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Dionysos von Enno

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Alle erstellten Inhalte von Dionysos von Enno

  1. Hi Mi, sic! Die Parallele zu unserem Silberreiher (späht und späht und späht) ist herrlich ! Ich finde das eine großartige Idee, weil man bei lesen den Eindruck hat, das "Wundern über das Reimen" würde auf die Erlebnisebene unseres Silberreihers "durchschlagen" und dieses leichte Zögern verursachen, das letztlich die Jagd scheitern lässt. Insofern habe ich es also als einen wunderbar frischen Kunstgriff erlebt und keineswegs als Unsinn, zumal der Reim so etwas spielerisches hat und unseren Reiher noch sympathischer macht. Beim nachprüfen stelle ich fest, dass ich mal wieder kläglich versagt habe, beim Versuch mit Formalismus zu glänzen. Ich bin schon weg (bevor Claudi meine dilettantischen Versuche entdeckt 😉 Und diese sublime, fast ätherdurchfühlende Begleitung der originellen Verse auf einer hintergründigen Ebene ist einer der Gründe, warum ich Deine Sachen so mag. Es ist ein großes Vergnügen gewesen, hier mal etwas längeres wieder von Dir kredenzt zu bekommen. EIn großer Genuß ! mes compliments Dio
  2. Wieder bist du Farnwaise im Bambus. Blassblaue Melancholie. Wie die Blüten der Rapunzel: Klein, bitter. Essbar. Aufgelöst auf der Zunge . Ausgestoßen wie ein Husten. Das scharfe Wort des Waldes. Der Schrei der Weide. Wie der Nebel von wildem Kraut steigt, steigst du in die Stadt: Flüchtig, ätherisch. Ein Öl. Ein Alkohol. Nur ein weiterer Kohlenwasserstoff ohne Farbe. Eine Fernwaise im Gewimmel der Nähe. Blassblaue Melancholie. Das Neonlicht der Nachtapotheke in der Klappe Städterstille: Klein, bitter, essbar
  3. hi Mi, soweit ich das beurteilen kann, hast auch Du, bei deinem epischen Hexameter, der uns in einen Kampf "Um Leben und Tod" am Bach oder Fluss so gekonnt und stilsicher entführt, nicht gänzlich auf den Spondeus im fünften Fuß verzichtet und damit selbst bei stichischer Betrachtungsweise, Eintönigkeit in der Anlage der Form vermieden. Bravo ! Hierzu korrespondiert die Geschichte um den Reiher oder Kormoran wundervoll, wobei man nicht ganz sicher ist, ob das Objekt seiner Begierde kurzzeitig vom Fisch (zum Glück für Ferdi war es kein Frosch 😉 zum selbstbetrachtenden Reim in der Ideenwelt (potzblitz!) aus der Welt der Phänomenologie (zum Teich) wechselt und damit die Jagd scheitern lässt, oder ob es eine hintergründige Form des Schicksals war, die unser FIschlein vor dem terminalen Medienwechsel (vom Wasser in die Magensäure) gerettet hat. Spannend bleibt auch die Belastung der Hypothese: "Knapp daneben". War es wirklich ein "Knapp daneben" oder ein "knapp entkommen", das hier noch einmal das Fischlein entkommen ließ ? Bei zwei Kleinigkeiten hatte ich ein paar Probleme mit dem Bild selbst (nicht mit der Logik, die für mich in der Traumlogik eines Gedichtes nicht stringent kausal und durchaus synästhetisch-holistisch sein darf) Wie stelle ich mir vor "dahlienweiß" zu stehen und wie ein Blick "Bogengespannt" hinab ? Ein wunderbar dynamisches Werk, in dem sich verschiedene Ebenen sehr geschickt vermischen. mes compliments Dio
  4. Liebe Melda, ich weiß nicht wo anfangen und wo enden 🤣Ein wunderbares Chaos im Opernhaus. Herzlich gelacht ! mes compliments Dio
  5. Man möchte den Tag vergehen lassen. Allein der Lichter wegen, die sich nur finden am Himmel, wenn es dunkelt; den alten Schrank noch einmal öffnen. Das gestärkte Nachthemd, schlicht gebügelt, im Duft des Lavendel berühren mit den Wangen. Oder die Falte auf dem frisch bezogenen Kissen um der ganzen Glätte willen bedenken. Die durchlüfteten Oberbetten, die makellosen Wolken. Irgendwo liegt ein Boot am Ufer, schaukelt im Sonnenuntergang. Küsse einer anderen Zeit, aufgerollt in ein Parizske Pecivo und einen Liebesbrief Dort ist die Ruhe des Frühlings in den Trauben, Wärme von Lächeln im Wein. Reste von Abendrot auf dem Wasser zu singen
  6. Du weißt ja Ilona, sind die Zähne erstmal raus hat die Zunge freies Spiel 😂 Sehr witzig Gereimt Compliments Dio
  7. Liebe Uschi, das wird dann aber ein laaaaanger Poetry-Slam Beitrag 😂 Gut, dass Du Deinem Handy "noch" die Stirn bieten kannst 😉 😘 Dio
  8. Hi liebe Poetinnen WG Mitbewohner, erstmal ein großes Dankeschön, dass ihr die Lesemühe auf euch genommen habt und offenbar darin nicht enttäuscht wurdet. Das ist schonmal das Wichtigste! Und: Das waren ja immerhin -Letreo hat es bereits erwähnt- kapitale 2000 Zeichen und damit schon fast die Hälfte meines durchschnittlichen, täglichen Schreibziels. Und es ist rein in Dialog geschrieben. Vor diesem Hintergrund haben mich eure Reaktion sehr gefreut auch deshalb, weil es immer wunderbar ist, wenn einer meinen schrägen Humor stellenweise auch witzig findet. Merci ! @Letreo71 Klo, Hunger und Durst sind besonders hängen geblieben und ein schmunzeln dazu. Wunderbar fehlt eigentlich nur noch Sex. Aber der kam ja nun auch nicht vor. Von daher alles gut 😉 @Marvin freut mich natürlich, wenn der Meister des skurrilen Humors dem Text etwas abgewinnen kann und sogar Tränen für unseren armen Protagonisten vergossen wurden (auch Freudentränen sind ja schonmal ein Anfang). Am Ende ist es ein bisschen wie "Hotel California". You can check out any time you like, but you can never leave. Schön, dass Du mir so ein detailliertes Feedback da gelassen hast. Damit kann ich immer viel anfangen! @Elisabetta Monte herzlichen Dank fürs Lesen. Dein Plädoyer für Netz und doppelten Boden bei allem, was Maschine ist, kann ich nur unterschreiben! mes compliments Dionysos
  9. “Bezahlen sie mit Karte oder bar” “Mit Karte bitte. Ich habe mein Portemonnaie nicht bei mir. Nur das Handy. Kann man mit Handy zahlen?” “Natürlich. Bitte jetzt auflegen” “Hmm das scheint nicht zu funktionieren” “Haben sie das Handy vorher entsperrt ? Sie müssen ihr Handy entsperren” “Moment. Ja, ist entsperrt. Kann ich nochmal ?” “Moment!” “Ja natürlich” “Ich muss erst den Bezahlvorgang abbrechen und dann nochmal starten” “Selbstverständlich” “Entschuldigung, können SIe sich bitte etwas beeilen da vorne ? Ich muss noch zum Frisör” “Ja natürlich. Ich warte selber nur noch auf die Mitteilung der Kassiererin. Da hat leider etwas mit der Handy-Zahlung nicht geklappt. Ich würde das jetzt sofort noch einmal probieren” “Ok. Machen sie sich keinen Stress. Ich meinte ja nur, weil die Schlange immer länger wird”. “Ich weiß und das tut mir sehr leid” “So, nun können sie es noch einmal probieren. Bitte das Handy vorher entsperren!” “Ok ist entsperrt. Hier vorhalten ?” “Ja” “Ok. So. Hmm das ist komisch. Da kommt wieder die Fehlermeldung: Bitte nur eine Karte verwenden. Wissen sie zufällig, was das bedeuten kann?” “Nein, keine Ahnung. Haben sie vielleicht mehrere Karten in der App installiert ? Vielleicht ist da irgendwas kaputt gegangen und sie müssen das nochmal installieren. Dafür haben wir aber jetzt hier keine Zeit. Haben sie eine Geldkarte oder Bargeld ?” “Nein, das sagte ich ja bereits. Ich habe meine Geldbörse vergessen. Da ist alles drin” “Ich würde schnell nach Hause und meine Geldkarte holen. Kann ich den Wagen so lange hier stehen lassen ?” “Nein, das geht leider nicht. Dann müssen sie später bitte nochmal kommen und neu einkaufen”. “Aber ich habe den Einkaufszettel schon weggeworfen. Ich werde später nicht mehr wissen, was ich ursprünglich einzukaufen hatte” “Herrgott! Geht das da vorne endlich mal weiter !” “Ja, sie können doch nicht alles hier blockieren mit ihren Problemen” “Ich muss halt zum Frisör. Ich würde ihnen sonst keinen Stress machen, aber ich muss wirklich bald los” “Können sie bitte noch eine Kasse aufmachen ? Hier staut sich die Schlange schon bis zur Fleischtheke” “Ja natürlich. Wir öffnen sofort eine neue Kasse. Hören sie, sie können den Wagen nicht so stehen lassen. Entweder sie gehen nochmal zurück ins Geschäft, versuchen, die App neu zu installieren oder ihr Problem mit der Zahlung zu beheben, oder sie kommen später nochmal wieder und kaufen dann neu ein” “Aber meine Frau wird mich umbringen, wenn ich ohne Einkauf nach Hause komme. Sie wird mir niemals nochmal den Einkaufszettel schreiben. Was bin ich doch für ein Idiot. Gut, ich gehe nochmal in den Laden und schaue, ob ich das mit der App behoben bekomme”. “Ok” “Na endlich, geht das da vorne mal weiter! Hat ja auch lange genug gedauert” “Entschuldigung, können sie mich bitte durchlassen, ich muss ganz ans Ende der Schlange. Ich habe da so ein Problem mit meiner Bezahl-App. Da vorne steht noch mein Wagen, ich” “Jaja, ist okay. Gehen sie doch bitte aber haben sie bitte Verständnis dafür, das ich mir ihre Geschichte weder anhören will, noch kann. Ich höre gerade Musik über meine Airpods. Sehen sie das nicht ?” “Entschuldigen sie bitte” “Schauen sie mal, da vorne hat noch eine Kasse aufgemacht. Da kommen sie vielleicht früher dran” “Vielen Dank für ihren freundlichen Hinweis, junge Dame, aber ich brauche gerade möglichst viel Zeit, um meine App neu einzurichten" “Ja natürlich. Dann wünsche ich ihnen sehr viel Erfolg dabei. Heutzutage ist man ja ohne diese Dinger komplett verloren” So, dann wollen wir mal schauen. Deinstallieren. Neu installieren. Was fragt der jetzt nach einem PIN Code ? Ich hab doch die App neu installiert. Wo soll ich da jetzt einen PIN Code her haben? So, schauen wir mal. Also, jetzt nicht die Nerven verlieren. Öffnen. Da sind meine Karten hinterlegt. Gut, sind alle noch da. Wunderbar. Aber die App ist gesperrt. Wieso ist die App gesperrt. Ich hab doch gar keinen neuen Code vergeben. Welchen Code soll ich denn da eingeben? Immerhin öffnet sich die App wieder. Ich versuche es einfach noch einmal. “Da sind sie ja wieder. Moment, ich muss ihren Einkauf erst noch einmal hervorholen. So, nun können sie es noch einmal probieren” “Hat es funktioniert? Es hat gepiept!” “Nein, hat nicht funktioniert. So, jetzt wird es leider langsam Ernst. Jetzt müssen sie sich wirklich ein letztes Mal entscheiden, ob sie es wirklich noch ein letztes Mal versuchen, oder lieber nach Hause fahren möchten. Bitte denken Sie gut darüber nach.” “Ich kann unmöglich so ohne Einkäufe nach Hause kommen. Meine Frau wird mich umbringen” “Das sagten sie bereits. Dann probieren sie es bitte ein letztes Mal. Ich bete für Sie, dass es diesmal klappt!” “So auflegen ?” “Ja, legen sie das Handy genau so auf” “Es piept. Aber da ist wieder die Fehlermeldung: Bitte nur eine Karte benutzen. Ach verdammt, es geht einfach nicht” “Dann muss ich sie bitten, einstweilen in den Markt zurückzukehren und dort auf meinen Vorgesetzten zu warten” “Meinen sie, der kann mir helfen ?” “Das kann ich ihnen nicht sagen. Warten sie bitte dort bei der Friedhofsdekoration, da bei den Grablichtern. Er wird sicher gleich kommen” “Ist gut. Ich warte” “Guten Tag. Mein Name ist Caliban. Ich bin der Marktleiter. Ich frage sie das jetzt nur ein einziges Mal: Ist es korrekt, dass sie es bevorzugt haben, anstatt unseren Supermarkt ohne Einkauf zu verlassen, weiter zu versuchen, eine erfolgreiche Bezahlung über ihr Handy zu initiieren und dabei immer wieder versagt haben?” “Nun, ich würde es jetzt nicht als ein persönliches Versagen bezeichnen, aber im Grunde ist es richtig. Ich kann nicht ohne Einkäufe nach Hause. Meine Frau bringt mich um. Leider habe ich auch den Einkaufszettel weggeworfen und sie sehen ja, dass der Wagen randvoll ist. Meine Frau würde unter keinen Umständen den Einkaufszettel noch einmal schreiben. Vermutlich wird sie sich auch gar nicht mehr an alles erinnern. Sie hat ja auch so viele andere Sachen zu tun” “Gut. Dann wissen wir Bescheid. Das ist sehr bedauerlich und tut mir persönlich sehr leid für sie. Ich muss jetzt wieder gehen. Fühlen sie sich einfach so wohl, wie es ihnen möglich ist bei uns” “Ja danke, Her Caliban. Ich gebe mir Mühe” “Dann also alles Gute für sie. Auf wiedersehen” “Auf wiedersehen, Herr Caliban” “Wir bitten alle unsere regulären Kunden nunmehr den Laden zu verlassen, da wir in einer viertel Stunde schließen werden. Hier eine kleine Erinnerung für unsere geschätzten Kunden: Wir schließen Samstags immer schon um 14 Uhr” “Guten Tag. Wo ist denn ihre Kollegin, die mich eben bedient hatte? Naja, egal. Ich würde es gerne nochmal probieren, meinen Einkauf mit dem Handy zu bezahlen” “Guten Tag. Es tut mir leid, das ist keine Option mehr für sie. Ich muss sie bitten, in den Markt zurückzukehren” “Entschuldigung ?” “Bitte gehen sie in den Markt zurück. Wir schließen in weniger als zehn Minuten” “Gut, dann gehe ich eben so. Machen sie bitte die Schranke auf ? Sie sehen ja, dass ich keinerlei Einkäufe mehr bei mir habe. Ist alles im EInkaufswagen da vorne” “Das geht leider nicht. Ich bitte sie jetzt nochmals sehr höflich, in den Laden zurück zu kehren. Wir schließen” “Was meinen Sie damit, das geht jetzt nicht ? Ich bin ein freier Mann. Ich kann gehen wohin ich will. Lassen sie mich jetzt bitte raus und machen sie die Schranke auf ! Sie machen mir Angst!” “Ich sagte ihnen bereits, dass das nicht geht. Wir schließen” “Nein, nein, lassen sie mich gehen. Lassen sie mich hier raus. Wo gehen sie denn hin ? Machen sie die Schranke auf. Nein, nicht gehen. Machen sie die Schranke auf. Nein, nein. Das können sie doch nicht machen. Sie können mich doch nicht in diesem Supermarkt einschließen. Das können sie doch nicht machen !” “Schau mal Mama, der Mann schläft an die Kühltheke gelehnt. Oh ich glaube ich habe ihn aufgeweckt” “Sie, sie, junge Frau. Sie müssen mir helfen, Ich werde hier festgehalten, gefangen gehalten in diesem Supermarkt” “Komm kleine, ignorier ihn einfach. Der Mann ist sicherlich sehr krank” “Aber was, wenn er in dem Supermarkt gefangen gehalten wird, Mama ?” “Das wird er sicherlich nicht. Niemand wird in einem Supermarkt gefangen gehalten, Schau mal, sein Hemd, wie das aus der Hose hinten raushängt. Der ist wahrscheinlich ein bisschen krank im Kopf, Schätzchen” “Ich verlange Caliban zu sprechen. Sofort. Hören sie, ich verlange Caliban zu sprechen, den Marktleiter.” “Selbstverständlich. Aber gehen lassen kann ich sie leider nicht. Warten sie dort bei den Grablichtern und Friedhofsdekorationen. Er kommt gleich zu ihnen” “Guten Tag. Wie kann ich ihnen helfen?” “Ich möchte nach Hause. Meine Familie wird sich sicherlich Sorgen machen. Sie können mich hier nicht festhalten.” “Sie selber haben sich dazu entschlossen, einen letzten Zahlungsversuch zu unternehmen, der fehlschlug. Das werden sie nicht bestreiten wollen” “Ich rufe die Polizei!” “Rufen sie die Polizei, bitte” “Ich habe keinen Handyempfang in diesem Höllenloch! Haben sie zufällig W-LAN ?” “Nur für Mitarbeiter. Das tut mir sehr leid. Aber noch sind sie kein Mitarbeiter bei uns” “Was heißt denn noch nicht ? Das können sie doch nicht tun. Ich muss aufs Klo ! Ich habe Hunger!” “Das tut mir sehr leid für sie. Aber sie dürfen unter keinen Umständen in den Supermarkt defäzieren oder urinieren. Das ist aus hygienischen Gründen nicht möglich. Zudem dürfen sie keine Waren anfassen, ohne zu bezahlen. Das sollte ihnen klar sein” “Aber dann werde ich an Obstruktion sterben, mich vollscheißen müssen. Ich werde verhungern!” “Sie können ihre App neu installieren. Möglicherweise funktioniert ihr Zahlungssystem nach einem Update” “Das meinen sie nicht Ernst!” “Es tut mir leid, dass ich keine bessere Nachricht für sie habe. So nun wünsche ich ihnen weiterhin einen -auch unter den schwierigen Umständen für sie- möglichst erträglichen Aufenthalt” Schau nur, der Mann da hinten in der Ecke. Die ganze Hose nass. Als hätte er sie sich vollgepisst. Puh! Wie der stinkt. “Ich habe Hunger. Ich habe Durst” “Ein Wahnsinniger im Supermarkt. Jetzt lässt man diese Typen schon im Supermarkt betteln. Ist das nicht erbärmlich” “Wir könnten ihm was zu essen kaufen oder was zu trinken ?” “Das ist doch lächerlich. Du weißt doch, dass diese Typen das gute Essen und trinken nur schlecht werden lassen. Die wollen nur Geld für Drogen und Alkohol! Das weiß doch jedes Kind” “Ich habe mal einen gesehen, der einen Burger angenommen hat” “Und was hat er damit gemacht. Hast du gesehen, wie er ihn aufgegessen hat ?” “Nein. Aber er hat ihn auch nicht weggeworfen” “Diese Typen sind doch immer drauf. Die sind doch gar nicht in der Lage normal zu essen. Wenn sie so richtig vollgesoffen sind oder was geraucht oder gespritzt haben, wie die dann mit ihren halb hängenden Augen da rumsitzen, die Münder offen wie Hosenställe. Das sind doch Schweine. Das sind doch keine Menschen mehr” “Schweine sind sehr saubere Tiere” “Ach hör doch auf mit dem Scheiß. Du weißt doch, was ich meine” “Aber der scheint wirklich Hunger und Durst zu haben. Puh wenn der nicht bloß so stinken würde. Das stinkt ja bestialisch” “Bitte. Bitte ich habe Hunger. Habe Durst. Muss auf Toilette” “Lächerlich” “Was ist denn los, junger Mann. Was ist denn bloß mit ihnen. Sie sehen ja schrecklich aus. Als hätten sie seit Tagen nicht gegessen oder geschlafen” “Bitte, bitte werte Dame. Helfen sie mir. Ich werde hier gefangen gehalten. Man lässt mich nicht mehr aus dem Supermarkt heraus! Ich darf hier nichts anfassen, ich darf auch nicht auf Toilette. Ich habe versucht einzuhalten. Jetzt ist alles in die Hose gegangen. Bitt helfen sie mir” “Ja hören sie mal junger Mann. Hier gibt es doch nirgendwo jemanden, der sie festhalten würde. Schauen sie mal, dahinten sie die Kassen, da brauchen sie nur an den Leuten vorbei und durch die Schranke. Hier. Schauen sie mal. Ich hatte mir ein Brot geschmiert für den Weg. Das können sie gerne haben. UNd hier eine kleine Flasche Wasser” “Ist das auch bestimmt nicht von hier ?” “Nein, junger Mann. Das habe ich von zu Hause mitgebracht. Ja dann noch alles Gute” “Hmmm. Danke. Oh ist das gut. Das ist so gut. Das ist so gut” “Bitte begeben sie sich zum Ausgang. Es ist gleich 20 Uhr. Wir schließen. Bitte begebe sie sich zum Ausgang” “Ach du scheiße, schau mal dieser Typ, die Hose komplett vollgeschissen! Wie der stinkt. Das ist ja erbärmlich” “Ja da kommen auch schon zwei Supermarktangestellte und begleiten ihn zurück in den Markt. Ich dachte schon, die würden ihn wirklich zu den Kassen durchlassen zu den ganzen Kunden” “Nein, das ist nicht so ein Supermarkt. Die achten hier auf sowas” “Gut” “Opa, schau mal da liegt ein Mann da hinten bei den Friedhofsdekorationen unter den Wühltischen” “Das ist kein Mann, das ist vermutlich nur die Verpackung von den Grabkränzen. Uh wie streng das riecht. Ist ja ein furchtbarer Gestank. Komm, Kleiner” “Opa, das ist ein Mann! Der bewegt sich nicht mehr! Opa, Opa. Schau doch, auch wenn ich ihn trete, bewegt er sich nicht” “Geh mal zurück. Warte, lass mich mal das Taschentuch eben vor die Nase halten. So nun schauen wir mal. Oh Großgütiger! Du hast Recht, das ist wirklich ein Mensch, der sich da halb unter die Pappe verkrochen hat. Hallo, hallo? Können sie mich hören? Hallo ? Der bewegt sich nicht ! Der bewegt sich nicht! Hilfe. Hilfe !” “Guten Tag, mein Name ist Caliban. Ich bin hier der Marktleiter. Sie haben nach mir rufen lassen ?” “Hier, unter den Grabkerzen liegt ein toter Mann! Riechen sie das nicht ? Das ist doch ein bestialischer Gestank! Wie kann denn sowas sein?” “Tatsächlich. Das bitte ich sehr zu entschuldigen. Wir werden uns sofort darum kümmern. Haben sie sonst noch einen Wunsch ?” “Sonst noch einen Wunsch ?” “Kann ich ihnen noch mit unserem reichhaltigen Sortiment behilflich sein. Mit einem Umtausch vielleicht ?” “Nein, nein danke. Sie rufen die Polizei und kümmern sich darum ?” “Selbstverständlich. Schauen sie, da kommen bereits zwei meiner Angestellten und bringen ihn fort. Sie müssen sich um nichts mehr kümmern. Ich wünsche ihnen weiterhin einen wunderbaren Aufenthalt bei uns" “Ich erkenne ihn. Das ist der Mann, der nicht bezahlen konnte. Hat vor meiner Kasse gestanden und immer wieder gesagt, er wolle den Supermarkt nicht eher verlassen, bis es geklappt hat” “Das ist tragisch” “Ja. Er war so höflich und irgendwie erschien er mir so hilflos. Er hatte eine unglaubliche Angst vor seiner Frau. Sagte immer wieder, dass er nicht ohne Einkauf nach Hause kommen kann” “Was war denn sein Problem” “Das Handy hat immer einen Fehler gemeldet. Er könne nicht mit zwei Karten zahlen” “Ja da ist sein Handy. Süß. Er hats noch in der Hand. Hmm. Diesen Todesgriff loszukriegen, Das jagt mir immer wieder Gänsehaut über den RÜcken. Das ist doch makaber, wie fest die Toten zudrücken” “Rigor mortis” “Entschuldigung ?” “Egal. Ja, das ist sein Handy. Warte mal. Das steckt ja in so einer Hülle, da ist noch ein Fach auf der Rückseite” “Tatsächlich. Da steckt eine Karte drin. Hier ist ein Loch. Schieb mal” “Ach, das gibts doch nicht!” “Was denn ?” “Das ist eine Visitenkarte und eine Bankkarte, die da drin steckt!” “Nein. Ach komm. Das meinst du nicht ernst” “Doch. Das ist tatsächlich seine Bankkarte. Die steckte da in der Handyhülle hinter der Visitenkarte. Etwas versteckt Oh der Herr war Bestatter. Interessant” “Das war der Fehler mit den zwei Karten. Ist ja total witzig. Das hatten wir auch noch nicht” “Nein. Ist jetzt aber auch egal. Wir sollten es ihm auch nicht unbedingt sagen, wenn er heute seine erste Schicht beginnt. Die wollen ihn direkt an die Kasse setzen. Ganz schön gewagt, oder. Könnte leicht demotivierend auf ihn wirken, wenn wir ihm das auch noch erzählen” “Ja. Da hast du Recht. Das sollten wir erst einmal für uns behalten. Ach, ich liebe das Leben. Sowas kann sich doch nur das Leben selber ausdenken. Das ist doch so schräg” “Guten Tag. Wie möchten sie zahlen ?” “Mit dem Handy bitte.” “Lass mich, Opa. Ich will mit Karte zahlen!” “Das geht nicht. Ich habe das alles im Auto, Schätzchen. Komm, du kannst das Handy vorhalten” “Okay” “Warten sie bitte noch einen Moment. Ich muss ihren Einkauf erst für die Handykartenzahlung freischalten. So, jetzt bitte” “Nein Opa, das hat nicht geklappt” “Komisch. Du musst das Handy nur hier vorhalten und dann geht es eigentlich von selbst” “Sie müssen ihr Handy bitte auch entsperren vorher” “Ja, hatten wir ja gemacht” “Gut, probieren sie es noch einmal” “Ok Schätzchen, jetzt halt es nochmal dran. Ja, gut so!” “Nein hat wieder nicht funktioniert. Ach, ärgerlich” “So, jetzt wird es leider langsam Ernst. Jetzt müssen sie sich wirklich ein letztes Mal entscheiden, ob sie es wirklich noch ein letztes Mal versuchen, oder lieber nach Hause fahren möchten. Bitte denken Sie gut darüber nach” “Was meinst Du, Schätzchen, sollen wir es nochmal versuchen ?” “Nein Opa, lass uns bitte bitte die Karte aus dem Auto holen” “Ja, da hab ich auch noch genug Bargeld” “Gut, dann machen wir es so. Wir versuchen es nicht nochmal. Wir holen Bargeld aus dem Auto” “Das geht leider nicht. DAnn müssen sie später nochmal neu einkaufen” “Das ist aber sehr kundenunfreundlich. Gut, dann ist es eben so. Auf wiedersehen” “Auf wiedersehen und noch einen schönen Tag” “Das haben sie sehr gut gemacht für ihren ersten Tag bei uns. Haben sie Hunger oder Durst oder müssen sie einmal auf Toilette ?” “Nein, Herr Caliban. Mir geht es gut. Danke für ihre Zustimmung”.
  10. Hi @Joshua Coan merci für deine Quintessenz! Mes compliments Dio
  11. Hi @J.W.Waldeck und @Letreo71 ganz herzlichen Dank für eure Assoziationen zum Text. Wir können noch die Sterne sehen mes compliments Dionysos
  12. Sag doch was, Mutter. Irgendwas. Du hast doch immer geredet. Irgendwas ist dir doch immer eingefallen. Wenn ich nichts mehr zu sagen wusste, wenn mich alle Worte verlasen hatten, dann hast du gesprochen, geschrien, geflüstert. Du warst doch immer Stimme, meine Stimme. Weißt du noch damals, als sie mich beim Fälschen deiner Unterschrift in der Schule erwischt hatten ? Ich hatte solche Angst mit einem Sechser in Deutsch nach Hause zu kommen und habs dir nicht erzählt und deine Unterschrift gefälscht Als der Direktor uns zu sich bestellt hatte, was du zu ihm gesagt hast: Das ist meine Unterschrift hast du gesagt. Ich bin allein erziehend und hatte vorher den Müll runter gebracht. Bei ihnen zu Hause braucht das ihre Frau sicher nicht machen, weil sie das übernehmen. Aber wir haben niemanden, keinen Mann, der das übernehmen kann. Deswegen ist die Schrift so krakelig. Deswegen ist die Schrift so verwischt. Das ist der Schweiß, denn wir wohnen im sechsten Stock ohne Aufzug und es war viel Müll an diesem Tag. Und wie sich der Direktor dann kleinlaut entschuldigt hat, weißt du das noch Mutter ? Da warst du mal wieder meine Heldin. Ich brauchte niemandem zu erzählen, dass ich Versager beim Unterschreiben, beim Fälschen deiner Unterschrift, noch die ein oder andere Träne aufs Blatt getropft habe und mein ohnehin schon diletantisches Werk komplett amateurhaft verwischt, ausgesehen hat, wie ein Zeugnis auf das ein Hund sein Geschäft verrichtet hat. Und dann hast du mich ordentlich ausgeschimpft. Aber erst als wir wieder zu Hause waren. Sowas hast du nie vor den Leuten gemacht. “Entschuldigung, mit wem sprechen sie denn da guter Mann ?” “Oh nur mit meiner Mutter junge Dame, entschuldigen sie bitte. Ich lebe allein. Da beginnt man irgendwann mit sich selber zu sprechen oder eben mit seiner toten Mutter. Meine Mutter wurde vor einer Woche hier beerdigt. Leider hab ich keinen früheren Flug aus den Staaten bekommen, aber jetzt bin ich ja hier. Ein schönes Grab ist es geworden. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, dass ich mit dem Beerdigungsunternehmen über Akelei gesprochen hatte. Sieht einfach toll aus” “Danke. Die habe ich selber ausgesucht. Für meine Mutter, die auch vor einer Woche gestorben ist” “Das ist ja ein Zufall. Da möchte ich fast sagen, sie haben einen guten Geschmack. Da hatten wir wohl bei dieselbe Idee” “Das glaube ich kaum” “Entschuldigung ?” “Das ist nicht das Grab ihrer Mutter, sondern das Grab meiner Mutter. Schauen sie da auf dem Holzkreuz steht doch sogar ihr Name” “Ja aber das ist doch der Name meiner Mutter!” “Entschuldigung, junger Mann, das ist doch ein ganz schlechter Scherz, den sie mir hier aufzwingen. Haben sie denn überhaupt keinen Anstand ? Wie können sie so mit den Gefühlen anderer Menschen spielen. Meine Mutter hat mir viel bedeutet. Ich habe sie persönlich bis zum Ende gepflegt, beerdigt und jedes Lied, jedes Gebet, jede Blume ausgesucht. Wir haben sie letzte Woche genau hier beerdigt”. “Aber dieses Grab, fünfte Reihe, achtzehntes Grab von links, das war das Grab, das man mir beim Beerdigungsinstitut genannt hatte und ich habe es mehrfach abgezählt und der Name stimmt ja auch” “Aber dieses Grab vor dem wir stehen ist das achtzehnte Grab von links in der sechsten Reihe!” “Nein” “Doch, schauen sie mal hinter uns in die fünfte Reihe. Da müsste es sein” “Ok ich schaue nach und prüfe es” “Ja machen sie das und dann kommen sie wieder und berichten mir. Ist aber nett, dass sie so freundlich mit meiner Mutter gesprochen haben. Sie mochte Fremde. Sie mochte vor allem Studenten. Sie war sehr wissbegierig, Hat bis zuletzt nicht auf ihre Historienromane verzichtet. Da hatte sie aber schon die Lungenentzündung von der Leukämie. War dann nur noch eine Sache von Tagen. Dabei war sie geistig noch völlig klar. Ich. Entschuldigung” “Oh nein, sie müssen sich doch nicht entschuldigen. Hier nehmen sie das Taschentuch. Es tut mir einfach schrecklich leid. Ich prüfe schnell mein Ungeschick. Nur einen kleinen Moment” “Danke für das Taschentuch” “Sie haben Recht! Meinte Mutter liegt da oben. Auf ihrem Holzkreuz stehen auch die richtigen Geburts- und Sterbedaten” “Das heißt aber auch, dass unsere Mütter den gleichen Vor- und Nachnamen hatten” “Ja, das heißt es wohl” “Das ist irgendwie gruselig” “Es ist irgendwie ein schöner Gedanke, dass sie so nah beieinander liegen. Vielleicht hätten sie sich im Leben gut verstanden. Meine Mutter mochte auch sehr gerne lesen. Sie hatte es nicht leicht und nie viel Zeit. Aber Abends habe ich sie oft lesen gesehen. Meistens Biographien von berühmten Personen. Marilyn Monroe. Das war ihre Heldin. Naja , sie war alleinerziehend. Mein Vater hat sie verlassen, als ich noch keine drei Jahre alt war. Mit mir hatte sie es sicher auch nicht leicht. Meine Psychotherapeutin hat später mal gesagt, ich sei sicher ihre größte Herausforderung gewesen” “Oh dann hoffe ich mal, die Therapie hat ihnen was gebracht. Ich habe zwar die besten indischen Kochrezepte von meinem Psychotherapeuten aber meine Problemchen schleppe ich immer noch mit mir rum. Meine Mutter war in gewissem SInne auch alleinerziehend. Mein Vater war Bankdirektor in unserer Stadt. Der war immer unterwegs. Meine Mutter hat die ganze Hausarbeit gemacht und sich um uns gekümmert. Als mein Vater starb habe ich seine Hand gehalten und ich habe mich geschämt, denn es fühlte sich so an, als hätte ich die Hand eines Fremden gehalten.” “Ist ihr Psychotherapeut Inder ?” “War” “War ihr Psychotherapeut etwa Inder ?” “Nein. Aber er hatte irgendwie so ein Ding mit Indien und ich hab so ein Ding mit kochen” “Das ist wunderbar. Ich kann überhaupt nicht kochen. Ich lebe allein. Da wird man seltsam” “Das sagten sie bereits. Ich verrate ihnen mal ein Geheimnis: Ich lebe auch allein und bin kein Stück seltsam” “Das glaube ich ihnen sofort. Ich sehe ja, wie adrett sie ihre dunkelbraunen Locken tragen, ihr schöner, roter Mantel zu ihren hohen schwarzen Lederstiefeln passt. Und dieser kecke, rote Schal. Ist das Kaschmir ?” “Ja das haben sie aber gut erkannt” “Lassen sie mich raten. Den hat ihnen ihr Therapeut aus Indien mitgebracht ?” “Nein. Den habe ich mir selber gekauft in Venedig. Stellen sie sich das mal vor” “Das finde ich wunderbar. Ich gehe sehr ungern einkaufen. Ich fühle mich da schnell verloren” “Ich habe mich als Kind immer verloren gefühlt. Vor allem nachts. Habe oft wach in meinem Bett gelegen und mir gedacht, was wenn meine Eltern gar nicht meine Eltern sind und sie nur Masken tragen. Wenn alle Menschen nur Masken tragen” “Das ist komisch. Das habe ich auch als Kind gedacht. Das war mir gar nicht bewusst, bis sie es gerade erwähnten. Aber jetzt erinnere ich mich. Oft hat mich dann die Stimme meiner Mutter wieder beruhigt. Habe sie gar nicht angesehen, einfach nur ihre Stimme gehört. Sie hatte so eine warme, ganz liebevolle Stimme. Verstehen sie mich nicht falsch. Sie konnte auch ganz anders sein und Nachts hatte ich die meiste Angst vor ihr. Da hatte ich oft das Gefühl, dass sie sich in ein mythisches Wesen verwandelt, eine Art Zauberkundige, eine Hexe oder mächtige Magierin” “Warum gerade nachts ?” “Ich weiß es nicht. Ich denke die Grenze zwischen den Welten ist dann besonders, wie sagt man da jetzt, permeabel.” “Ja. Das verstehe ich. Das ist eine wunderbare Vorstellung. Das man sich einfach auf die Stimme konzentriert, wenn man denkt, dass alles um einen herum nicht wirklich wirklich ist. Sie haben eine schöne Stimme. So tief. So ruhig” “Sie finden meine Stimme ruhig. Bitte nicht einschlafen! Ich genieße unser Gespräch gerade so sehr. Es kommt nicht oft vor, dass ich mich mit Menschen so unterhalten kann, wie mit ihnen” “Nein nicht einschläfernd ruhig. Beruhigend ruhig. Ich könnte mir vorstellen, dass ihre Stimme Dämonen vertreiben kann” “Wow. Das hat noch niemand zu mir gesagt. Wissen sie, bei uns hat immer meine Mutter gesprochen. Es war immer ihre Stimme, die mich geleitet hat und aufgefangen hat” “Sie war ihnen nah” “Ja sehr nah” “Und trotzdem waren sie nicht da, als sie gestorben ist. Nicht einmal bei ihrer Beerdigung waren sie” “Das stimmt” “Warum?” “Das ist eine schwierige Frage” “Vielleicht haben sie sie zu sehr geliebt. So sehr geliebt, dass sie sie bereits im Leben haben sterben lassen in der Hoffnung, dann ihren Tod besser zu verkraften” “Entschuldigung ?” “Nein, entschuldigen sie bitte. Ich war sehr aufdringlich und unverschämt mit meiner Überlegung. Ich nehme es zurück. Bitte entschuldigen sie” “Nein, so war das nicht gemeint. Das ist ein sehr mutiger Gedanke und ich befürchte einer, der mich noch in viel zu gutem Licht da stehen lässt. Ich habe mich dasselbe gefragt. Warum bist du nicht früher rüber geflogen. Wieso warst du in ihren letzten Tagen nicht bei ihr. Wieso hast du alles übers Telefon geregelt. Sie hat sich nie beschwert. So, als wüsste sie -unausgesprochen- dass ich nicht gekommen wäre, selbst, wenn sie mich gefragt hätte” “Das ist grausam” “Ja grausam und feige und furchtbar egoistisch. Vielleicht haben sie doch recht und es hat etwas mit meinen Ängsten zu tun, sie zu verlieren” “Mit ihrer Stimme” “Mit meiner Stimme ?” “Seit sie so ruhig und freundlich mit meiner Mutter gesprochen haben, spricht sie nicht mehr zu mir. Ich habe es ausprobiert. Jeden Tag war sie da in meinem Kopf, hat keine Ruhe gegeben, hat geredet, wie sie im Leben geredet hat. Doch heute nicht. Sie hat noch keinen einzigen Ton gesagt dabei habe ich sie schon auf das Übelste beschimpft und geneckt” “Hey. Das ist gut. Habe ich doch gerne gemacht.” “Und wo wir beide auch denselben Nachnamen haben und unser Mütter ja quasi Nachbarinnen sind, da kann ich vielleicht auch ihrer Mutter eine Stimme geben, damit sie wieder mit ihnen spricht” “Aber sie hat doch eigentlich mein ganzes Leben lang gesprochen. Sie war doch meine Stimme. Ich hatte doch eigentlich gar keine eigene” “Das sollten wir sie fragen. Oft ist es doch so, dass wir das Gefühl haben, alle um uns herum, würden nur Masken tragen und wären nicht wirklich real" “Dann schließen sie einfach ihre Augen und ich singe ihnen etwas vor oder lese ihnen ein Gedicht." "Sie sind ziemlich mutig, junger Mann. Sowas trauen sich nicht viele bei mir" "Ich würde sie gerne auf einen Mokka einladen, Ich habe wunderbaren Mehmed Effendi. Wir könnten später zum Inder gehen” “Das klingt wunderbar"
  13. Dionysos von Enno

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    Die Paraphe hält das ganze Schicksal das zerfallen ist in Sätzen auf das Blatt das blaue Tinte aufgesammelt hat als wäre es bloß hingefallen fest Braune Tinte frisst sich an die sandfarbenen Inseln aus Punkten an denen Sätze enden nicht gemacht um zu belegen zu bekennen um zu belasten zu benennen Nach Abgang vorzulegen Ein echtes Leben subsumiert und abgelegt in eine Lebensakte strukturiert Zur Evidenzfrist dann einstweilen Vermerk sogleich komplett verzeilen Wiedervorlage sodann Das Dezernat Abteilungsleitung haben noch unbeantwortete Fragen Zu Händen dem Herrn Oberrat Zurück da noch nichts anzuklagen Urschriftlich samt der Anlagen Betreffend die infame Tat so viel zu früh zu sterben
  14. Liebe Ilona, ein schöner und wachsamer Kommentar. Merci + compliments Dio
  15. Aus einem Kindermund gesprochen, fallen alle Worte weichen Erdbeerflocken gleich Schmelzend, sanft, unendlich reich an frecher Fruchtigkeit Und jede Angst wird abgebrochen Ein Rosenkleid ganz ohne Dornen Aus einem Kindermund gelesen, ist gar das Schärfste nur noch süß gewesen Hat alle Strenge aufgegeben In einem Lachen ohne Grund Aus einem Kindermund besungen, hat auch der Krieg bloß wie ein Trauerspiel geklungen Ist düster zwar, doch nirgends blutrot, nirgends wund, brandhaft entzündet, ausgefressen; ist selbst die Liebe unbesessen Aus einem Kindermund klingt mir der Tod nicht mehr wie an die Ewigkeit vergessen Nur wie ein unwichtiger Grund die, die man liebt, ganz liebevoll zu küssen
  16. Hi Liebe Pegasus Ja das finde ich eine für mich sehr bereichernde bilderwelt im Bezug auf den Text merci
  17. Hi ihr lieben hier geht es natürlich nicht sprichwörtlich um die Stadt, sondern um selbst auferlegte Grenzen und Illusionen, Natürlichkeit, vs. Künstlichkeit, Übervosichtigkeit, Lebensängste, Eingeordnetsein und Individuation etc. @Mike G. Hyrm schön, dass Du die Reise mitgemacht hast @Ostseemoewe liebe Ilona danke für Deine Eindrücke und die Einordnung, die auch meine Perspektive wieder erweitert. Merci ! mes compliments Dio
  18. Einbahnstraßen sind Erfindungen der Stadt Ein Mann, der keinen Brunnen hat, folgt, wohin das Wasser rinnt Laternen lauern in der Stadt Riesige Tiefseetiere im Dunkel einer Kunstlichtsphäre auf den, der keinen Namen hat Irrlichter in der Städternacht, tief in die blanken Augen eingestrahlt Ständige Helligkeit bezahlt von einer dunklen Macht, die Einbahnstraßen kennt und Parkverbote; rote Ampeln, Verkehrstote Die Kälte, die wie Feuer brennt Ampeln sind Erfindungen der Stadt Ein Mann, der keine Sterne hat, folgt wohin das Kunstlicht blinkt
  19. melaina eimi ego kai kale Der Weinberg leuchtet in den Abend Schon stürzt das Land in seine Nachtgestalt Da kommt sie: Überreife, heiße Trauben tragend Die Asche im Gesicht schon kalt Der Ruß hat sie ganz schwarz gemacht und das dunkle Kleid der Nacht gegen das Feuer rot bemalt Die Locken hüpfen wie die Raben in ihrem schwarzen Federkleid und wie lammfromme Ackergäule traben an ihrer Seite Freud und Leid Ich bringe überreife Gaben Ich bin dunkel. Ich bin schön. Und die, die mich begleiten haben mich wahrhaftig, wie ich bin, gesehen Ich habe Zwiesprache gehalten Bringt mich sofort zu euren Alten
  20. Lieber @Carlos was kann ich zu deinem so rundum gelungen Kommentar noch konstruktiv beitragen? Lassen wir ihn strahlen wie sein inhaltliches Feuer merci mein Freund Mes compliments Dio
  21. Kennst du dieses Prickeln der Patina verbrennenden Holzes im Kamin, wenn der Staub, die Körner, von Jahrzehnten der Lagerung, in einer Scheune, einem Schober, einem Unterstand sich in Myriaden Irrlichtfunken verwandeln, das Feuer knisternd jedes Körnchen aufbricht ins Licht Jede Berührung der Flamme die letzte Berührung ist vor dem Nichts So, wie diese Wärme die das Feuer aufbricht, denke ich mir die göttliche Leere die dem Tod entsteigt Es dauert keine Sekunde und die Welt hat sie wieder
  22. Liebe Poetinnen, herzlichen Dank für Eure Rückmeldungen zu Text und Lesung. Ich stelle für mich doch immer wieder fest (Perry wird das nachvollziehen können), dass das Lesen von Texten noch einmal ein ganz eigenes Spielfeld ist, das unheimlich Spaß macht. Alleine durch leichte Betonungsänderungen oder Modulationen bekommt plötzlich das ganze Gedicht eine andere Richtung. Faszinierend ! Schön, dass ihr euch mit auf die Reise begeben habt. Merci @Perry @Herbert Kaiser @Aries @Ponorist @Hera Klit mes compliments Dio
  23. Das Lachen des Windes in deinen Locken ist das wahre Salz der Klippen Ein Gischtbart aus Brandungsflocken Umgestürzte, hemmungslose Lippen Und wie du ihn sammelst den rauschenden Jubel des Meeres Als wenn du schon immer gewesen wärest Meine Flut
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