, Kühe zuzureiten und wir starteten 1 Woche nach meinem 12 Geburtstag eine Versuchsreihe die wir, „The Cowboy Day`s“ nannten. Drei Minuten später brach ich mir das andere Bein. Gut das ich jetzt viel reifer war. Ich wünschte mir zum Geburtstag eine Gitarre. Leider war der erst im September. Egal. Übte jeden Tag meine Stimme und sang jeden Song von Elvis mit, bis ein Klopfkonzert der Nachbarn mich daran hinderte. Banausen! Englisch? Fand ich gut. Es gab so viele Texte die ich übersetzen wollte. Schule fand ich irgendwie auch ok. Also, nicht wegen der Bücher die wir lesen mussten. Oder, weil Mathe so ein hoch interessantes Spielfeld für Herrn Mewes unserem Lehrer war, der in jeder Stunde meinte, bei uns wären Hopfen und Malz verloren und wenn das so weiterginge, gäbe es bald überhaupt kein Bier mehr. Das verstanden wir genauso wenig wie Mathe und stellten fest, das es nicht an uns lag, sondern an unserem Lehrer, der offensichtlich zu viel Gerstensaft zu sich nahm. Nicht mal die Musik vermochte mich an die Schule zu binden. Letzte Woche sollte ich auf der Trompete die Tonleitern spielen und sagte: So hoch hinaus wolle ich nicht. Könnte ich nicht einfach ein paar Sprossen überspringen und Isabell den Marsch blasen. Die würde sowieso die ganze Stunde nur an ihren Haaren spielen, während wir uns hier die Hände wund spielten? In dieser schweren Zeit saß ich oft beim Direktor und mittlerweile bekamen wir ein gutes Verhältnis. „Wie läuft es mit Frau Mutzenbacher?“ ,fragte ich, sobald meine Füße seine Schwelle überschritten . „Läuft.“ ,sagte er jedes mal. „Weshalb diesmal, Meschke?“ ,fragte er zurück. Aus irgendeinem Grund, der mir fremd war, nannte er mich Meschke. „Zuviel schräge Töne in der Klasse.“ ,antwortete ich gelassen. Ich saß gern beim Direktor. Schrieb meine Seiten ab und hatte meine Ruhe. Diese Zeit nutzte ich zur Vorbereitung für die Englisch Stunde bei Frau Raszikowa. Wir nannten sie nur Mrs. Nightdream. Den dachte ich mir aus. Die ganze Klasse himmelte sie an. Natürlich aus unterschiedlichen Gründen. Die Mädchen, weil sie so einen coolen Style hatte und die Jungs, weil sie einfach immer scharf aussah. Ihre langen Beine schauten aus engen Röcken hervor oder steckten in knalligen Hosen mit Schlag. Wir wetteten an Freitagen immer, welche Farbe ihr Slip wohl haben würde. In der großen Pause diskutierten wir heftig, woran man es wohl erkennen könnte. Uwe meinte, er könne es an ihrem Gang feststellen. „Blau, für gerader Gang, rosa für schleifend und weiß für hinkend.“ ,erklärte er. „Hab sie nie hinkend gesehen.“ ,meinte ich. „Logisch, sie trägt ja auch keine Weißen.“ ,erklärte Uwe. Wir nickten wissend. Logisch. Die Pullover glitten an ihrem Oberkörper, wie auf einer Rollschuhbahn entlang und alle Jungs in der Klasse dachten nur an eins: Ach, einmal, nur einmal Pullover sein. Ihr Gang auf den hohen Stiefeln ließen mich abgleiten in Tagträume, in denen ich derjenige war, der sie vor der Magnus Gang rettete und dafür als Belohnung einen Kuss bekam. Ihre grünen Augen schauten mich in der Englischstunde immer so fordernd und lieb an, das ich sofort meine Antwort vergaß und so eine ganze Note nach unten rutschte. Das besserte sich erst, als sie mit mir redete und ich ihr versprach mich anzustrengen. Für sie stand ich dann bald auf einer 2. Jetzt brauchte ich allerdings kein anhimmeln fremder, englisch sprechender Frauen aus Russland mehr, denn ich war schließlich der Auserwählte. Der Einzige in der Klasse der eine feste Freundin hatte. Seit ich mit Michaela zusammen war, hing die Welt voller Bratschen und Xylophone. Oh Mann, ich war der glücklichste 13 Jährige, den diese Welt je gesehen hatte. Ich war sogar glücklicher als mein Opa und der hatte sich mit 83 scheiden lassen, um eine flotte 64 Jährige zu heiraten. Der neue Taschenkalender brannte mir ein Loch in meine Hosentasche. 46 Tage. 3 Stunden und 22 Minuten. Das war die genaue Zeit, die Michaela und ich zusammen waren. Gezählt ab dem heiligen Abend 1975. Hin und wieder kam mir die Idee, das ich mich ein bisschen zu sehr hinein steigerte, aber ich konnte nichts dagegen tun. Es war einfach zu schön. Füllte meine Taschen mit extra Steinen, um nicht abzuheben. Als nächstes nahm ich mir Liebesgedichte von Novalis vor. Alter Schwede. Dieser Novalis war ganz schön schräg drauf. Was der alles von sich gab. Das war so knapp an der Grenze des Erträglichen. Da kam soviel Schmalz aus den Seiten, das es mir die Finger verklebte. Pure Romantik. Genau das wollte ich auch. An einem Nachmittag. Ein Donnerstag. Immer noch Winter, aber Frühling im Herzen machte ich mich auf den Weg zu meiner großen Liebe. Da ja fast schon Sommer war, zog ich natürlich nur ein T-Shirt und meine Windjacke an. Die blauen Lippen und das Zittern meiner Beine machten sich ganz gut und rundeten das Bild eines Europäers in Alaska ab. Als erstes kaufte ich eine Rose. Logisch. Die Farbe Rot war ja schon immer ein Zeichen der höchsten Gefühle, die man so haben kann. Meine Tante Irmgard sprach auch mal von Gefühlen. Sie begann Engel und kleine grüne Männchen zu sehen. Sie meinte, das wäre das schönste Gefühl das sie je gehabt hatte. Sogar noch besser, als die Mondlandung, denn an dem Tag musste sie meinen Onkel aus der Kneipe holen. Das gab ein Donnerwetter, das man noch bis Houston hörte. Übrigens, war das der Tag an dem sie schwanger wurde. Alle, denen diese frohe Botschaft verkündet wurde freuten sich sehr, denn meine Tante, eine Gottesfürchtige Frau, hatte immer dafür gebetet Kinder zu bekommen. Meine Mutter sagte immer: „Naja, beten allein reicht wohl nicht.“ Das, war ein beliebter Satz bei jeder Feier und wenn alle zu vorgerückter Stunde einen sitzen hatten, wurde dieser alle 10 Minuten erneut aufs Tablett gebracht und wie auf Knopfdruck brach die ganze Bande in schallendes Gelächter aus. Also, wie ich schon sagte. Alle freuten sich, außer meinem Onkel, der wollte sich eigentlich ein kleines Motorboot kaufen. Naja. Daraus wurde wohl nichts, aber so ein Kinderwagen kann ja auch ganz sportlich sein. Mein Onkel ging weiterhin jeden Tag in die Kneipe, bis er am Aschermittwoch in einen Graben fiel, wo frischer Schnee ihn zudeckte. Meine Tante sagte immer: „Wäre dieser dumme Mann nicht in den Graben gefallen und erfroren, hätte ich ihn am nächsten Morgen eiskalt abserviert!“ Auch das war bei jeder Feier, zu vorgerückter Stunde, ein Brüller. Komisch was einem für Gedanken durch den Kopf jubeln, wenn man zu dem Mädchen unterwegs ist, das einen vergöttert. Hatte mich richtig gut auf diesen Tag vorbereitet: A: Rechtzeitig aufgestanden. B: 15 Minuten Zähne geschrubbt. 2 Haarbürsten, bei dem Versuch meine Mähne zu bändigen, vor Wut zerbrochen. Erst mein Gesicht, dann meinen ganzen Körper mit Nivea eingecremt. In der Annahme, das dies meiner Haut noch mehr Spannkraft verleihen würde. E: Beim Zupfen der Augenbrauen geschrien, wie ein Elch und statt dessen Cola getrunken, die mir aus der Nase wieder hervorsprudelte. An jenem Frühlingstag, mit Blumenduft und Finkenschlag, holte ich sie zu einem Spaziergang durch den Park mit anschließendem Kinobesuch ab. Nachdem ihre Mutter die Tür öffnete und die obligatorische Frage nach einem Glas Milch und ein paar Schokokeksen gestellt hatte, bemerkte sie meinen frischen Niveaduft. „Diese Creme benutze ich auch immer. Das macht zarte Haut.“ ,erklärte sie. „Mmmmh.“ ,steuerte ich auf meine unnachahmliche, treudoofe Art bei. „Hast du das denn überhaupt nötig?“ ,fragte sie. „Tja, also ich...das ist wegen der Sonne und dem.........dem Wind.“ ,so damit hatte ich ja wohl alles gesagt. Ja, denkste denn diese schlaue Frau setzte nach. „Wie meinst du das?“ Jetzt saß ich in der Klemme. Suchte nach einem Schlupfloch. Spürte wie eine flammend rote Farbe vom Hals aufwärts kroch und mein Gesicht und mein Selbstwertgefühl verbrannte. In diese Hitze hinein öffnete sich Michaelas Tür. Oh, mein Gott. Sie sah unglaublich aus. Sie trug ihr Haar in Wellen. Das orange-grüne Shirt ließ den Bauchnabel frei und die Jeans Marke Palomino saß wie eine zweite Haut. Die weißen Plateauschuhe hatte sie mit roten Herzen selbst verziert. Die traute sich was. „So gehst du nicht vor die Tür!“ ,sagte ihre Mutter ernst. „MAMA!“,schrie sie und verschwand wieder in ihrem Zimmer. Natürlich warf sie die Tür mit lautem Krachen hinter sich ins Schloss. Na, hier war es ja noch lustiger, als bei mir zu Hause, dachte ich so bei mir und kaute nervös auf meiner Unterlippe. „Vielleicht doch ein Glas Milch mit Schokokeksen.“ ,flötete die Mutter mir zu. „Okay.“ ,sagte ich ganz lapidar. Wir setzten uns in die Küche und unterhielten uns über die Schwerkraft und das das ja irgendwie auch ganz sinnvoll wäre, weil ja sonst alles an der Zimmerdecke hängen würde. Da musste sie laut lachen, aber ich wusste nicht recht warum. Nach zwei Jahrhunderten kam Michaela wieder und hatte sich umgezogen. Diesmal trug sie demonstrativ eine viel zu weite Jeans Latzhose, die aussah, als hätte sie die ihrem Urgroßvater aus Kansas ausgezogen. Ihr Hals zierte ein rotes Tuch und die riesigen Nikolaus Ohrringe hingen wie Christbaumschmuck an ihren süßen, kleinen Ohren. Sie sah zum Anbeißen aus. Konnte gar nicht glauben, das ich so eine coole Freundin hatte. Ihre Mutter schlug die Hände über dem Kopf zusammen und rang nach Luft. Diesmal änderte ihre Tochter die Taktik. „Mami tut mir leid. Ich hab dich lieb. Wir sehen uns später.“ Ich sah wie das Mutterherz schmolz. Das musste ich mir merken. So würde ich das auch machen. Nur ohne Latzhose und Ohrringe. Jedenfalls keine Nikoläuse. Nikoläuse. Lustiges Wort. Genauso wie Flohkläuse. Mehrzahl von Flohklaus. So nannten wir den Bruder von Hannes, weil der so klein war und Torsten hieß. Michaela ergriff meine Hand und zog mich mit aus der Tür. Draußen drückte sie mir einen Kuss auf meine Lippen. „Du bist so süß.“ ,flüsterte sie in mein Ohr. Mein Mund wurde so trocken, das die Zunge auf die doppelte Größe anschwoll und am Gaumen festklebte. „Duhh fiehhhst wunnebr aaaas.“ ,kam es in exzellenter Idioten Sprache aus mir heraus. „Oh. Danke.“ ,tirilierte sie voller Überschwang. Entweder war sie genauso verknallt, wie ich, oder ihr Hörgerät gab den Geist auf oder sie war wirklich dieses wundervolle Wesen aus meiner romantischen Traumwelt, oder bemerkte das ich ein Vollpfosten war und stellte sich geistig mit mir auf die niedrigste Stufe. Musste unbedingt an meinem Selbstbewusstsein arbeiten. Grad gestern las ich in der Bravo, das die Girls großen Wert auf sicheres Auftreten und viel Humor legten. Also witzig war ich. Das sagten alle. Erst letztens traf ich Magnus. Der war wohl an dem Tag nicht so gut drauf, denn er rempelte mich an und fragte, ob ich was auf die Fresse haben wollte. Spürte wieder, wie sich alles in mir zusammenkrampfte und ich auf Zwergen Größe schrumpfte. „In Liliput ist heute wieder Markt.“ ,sagte ich und bereitete mich schon mal auf den ersten Schlag und die Einfuhr ins Paradies vor. Er stutzte. Seine Pickelkrater veränderten die Farbe von rot auf Lila. Sein Körper spannte sich an und dann brach ein übermächtiges, gröhlendes Lachen aus ihm heraus, das die Gletscher in Grönland kalben ließ. Er schlug mir seine Affenhand auf die Schulter und ein paar Knorpel und Knöchelchen verschoben sich in Richtung Houston. Und da wusste ich, das ich ein Problem hatte. Versuchte den Schmerz weg zulächeln und legte nach. „Ja. Ne. Der Nils Holgersson ist jetzt auch bei mir eingezogen. In die Socken Schublade und wenn es Abend wird spielen wir immer Zwergenroulette.“ Jetzt brüllte er vor Lachen. „Ab sofort bist du Ehrenmitglied der Magnus Gang. Wenn es mal Ärger geben sollte, meldest du dich bei mir.“ ,sprach der Trockennasenprimat, schüttelte meinen Oberkörper und brachte damit den Rest meines Skeletts durcheinander. „Tja. Also. Ich muss dann mal.“ ließ ich so aus dem Gehege meiner Zähne fallen. Wieder lachte er. Jetzt wurde es langsam peinlich. „Auch `ne Zippe?“ ,sprach Affenhugo und bot mir eine Zigarette an. „Nein, danke. Bin auf Zigarren umgestiegen.“ Er griente über das ganze Gesicht, krümmte sich und schnappte nach Luft. Dann kam sein Bus und er stieg ein. War auch besser so. Hätte es keine Sekunde länger ausgehalten. Diese Narretei wurde mehr und mehr zu meinem Schutzschild. Zu einem Wall hinter dem ich mich verstecken konnte. Michaela und ich gingen im Stadtpark spazieren. „Ist dir nicht kalt?“ ,fragte sie. „Bin in Grönland aufgewachsen.“ ,meinte ich leicht mit den Zähnen klappernd. „Und in einem Iglu groß geworden.“ ,setze sie nach. „Genau. Käpt`n Iglu war mein Großvater.“ Sie schlug mir mit der flachen Hand auf den Po und lief weg. Ich holte sie an der Busstation ein und wir drängten uns in dem Wartehäuschen aneinander. Das war schön. Fühlte meine Finger kaum noch. Sie klappte den vorderen Teil der Latzhose nach vorne und schob meine Hand unter ihren grünen, gerippten Pullover. Sie schrie kurz auf, weil meine eiskalte Handfläche ihre warme Haut und den BH berührte. Das Leben kehrte in die Fingerspitzen zurück. Jetzt begann ich zu schwitzen. Ich erlebte diesen Moment ganz genau. Nahm alles in mir auf: Den Wind, der sich auf mein heißes Gesicht warf und verzweifelt versuchte es zu kühlen. Ein Bremsenquietschendes Auto. Das lachende Kind von der anderen Straßenseite. Das Rascheln der Blätter. Ein pfeifender Radfahrer. Der zwitschernde Vogel auf dem Dach des gelben Lieferwagens. Wollte nichts vergessen. Wollte mir alles merken. Nun übernahm ich die Führung. Zog sie ganz eng an mich. So, wie ich es bei -Vom Winde verweht- gesehen hatte. Dann drückte ich meinen Mund erst zart, schließlich fordernd auf ihre Lippen. Zwischendurch geriet ich ein bisschen in Panik, weil ich auf einmal vergessen hatte, wie man durch die Nase atmet. Nach einer kleinen Pause hauchte sie: „Du kannst gut küssen.“ „Ich übe viel, wenn ich allein bin.“ ,meinte ich. „Sei still.“ Diesmal küsste sie mich und diesmal blieb mir tatsächlich die Luft weg. Auf dem Weg zur Eisdiele blickten wir uns die ganze Zeit in die Augen und ich erzählte ihr von der Schönheit der Welt und kam mir gar nicht blöd dabei vor. Angekommen, saß sie einfach da und hörte mir zu. Das hatte noch nie jemand gemacht. Einfach zugehört. Dann erzählte ich von meinem Bruder und das er sich erschossen hatte, als ich 11 war und das dies der einzige Moment in meinem Leben war, als meine Mutter mich in den Arm nahm. Sie weinte und hielt mich ganz fest. Ich dachte, so muss Liebe sein. So schön. So ganz und gar. So weit weg von Einsamkeit und Traurigkeit. Es wurde Zeit. Wir schnappten uns die Nachmittagsvorstellung. La Boum. Da ging um eine 13 jährige, die nach langen Wirren ihre große Liebe findet. Das passte. Wir saßen da und lachten und wurden still und unsere Herzen wurden weit. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter. Ich spürte ihre Weichheit und die Hand auf meiner Wange. Fühlte mich ganz alt. Wie eine knorrige Eiche. Erfahren und reich. Gewachsen. Plötzlich trat jemand gegen unsere Stühle. Wir drehten uns um und sahen Piet, der einen zweiten Stoß tat und dabei hämisch lachte. Wir flogen nach vorne. Ich sprang auf und brachte mit meiner Löwenstimme das Kino zum erzittern. „Du Arsch. Wieso musst du jedem auf diesem Planeten den Tag verderben. Ich bin mit meinem Mädchen hier und erwarte das du dich sofort entschuldigst!“ Stille. Dann lautes Gelächter und gerade, als er wieder zutreten wollte spuckte ich ihm einen Brei aus Cola und Popcorn auf seine blankpolierten Schuhe. Er stieß einen spitzen, hohen Schrei aus, der mich an die Liesl erinnerte, wenn sie ihre 5 jährige Schwester nachmachte. Stille. Dann lautes Gelächter. Diesmal vom ganzen Kino. Piets Gesichtshaut änderte sich von Rosa zu weiß und schließlich zu Violett, die dann in ein dunkles Zinnoberrot überging. Stand ihm eigentlich ganz gut, diese Zornesröte und gerade, als er sich auf mich stürzen wollte, kam Magnus mit einem Eis in der Hand die Treppe hinuntergeschlendert. „Bleib sitzen.“ ,sagte er ganz entspannt zu Piet. Der wollte nicht hören und packte mich am Kragen. In diesem Moment gab ihm Magnus eine Ohrfeige, das es nur so knallte. „Bist du taub!“ ,rief er laut. „Ich wünsche euch noch einen schönen Abend.“ ,sagte er zu uns. „Der Film ist scheiße Jungs. Wir verziehen uns.“ Zurück blieben zwei Teenager mit offenen Mündern, die nicht fassen konnten, was da gerade passierte. „Oh, mein Gott.“ ,flüsterte Michaela. „Was war das denn?“ „Tja....ähh....“ ,sagte ich. „Bist du jetzt mit Magnus dicke?“ „Nö. Das ist nur, weil.....“ ,weiter kam ich nicht, denn Michaela grätschte dazwischen. „Das ist sooooooooooo cool.“ ,erklärte sie, tief Luft holend. „Jo. Wenn du mit MIR unterwegs bist, passieren öfter solche Sachen.“ ,prahlte ich. Eine zittrige Aufregung erfasste sie. Als wir uns wieder setzten gab es Beifall von den anderen Kinobesuchern, denn nun konnten sie endlich den Film weiter gucken. Später liefen wir einfach so durch die Gegend und ich fror mir einen Ast ab. Versuchte das Zähneklappern zu unterdrücken, was mir nur teilweise gelang. „Ich muss jetzt nach Hause.“ ,sagte sie wehmütig. „Ich bring dich noch.“ „Das war ein schöner Tag.“ „Du bist schön.“ ,fiel es schüchtern aus meinem Mund. Abrupt blieb sie stehen und schaute mir tief in die Augen. „Du bist der süßeste Junge, den ich kenne. Ich habe mich in dich verliebt.“ ,sagte sie gaaaaaaaaaanz leise. Wenn Glück die Sonne und Liebe Schwerelosigkeit war, konnte ich nun schwebend Stahl schmelzen. Nachdem wir uns mit einem laaaaaaaaaangen Kuss verabschiedeten, ging ich gleich mal zu Bert, um ihm von meinem Schweineglück zu erzählen. Leider hatte der sich den Kiefer, beim Sprung von der Teppichkante ausgerenkt und fühlte sich nicht in der Lage mir zu sagen, was für ein toller Typ ich war. Naja, da blieb mir nichts anderes übrig, als eine halbe Stunde in jeder Einzelheit zu erzählen, was ich erlebt hatte. Seine Mutter brachte Milch und Kekse. Die futterte ich alle auf, das es nur so staubte. Bert durfte ja nicht. Wir teilten uns eine Cola, die er für besondere Momente gebunkert hatte. In dieser Nacht schlief ich unruhig. Eine riesige Ameise besuchte mich auf Wolke 7 und fütterte mich mit Popcorn und wir sprachen über die Rettung der Welt. Ich meinte, heute würde es nicht so passen, aber mein Kalender sagt das ich morgen noch Termine frei habe. So zwischen 13:00 Uhr und dem 5 Uhr Tee könnte ich das noch dazwischen schieben. Dann stolperte ein grüner Kobold herein und wusch mir die Haare. Eine kleine, weiße Ziege fraß die Orchideen von der Fensterbank und mein grüner Kaktus sang eine Arie aus Mozarts >Entführung aus dem Serail<. Wurde mit einem wahnsinnigen Durst wach, den ich mit 20 Liter Wasser aus der Leitung bezwang. Im zweiten Traum flogen Michaela und ich über ein Tal in dessen Mitte ein riesiger, schwer mit roten Äpfeln beladener, Baum stand. Ein klarer Bach floss an ihm vorbei. Fliegende Fische balgten sich um gelbe Tennisbälle und Biber bauten sich ein Luftschloss aus rotem Granit. Wir landeten auf der grünen, saftigen, mit zahlreichen bunten Blumen geschmückten, Wiese. Michaela trug ein Gewand aus weißen Satin und ich einen Frack mit Zylinder. Ich hob sie auf meine Arme und brachte sie über den, zum reißenden Fluss angeschwollenen, Bach. „Alex. Alex“ ,drang eine Stimme aus weiter Ferne an mein Ohr. „Ja. Liebste.“ ,antwortete ich. „Schläfst du noch?“ ,kam die Stimme wieder. „Nein. Ich schwebe mit dir.“ „Aufwachen! Du musst zur Schule.“ ,stach mir die scharfe Stimme meiner Mutter ins Mittelohr. Sie schlug die Decke zur Seite und ich schleppte meinen Körper ins Bad und machte mich fertig. Die Haare wollten wieder mal nicht so wie ich, also setzte ich meinen neuen, schwarzen Hut, Marke Al Capone, auf. Zog meine schwarze Stoffhose und die spitzen Schuhe meines Opas an. Fand auch eine weiße Krawatte und ein dunkles Hemd. Musste mir in der Schule natürlich das komplette Arsenal der Sprüche anhören, aber das stand ich drüber: A: Altkleidersammlung geplündert? B: Hat deine Mama dir wieder die Haare geschnitten? Falsche Farbe. Anstaltskleidung ist weiß. Ist schon wieder Karneval? E: Jetzt dreht er völlig durch. Aus der Ferne sah ich Michaela, wie sie mit ihren Freundinnen quatschte. Diesmal kam sie direkt auf mich zu und gab mir einen Kuss vor allen anderen. „Du traust dich was.“ ,sagte sie anerkennend. Da merkte ich, das dieser Novalis genau wusste wovon er schrieb: Die Liebe erhöht uns und macht uns zu einem besseren Menschen. Die Englischstunde zog an mir vorüber und ich schaute die ganze Zeit auf Michaelas Nacken. Stellte mir vor, wie ich sie da küsste. Das kam mir ziemlich seltsam vor, also schob ich diesen Gedanken zur Seite und küsste ihre Haare. Das war aber noch merkwürdiger und ich ließ das mit dem küssen und stellte mir vor, wie ich ganz nah bei ihr stand und ihre Wange streichelte. Plötzlich flog ein Papierknäuel auf meinen Tisch und holte mich aus meinem Tagtraum. Boah. Kaum hatte man eine Freundin, gehörte man schon zu den Aussätzigen. Es war halt schwierig alles unter einen Hut zu bekommen. Schule, Freundin, Englischlehrerin, Hausaufgaben, Essen, Schlafen, Atmen. Ich knüllte das Papier zusammen und warf es mit einem eleganten Schwung nach hinten zu Uwe. Direkt vor die Füße von Frau Raszikowa. Die hob ihn auf und las ihn laut vor. Dann sagte sie: „Ich würde gern kommen Alex, aber da bin ich schon verabredet.“ Schwankte zwischen im Erdboden versinken und einem Wutanfall. Ich ließ beides und meinte: „Kein Problem. Bringen sie die Verabredung mit und wir spielen zusammen blinde Kuh. Die Augenbinde können sie weglassen.“ Der Direktor empfand meine Frechheiten, als überdurchschnittlich frech und wies mich an das schwere Buch über Marco Polo`s Reise zu entstauben und Kapitel 1-18 in Schönschrift abzuschreiben. Nach den ersten drei Sätzen erklärte ich: „Dieser Marco hat tolle T-Shirts gestaltet, wieso musste er unbedingt nach China reisen?“ „Auch, wenn sein Nachnahme Polo ist, bedeutet das nicht, das er T-Shirts in Peking herstellt, oder Polo Reitsport in Dubai macht.“ zickte der Direktor. „Aha. Und hat Marki auf dieser Reise auch etwas Tolles erlebt, oder alle nur mit seinen Anekdoten über Kublai Khan gelangweilt?“ Damit hatte ich ihn. „Er hat wundersame Dinge dort gesehen. Als er nach 20 Jahren heimkehrte hielten die Leute ihn für einen Lügner, aber noch auf dem Sterbebett sagte er: Ich habe nicht einmal die Hälfte von dem erzählt, was ich gesehen habe.“ „Dieser Marco Polo muss ein standhafter Mann gewesen sein.“ „Wahrlich, das war er. Gegen alle Widerstände ist er bei seiner Meinung geblieben und hat seine Aussagen und sein Wissen verteidigt.“ „Ich wünschte, das könnte ich auch.“ ,sagte ich leise. „Das kannst du. Jeder kann das. Du musst nur deine Angst überwinden. Aber wir müssen auch verstehen, das wir in all unserem Streben, das Leben und die Liebe nicht vergessen sollten. Im neuen Testament der Bibel steht: Und wenn ich weissagen könnte und wüsste alle Geheimnisse und Erkenntnisse und hätte allen Glauben, also das ich Berge versetzte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts.“ Musste schlucken. Ich spürte diese Wahrheit in mir. Sie berührte mich. So, wie Michaela mich berührt hatte. So ganz verstand ich die Worte nicht, aber sie brachten mich zum Nachdenken. Ich reichte ihm, in einer etwas zu wichtig geratenen Geste, meine Hand und bedankte mich. „Sorry. Muss los.“ ,rief ich im Rausstürmen. Kam gerade rechtzeitig mit dem Beginn der großen Pause. Irgendwas hatte sich verändert. Das Licht schien heller und die Farben waren intensiver. Uwe, Thomas und Bert standen zusammen. Ging direkt auf sie zu und reichte auch ihnen meine Hand. „Eure Freundschaft ist mir wichtig.“ ,sprach ich mit belegter Stimme. Dann wussten wir eine Zeit lang nichts zu sagen, bis Bert unter schmerzverzerrtem Gesicht erklärte: „Nur Brei durch den Strohhalm zu saugen ist auch Scheiße.“ Wir lachten und schlugen uns gegenseitig auf die Schultern, das es nur so krachte. Wir würden noch Freunde sein, wenn die Welt ihr Alltagsgesicht wieder aufsetzte und das war ein gutes Gefühl. Dann stießen sie mich weg und entließen mich zu Michaela. Wir standen nebeneinander und unsere Finger berührten sich. Aus den Augenwinkeln sah ich den Schlag kommen, doch es war zu spät, um auszuweichen. Piet zimmerte mir eine und ich ging zu Boden. „Bleib liegen!!!“ ,schrie er. Was sollte ich tun? Einfach eins werden mit dem Boden und einen Knock out simulieren? Oder aufstehen und kämpfen? Mein Körper und ich standen auf. Sofort klatschte eine Ohrfeige auf mein Gesicht. Ich flog zur linken Seite und knallte wieder hin. Komischerweise spürte ich keinen Schmerz. Der würde sicher später kommen. „An deine Freundin hat schon jeder Hand angelegt.“ ,rief Piet. Ich sprang auf und rammte ihm meinen Kopf in den Bauch. Er schleuderte mich weg. Ich stand wieder auf. Er wehrte mich abermals ab. Nun kamen Uwe und Thomas dazu. Sie packten Piet und hielten ihn fest. „Entschuldige dich.“ ,schrie ich ihn, völlig außer mir, an. „Bei der Schlampe?“ ,keuchte er. „Lasst ihn los!!!!!!!“ ,brüllte ich. Nachdem er frei war, gab ich ihm einen Schlag und legte meine ganze Wut und Traurigkeit und Angst hinein. Sein Körper krachte, wie ein Berg, in sich zusammen. Michaela fiel mir in um den Hals und umarmte mich. Wir gingen hinaus. In den nächsten Wochen hieß ich in der Schule: Der Löwe aus Mitternacht. Das würde die Magnus Gang nicht auf sich sitzen lassen und selbst meine Narrenkappe könnte mich diesmal nicht vor dem kommenden Sturm bewahren. Aber, das war mir egal, denn diesen Moment konnte mir niemand mehr nehmen. Diesen Moment der Freundschaft und der Liebe. Mai 2020 von Axel Bruss
  20. Hallo Sternenherz Ich danke dir für deine Worte. Wenn du Lust auf mehr hast wird in den nächsten Tagen der 2. Teil folgen. Liebe Grüße Axel
  21. Das Geheimnis Geschichten vom Erwachsen werden Teil 1 Diese wundervolle Geschichte, meine Freunde, begann an einem Morgen im Dezember. Um genau zu sein, es war der 24. Ein Weihnachtstag, wie aus einem Bilderbuch. In der Nacht zuvor schneite es und sorgte für saubere Straßen und eisige Gesichter. Der Schnee legte sich auf breite Wege und kleine Äste. Auf Autodächer und Bonbonpapier. Ich wurde froh im Herzen und wusste, das etwas Einzigartiges geschehen würde. Entweder, bekam ich tatsächlich ein neues Fahrrad, oder ich wurde im Football Team angenommen. Doch möchte ich ein paar Wochen vorher beginnen. b Der 6. Dezember war ein Tag, voller Matsch und Regen. Ich war müde und genervt und im höchsten Maße unglücklich. So, wie es sich für einen 13 jährigen gehörte. Seit Wochen arbeitete ich an meiner Weihnachtswunschliste, ganz oben stand ein 10 Gang Rennrad und der Weltfrieden. „Nur eins von beiden geht.“ , lachte meine Mutter. Mir war nicht zum Lachen. Wir konnten nicht mal genug Geld, für einen Urlaub oder Cowboy Stiefel aufbringen. Wie sollte es da für ein 1 A Rennrad reichen? Tja, vielleicht war der Nikolaus früher mal `ne große Nummer, aber nachdem ich herausfand, das der Weihnachtsmann mein Onkel war, hatte sich diese ganze Sache für mich erledigt. Und, ganz ehrlich. Ich glaube, das das nur die Spitze vom Eisberg war. Womit hatten sie uns noch zum Narren gehalten? Was war zum Beispiel mit dem Versprechen, wir könnten werden, was wir wollten, wenn wir uns nur genug anstrengten? Oder, Hunde könnten nicht ins Weltall fliegen, weil die viel zu dumm waren. Ach ja? Und was war mit Spike, dem Astronauten Mops oder Laika? Mir schwirrte der Kopf. Ich brauchte unbedingt Sauerstoff. Wie wäre es mit einer Runde um den Block. Mit dem Fahrrad. Ach ne´! Ich hatte ja keins! Mist. Dann eben Musik hören und ein bisschen leiden. Dachte an Kerstin. Wir waren 7 Jahre alt. Als wir uns, aufgrund einer Wette, in einem Keller küssten, während 10 andere Kinder durch das Fenster zusahen, weil sie meinten, ich würde es sowieso nicht tun. Da hatten sie sich aber geschnitten. Ich küsste sie direkt auf den Mund. Ich erinnerte mich daran, das sie blond war und ihr Gesicht, wie Porzellan schimmerte. So fast durchsichtig. Ich mochte Mädchen sehr, aber sie schienen mir so unerreichbar. Wie der Mond. Manchmal stellte ich mir vor, wie schön es wäre mit ihnen, Hand in Hand, im Sonnenschein unter fallenden, bunten Blättern, zu gehen. Oder mit ihnen meinen Lieblingssänger zu hören. Elvis. Ich legte den Song “Don`t“ auf und hörte ihn mir in einer endlos Schleife an. Als ich morgens erwachte, lief er immer noch. Irgendwie komisch, aber da ich mich gerade so schön down fühlte, schrubbte ich meine Zähne und ging zur Schule. In der Klasse redeten alle Jungs von der Neuen. Ich schaute sie mir an und sie war wirklich verdammt schön. Blonde, lange Haare. Blaue Augen. Alle 5 Sekunden nahm sie, aus ihrer Jeansjacke, eine Bürste und strich damit durch das Haar. Im Neonlicht glänzte es, wie Honigtau und ich sah kleine Feen darauf tanzen. Manchmal warf sie ihren Kopf mit einer lässigen Bewegung nach hinten. Gerade soviel, dass die blonde Mähne einen Schwung vollführte und die Spitzen auf ihren zierlichen Schultern pendelten. Auf ihrer kleinen und geraden Nase, hatten sich ein paar Sommersprossen einquartiert. Und das im Winter. Der Lehrer, Herr Mewes, fragte mich, wohl schon zum xten mal, etwas über Eisberge. Ich bekam es erst mit, als Uwe gegen meinen Stuhl trat und mein Tagtraum ein polterndes und jähes Ende fand. Alle Augen richteten sich auf mich und, weil das Publikum die Show brauchte, sagte ich gutgelaunt: „Darüber kann ich ihnen, in diesem Moment, nicht viel sagen, weil in Spitzbergen grade Frühling ist.“ Die Klasse fiel in lautes Gelächter. Nur nicht die Neue, die saß einfach da und glänzte im grellen künstlichen Licht. Den Rest der Stunde durfte ich beim Direktor sitzen. Es war das erste Mal, denn eigentlich war ich ein Vorzeigeschüler. Bei Lehrern und Klassenkameraden beliebt. Gutes Mittelfeld bei den Zensuren. Klassensprecher. Ihr fragt euch, warum ich mich plötzlich so völlig anders verhielt? Ganz einfach. Ich musste doch irgendwie die Aufmerksamkeit der Neuen bekommen. Einen Blick. Ein Lächeln. Eine Haarlocke. Oder wenigstens, ein Nase rümpfen. Doch ich bekam nichts von alldem. Sie musste mich wirklich abgrundtief hassen. Der Direktor sah hin und wieder zu mir herüber. Er war nicht erfreut über meine Anwesenheit. Nicht, weil mein Fehlverhalten ihn ärgerte, sondern, weil es ihn davon abhielt seinen Roman weiterzulesen. Wir wussten, das er die Geschichten der Sophie Mutzenbacher liebte und es bei ihm zur Tradition gehörte, am Morgen, 10 Seiten darin zu lesen und eine Orange zu essen. Ich vergällte ihm beides. Er fühlte sich unwohl in der Nähe von Schülern und überließ den Ablauf, der täglichen Routine, Herrn Mewes. Unser Direktor kümmerte sich hauptsächlich um Formulare. Dass Ausfüllen. Das Verteilen. Das rechtzeitige Einsenden bei der Verwaltung. Das machte ihm Freude und sehr beliebt und schützte ihn vor unangenehmen Fragen, von oben. Zum Beispiel, warum es keine Bälle zum Spielen gab, oder keinen Barren, oder keine Umkleidekabinen. Wir zogen unsere Sportsachen immer unter unserer normale Kleidung und schwitzten uns im Sommer die Socken nass. Naja, außer Ronald , der kleidete sich immer öffentlich um. Aber der hatte auch nicht alle Latten am Zaun. Unser Direktor verteilte gerne Strafarbeiten. Sein Büroschrank versank in allen möglichen Lernaufgaben, sinnlosen Schreibübungen und dicken Wälzern kryptischer Zeichen, die wir bei Fehlverhalten zu lernen hatten. Meine Strafe bestand darin, 20 Seiten über Eisberge des Nordpolarmeers abschreiben. In Schönschrift. Ich konnte allerdings nur an die makellose Haut der Neuen denken. Ob sie einen Freund hatte? Das war bestimmt so ein Idiot aus der 9ten. Ich besuchte die 7te Klasse in der Hauptschule der Dempwolfstraße. Der Schulhof war groß genug, um sich gegenseitig nicht auf die Füße zu treten und klein genug, seine Kumpels und die Mädchen nicht aus den Augen zu verlieren. Überall auf dem Gelände, gab es kleine Löcher, die sich jedes Jahr vergrößerten, weil das Wasser in die Ritzen des brüchigen Asphalts lief, bei Frost gefror und wieder ein Stück weg sprengte. Wilde Sträucher wucherten, völlig gedankenlos, im Blumenbeet. Das Schulgelände, kam uns immer irgendwie alleingelassen vor. So, als hätte jemand entschieden, jetzt stellen wir eine Schule da hin, aber was machen wir mit dem lästigen Gesocks? Den Schülern. Also, wir wussten darauf auch keine Antwort und lümmelten meistens in der Nähe der riesigen Mülleimer herum. Die standen, strategisch gut verteilt, in den Ecken. Die einzigen, die dort was rein warfen, waren die Streber und Schleimer. Und, seit neuesten, die Neue. Das führte dazu, das alle Jungs sich jetzt extra Müll von zu Hause mitnahmen, um ihn vorschriftsmäßig in der Schule zu entsorgen. Oh, diese, nach Aufmerksamkeit gierenden Penner! Wieso, war mir das nicht eingefallen? Unser Sportplatz wurde meistens von den Idioten der Parallelklasse besetzt. Ihr Anführer hieß Magnus. Klang, wie Löschpapier für Hirnis. Zweimal wiederholte er die Klasse und überragte uns alle, um eineinhalb Köpfe. Seine platte Nase und tiefliegenden Augen machten uns Angst, die wir natürlich nicht zeigten. Seine unreine Haut bevölkerten zahlreiche Pickel und Pusteln. Einige wirkten mit ihren entzündeten Erhebungen, wie kleine purpurne Berge. An anderen Stellen bildeten sich kleine Krater, durch das unfachmännische Ausdrücken, des Eiters in ihnen. Die Gang, bestand aus Olaf. Ein kleiner schmächtiger Knirps mit winzigen, wieselflinken Augen. Sein Vater besaß einen Imbiss, bei dem seine Freunde umsonst essen konnten. Peter, der von allen Piet gerufen wurde, war der Schönling und der Gemeinste von allen. Der nahm sogar den Viertklässlern das Pausenbrot weg. Ralf legte Wert auf saubere Schuhe und vermied es, über den Sportplatz, oder staubige Gehwegplatten zu laufen. Das einzige Mädchen in der Gruppe hieß Liesl. Ihre zwei, krötengrauen Zöpfe trug sie immer akkurat an der Seite geflochten. Habe sie nie anders gesehen. Eigentlich war sie ganz nett, aber wenn die anderen dabei waren, schrie sie immer ganz schlimme Wörter. Wir hatten keine Gang. Wir waren einfach nur Freunde. Der lange Uwe, den wir manchmal Lulatsch nannten, wollte unbedingt Basketball Star werden. Gute Idee. Leider konnte er den Ball überhaupt nicht unter Kontrolle bringen und versemmelte jeden Angriff und jeden Wurf. Sein Körperbau ähnelte dem einer Giraffe. Die spitze Nase übernahm die Funktion eines Zeigefingers. Sobald sie in die Richtung einer Person zeigte, fühlte man sich sofort angesprochen. Seine Freundlichkeit verbreitete sich auf der ganzen Schule. Alle mochten ihn, sogar der Direktor. Seine Mutter, war an Krebs gestorben. Der hatte sich im linken Auge ausgebreitet. Sie trug dann immer eine dunkle Sonnenbrille. Auch im Winter. An einem Regentag wurde Uwe, während des Unterrichts, aus der Klasse genommen und durfte nach Hause gehen. Wir waren sehr neidisch und wünschten, uns wäre das passiert. Doch, als wir erfuhren, das seine Mama gestorben war, erkannten wir, das früher gehen nicht immer das Non Plus Ultra war. Bert hatte Hasenzähne und war mein bester Freund. Manchmal hingen wir bei ihm zu Hause rum, wenn seine Eltern noch arbeiteten. Die geklauten Zigaretten und die Playboy Hefte von seinem Dad, versteckte er unter seiner Matratze. Das war ein guter Platz, bis seine Mutter es herausfand und er drei Monate sein 10 Gang Fahrrad nicht benutzen durfte. In dieser Zeit gingen wir jeden Morgen gemeinsam zur Schule und ich erfuhr alles über Brüste und Mädchen, weil Bert alles darüber wusste. Die Eltern von Hannes besaßen ein eigenes Haus und er war der Schlaueste aus unserer Klasse, aber überhaupt nicht eingebildet. Wir dachten immer, aus dem wird mal was ganz Tolles. Astronaut oder Bankdirektor. Ein paar Jahre später hat er eine Sparkasse überfallen. So kann man sich irren. Der heilige Thomas hieß so, weil er mal Priester werden wollte. Aber nicht für Gott, sondern, wegen der Nonnen. Wir lachten, als er uns das erzählte, aber er meinte es mega ernst. Da haben wir noch mehr gelacht und uns alles Mögliche ausgedacht, was man mit Nonnen wohl alles machen könnte, außer beten. Tja. Und ich heiße Alex und bin ein ganz normaler Typ. Ich habe keinen Papa, mein Bruder ist ein Säufer und ich schaffe es nicht auf meiner Gitarre auch nur einen vernünftigen Ton zu spielen, um die Mädchen zu beeindrucken. Ich glaube, Mädchen mögen mich, aber ich bin viel zu schüchtern, um auch nur eine zum Eis einzuladen. Die könnte ja denken, ich wollte was von ihnen. Eine wirklich, wirklich verzwickte Situation. b Endlich klingelte es zur Pause und ich hatte es irgendwie geschafft, die 20 Seiten niederzuschreiben. Ich raste nach draußen. Dort erwarteten mich schon meine Kumpels. Ich machte auf dicke Hose, indem ich verkündete, das ich demnächst persönlich nach Spitzbergen fahren würde und Herr Mewes sich seine Eisberge ins Nordpolarmeer schieben könnte. Wir lachten alle und kamen dann zu den wichtigen Dingen. Der Neuen. Der heilige Thomas fand heraus, das sie mit ihrer Mutter aus Osnabrück hierherzog, weil die Eltern sich getrennt hatten. Das war großartig. Nein eigentlich war es traurig, aber, da es mir ähnlich ging, war es etwas, das uns verband und mir einen Vorteil gegenüber den anderen gab. In den nächsten Tagen ging ich allein nach Hause. Immer in der Hoffnung sie zu sehen und herauszufinden, wo sie wohnte. Aber immer kam etwas dazwischen. Mal schürfte Hannes sich das Knie auf. Dann zerstach jemand bei Berts Rennrad, die Reifen oder Uwe schlug sich mit einem Typen aus der Magnus Gang. Ich fühlte mich zu alt für diesen Mist. Ich war 13. So gut, wie erwachsen. Ich musste an meine Zukunft denken: Ein eigenes Fahrrad. Eine Villa an der Elbchaussee. Kinder. Am besten nur gemietet, damit man sie zurückgeben konnte. Und die Neue. Am Montag, nach einem einsamen Wochenende, den ich jammernd im Bett vor dem Fernseher mit 5 Tüten Chips und zwei großen Flaschen Cola verbrachte, fasste ich mir ein Herz und nahm meinen ganzen Mut zusammen. Ich schob mir einen Kaugummi in den Mund. Wegen, frischem Atem und so und lungerte außerhalb des Schulgeländes herum, bis sie raus kam. „Hallo Michalea.“ ,rief ich so teilnahmslos wie möglich. „Ja?“ ,fragte sie erstaunt. „Soll ich deinen Ranzen tragen? Ich hab` im Fernehen gesehen, das Mädchen durch schwere Ranzen Haltungsschäden davontragen.“ Diesen Satz übte ich am Sonntag, solange vor dem Spiegel, bis meine Mutter sagte, wenn sie es noch einmal hören müsste, würde sie mich zurückgeben. Das fand ich gemein, denn schließlich sorgte ich für eine Schwiegertochter. Denn wer würde mir in 7 Jahren in den Ohren liegen, von wegen Enkel und so? Genau! Aber ich wusste, das ich meiner Mutter nicht mit diesen Spitzfindigkeiten kommen konnte, deshalb beschränkte mich darauf, nur den Mund zu bewegen und an meiner Mimik zu arbeiten. Es sollte Stärke ausdrücken, aber auch Verletzlichkeit. Geborgenheit und eine Prise Brutalität. Das las ich in einem Buch, mit dem Titel: 1001 Möglichkeiten sich bei Anderen beliebt zu machen. Von Dschingis Khan bis Caligula. Da stand ich also und wartete auf eine Reaktion während die Jahrhunderte an mir vorüberzogen. Schließlich schaute sie in den Himmel und sagte, ebenso teilnahmslos: „Okay.“ An jenem Tag hatte sie ihre Haare in Wellen gelegt. Sie sahen aus, wie ein Ozean voller Glück. Die kleinen Sommersprossen auf ihrer Haut tanzten hin und her, wenn sich ihre Nase kräuselte. Mir wurde ein bisschen schwindelig und ich war kurz davor zu kotzen. Wir sprachen die ganze Zeit kein Wort, aber das sagte alles. Sie hatte sich eindeutig, auch in mich verknallt. Oder? Die beiden Ranzen waren sooooooooooooooooo schwer, das ich dachte jeden Moment zusammenzubrechen. Was hatte sie dabei? Backersteine für unser Eigenheim? Ich begann zu schwitzen und dachte an Uwes Vater. Der arbeitete auf dem Bau und malochte dort 12 Stunden täglich und wenn er nach Hause kam und sein Bier und seine Pantoffeln standen nicht bereit, gab es eine Schelle für ihn und Geschrei, das man bis Kasachstan hören konnte. Ich suchte nach einem Thema, das sie interessieren könnte, aber mein Kopf war so leer, wie der See in der Humboldtstraße. Den hatten sie vor 21 Tagen abgepumpt, weil da angeblich ein Mädchen ertrunken war. Wofür begeisterten sich Mädchen eigentlich? Barbie Puppen? Autorennen? Elvis? Schminken? DDR Fernsehen? Ich hatte keine Ahnung! Na klar. Sie hatte einen Vater, der woanders wohnte, genau wie bei mir. Und gerade, als ich etwas richtig Schlaues sagen wollte, sah ich Olaf. Die Flitzpiepe aus der Magnus Gang. Er lehnte an einer moosbewachsenen Mauer und er erinnerte mich, mit seinem roten Filzhut an einen Fliegenpilz. Sein gichtiger, kleiner Finger zeigte auf uns. Ich bekam es mit der Angst. Sie lief über meine Arme über die Schulter und am Rücken wieder herunter. Wo der war, konnte der Rest nicht weit weg sein. Tatsächlich tauchten sie nacheinander vor auf und versperrten uns den Weg. Piet, der Schöne, stand direkt vor uns und riss, mit seinen aalglatten, bewundernswerten Händen, den Ranzen Michaela`s von meiner Schulter. Mein Körper befand sich in einer Art Schockstarre. Ralf sah wieder mal aus, wie aus dem Ei gepellt. Kein Fussel und kein Staubkörnchen, war an ihm zu sehen. Er trat mir mit seinen blanken Schuhen vor die Brust und ich knallte, vor meiner Angebeteten, auf den Boden. Piet kippte den Inhalt des Ranzens in den Dreck. Ein Pokal fiel heraus. Magnus hob ihn auf und las die Inschrift laut vor: „Meiner geliebten Tochter zum Geburtstag. Ganz schön schmalzig. So ein Blechding wollte ich immer schon mal haben, als Spucknapf.“ „Das dürft ihr nicht, das gehört mir!“ ,schrie Michaela. „Mach die Augen zu und was du dann siehst, das gehört dir.“ , sagte Ralf. „Na los Liesl, zeig der Neuen was ihr gehört.“ Und die Liesl ging hin und stieß auch sie in den Dreck. Genau auf mich. „Ha. Sieh mal da. Sieh mal da. Ein verliebtes Ehepaar.“ ,gab Olaf von sich. Wäre ich nicht so beschämt und gedemütigt worden, hätte es einer meiner schönsten Augenblicke sein können. Michaelas Körper, ganz nah an meinem. Sie gingen einfach weg und ließen uns da liegen. Wir standen auf und waren über und über mit Matsch bedeckt. Ich sammelte ihre Sachen ein und wollte sie nach Hause bringen, aber sie ging lieber allein und ließ mich da stehen. Ich hörte, wie sich ihr Schniefen langsam entfernte. Ich hielt den Druck auf meiner Brust kaum aus, aber noch schlimmer war der Schmerz in meinem Herzen. Ich war ein Feigling. Hatte sie nicht verteidigt. Die Angst saß mir immer noch im Nacken. Genau wie die Scham. Ich würde mich nie wieder im Spiegel anschauen können. Ging am nächsten Tag nicht zur Schule. Würde nie wieder zur Schule gehen. Vielleicht sogar auswandern. Amerika oder Bolivien oder Billstedt. Als Uwe mich besuchte erzählte ich ihm alles und steigerte mich so richtig in eine Wut hinein.. Er legte seine Hand auf meine Schulter und sprach: „Mach dir keine Sorgen Alex. Wir regeln das.“ Nach der Schule passten wir die Liesl ab. „Du hast ja wirklich Mut bewiesen. Ein anderes Mädchen in den Dreck zu stoßen, ist eine Heldentat.“ ,erklärte Bert. „Ihr habt doch keine Ahnung. Magnus wohnt bei mir im Haus. Wenn ich mich gegen ihn stelle, verprügelt der mich auch.“ „Das musst du gar nicht.“ ,bestimmte Hannes. „Wir wollen nur wissen, wo das Hauptquartier ist.“ „Das kann ich euch nicht sagen.“ ,meinte die Liesl zitternd „Das kannst du und das wirst du, oder soll die ganze Schule davon erfahren, was für eine gemeine Kuh du bist?“ Nach weiteren 12 Minuten, drei Kaugummi Packungen, als Bestechung und dem Versprechen Magnus nicht zu stecken, woher wir es wussten, erzählte sie uns alles, was wir wissen wollten. Das Hauptquartier der Gang befand sich in einem Baumhaus. Ich bestand darauf allein in den Garten zu schleichen, um den Pokal zu finden. Magnus hatte einen Hund. Einen schwarzen Dobermann. Saugefährlich. Er hieß Don Alfredo. Allzeit bereit jeden Eindringling in kleine, leicht zu verdauende, Häppchen zu zerteilen. Komischerweise musste ich die ganze Zeit an mein Fahrrad denken und hoffte inständig, das ich es zu Weihnachten bekäme. Meins war total Schrott, seit ich den Todesberg in der Eisendorferstraße runter raste und mich zweimal überschlug. Dabei schlitterte ich mit der rechten Gesichtshälfte elegant über die körnige Straße. Mein Äußeres war das, dem Phantom der Oper nicht unähnlich, worauf ich eine Zeitlang in der Schule nur >Das Monster< hieß. Hab dann immer so getan, als fände ich das total bescheuert und machte auf voll deprimiert, aber in Wirklichkeit fand ich es gut. Machte mich irgendwie zu etwas Besonderem. So, als wäre ich unbesiegbar. Der Dobermann lief in den hinteren Teil des Gartens, also rannte ich in geduckter Haltung zum Baum, als ich ein Knurren und fletschen hinter mir hörte. Schweiß zischte aus allen Poren und bedeckte meinen Körper mit einem Meer voller Angst und Panik. Uwe warf ein Kotelett über den Zaun und die Sache war geritzt. Don Alfredo verbiss sich nicht in meinen Waden, sondern in das Bestechungsfleisch. Manchmal brauchst du halt nur eine gute Idee und keine Muskelkraft. Der Pokal stand in einem Regal über alten muffigen Kissen. Eine Schublade stand halb offen. Darin fand ich eine Fotografie der Magnusbande, wie sie einen Jungen verprügelten. Die nahm ich mit. Hannes beglückwünschte mich für meinen Mut und Bert schlug mir so kräftig auf den Rücken, das ich glaubte, mein Frühstück fiel vorne wieder heraus. Der heilige Thomas gab mir die Nummer von Melanie. „Nur zur Sicherheit, falls es mit Michaela doch nicht so läuft.“ ,flüsterte er. Meine Füße flogen über den Asphalt zu meinem Traummädchen. Mit zerzausten Haaren stand ich vor ihrer Tür. Ihre Mutter, eine kleine, untersetzte Frau, manche hielten sie sicher auch für dick, öffnete mir und ließ mich herein. Michaela`s Tür war rosa gestrichen und ihr Zimmer duftete nach Sommer. Mein trockener Mund, versuchte etwas Spucke zu sammeln, damit er zwei, drei verständliche Worte hervorbringen konnte. Mit zitternden Händen klopfte ich. „Ja.“ ,kam es genervt von der anderen Seite der Tür. „Ich bins. Alex.“ „Oh. Komm rein.“ ,kam eine versöhnliche Stimme. Ich öffnete und trat ein. „Tut mir leid. Meine Mutter kommt alle 2 Minuten in mein Zimmer und nervt mich.“ ,sagte sie entschuldigend. „Ja. Kein Problem. Kenn` ich.“ Ich kannte das überhaupt nicht. Meine Mutter kam nie in mein Zimmer. Wir sprachen auch nicht viel zusammen. Sie interessierte sich nicht besonders für mich. Ich schätze das war ok. Nein. Eigentlich, war es das gar nicht. Es machte mich echt traurig und ich fühlte mich oft, verdammt einsam und allein gelassen. Sie unternahm nicht mal den Versuch mich zu verstehen. Ich kam nach Hause wann ich wollte, machte Schularbeiten oder auch nicht. Erschoss jemanden in Kansas und trank mit dem Sheriff zwei Whisky an der Bar in Dodge City. Sie nahm mich nie in den Arm und sagte immerzu das ich dieses oder jenes nicht könnte, weil ich zu klein oder zu groß oder nicht schlau genug wäre. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb ich kein Fahrrad bekam. Einfach, weil sie mich abgrundtief hasste. Michaela und ich standen ratlos herum und keiner wusste so recht, wie es jetzt weitergehen sollte. „Schöne Vorhänge.“ ,kam es quälend aus meinem Mund. „Danke. Die hab` ich von meiner Oma.“ ,meinte sie. „Es tut mir leid, das ich dir nicht geholfen habe.“ ,entschuldigte ich mich. „Du hast das einzig Richtige getan, sonst wäre es noch schlimmer gekommen.“ „Nein, ich hätte dich verteidigen müssen und ich finde es voll Scheiße das ich so ein Feigling war.“ Vor lauter Wut, über mich selbst, schossen mir die Tränen ins Gesicht. Sie nahm meine Hand und hielt sie ganz fest. Oh Mann. Was war ich bloß für ein Weichei. „Ich will das wieder gut machen. Ich hab` dir den Pokal zurückgeholt.“,sagte ich. Sie nahm ihn wortlos und stellte ihn auf ihr Regal. Naja. Ok. Hatte eigentlich mit einer Belohnung gerechnet. Musste ja nicht gleich das halbe Königreich sein, aber vielleicht.... In diesem Moment kam ihre Mutter mit Keksen und Milch herein. „Mama!“ ,entschlüpfte es Michaela ärgerlich. „Ach Kind. Ich dachte nur, ihr würdet gern was knabbern.“ ,bemerkte sie. „Nein Mama.“ „Tja. Ich muss dann auch wieder los. Mein Hamster muss noch den Küchenboden bohnern und ich sing ihm dabei gern was vor.“ ,brabbelte ich sinnlos vor mich hin. Jetzt machte ich mich also auch noch bei ihrer Mutter zum kompletten Idioten. Wenn jetzt auch noch die Sonne explodierte, wäre der Tag aber völlig im Eimer. Ich trottete nach Hause mit einem Gefühl, das so zwischen Wahnsinn, Kotze und grenzenloser Leichtigkeit lag. Im Grunde, war es gar nicht schlecht gelaufen. Sie hatte meine Hand gehalten! Das war Hammer! Spürte immer noch ihre Haut an meiner. Ihre Wärme. Den Druck. Die Zuneigung. b Voller Freude und Zuversicht ging ich am nächsten Morgen zur Schule. Michaela stand mit ein paar anderen Mädchen zusammen und ignorierte mich völlig. Dann eben nicht, dachte ich so bei mir und ärgerte mich die ganze Geschichtsstunde darüber und erklärte dem Lehrer, wenn der große Alexander schlau gewesen wäre, hätte er auf Persien verzichtet und stattdessen Tomaten gezüchtet. Der Direktor war nicht erfreut mich zu sehen. Ich sagte, mir würde es genauso gehen und fragte, ob die Frau Mutzenbacher aus seinem Roman, etwas interessantes zu berichten hätte. Er meinte, ich solle nicht so frech sein und die 20 Seiten über Alexander dem Großen in Schönschrift abschreiben. Das tat ich dann auch, mehr oder weniger. In der Pause, gerade, als ich dringend das Klo aufsuchen wollte, passte Michaela mich ab. Es täte ihr leid, aber sie wolle nicht, das die anderen über sie tuschelten. Es gab an ihrer alten Schule nur ein großes Hauptthema: Wer mit wem und wo und warum oder warum nicht gehen würde und das konnte sie nicht gebrauchen. Ihr Leben war auch so kompliziert genug. Sie kam ganz nah an mich heran, mir wurde heiß. Sie duftete nach Frühling. „Ich mag dich.“ ,flüsterte sie in mein Ohr und gab mir einen Kuss auf die Wange. Mir wurde ganz heiß und die Knie sackten ein bisschen weg. Mein staubtrockener Mund, brachte keinen einzigen zusammenhängenden Satz zustande. Reichte grad` für ein paar lose Buchstaben „Ghjkhöwuigwgiwevvalglgl-lb.“ ,brabbelte ich. Worauf sie lächelte und verschwand. Wollte nur zu meinem Fahrrad und dann nach Hause. Nach 5 Minuten fiel mir ein das ich keins hatte. Also kein Fahrrad. Ein Zuhause schon. b Uwe und Hannes hefteten das Bild der Magnus Gang ans schwarze Brett. Das, wo sie den Jungen verprügelten. Daraufhin wurden alle ins Lehrerzimmer gerufen, mussten sich bei dem Jungen entschuldigen und Wiedergutmachung leisten. Zuhause gab es bestimmt für alle ein Donnerwetter. Die nächsten Wochen hörten wir nichts mehr von ihnen. Alle hatten Hausarrest. Für mich lief es super. Ein Fahrrad hatte ich zwar immer noch nicht, aber wer brauchte schon ein Fahrrad. Ich traf mich in jeder freien Minute mit Michaela. Wir redeten, gingen ins Kino, aßen Kekse und hielten Händchen und knutschten. Einmal berührte ich versehentlich ihre Brust. Das fand sie nicht so gut. Ich meinte, ich hätte mich nur vertan und wollte eigentlich nur mal checken, ob alles noch da wäre, wo es hingehörte. Darüber lachte sie. Überhaupt lachten wir sehr viel. Mit ihr konnte ich über alles reden. Am Weihnachtsmorgen ging ihre Mutter zum Einkaufen und wir saßen in ihrem Zimmer und hörten Musik. „Ich krieg ein Fahrrad zu Weihnachten.“ ,sagte ich. „Mit 10 Gängen, so wie du es dir gewünscht hast?“ ,fragte sie. „Ne` viel besser. Ich hab` gehört, wie mein Onkel erzählte, das meine Mutter das Gebrauchte von meiner Tante bekommen sollte. Salatgrün. Ohne Querstange. Ist aber spitzenmäßig gepflegt.“ ,erklärte ich stolz, um es selbst zu glauben. Sie streichelte meinen Kopf und alle Haare stellten sich auf. „Wenn ich 18 bin, werd` ich mal ein Superstar.“ ,prahlte ich. „Wenn ich 18 bin zieh ich Zuhause aus.“ ,sagte sie. „Zu deinem Vater?“ ,fragte ich. „Nein.“ ,meinte sie einsilbig. „Wieso nicht?“ „Das geht nicht.“ „Warum denn nicht?“ „Nerv` mich doch nicht mit diesen Fragen.“ ,schrie sie plötzlich. Stille. Sie weinte. Ich nahm sie in den Arm. Ganz leise fing sie an zu sprechen. „Letztes Jahr am heiligen Abend, kam mein Vater früher heim, als sonst. Er meinte, er müsse sich einen Moment hinlegen. Dann ist er eingeschlafen und hat einfach aufgehört zu atmen. Ich habe versucht ihn zu wecken, aber es ging nicht. Meine Mama hat gesagt, Papa ist jetzt in einer anderen Welt und dort hat er seinen Frieden.“ Ich dachte an ihre Traurigkeit und ein Meer voller Tränen. „Ich habe mich dafür gehasst, das ich ihn habe einschlafen lassen und mir gewünscht auch einzuschlafen und nicht mehr aufzuwachen.“ „Das tut mir leid.“ ,sagte ich. „Ich brauche dein Scheiß Mitleid nicht. Genau deswegen, habe ich gesagt, meine Eltern sind getrennt, weil ich ganz normal behandelt werden will und nicht wie jemand der ansteckend ist.“ Sie stieß mich weg. Eine Zeitlang sagten wir nichts. Hörten nur dem Ticken der Uhr zu. Dann nahm ich ihre Hand und hielt sie ganz fest. Ich war froh, das sie mir ihr Geheimnis verraten hatte. „Ich wünsche mir den Frühling.“ ,sprach ich. „Und ich den Weltfrieden.“ ,meinte sie. Wir lachten. Wir lachten, bis wir nicht mehr konnten. Erschöpft lagen wir auf dem Boden. Ich küsste sie und sie mich. Michaela legte meine Hand auf ihre Brust und fragte ganz leise: „Ist alles noch da, wo es hingehört?“ Ich flüsterte zurück: „Ja. Es ist alles, wie es sein soll.“ b November 2019 von Axel Bruss
  22. Axel

    Liebe

    Some Kind of wonderful Du bist der Wind auf meiner Haut. Ich bin der Regen der Dich füllt. Du bist mir nah. Ich berühre Dich. Du bist da. Ich bin Deine Sehnsucht. Du bist in meinem Kopf. Ich wandere durch Deine Gedanken. Es ist schön in Dir zu sein. Es ist schön Dich bei mir zu wissen. Ich sehe Dich wie Du bist. Und Du siehst mich. Du bist die Sonne auf meiner Haut. Ich bin der Atem in Deinem Nacken. Keine Worte. Kein Gestern. Kein Morgen. Nur das Jetzt. Nur das Wissen. Nur das Sein. Ich bin der Fluss. Du bist nackt. Ich halte Dich. Du bist in mir. Ich bin der Atem auf Deiner Haut. 10.05.2016 von Axel Bruss
×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.