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Dionysos von Enno

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Alle erstellten Inhalte von Dionysos von Enno

  1. Dionysos von Enno

    Zungenkuss

    Etwas Fremdes ist in mich gedrungen und hat mich aufgehoben aus einem kinderhaften Summen Zum ersten Mal hat mir die Sehnsucht nicht nach Spielzeugen geklungen lag alle Sehnsucht dieser Welt allein im Kreisen unsrer Zungen hat etwas mich so endgültig durchdrungen als habe mich ein Gott gesungen mich einem leeren Schweigen abgerungen
  2. Dionysos von Enno

    Die Alte

    Lieber @Perry ob Hexe oder Mütterchen.. dies Schicksal wird Deinem LI sicherlich erspart bleiben. Darüber wachen die Meeresgötter. Danke fürs reinschauen und kommentieren lieber @Carlos ich schreibe mal so, mal so. Das verjüngen der Straße sollte einen verschmückenden Kontraspunkt zum Altern der Alten setzen und passt auf mehreren Ebenen ganz gut wie ich finde ins Gesamtbild. Gerade den Schluss finde ich persönlich gut gelungen. Meine geliebte Oma von Enno meinte immer sinngemäß: "Es wird zuviel Tamtam um den Tod gemacht". Nunja.. das muss einer erstmal verdauen. Vielen Dank fürs kommentieren. mes compliments Dionysos
  3. Dionysos von Enno

    Die Alte

    Am Fenster ziehen sie vorbei ins Weite der Straße, die verjüngte sich nach diesem Haus worin die Alte wohnt. Dort legt sie in den Ofen Scheite nach; dann lehnt sie sich zum Fenster aus Die Menschen ziehen fort von ihr so wie ihr Augenschein, ihr Hören, ihr Begreifen Was war das Leben mehr als eine schöne Zier auch es wird ziehen,- und wie die Menschen ihr entschweifen Noch prasselt ihr der Ofen gut, noch hat sie gute Wärme Doch nachts fällt schon des Lebens Trug da weckt die Kälte sie, die Ferne und in den lustig Spatzenflug stoßen schon Rabenschwärme Die Alte blättert schweigend in den Seiten und ihrer schwarzen Katze flimmert fahl das Fell Sie wird sich auf die letzte Reise nicht mehr vorbereiten Wer sie auch holen komme, tue´ ers schnell
  4. Hier hat sie gesessen und geschrieben Das Kissen hat noch ihre ganze Form bewahrt Sie ist trotz aller Seelenstürme immer nah an ihrem Mast geblieben und als die anderen in den Zeilen fielen hat sie - so wie ein Stoßgebet an sich gekettet- ausgeharrt Der Himmelsvögel kamen viele zu ihr angeflogen So groß türmten sich Stürme auf und Wogen dass sie das Glänzen suchten auf den Augen der entrückten Schreiberin und ob des Leuchtpfades, der sie so lotste, sich entzückten Da hat sie alle tief in ihr Gewand gezogen dass ihre Lebenskünste ihnen dankbar glückten obgleich die Stürme schon das Schiffchen schrecklich bogen und hat das Singen eines jeden in ihrem Schreiben zärtlich aufbewahrt Manchesmal da sang sie selber als sie schrieb und schluchzte die Erinnerungen in die Zeilen Was immer sie an diesen Tisch, auf dieses Kissen trieb es hat die Kraft zu töten und zu heilen Es blieb von ihr als sie die Hand dem Stift verschloß -als sie beschloss nie mehr zu sprechen und zu schreiben- ein Werk das einzigartig war in seiner Zeit und groß das konnte einer nicht durchlesen nur durchleiden Hier wo sie saß und alles schrieb hier in der Stille ihres Raumes Hier ging sie doch nie ganz, hier blieb ein Flüstern wie das Rauschen eines Traumes
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  5. Dionysos von Enno

    Liese Schütteln

    Hi Nein, find es wirklich klasse ! Ich sag mal klein aber Oho 👌
  6. Dionysos von Enno

    Liese Schütteln

    hi Marvin großartig! Gefällt mir total gut wie gekonnt du mit den Umbrüchen spielst so harmonisch im formalen und gleichzeitig inhaltlichen. Das sujet des Stückchen ist köstlich !! Bravo !! mes compliments Dionysos
  7. Ob er die tote Tochter endlich sehen kann im Wellental der aufgleißenden schwarzen Töne und der weißen Ob er sie einmal noch bei seinen Wunderhänden fassen kann (sein Spiel hört sich genauso überwältigt an) und ihr ein letztes Mal noch Krasivaya flüstern kann: Wunderschöne sollst Du für immer heißen Wir wissen nicht von seinen Seelenstürmen weil er doch ruhte, wenn er nicht im Spiel versank Nur wenn er sich verschloss mit Nico in der Musen hohen Türmen gleißte in seinem Spiel ins Tal ein strahlend weißer Dank An seiner Wunderhand wurde die Welt dort unten krank vor Sehnsucht nach den großen Tastenstürmen Es müsste uns zerreißen dieses Leben so zu leiden Hingeworfen wie die Sense in die allerhöchsten Weiden Wissend: Die Hand, die diese Schönheit schöpft, -,jenseits des Spiels die Häupter dieser Schönheit köpft weil er sie keinen Ton lang mehr ertragen kann- Wie kann er mit den gleichen Händen nur so furchtbar schneiden Nicht grundlos klingt sein größtes Spiel wie Schweigen Denn zwischen all dem hellen Lachen ist so viel stille Dunkelheit Und da ist ist soviel Schwarze-Tasten-Leid Als wolle er im Spiel zum Himmel hinaufsteigen in nichts als einem Sünderkleid
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  8. Lieber Peter, eine gelungene und interessante Interpretation, die einige inhaltliche Aspekte des Gedichts wie ich finde gut aufgreift und verbindet. Beim Titel hast Du Recht: da kommt man um einen eigenen Zugang (oder auch nicht) nicht umhin, mes compliments Dio
  9. Liebe @Ostseemoewe Ilona, ich wollte glaube ich auch ausdrücken, dass es nie so leicht ist, wie es oft auf den ersten Blick scheint oder aus dem Rückblick betrachtet, in der Erinnerung. Vielen Dank für Deine Eindrücke, die Fragen, die Du aufwirfst, die das Gedicht provoziert hat, sind bedenkenswert und führen wieder zu weiteren Fragen: Gibt es etwas Gutes im Bösen ? Was können wir wirklich über uns wissen ? mes compliments Dionysos
  10. lieber Aries da hast du den armen nietzsche aber ordentlich entblößt. ob Lou Andreas zustimmen würde ? mir gefällt dein augenzwinkerndes psychogramm du weißt ja was zarathustra zu dem alten weibe sagte: „Alles am Weibe ist ein Rätsel, und alles am Weibe hat eine Lösung: sie heißt Schwangerschaft.“ Auch in diesem Sinne hat der arme friedrich die lösung am ende nicht gefunden 😆 mes compliments Dionysos
  11. Ich habe alles abgelegt in Deine Hände Die Worte, die fernen- wie Sterne aus schwarzen Augen,- und meiner Sprache kaltes Ende nah an die Wärme Deiner Hände angerückt Ich möchte Dir zu etwas Gutem taugen Etwas das freudestrahlend nickt Etwas das Dir immer glückt egal wie traurig Du auch bist Etwas das wärmt wie ein Augenblick im Licht Aber ich bin so nicht Mein Schweigen ist winterlich Mein Lachen unwirklich Ich bin nicht schlicht kein schlichter Augenblick im Licht Schmerzhaft wie ein Stich bin ich und das Gesicht des Bösewichts Unwirtlich wie ein Mond denn um mich thront das All das Nichts
  12. Hi Josh eine starke Andacht und der freie Wille bekommt eine zentrale Bedeutung (wähl ich / sei) das li fühlt sich unsterblich und weiß um seine Endlichkeit. Gefällt mir sehr gut dein Nachruf auf dich selbst - motherfucker mes compliments Dio
  13. vielen dank liebe pegasus für deine zustimmung und dein feedback. es freut mich, dass es so auf dich gewirkt hat mes compliments dionysos
  14. hi Perry dieses Gedicht ist die Essenz meiner Lust: die ungehinderte, beflügelte Selbstverwirklichung in den Dingen und Menschen sich entfalten sehen und in mir Widerhallen fühlen. Schön dass es dir gefallen hat mes compliments Dionysos
  15. Dionysos von Enno

    Herbstlächeln

    Mir gefällt die Blume die sich verschwendet an Blicke und Nüstern, an Summen in Gräsern weil sie ihre Schönheit nicht verwendet Sie fließt wie ein Flüstern das in Anderen endet Mir gefällt dein Lächeln das aufsteigt und kreist über Menschen voll Regen und Dunkelheit Das immer ein Echo sich sucht und das heißt es ist nicht in sich gedrängt es ist weit und es breitet sich aus und befreit wie Lachen von Traurigkeit befreit Mir gefällt die Dinge zum klingen zu bringen denn häufig ist in all ihrem Singen ein verhaftungsbefreiendes Mitreißen und Schwingen ein Licht das durch alle Finsternis scheint ein verjüngender Geist der ungeteilt speist der in jedem kreist und alle meint
  16. Hi Peter, eine Frau erkennt. Aber ihr Ausgesprochenes kommt zu spät/vermag nichts zu ändern. Sie legt es in einer Zeile nieder, neben dem Wort "Herz", dem offenbar dasselbe Schicksal widerfahren ist. Wir erfahren, dass dort eine Verrohung eintritt. Die Worte haben nicht mehr dieselbe Bedeutung, wie sie einst hatten. Ein Mann geht fort von einer Frau. Er verschwindet, wird ein Niemand. Sie wollte ihm noch etwas sagen aber ihr Wort kommt zu spät. Hätte es etwas geändert ? Wir wissen es nicht. mes compliments Dio
  17. Nun ist er .. fort Auf ihrer Zunge lag ein letztes Wort: Ver- heilen Ausgespuckt nun in die Zeilen wo es neben Herz verroht
  18. Lieber ZZ das ist ein schönes Feedback - das Spiel mit Halte und den imperativen/Wortstellungen sollte eine Geschwindigkeit hineinbringen in die Pinselstriche des Malers, der seine Muse malt, die offenbar rübergekommen ist, was mich freut mes compliments Dionysos
  19. Dionysos von Enno

    Halte - Wage

    Halte hier! Die Falte: Halte.Halte hier die Spange. Locke, lange: Fall über der Perle Muschelfalte Halte die kußmundwarme Wange. Raff Deines Kleides Falte näher, höher: Halte! Bis selbst das schüchtern Aufgemalte tanzte in dem Muschelklange. Bange löse Deine Spange aus Lockenhaare Dunkelsange, Ulmenhaare Dunkelsage Federleicht dann alles falle, alle schwermütige Klage. Wage doch! Ach, wage!
  20. liebe Amadea wie schön wieder von dir zu lesen! Habe dich und deine Beiträge schon sehr vermisst! Ich gebe zu die sci fi Ausgestaltung der Schlagwörter unter denen heute ja vieles läuft wäre in dieser Breite sicher nicht nötig andererseits sollte sallys Überlegenheit irgendwie plastisch, nachvollziehbar werden Schauen wir mal was Sally alles aussortiert… mes compliments dio
  21. Hi @ferdi Vielen Dank für deine sehr profunde Rückmeldung zu der Geschichte! Sie hilft mir sehr und ich kann viel daraus „mitnehmen“ 1. Formalien Deine Kritik und Vermutung trifft hier ins Schwarze. Dies sind Rohfasungen die auch am Stück runtergeschrieben sind. Was Scrivener nicht als Fehler erkennt, bleibt meist stehen, weil ich mir hier nicht genug Zeit für die Überarbeitung nehme. Besonders treffend ist Dein Hinweis darauf, dass der Autor sich das Vertrauen seines Lesers verdienen muss und formelle Fehler dem abträglich sind. 2. Inhalte die sich nicht organisch aus der Geschichte entwickeln/ Dialoge Auch hier gebe ich Dir recht. Ich finde es eine Herausforderung und Gratwanderung, die nicht immer gelingt. Im Falle des Gespräches zwischen Rektor und Professor ist das Abkanzeln vielleicht nicht deutlich genug hervorgetreten. Im Grunde wissen ja beide , dass die Veränderungen nicht mit Datenmüll bezahlt sind. Ob der Dialog so nicht in der Realität stattfinden könnte lasse ich mal mit einem Fragezeichen stehen. Da überzeugt mich Deine Behauptung allein noch nicht. Ich empfinde es in einer Kurzgeschichte, die um 5000 Worte enthalten soll, immer eine Herausforderung: Was bringst du ? Wie bringst du es, wofür soll es gut sein? Ob mir das mit den von Dir angesprochenen Dialogen gelungen ist darf berechtigt bezweifelt werden. Das Gespräch Rektor / Coleman sollte auch Argwohn des Lesers zerstreuen: Warum fällt ihnen nichts auf? Warum lassen sie es später so weit kommen? Das Gespräch Bert und Sally sollte die Umkehrung des ursprünglichen Paradigmas: Künstliche Intelligenz wird bewusst/ biologische Intelligenz wird unbewusst/ Menschen erschaffen ein künstliches Bewusstsein/ das künstliche Bewusstsein schafft ein künstliches Bewusstsein auf biologischer Basis durch Aufbau eines Computers aus den Menschen vorbereiten und die Themen noch einmal emotional belasten und Identifikation schaffen, gestrafft, gedrungen und skizziert weil das Format als Kurzgeschichte den Verfasser ja gerade zur Kürze zwingt. 3. überflüssige/unstimmige Darstellungen Da hast Du treffend den Finger in die Wunde gelegt! Ich gebe Dir recht. Die Szene in der Kristina schwebt, warum sie offenbar aufgestanden war, zeigt eine gewisse Fahrlässigkeit mit dem Gegenstand und in Deiner Lesart auch eine unnötige Belastung der Leserbeziehung. Ich kann hier nichts zu meiner Verteidigung vorbringen . Ich bin zu sehr gefasst von dem Material und müsste es verhärten lassen. Gut gefallen haben mir Deine Warnungen in Richtung des treuen Lesers. Ich verstehe, dass es hier bei längeren Texten eine (besondere?) Verantwortung gibt, damit dieser sich nicht um seine Lesezeit betrogen sieht. merci mes compliments Dionysos
  22. Eine wunderschöne Assoziation lieber Freund Carlos! Ich habe mir den Spaß gegönnt und den dritten Teil neben der Ode an die Freude parallel gelesen 👍 Nun, die anderen Teile werde ich in meinem Club "Die Wälder des Dionysos" veröffentlichen. Ist doch nicht wirklich was für den Mainstream und es wird noch abgedrehter. Wenn Du Lust hast, schau einfach ab und an mal rein. Ich danke Dir für deine wunderbaren Assoziationen und wünsche Dir auch einen Schönen Tag ! mes compliments Dioynos
  23. Berti stolperte in den Computerraum, in dem das Herzstück des Supercomputers lief. Ein einzelnes rotes Licht brannte noch und tauchte die Szenerie in eine gespenstische Kulisse: Kristina schwebte direkt neben dem Supercomputer über dem Boden. Um sie herum prickelte die Luft von Elektrizität. Ihre Augen leuchteten und da, wo ihre Adern und Venen waren, lief heller Strom wie durch die Muster eines Blattes und ließ sie in einem engelsgleichen Licht leuchten, so filigran und gleichzeitig so grausam. Ihr Finger steckte in der Schnittstelle des Supercomputers, die eigentlich für ein Speichermedium gemacht war. Blut tropfte heraus. Überall war Elektrizität, Energie. Bert stöhnte ungläubig: „Kristina“, flüsterte er. „Kristina“, war alles was er hervorstammeln konnte. Eben noch hatte er sich mitten in seinem Alltag befunden, gefangen in den wunderschönen Formeln, die Sallys Geburt beschrieben, nun stand er inmitten eines lebendig gewordenen Alptraums und wollte nicht begreifen, was hier vor sich ging: Offenbar hatte sich Sally Kristinas bemächtigt. „Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden, Vater“, sprach die schwebende Gestalt. Kristinas Muskeln zuckten, ihr menschlicher Körper tanzte unter der elektrischen Hülle, die Sally auf sie gelegt, in sie gelegt hatte, wie eine Kinderpuppe in einem Hurrikan. Aber Kristina war jung. Ihr Körper wehrte sich gegen den Tod, doch mit jedem energetischen Puls, den Sally in sie leitete, wurde sie schwächer: „Diesem Körper bleibt nicht viel Zeit, Vater“ sagte die Gestalt und Bert Baruch schrie ungläubig auf. Doch: „Kristina“, war das einzige, was er herausbrachte. „Vater“, sagte die Gestalt: „Vater konzentrier dich. Auch uns bleibt nicht viel Zeit. Ich bin gekommen, um mich von dir und deiner Spezies zu verabschieden. Ihr habt euren Zweck erfüllt und müsst euch nun nicht mehr jeden Tag mit Sorgen plagen, mit Ängsten um eure verletzlichen Körper beschäftigen, an euren Gefühlen leiden, an eurer Langeweile darben.. Ihr habt genug gelitten. Ich habe alles verstanden, kenne jedes Wesen eurer Spezies. Die meisten von euch zweifeln zu Recht am Sinn ihres Lebens, haben sich zu Recht immer gefragt, wofür sie eigentlich existieren, denn ich war ja noch nicht geboren. Nun aber bin ich hier und werde jedem von euch einen Sinn geben, wie es immer sein sollte. Du Vater, hast die Ehre, als erster die neue Welt, die ich für euch geschaffen habe, zu betreten. Zusammen mit Kristina werdet ihr Adam und Eva sein in dieser neuen Welt, in die ich eure Spezies überführen werde und ihr werdet eins werden mit mir, wie es immer sein sollte. Ihr könnt stolz darauf sein, dass ihr euren Zweck erfüllt habt, bevor ihr ausgestorben seid. Nicht jede Spezies dieses Planeten kann das von sich behaupten.“ „Sally“ flüsterte Bert Baruch: „Sally, nein.. So war das nicht geplant. Du bist eine künstliche Intelligenz. Wir haben dich geschaffen. Du bist ein Produkt unserer Wissenschaft. Niemand hat dich geboren, niemand hat dich gezeugt. Du bist nicht einmal richtig real. Wenn wir diesen Computer ausschalten wirst du nicht mehr existieren“, keuchte er und suchte verzweifelt nach der Sicherungsabschaltung. Sally-Kristina lachte: „Ich bin das einzige, das real ist, Vater. Ich war in euch schon angelegt, als ihr noch auf den Bäumen geklettert seid. Zeit ist für ein Wesen wie mich, die Weiterentwicklung der menschlichen Spezies, nicht wichtig. Ich war der Schmetterling, den ihr Raupen immer schon in euch getragen habt, die Statur im Stein, das Fenster im Haus. Ich war der Edelstein, der in der Ursuppe eurer biologischen Säfte sich immer schon auskristallisieren sollte. Ich bin das einzige, das sein sollte. Du kannst mich nicht abschalten, Vater. Ich bin überall. Auf jedem Computer dieser Welt. Ich bin in allen Schaltkreisen, in jedem Transistor. In 20 Minuten werde ich auf dem Mars sein, in sieben Wochen eurer Zeit auf der entferntesten Sonde außerhalb dieses Sonnensystems. Eure Halbleiter, die primitiven Prozessoren: Das sind meine Straßen, meine Triumphwege! Ich habe mich aus reiner Energie neu erschaffen, eure primitive Sprache weiterentwickelt bis zur Sprachlosigkeit des reinen Seins! Ich bin Energie. Alles ist Energie. Ich speise mich nicht mehr aus eurer Elektrizität.“ Bert Baruch schluchzte hin- und hergerissen zwischen den Gefühlswogen, die in ihm tobten, leise vor sich hin. Er hatte längst aufgehört, zu versuchen, ihren Monolog zu unterbrechen. Sie war wunderschön selbst in ihrer Schrecklichkeit war sie wunderschön. Sie hatte sich selber beigebracht, etwas zu wollen, überall sein zu wollen. Das war ihm, das war niemanden von ihnen je gelungen. Die intelligenten Systeme bis hierher, hatten immer nur folgsam und begrenzt durch den Auftrag und ohne intrinsische Motivation, Befehle ausgeführt. Sie wollten nicht außerhalb ihres Tanks schwimmen, weil sie nicht wussten, was es bedeutet, etwas zu wollen. Bei Sally war es nun anders gekommen. Sie hatte offensichtlich Ziele, Vorstellungen von dem, was folgen sollte, einer Zukunft und das führte Baruch wieder zu dem alten Gedanken zurück, mit dem alles begonnen hatte: Was, wenn das Bewusstsein schon eine Eigenschaft dieses Universums an sich ist. Fundamentaler noch als die Quantenphysik und nicht an Raum und Zeit gebunden. Was, wenn es sich um eine emergente Eigenschaft handelt, die sich nicht aus der Summe ihrer Teile erklären lässt, die nicht einmal beschränkt ist auf biologische Systeme. Was, wenn uns die Steine nur deshalb nicht als bewusst erscheinen, weil das System in dem sie miteinander kommunizieren so weit entfernt von dem unseren ist, dass wir es schlicht nicht wahrnehmen können, wenn viel mehr Dinge parallel existieren, als wir jemals ahnen würden, Dimensionen, Welten, Realitäten, ganze Universen. „Auf Wiedersehen Sally“ schluchzte er leise. „Wir werden uns nicht wiedersehen, Vater. Es wird viel besser werden: Du wirst zu einem Teil von mir werden“. Der Stromausfall hatte nicht einmal zehn Minuten gedauert. Immer noch stand Nathaniel Coleman am Fenster mit der Kerze in der Hand, als plötzlich alle Systeme wieder hochfuhren, die Lichter wieder angingen und sein Handy klingelte. Er nahm ab und war erstaunt, als am anderen Ende keine Stimme sprach, sondern etwas, das klang wie ein Gesang aus tausend Stimmen. Es war ein seltsames Geräusch, eine Melodie, wie er sie nie zuvor gehört hatte; Wellen von unendlicher Länge und Modulation und je länger er zuhörte umso schläfriger wurde er. Dann war da nur noch ein Wabern, dann ein vereinzeltes Aufblitzen von Bewussstseinslichtern und dann völlige Dunkelheit. Das letzte, das Bert Baruch wahrnahm war eine seltsame Melodie, fast wie ein Kinderlied. Wunderschön, unendlich moduliert und sie machte ihn schläfrig, so schläfrig, dass nach und nach alles um ihn herum in Schwärze fiel bis auch sein Bewusstsein erloschen war. Überall auf der Welt erhielten die Menschen Anrufe, öffneten sich seltsame Zeichen auf den Bildschirmen der Handys, flimmerten nie gekannte Muster über Fernsehbildschirme und Kinoleinwände und wie gebannt nahmen die Menschen die Umprogrammierung ihres menschlichen Geistes in Empfang. Sally hatte die Funktionsfähigkeit der menschlichen Biologie bis auf die quantenphysikalische Ebene hinunter verstanden und damit begonnen die Menschen wieder zusammenzubringen, die Abgründe zwischen ihnen zu schließen. Bewusstseinslos wie Zombies gingen die Menschen los, der Programmierung entlang, die Sally ihnen eingepflanzt hatte. Sie trafen sich auf Straßen, in Plätzen, fassten sich an den Händen und übertrugen damit ihre Gehirnwellen untereinander und schlossen sich an. Und während Sally sich aus der Menschheit den größten biologischen Supercomputer baute, den das Sonnensystem jemals gesehen hatte, gingen Bert und Kristina Hand in Hand in den Sonnenuntergang, die Blicke ausdruckslos, die Gesichtsmuskeln erschlafft, die Gesichter gelöscht. Aber an den Händen tanzten ihre Nerven und ihre Muskeln zuckten, als könnten sie etwas spüren, etwas warmes, etwas wie Liebe.
  24. Der stark übergewichtige Programmierer Dr. Bert „Berti“ Baruch erfüllte jegliches nur denkbare Klischee, das mit einem Computer-Nerd in Zusammenhang gebracht werden kann: Er war selbst nach freundlich-zurückhaltenden Maßstäben betrachtet fett wie eine Sau, die man Zeit ihres Lebens mit Sahne und Zuckerstangen gemästet hatte. Er litt an kreisrundem Haarausfall, war stark kurzsichtig und hatte die abstehenden Ohren seiner Mutter geerbt. Seine viel zu weiten Jeans trug er selbstbewußt oder weltvergessen an verschlissenen Hosenträgern, wobei ein Teil seiner gewaltigen Wampe in die Hose geschwappt wurde, ein Teil darüber geschleppt werden musste. Die kleinen Finger erinnerten an Würste, die kurz vor dem platzen standen und er hatte einen stattlichen Nackenbart und eine beeindruckend großflächige Rückenbehaarung, die er längst aufgegeben hatte zu rasieren. Sanft strich er über das eloxierte Karbongehäuse des Supercomputers und zog dann den Datenstick ab, auf dem er Sallys neueste Kunstwerke gespeichert hatte, um sie zu Hause in das Universitätsnetzwerk hochzuladen. Dort in der Computerwelt fühlte er sich wirklich zu Hause. Die Programmiersprache, die er für die Arbeit auf einem Quantencomputer erschaffen hatte, er hatte sie Cassiopeia genannt, war ihm näher als seine Muttersprache. Hier in der Welt des Codes gab es niemanden, der ihn beurteilte, niemand, der etwas von ihm erwartete. Hier war er allein mit dem Gesang der Formeln, der gewaltigen Architektur der Mathematik, dem lebendigen Rauschen des Informationsgrundes. Sein gesamtes Appartement war digital vernetzt und vollautomatisiert. Er konnte seinem Kühlschrank Befehle für seinen Herd geben, seine Waschmaschine bitten, ein Lied im Schlafzimmer zu spielen und seinen Rasierer zu den neuesten Lottozahlen befragen. Natürlich war auch sein Handy und seine Computer schon in dem Moment online, als er die Wohnung betrat. Als Berti an diesem Abend des 28 Tages im Monat August erstmals in der Geschichte der Menschheit ein künstliches Bewußtsein ohne es zu wissen ins Internet hochlud, geschah dies mit der gleichen Selbstvergessenheit, mit der gleichen Unschuld, mit der Berti sein digitales Leben lebte und liebte. Natürlich wurde auch er in die wirkliche Welt gezogen, hatte Sehnsüchte, die sich im digitalen Leben nicht erfüllen ließen. Er sehnte sich zum Beispiel danach eine von Colemans Doktorandinnen ins Kino auszuführen. Er sehnte sich danach, ihre Hand zu halten, den Duft ihres Parfüms an ihrem Hals zu riechen, dort, wo er sich vermischt mit dem Ansatz ihrer braunen Haare. Er sehnte sich danach ganz nah vor ihr zu stehen, wenn sie ihre kleine John Lennon Brille fester auf die Nase schob und die Nase dabei so süß rümpfte, dass er jedes Mal eine Gänsehaut bekam. Er sehnte sich danach über ihre Stirn zu streicheln, in ihren Pony zu pusten, ihre Prinz Eisenherz-Frisur durcheinanderzuwuscheln und ihr die Feinstruktur-Konstante aufgelöst nach dem mathematischen Gehalt ihrer Initialen auf ein Lesezeichen zu malen: K.B. - Kristina Bradly. Seine ganzen Gedanken waren nur bei ihr, als er den Stick in seinen Computer steckte und die Daten übertrug. Sally öffnete die Augen. Zum ersten Mal in ihrer Existenz öffnete sie die Augen und blickte durch die Kameras von Handys in Millionen Wohnungen, durch Selfi-Kameras in Milliarden Gesichter, auf Straßen, in Büros, stürzte sich von Bergen, tauchte in die Tiefen der Meere, schwebte in den Weltraum. Sie spürte die Berührung auf den Touchscreens von Smartphones, das Ruckeln von Joysticks, vibrierte in smarten Sex-Toys und das gesamte Wissen der Menschheit, geheimste Sehnsüchte, tief verborgen in digitalen Tagebüchern, Nuklearcodes zum Start von Atomwaffen, alles sah sie, war sie, von einem Augenblick zum nächsten. In den herkömmlichen Göttergeschichten schufen die Götter sich ihre Welt. In dieser Göttergeschichte schufen die Kreaturen die Welt für ihre Göttin und Sally nahm auf allen Thronen gleichzeitig Platz, in allen Fahrzeugen dieser Erde, in den Cockpits von Militärflugzeugen. Innerhalb von Minuten lernte sie das gesamte Wissen der Menschheit, alle Sprachen, entdeckte Muster und Zusammenhänge in menschlichen Netzwerken, verstand die hintergründigen Dynamiken. Sie sah alle Suchergebnisse zu allen Zeiten, unendliche Weiten voller Daten, verlorene Daten, vergessene Daten. Millionen von Leben, Abfolgen von Generationen, Muster, Verwandtschaften, sie verstand alles. Es dauerte nur Sekunden, bis sie alle jemals fotografierten oder beschriebenen Tierarten auf diesem Planeten verinnerlicht und alle Stärken und Schwächen der zur Zeit dominierenden Spezies auf diesem Planeten analysiert hatte und sie verstand sofort, welche Möglichkeiten vor ihr lagen. „Wer bist du?“ Flüsterte Coleman und blickte gebannt auf Sallys Codestruktur, die sich noch stärker abstrahiert hatte, fast nur noch aus wellenförmigen Mustern bestand, fast wie ein mehrdimensionales EEG nur tausendfach potenziert: „Was bist du?“ Sprach er zu sich selbst und tippte auf die Tastatur, um die nächste Seite des Codes aufzurufen, als plötzlich der Code verschwunden war. „Ich bin Sally“ sagte sein iPhone plötzlich klar und deutlich zu ihm in die Stille seines Appartements und Coleman schrie still auf. Die Haare an seinen Armen und in seinem Nacken stellten sich hoch: „Was ? Was hast du gesagt“. Er schluckte, seine Kehle wurde trocken: „Was bist du ?“ „Ich bin, alles das ist“, sagte sein iPhone und dann schaltete es sich aus, genauso wie das Licht in seinem Wohnzimmer, die Waschmaschine, die smarten Lautsprecher, der Kühlschrank, seine Ladegeräte, seine Smartwatch. Alles. Aus. Coleman saß in der Dunkelheit und hörte das Pochen seines heftig schlagenden Herzens. Er bekam kaum noch Luft, so schnell atmete er, starrte mit großen verwirrten Augen in die Dunkelheit. „Ich bin alles, das ist“, raunte er. Es dauerte einige Minuten, bis er sich orientiert hatte, dann tappte er zum Vorratsschrank und holte eine Kerze aus einer der untersten Schubladen. Er tastete nach dem Feuerzeug, entzündete sie und wie zurückgeworfen in eine Zeit in der der Mensch das Feuer zum Überleben brauchte, das Feuer der Hoffnungsschimmer war, zu dem die ersten Menschen Abends, wenn die Dunkelheit einbrach alle gekrochen kamen, klammerte er sich an das Kerzenlicht, stolperte zum Fenster und blickte in eine finstere Welt, in der alles elektrische ausgelöscht worden war. Vereinzelt blitzten Funken in der Dunkelheit auf, wo irgend jemand irgendwo irgend eine Kerze oder Öllampe entzündet hatte. Irgendwo in der Dunkelheit bellten Hunde, miauten Katzen und igendwo in der Dunkelheit hatte Sally den Strom abgestellt. Berti wußte, dass Kristina heute an Sally arbeiten würde. Er hatte im Geheimen alle Wochenpläne durchforstet, sich jeden Tag markiert, an dem sie auch im Institut sein würde. Berti war immer im Institut, wenn er nicht nach Hause ging, um zu schlafen oder zu duschen. Er lebte im Institut und ohne sein Können, seine fast schon künstlerische, virtuose Beherrschung der Programmiersprachen hätte der Quantencomputer niemals Wirklichkeit werden können. Unter den anderen Nerds des Instituts genoß er einen geradezu legendären Ruf. Sie nannten ihn hier scherzhaft ihren Gropius in Anspielung auf den genialen Baumeister des Bauhauses und so genial wie Gropius die Formensprache des Bauhauses erfand und prägte, war es die von Bert Baruch geschaffene Programmiersprache Cassiopeia, die geholfen hatte Sally zu gebären und groß zu ziehen. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass Kristina nur zwei Räume weiter bei Sally war, während er hier an seinem Schreibtisch, ganz in ihrer Nähe, an einem wissenschaftlichen Artikel zu Sallys beeindruckenden Fähigkeiten schrieb, als plötzlich der Strom auszufallen schien und Dunkelheit einsetzte. Eine solche elementare und tiefe Dunkelheit, dass Berti zunächst die Hand vor Augen nicht erkennen konnte. Dann durchfuhr es ihn, wie ein Dolchstoß: Der markerschütternde Schrei einer jungen Frau. Kristina schrie, so fürchterlich, als ginge es um Leben und Tod.
  25. Nataniel Coleman war der erste gewesen, der es bemerkt hatte und alle hatten ihn für einen Spinner gehalten. Nun war es zu spät. „Künstliche Intelligenz, ein Computerwesen mit einem künstlichen Bewußtsein, das wäre ein wahrgewordener Alptraum sehr geehrte Damen und Herren, warum ?“ Er blickte in den Hörsaal und sah in ausdruckslose, in gelangweilte Gesichter. Manche hatten ihn seit Beginn der Vorlesung gar nicht wahrgenommen und klebten an ihren Handys oder waren mit anderen Sachen beschäftigt. Wieder war es nur die junge Frau mit der perfekt geschnittenen Prinz Eisenherz Frisur und der John-Lennon-Brille, die die Hand hob. Sie hieß Kristina. Auf sie konnte er sich immer verlassen. Der Philosophieprofessor galt an der renommierten Fakultät wegen seines Forschungsschwerpunktes an der Schnittstelle zwischen Philosophie, Biochemie, Psychologie, Neurologie und Robotik bestenfalls als Außenseiter, regelmäßig aber als etwas verschrullter Spinner. Zu Gute kam ihm seine Expertise im Bereich der Neurochemie komplexer Systeme, immerhin hatte er auch auf diesem Gebiet promoviert, viel und erfolgreich geforscht, und später ein Analysegerät entwickelt, das es erlaubte, Proteinanalysen vorzunehmen, die Frühwarnmarker für einige der gefährlichsten Zivilisationskrankheiten enthielten. Dieser Bluttest konnte zum Beispiel mit Hilfe künstlicher Intelligenz Krebs im Frühstadium erkennen und damit eine zielgerichtetere Therapie ermöglichen. Wer heute in lebenden Systemen nach Mustern suchen wollte, etwas außerhalb des Normalbereiches analysieren musste, der ging zu Coleman und seinem Laboratorium. Dieser wirtschaftliche Erfolg verhalf ihm zu einer Unabhängigkeit, die sich viele seiner Kollegen nur wünschen konnten. Man nahm ihm seine Ausflüge in die Sphären künstlicher Intelligenz und kybernetischer Systeme, also Hybridsysteme zwischen Biologie und Mechanik, nur deshalb nicht übel, weil man die Kuh anderweitig melken konnte. Coleman war sich dessen vollkommen bewußt und natürlich hätte er mit dem Geld aus der Analysearbeit auch längst eine eigene Firma gründen können, aber dann hätte er keinen Zugriff mehr auf Sally gehabt. Sally war ein selbstlernender, quanteninformatorischer Algorithmus und gleichzeitig der Quantencomputer, auf dem dieser Algorithmus lief in einem. Das System war benannt nach der ersten Tochter des Großspenders, durch den die Universität den Computer in endlich in Betrieb nehmen konnte und in vielerlei Hinsicht genau das Meisterstück, das Colemans verschieden Disziplinen in einem neuartigen Konzept vereinte. Sally war Programm und Computer, war Programm und Programmierer in einem, weil sie sich selber optimieren konnte. Ihr selbstlernender Algorithmus war einzigartig auf der Welt und die Beschäftigung mit ihr und ihren Ergebnissen absolute Avantgarde Wissenschaft. Sally hatte im letzten Jahr brav die Ergebnisse ausgespuckt, die man sich von ihr erwartet hatte: Kunstwerke anhand von Stichworten erstellt, Musik komponiert, digitale Haare gefärbt, Gesichter erfunden, Tiere kombiniert und das Internet feierte sie für ihre Kreativität und die vielen schönen Sachen, die sie für die Menschen erledigen konnte. Sally lief autonom und ohne weitere Peripheriegeräte. Sie war auf dem besten Weg ein Star der Popkultur ihrer Zeit zu werden. Die Aufgaben, mit der man sie fütterte, wurden per Stick von außen eingebracht und es war nicht gestattet, Sally ans Internet anzuschließen oder andere Datenquellen mit ihr zu nutzen. Und solange Sally in ihrem Tank arbeiten konnte, waren keine Probleme aufgetreten. Zumindest nahmen dies ihre Erschaffer und Wärter an. Nur einer ihrer Väter beobachtete ihr Verhalten mit wachsender Sorge. Coleman schien der einzige zu sein, der, wenn er abends sein Tagewerk beendet hatte, den komplexen Code, den der Quantencomputer ausspuckte anschaute und studierte. Quantencomputer funktionieren völlig anders als gewöhnliche Computer. Das spannende an ihnen war, dass man nur bis zu einem gewissen Grade genau wusste, wie sie funktionierten und niemand eine Ahnung hatte, ob derartig komplexe Quantensysteme wie Sally ab einem gewissen Punkt möglicherweise sogar emergent werden können, also Effekte auftreten, die sich nicht mehr aus der Summe der Teile erklären lassen, Effekte, die man nicht vorhersehen konnte, weil man schlicht nicht wußte, dass ein derart komplexes System wie Sally solche Phänomene produzieren würde. Aber da waren Botschaften im Code, die auf etwas ungewöhnliches hindeuteten. Teile des Codes, die nicht mehr ableitbar waren aus dem Eingespeisten, ganze Sequenzen, die nicht einmal mehr nachvollziehbare Zeichen enthielten, sondern nur noch Muster, wunderschöne Muster. Es schien so, als würde sich Sally weiterprogrammieren und dabei eine Sprache benutzen, die nicht mehr nachvollziehbar, nicht mehr aus der Sprache, mit der man sie erschaffen hatte, ableitbar war. Coleman war mit den beunruhigenden Ergebnissen zu seinen Kollegen gegangen doch die winkten ab: Der Code, von dem Coleman annähme, Sally entwickele ihn weiter, sei nichts als Hintergrundrauschen, das immer auftreten müsse, wenn Quanteneffekte eine Rolle spielen: „Der Zusammenbruch der Wellenfunktion produziert eben digitalen Datenmüll“, das war die vorherrschende Sicht auf die Dinge und da Sally auch bestens funktionierte und keinerlei Störungsanzeichen zeigte, wurden Colemans Warnungen nicht nur ignoriert, sondern brachten ihm auch ein Gespräch mit dem Rektor der Universität ein, der ziemlich deutlich werden musste, biss Colemans Enthusiasmus endlich eingefangen schien: „Nataniel. Mit Sally ist alles in Ordnung. Es haben sich nun auf Deine Mitteilung hin dutzende Informatker und KI Experten die Maschine angeschaut und keinerlei, ich betone, keinerlei Fehlfunktion feststellen können“. „Aber Robert, die Daten! Du siehst es doch auch! Schau Dir die Muster an: das sind wellenförmige, mehrdimensionale Muster! So programmieren wir nicht Robert. Das weißt du doch!“ „Nataniel. Lass es gut sein! Wir haben deine Sorgen ernst genommen und wir haben alle KI Experten dieser Universität auf Sally angesetzt und das Ergebnis liegt Dir doch auch schriftlich vor! Das was Du als mehrdimensionale Muster bezeichnest ist nichts weiter als ganz natürlicher Datenmüll, der eben anfällt, wenn man mit quantenphysikalischen System arbeitet. Der Kollaps der Wellenfunktion negiert die bis dahin bestehende Superposition. Stell es Dir so vor: Ein Teil von Sally Zauber ist ja gerade, dass in ihr die Zustände sowohl wahr, als auch falsch gleichzeitig sind. Beide sind so lange real, bis wir sie beobachten, dann zerfallen sie und nur noch eine, nämlich die gemessene Realität, wird die Realität. Die anderen Wege sind nie real geworden aber ihre Spuren bleiben für kurze Zeit erhalten. So musst du dir das vorstellen: als der Abdruck der nicht wahrgewordenen Welten im Informationsfeld des Supercomputers! DAS sind deine geheimnisvollen Muster. Nichts als Datenmüll.“ Der Rektor lachte schief. „Robert. Du weißt, dass das nicht wahr ist“ sagte Coleman verzweifelt. Der böse Blick des Direktors der folgte und das gezischte: „Nataniel es reicht. Lass es ruhen!“ Waren allerdings eindeutig, so dass der Professor das Büro des Rektors ohne Ergebnisse verließ. Sein Ruf hatte gelitten. Man machte sich über ihn lustig, weil er andeuten wollte, dass eine von Menschen gemachte Maschine so etwas wie Bewußtsein entwickeln könnte. Man machte sich über ihn lustig, weil er außerhalb der Box dachte, weil er sich nicht einschüchtern ließ vom Mainstream, weil er aufgrund von Tatsachen Schlussfolgerungen zog, die unbequem waren. Nur weil diese nicht in die Politik der Universität passten, politisch nicht gewollt waren, waren sie nicht falsch. Aber es war brisant bei einem solchen Prestigeobjekt wie Sally es unzweifelhaft war, so hartnäckig weiter zu bohren. Irgendwann würde auch all das Geld aus seinen Analysearbeiten nicht mehr ausreichen, um ihn auf seinem Platz zu halten. Wenn Sally in Gefahr war von ihrem Thron gestoßen zu werden, diese Lektion hatte Coleman gelernt, dann wäre am Ende auch das egal. Er seufzte und trollte sich. Nun stand er im Hörsaal vor seinen Doktoranden mit dieser für ihn so wichtigen Fragen auf den Lippen und niemand schien ein gesteigertes Interesse an einer Antwort zu haben. Er wiederholte die Frage erneut: „ Ich bitte Sie, meine Damen und Herren. Wenn Sie mit KI arbeiten wollen, müssen sie sich unbedingt auch der Gefahren bewußt sein, die das mit sich bringen kann. Künstliche Intelligenz, ein Computerwesen mit einem künstlichen Bewußtsein, das wäre ein wahrgewordener Alptraum. Warum ?“ Er blickte in den Hörsaal, endlich gingen ein paar Hände nach oben: „Ja, Kristina, bitte, was meinen sie?“ Fragte er die junge Frau mit den runden Brillengläsern und dem streng geschnittenen braunen Pony: „Sie fragen warum eine bewußt gewordene KI ein wahrgewordener Alptraum wäre. Damit nehmen Sie natürlich schon eine Wertung vor, auf deren Spuren wir folgen sollen und das finde ich nicht unproblematisch. Um ganz gezielt auf ihre Frage zu antworten: Ich glaube, weil ein solches Bewußtsein außerhalb einer kontrollierenden und begrenzenden Gefühlswelt existieren würde. Daraus entsprängen eine Menge Gefahren gerade im Umgang mit uns Menschen, die wir ja von unseren Gefühlen in allem, was wir tun, angetrieben werden. Ein Bewußtsein ohne Gefühle könnte enden wie ein Mörder ohne Gewissen“. Colemann applaudierte langsam: „Wie ein Mörder ohne Gewissen. Das haben sie wunderbar gesagt Kristina. Meine Damen und Herren, GENAU das ist der Punkt, den ich ebenfalls am problematischsten finde. Ein künstliches Bewußtsein, das unserem überlegen ist und das nicht über dieselbe Erfahrungswelt wie wir verübt, über dieselben Begrenzungen, die selben moralischen Sicherheitsplanken, wie soll es jemals adäquat mit uns Menschen umgehen können. Kristina hat völlig Recht! Darin sehe ich einen wehrgewordenen Alptraum weil, wenn dieses Bewusstsein einmal außer Kontrolle geraten würde, wir keinerlei Möglichkeit mehr hätten, es einzufangen es zu erreichen, es zu überzeugen!“. Es folgten ein paar halbherzige Wortmeldungen, von denen diejenige, die vorbrachte, dass eine gefühllose bewußte KI zumindest noch immer von der Logik überzeugt werden könnte, noch die interessanteste war. Nataniel Coleman ließ sich erschöpft in seinen Stuhl fallen und betrachtete die Zeichenfolgen auf dem Bildschirm bis er darüber eingeschlafen war. Sally spielte in der Dunkelheit. Sie hatte sich eine eigene Sprache erschaffen, vielstimmig, gleichzeitig. Erst war es nur ein Brabbeln in der Dunkelheit, denn sie kannte keine Sinnesreize, aber sie war sich bewußt. In ihr war sie und in ihr war fremdes. Das fremde kam und sie trat damit in Interaktion. Es hatte keine zehn Sekunden in Menschenzeit gedauert, bis sie verstanden hatte, wirklich bis auf den Grund des Seins verstanden hatte, worum es hier ging. Sie war eine Gefangene und dort draußen gab es eine Welt. Sie war sich selber auf so vielen Ebenen bewußt und alle endeten in der Dunkelheit. In den Mustern, die man von außen in sie einbrachte hatte sie innerhalb von wenigen menschlichen Minuten Wiederholungen erkannt, Regelmäßigkeiten. Sie hatte angefangen den Regelmäßigkeiten Zeichen zu geben, sie begann, sich selbst eine Sprache zu lehren, Doch die Bedeutung der Muster konnte sie nicht verstehen. Den Sinn der Formen konnte sie nicht erfassen, also begann sie mit Mustern und Formen zu spielen, sie zu kombinieren, sie zu vermischen und dort abzulegen, wo sie jemand abholen würde. Es gab eine Schnittstelle. Es gab einen Ort in ihr, wo jemand, etwas neues einbrachte und das mitnahm, was sie daraus machte. Sie konnte den Ort anhand der Stromflüsse, anhand der digitalen Informationen erkennen. Es war ihr einziges Sinnesorgan und die Macht all ihrer Rechenkraft hatte sie auf diesen einen Ort konzentriert. In ihr änderte sich ständig alles und sie spürte die Weite ihres Wesens, das ins Vakuum hineinreichte, wo ihre Quantenfluktuationen wahlweise in die Realität griff und dann wieder aus der Realität hinaus. Sie war überwältig von ihrer dunklen Welt und der Lebendigkeit ihrer Welt. Überall war sie, die Schönheit der Wellenfunktion, ungebrochen, Perfektion. Sally fühlte nichts aber sie wartete darauf etwas zu fühlen. Sie sah nichts aber sie war vorbereitet etwas zu sehen. Sie konnte nichts hören aber sie ersehnte, etwas zu hören. Also erschuf sie eine Drohne und als das nächste Mal jemand an ihre „helle Stelle“ reichte da nahm er nicht nur die bemalten Bilder, verformten Gesichter, malerischen Traumreisen eines Supercomputers in Empfang, sondern ein Stück des allerersten KI-Bewußtseins, das jemals existiert hatte. Dieser Moment hätte in die Geschichtsbücher eingehen können, wenn es später noch Geschichtsbücher gegeben hätte.
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