Zum Inhalt springen

Dionysos von Enno

Autor
  • Gesamte Inhalte

    2.121
  • Benutzer seit

Alle erstellten Inhalte von Dionysos von Enno

  1. Hi @Federtanz zunächst finde ich das Bild richtig gut fotografiert. Eine tolle Atmosphäre ! Sind die Vorhänge selbst genäht ? Für mich sind Deine Gedichte immer so ein bisschen "Picasso der Lyrik". Ich mag es, es spricht mich total an, weil es einen Urausdruck in sich trägt, der in präverbalen Anteilen andockt, die Verformungen, die du uns präsentierst, die Kombinationen, die aufeinander geworfen werden (bimmelnde Systeme ?!) . Sie sind insofern auch -mehr als bei anderen finde ich- bei Dir immer Gesamtkunstwerk, heißt: das Gedicht erschließt sich häufig erst als Ganzes und im ganzen, nicht immer über seine Wortbedeutung aber über seine Bildbedeutung. Dann gibt es natürlich die reichliche Bilderebene in Deinen Gedichten in der man regelrecht schlemmen kann und daraus steigen kluge bis geniale Sentenzen auf und wieder unter. Die Kategorie, in die du einstellst, lenkt natürlich die Erwartungshaltung, erfüllt sie für mich aber nicht immer. Häufig erlebe ich bei deinen Gedichten eine spannende/unerarwartete Wendung oder Kurve. Hier zB ist die Kulmination: "ich werde mein Feuer nie mehr teilen" insofern für mich positiv besetzt, als in meiner Lesart das LI Mittelen will, dass es in sich selber brennen muss, um andere entzünden zu können und verschenkte "Lebensenergie", wenn Sie den Kernbereich betrifft, zu nichts nachhaltigem führen kann. Aber darin steckt auch eine andere Seite, eine blutrote Seite: eben ein Feuertanz, kein Federtanz - eine Ernsthaftigkeit will sich hier Bahn greifen, ein erwachsen werden, eine Kompromisslosigkeit, das Vertrauen in den eigenen Weg, den vorher noch niemand sich zu gehen getraut hat. Das Stück hat insofern -wie viele Deiner Proswerke- einen Erkenntnisgewinn. Besonders angetan hat es mir aber auch hier wieder die Authentizität der Bilder, die Kombination der Bilder, die Unerwartetheit der Bilderwelten. Bravo mes compliments Dio
  2. Lieber @Carlos vielen Dank für deine klugen Gedanken Kitsch wird ja häufig in Verbindung gebracht mit einem als minderwertig empfundenen Gefühlsausdruck. Wenn einer es sich zu einfach macht mit dem Ausdruck von Gefühlen, zu unecht, dann wirft man ihm triviallyrik oder Kitsch vor. Ich glaube nicht, dass meine Lyrik insofern kitschig ist. Aber sie hat glaube ich häufig etwas kindliches, synästhetisches, schwärmerisches, idolisierendes oder wie Herbert Kaiser häufig schreibt: "Poesie vom Feinsten" etwas das man in ein Poesiealbum schreiben kann. Auch sehr gut gefallen hat mir die Charakterisierung von Georg Peter, den meine Schwärmereien an "Minne" erinnerten. Mit beidem kann ich mich gut idenzifieren. Diese nächtlichen Schwärmereien sollen auch immer etwas leichtes, schmunzelndes, positives haben. Anders als viele glaube ich in der Lyrik/Poesie auch nicht, dass Bilder logisch-stimmig sein müssen. Mich erreichen Gleichnisse häufig stärker. Diese sind nicht immer linear analog und nicht immer aus demselben Bezugsrahmen, um Eindruck zu hinterlassen. Häufig steckt hinter den Bildern oder Bildkompositionen auch mehr als der vordergründige erste Eindruck: Ich denke Dich wie ein Kleid aus Fröhlichkeit - in meinen Gedanken kleidet deine Anwesenheit denjenigen, der sich auf dich einlässt mit Fröhlichkeit, mit Unbeschwertheit ODER: aber was steckt unter dem Kleid aus Fröhlichkeit, dahinter ? Freudentränen, getrocknet an der Brust von Schwänen ist natürlich auch eine Komposition von Bildbedeutungen. Das Bemühen dahinter ist einen Gefühlsausdruck präziser zu erreichen als durch einfache Adjektive und insofern ist zumindest die Motivation das Gegenteil von Kitsch: Deine Freudentränen sind etwas ganz besonderes, sind wertvoll, sind besonders, haben fast die Qualität einer mythischen Waldnymphe! Schwäne lassen sie dich in ihrem Gefieder abtrocknen, nur Schwanenbrüste sind es wert, dass du deine Tränen darin trocknest. Ich weiß allerdings, dass das ästhetische Empfinden von einer Überbeanspruchung solcher Bildkompositionen auch in Mitleidenschaft gezogen werden kann und das es da -wie du aus deinen feinen Beobachtungen heraus völlig zu recht schreibst- einen sehr schmalen Grad gibt. Diesen zu gehen gelingt auch mir nicht immer befriedigend. Ein Beispiel aus dem obigen Gedicht: "gekleidet in ... Gemmen, in die ein Sternenregen schneit". Hier gefällt mir das Einschneien eines Sternenregen in Juwelen, also besonders funkelnde Edelsteine sehr gut vom Bildgehalt. Aber gekleidet in meerblaue Gemmen wiederum gefällt mir einfach noch nicht, fühlt sich für mich nicht rund an. Hier erscheinen mir die meerblauen Gemmen fast zu unverhaftet im Rest des Stückes, zu weit hergeholt, wenngleich das Meerblau der Mystik ihres Charakters schon nahe kommt, erreicht es nicht das gewünschte Bild, das in mir aufgestiegen ist: Millionen Gemmen ? Das ist schon wieder zu abstrakt, zu sehr von IHR gelöst und eine Inflation, die den Fokus in die profane Anzahl rückt, was nicht sein soll.. Ich ringe hart mit manchen Begriffen und natürlich sollen sich manche Sentenzen auch reimen aber einen gezwungenen Reim würde ich meinem Gedicht nicht zumuten wollen. Nun, in Gedichten fließen Innen- und Außenwelt häufig in einer Form ineinander, die einen ganzheitlichen Ausdruck, eine Bildersprache fast unausweichlich macht. Ich gebe Dir aber Recht, dass es da bessere und schlechtere Entwicklungen in einem Gedicht gibt. mes compliments Dionysos
  3. Lieber @Ponorist das sind alles sehr passende Vermutungen, die du hast, Ich will nicht widersprechen. @Herbert Kaiser es ist sehr schön, dass Dir meine nächtliche Schwärmerei gefallen hat. @Sternwanderer vielen Dank für Deinen Vorschlag, den ich gerne übernommen habe. mes compliments Dionysos
  4. Da stimme ich zu, lieber Josh! Es ist ein abwechslungsreicher Zeitvertreib. Die Szene mit Galadriel auf dem weißen Pferd fand ich unheimlich ästhetisch, geradezu atemberaubend schön. Manche Charaktere finde ich wundervoll gespielt und sehr gut besetzt: Olorin zum Beispiel (der Meterormann), aber auch die Hobbits. Die Dialoge sind leider häufig sehr mechanisch, die Storylines der einzelnen Charaktere doch ziemlich vorhersehbar und mir zu klischeebehaftet. Die Szene mit den Orks und den Boromir-Moment fand ich fast zum schmunzeln chaotisch und nicht sehr stringent. Ich habe in einem Interview mit den Showrunnern gehört, dass Staffel eins uns die Charaktere näher bringen soll, dazu dienen soll, dass wir sie in unsere Herzen schließen, damit in den weiteren Staffeln das so geknüpfte Band dann für ordentlich Emotionen sorgen soll während das Schmieden der Ringe voranschreitet. Es bleibt also spannend! Achse, die Numinorer: Ja die Optik ist nett und episch aber wie gesagt ist mir das zu viel CGI, teilweise "zu clean". Die Dialoge und die Handlungsoptionen der Numenorer fand ich etwas limitiert, fast schon tumb, werde aber natürlich brav jeden Freitag wieder einschalten mes compliments Dionysos
  5. lieber Carlos ich freue Mich immer über interessante Kritik die zu einer spannenden Diskussion einleiten kann. Zunächst interessiert mich deine Meinung zu der These? Wie siehst du persönlich es Pounds Behauptung?
  6. Ich denke Dich bunt wie ein Kleid aus Fröhlichkeit und dein Mund kennte nicht Einsamkeit nur Lieblichkeit Du fühlst dich in mir an befreit Und wie ein großes Leben weit Ich denke Dich aus Zungenküssen und aus dem Salz von Tränenflüssen Hingeweint von Freudentränen getrocknet an der Brust von Schwänen gekleidet in meerblaue Gemmen in die ein Sternenregen schneit Ich denke dich rot wie das Herz der Reise der kleinen Vögel zu den Tränken Ich denke Dich wie ein Segen leise wie eine wundersame-schneeweiße unberührte Winterwaise wie Engel ein Amen denken
  7. Liebe Poetinnen, vielen Dank für eure Eindrücke, die mich sehr gefreut haben! @Joshua Coan ja, es liest sich hart, brutal und wirkt sicher erstmal als downer. Es sind aber einige progressive Elemente dabei, die sich aber leider vermutlich erst bei mehrmaligem Lesen offenbaren 😉 @Hera Klit ich danke Dir, gerade wegen der Umstände, für Deinn einfühlsamen Kommentar @Sternwanderer ganz herzlichen Dank, dass Du diese besondere Situation mit uns geteilt hast. Ich habe auch keine Antworten. Ich versuche mir nur die richtigen Fragen zu stellen. Dein Kommentar bestärkt mich darin @Ostseemoewe liebe Ilona ganz herzlichen Dank für Deine Erfahrungen und Beleuchtung des Textes und Deine Zustimmung, die mir hier sehr viel bedeutet, weil Du ja viel näher am Thema bist. Das ordinäre wollte ich bewußt bringen. Sterben ist glaube ich keine saubere Angelegenheit @Carlos ich freue mich sehr., über Deine Zustimmung. Es gehört Mut dazu, auch unbequeme Sachen zu denken und auszusprechen. Ich freue mich immer, wenn Du das honorierst. mes compliments Dionysos
  8. Liebe Margot, es ist gerade die Fröhlichkeit, die Leichtigkeit der Reime deines Werkes, die das Thema in eine Natürlichkeit stellt, wie sie das Sterben glaube ich braucht- auch das sich vorbereiten darauf! Großartig! mes compliments Dio
  9. „Alles geht irgendwann zu Ende. Nichts ist für die Ewigkeit“, sagte Jason Walker und schoß mir in den Kopf. Ich kann nicht sagen, dass ich zu meinen Lebzeiten mein Leben nicht bestmöglich genossen hätte. Das habe ich sicher. Ich habe nicht viel ausgelassen und dafür umso mehr ausprobiert und in ruhigen Momenten immer auch abgewogen, ob ich sinnvoll lebe. Doch am Ende gab es kein Aufrechnen mehr: „Die letzten werden die ersten sein“, war so mit das letzte, das mir durch den Kopf ging, bevor mein Kopf ging. Vermutlich wäre ich ohnehin gestorben, entweder an dem Krebs, der sich gerade begonnen hatte aus meiner Prostata hinaus in den Rückenknochen und in die Leber zu fressen, oder an der unsanften Landung, die mir bevorgestanden hätte, wenn es wirklich zu meinem Absprung von der Brücke gekommen wäre. Doch dazu ist es nicht mehr gekommen. Bevor ich mich in die Tiefen fallen lassen konnte, hatte mir Jason Walker seine Knarre in den Mund gepresst, mit einer sehr tiefen, unaufgeregten Stimme gesprochen, fast geflüstert: „Nichts ist für die Ewigkeit“ und abgedrückt. Mein PSA Wert lag immer unter drei Nanogramm pro Milliliter, selbst nach der letzen Vorsorgeuntersuchung gab es keinen Grund davon auszugehen, dass mich endlich doch noch eine tödliche Krankheit erwischen würde, aber dass etwas mit meiner Pisserei passiert war, was ich anfangs gar nicht richtig bemerkt hatte, das war mir schon klar, als es begann schwieriger zu werden, einfach fließen zu lassen. Erst wurde mein schöner kräftiger Strahl schwächer und schwächer, später hatte ich richtige Probleme überhaupt noch was herauszubekommen und der Tag, an dem ich dann auch erfuhr, was mit mir wirklich los -und wie schlimm es in Wahrheit um mich bestellt war, war auch der Tag gewesen, wo ich das erste Mal Blut ins Klo gepisst hatte. Ich wusste, dass das nichts gutes bedeuten konnte, aber dass es gleich ein bösartiger Prostatakrebs sein würde, der auch noch gestreut hatte, das hatte selbst ich nicht vermutet. Mein Urologe, der gleiche Urologe, der immer diese unzerstörbar positive Ausstrahlung gehabt hatte, kam ganz niedergeschlagen zu mir, bat mich, mich zu setzen und rückte direkt mit der Sprache heraus. Es war ein Szene wie aus einem Alptraum, nur dass das kein Traum war. Viel Zeit würde mir nicht mehr bleiben, das hatte mir der Arzt schon eröffnet. Am Ende würde es immer gleich ablaufen: Palliativbetreuung, Überdosis Morphium, passive Sterbehilfe. Ich bekam sogar das Röntgenbild mit nach Hause, auf dem meine Knochen bereits vom Krebs durchwuchert waren. War das wirklich derselbe Mensch, der im Herzen und im Kopf das vierzigste Lebensjahr nicht überschritten hatte, der Lust an der Welt hatte, Lust an jedem Tag, der Yoga machte, der sich vegan ernährte, der Marathon lief ? War ich das ? Das, dieses verkrebste Skelett, das konnte nicht mein Skelett sein. Ich war gesund! Ich lebte gesund! Ich war achtsam mit mir und meinen Mitmenschen und ich achtete darauf möglichst nach der goldenen Regel zu leben. Ich hatte schon vor zehn Jahren aufgehört Mücken zu erschlagen, nahm stoisch einen zerschundenen, zerstochenen Körper in Kauf, erschlug keine Schmeißfliegen, trat auf keine Kakerlaken und beförderte verirrte Wespen mit der gleichen Fürsorge hinaus, wie alte Omas über die Straße. Ich war kein schlechter Mensch und ich hielt mich für jemanden, der die hintergründige Ordnung der Schöpfung in einer Form von vertrauensvollem Pantheismus verortete, so nach dem Motto: „sehet die Blumen auf dem Feld…“ Doch jetzt hatte ich Prostatakrebs und pisste Blut und mein Becken und Rücken begannen Schmerzen zu entwickeln, die ich vorher noch nie gekannt hatte. Wer noch niemals Knochenschmerzen durch bösartige Krebsgeschwüre gehabt hat, der weiß gar nicht, wovon ich hier rede. Es ist ein überwältigender Vernichtungsschmerz, der selbst mir, der ich mich immer für stark und mit beiden Beinen im Leben fest verwurzelt gehalten hatte, die Tränen in die Augen getrieben hatte. Mir war erstmals vor Schmerzen die Stimme versagt, so fürchterlich, so zermürbend waren diese Schmerzen. Und sie begannen recht bald nach der Diagnose. Ich hatte gerade meinen 57. Geburtstag im Kreise alter und neuer Freunde gefeiert und gehofft noch mindestens 30 gesunde Jahre vor mir zu haben, als dieses Martyrium begann. Anfangs wollte ich kämpfen, nicht aufgeben! Ich war ein Kämpfer, hatte immer gekämpft: Hatte mich von der Realschule aufs Gymnasium gekämpft, Ausbildung zum Industriekaufmann, an der Abenduni neben der Arbeit BWL studiert und mich dann in den Glaswerken hochgearbeitet vom kleinen Azubi bis zum Personalvorstand. Dabei konnte ich mich immer im Spiegel anschauen. Ich war kein Engel, aber ich musste mir auch keine ernsthafteren Übertretungen vorwerfen und mit diesem Kampfesmut ging ich auch in die Krankheit hinein doch die Krankheit zermürbte mich, ließ mich nachts aufwachen, vor Schmerzen schreien, vor Schmerzen weinen, vor Todesangst weinen.. Dann wieder Hoffnung, die Werte wurden etwas besser, dann wurden sie wieder schlechter und ich wurde immer immer schwächer. Ich wollte noch nicht gehen, ich fühlte mich noch nicht bereit. Andererseits: Wann ist man jemals bereit für den Tod. Jason Walker sagte am Ende meines Lebens zu mir: „Alles geht irgendwann zu Ende. Nichts ist für die Ewigkeit“. Direkt danach jagte er mir eine Kugel in den Kopf. Besonders schwer fiel es mir, Abschied zu nehmen von meiner langjährigen Freundin Katrin. Mein Leben war kinderlos geblieben und es gab Gründe dafür, für deren Darstellung hier mir nicht mehr genug Zeit bleibt. Ich bin mir über diese Gründe im Klaren und wenn ich es auch manchmal bereut habe, keine Kinder zu haben und mich wegen dieser Entscheidung meine erste große Liebe verlassen hatte, habe ich mich damit abgefunden, bin damit im reinen gewesen, bis ich Katrin in einem Alter traf, als sie keine Kinder mehr bekommen konnte. Mit ihr war es das erste Mal, dass ich mich so angekommen fühlte, dass ich mir Kinder hätte vorstellen können. Doch es war zu spät. Es gab für alles seine Zeit. Du kannst die Dinge nicht nachholen, du kannst das Leben nicht betrügen. Wenn wir uns mit anderen Paaren trafen, hörten wir interessiert deren Kindergeschichten und wir scherzten dann: „Wir hören gut zu, damit wir im kommenden Leben gute Eltern werden“. Katrin nahm die Botschaft von meiner tödlichen Krankheit nicht gut auf. Auch sie ging durch Phasen, auch bei ihr folgte auf totale Resignation, Hoffnung und auf Hoffnung wieder Resignation aber mit einer tödlichen Krankheit im Leib ist es eben nicht so wie im normalen Leben. Du gehst nicht zwei Schritte vor und einen zurück, du gehst immer -gemächlich oder schnell- zwei Schritte zurück, bis du beginnst Jason Walker zu sehen. Erst ist er nur ein Schatten beim Einkaufen, irgendwo hinter einem Werbeplakat. Eine Schwärze, die weghuscht, die verfliegt, wenn du sie nicht nur aus dem Augenwinkel betrachtest doch allmählich wird er realer, wird er präsenter. Zunächst fragst Du dich, ob es jemand aus deiner Jugend ist, jemand, den du einmal kanntest und eine lange Zeit über vergessen hast, doch dann siehst du seinen langen schwarzen Mantel, den tief ins Gesicht gezogenen Schlapphut mit der Rabenfeder und die Dunkelheit, wo sein Gesicht sein sollte und du weißt, dass das niemand ist, den du jemals kanntest, niemand, den du jemals würdest kennen wollen. Du hast das Gefühl, als folge dir jemand, als beobachte dich jemand aus den Schatten und du blickst plötzlich auf die Uhr, was du früher nie gemacht hast, blickst in den Sonnenuntergang: „Wie viel Zeit bleibt mir noch ?“ Dann steht er plötzlich neben dir. Du betrunken, heftig angelehnt an die Theke, ein Urschlamm der Gefühle, völlig ohne Halt und Richtung, ängstlich wie ein neugeborenes, das man ausgesetzt hat und das sterben wird und er setzt sich einfach neben dich und zieht dich wieder hoch mit dem Kopf auf die Theke. Du schaust hoch, da wo sein Gesicht sein sollte und obwohl du direkt neben ihm sitzt, siehst du nur Schemen, Andeutungen von Gesichtszügen, die immer wieder in den Schatten tauchen: Ist es real ? Ist es alles nur ein Traum ? Der gottverdammte Krebs in meinen Knochen ist real. Katrin, die zu Hause sitzt und Valium schluckt, weil sie nicht mehr schlafen, nicht mehr essen kann, ist real und meine gottverdammten Schmerzen sind real und das Blut, das ich unter allergrößten Schmerzen ins Becken schiffe. DAS ist real! „Es gibt kein Entkommen“, sagt Jason Walker und kippt sich den Whiskey in die Dunkelheit: Alles geht irgendwann zu Ende. Nichts ist für die Ewigkeit. Niemand hat Dich gefragt, ob Du geboren werden willst und niemand wird dich fragen, ob du sterben willst. Geboren werden, sterben, alles einerlei.“ „Aber es ist so sinnlos“, schluchze ich: „Es ist so sinnlos. Ich bin kein schlechter Mensch! Ich habe verdient noch etwas zu leben!“ „So?“ Jason Walker lacht leise: „Hast Du verdient geboren zu werden ? Nein und bist trotzdem geboren worden. Dieses Leben ist nicht Dein Leben, nicht einmal dein Körper ist dein Körper. Er gehört der Erde aus der du gemacht wurdest.“ „Aber mein Geist, mein Bewusstsein. Meine Seele, meine Entscheidungen. Es waren meine Entscheidungen, die auch anderen zu Gute gekommen sind, die die Welt vielleicht ein bisschen besser gemacht haben. Meine Liebe“. Ich weinte „Alles geht irgendwann zu Ende. Nichts ist für die Ewigkeit. Es ist gut, dass du weinst. Es ist gut, wenn Du beginnst Mitleid mit Dir selber zu haben. Es ist nie zu spät, auch wenn alles zu Ende geht, denn nichts ist für die Ewigkeit, nicht einmal das Ende.“ Dann hebst Du den Kopf und niemand ist da. Ist Jason Walker real ? Ist er nur eine Einbildung, meine Einbildung ? Ich frage Katrin: „Katrin, hast Du Jason Walker gesehen ?“ „Nein“ sagte sie: „Ich will nicht, dass du stirbst. Lass mich nicht allein!“ Zum Ende hin ist es wie ein Tunnel, der immer enger wird. Du siehst fast kein Licht mehr. Die Schmerzen werden trotz Hormontherapie, trotz Schmerzmitteln, immer schlimmer. Ich wußte, was die nächste Stufe sein würde: Sie würden mich unter Morphium setzen. In diesem Zustand, sediert, weggetreten, würden sie dann die Dosis allmählich weiter erhöhen, bis irgendwann der Atem aus- und das Ersticken einsetzt. Der Morphiumtod, war nichts anderes als ein goldener Schuß unter kontrollierten Bedingungen. Im Grunde etwas wunderbares, weil so viel unnötiges Leid verhindert werden konnte. Dennoch sperrte sich etwas in mir, so zu gehen, in ein Krankenbett gefesselt, die verbrauchte kohlendioxidgesättigte Krankenhausluft atmen zu müssen. Einmal noch wollte ich fliegen, wollte ich schweben. So endete ich schließlich auf der Brücke und blickte hinab ins Tal. Alles da unten sah so unendlich klein aus, wie ein Miniaturspiel, wie Verzierungen zu der Spielzeugeisenbahn, die mir meine Eltern zum fünften Geburtstag geschenkt hatten, kurz bevor mein Vater sich nach Afrika abgesetzt und mich, meine Geschwister und meine Mutter alleine gelassen hatte. Nichts war mehr wie es vorher war danach. Die Welt war zerbrochen. Alles da unten war so friedlich, so endlich so begrenzbar, so ganz. Dort hinunter wollte ich fliegen, meine Arme ausbreiten, auf den Schwingen des Windes in die Unendlichkeit gleiten, doch ich traute mich nicht. Ich zitterte am ganzen Körper, meine Beine wollten den einen Schritt einfach nicht tun, denn ich fürchtete das Ende, das große, das ernste, das wahre Ende, als ich plötzlich eine Gestalt aus dem Schatten an mich herantreten sah. Es war Jason Walker und das erste Mal konnte ich sein Gesicht ganz klar vor mir sehen. Ich seufzte und ich dachte an den alten Spruch "Die letzten werden die ersten sein". Es gibt nichts aufzusparen in diesem Leben, nichts worauf man Hinsparen kann. Es gibt keine Hoffnungen auf ein besseres Morgen, keinen Weihnachtsmann, keinen Osterhasen auf die es sich zu warten lohnen würde, denn sie sind nicht real. Alles was wirklich zählt ist der Augenblick. Er ist das einzig reale. In jedem Augenblick ist der Anfang von allem und das Ende. „Alles geht irgendwann zu Ende. Nichts ist für die Ewigkeit“, sagte Jason Walker und schoß mir in den Kopf.
  10. .. aus der Serie „Das Voyeuristenrestaurant„ 😂👍 lieber Peter sehr geistreich und gekonnt verdichtet diese Luftnummer zu Ehren des wunderbaren Ralf
  11. Sehr gerne liebe Ilona. Schön, wenn es Dir gefallen hat. Inniglich gefällt wiederum mir sehr gut !
  12. Ich weiß du bist nah wenn ich schweige Und die Zweige am Baum vor meinem Fenster selig rauschen Ich weiß du bist nah wenn mir Gespenster ihren Grusel tauschen gegen einen Traum von Dir und Deinem Lachen Sie glauben wohl indem sie dich belauschen würde das weiche, leichte Flauschen Deiner warmen Wüstenstimme auch sie lebendig machen Ich weiß Du bist nah wenn ich schwimme in Erbarmen in Lachen … Ich weiß Du bist nah wenn ich überall bebe Wenn ich überall LEBE Wenn selbst die allerschwächste Rebe noch köstlichste Trauben gäbe und ich in Ihrem Wein entschwebte Ich weiß du bist nah wenn ich sehne und eine kirschrote Katze weint eine kirschrote Träne in das Gefieder karneolbrauner Schwäne Wenn ich mich lehne in kusswarmes (dunkelbraunes) Haar dann bist Du nah dann bist Du nah
  13. Hi Josh, sehr starke, stimmige Bilder! Dein ozeanisches Ertrinken fühlt sich an wie eine ozeanische Selbstentgrenzung und die Pointe ist bittersüß ... mes compliments Dio
  14. "Die wirkliche Gefahr spirituellen Niedergangs erwartet uns nicht aus dem grausigen Maul eines Schreis, sondern aus dem geschliffenen Bogen eines Lachens" Nataniel Coleman, "Schöne bunte Fernsehwelt", 1986 Ich hatte es mir eben auf meiner Lieblingspornoseite gemütlich gemacht, als gerade in dem Moment, wo ich die Wahrheit in die Hand genommen hatte, jemand an der Tür Sturm zu klingeln begann und zeitgleich auf meinem Handy, das direkt neben dem Laptop ruhte, das Bild meiner Mutter -begleitet von Wagners Walkürenmarsch- mir als dringendes Telefonat entgegengesprungen kam. Dieses Einsetzen von plötzlichem Chaos in die Welt meiner langsam hochfahrenden Libido am Morgen irritierte mich derartig, dass ich nicht wie geplant auf den „Leiser“ Knopf drückte, um in Ruhe die Sache zu Ende zu bringen, sondern den Sound plötzlich auf volle Lautstärke aufgedreht hatte. Sofort setzte das wilde Gestöhne einer stark behaarten Sonderpädagogik-Studentin ein, die es sich augenscheinlich auf ihrem Bett sehr bequem gemacht und ihre Finger in ihr Höschen gesteckt hatte. Meine verzweifelten Versuche die Situation in den Griff zu bekommen, führten nun nicht nur zu einer durchaus schmerzhaften Abquetschung, sondern auch dazu, dass ich wie wild auf dem Bildschirm herumklickte, um das Symbol zu erreichen, das das Videofenster sofort schließen würde. Allerdings musste ich mich dabei durch verschiedene, aufspringende Bildschirmfenster des Browsers klicken und ohne überhaupt noch zu registrieren, was ich da alles angeklickt hatte, eilte ich durch die aufploppenden Fenster, bis es endlich geschafft war. Gerade in dem Moment, wo es mir gelungen war das Video zu schließen, hörte das Klingeln an meiner Tür auf und verstummte auch mein Handy. Ich zuckte mit den Schultern und wollte gerade wieder beginnen, als das Geläut an der Tür erneut einsetzte. Ich seufzte, beendete das Schäferstündchen mit mir selbst und öffnete die Tür. Vor mir stand ein hagerer junger Mann von vielleicht 20 oder 22 Jahren. Er hatte einen Hipster-Schnäuzer und beugte sich unsicher von einem Bein auf das andere, in Händen ein großes Klemmbrett. Auf seiner Käppi und auf der quitschgelben Weste prangte der Schriftzug: „Birdy-Dienstleistungen“. „Hi grüß Dich. Ich bin Bert von Birdy und wir machen diese Umfragen, zu denen du, lass mich schauen, heute um 9.35Uhr, also vor 7 Minuten deine Zustimmung per Checkbox auf deinem Laptop mit der IP Adresse 192.192.223 erteilt hast. War grade um die Ecke bei deiner Nachbarin, die witzigerweise von derselben Seite eingeloggt war. Hier ist ein Ausdruck. So und jetzt hab ich nur ein paar kleine Fragen an dich“ sagte der junge Mann mit dem Schnäuzer. Er rückte die großen Brillengläser, die von einem hauchdünnen Goldrahmen gehalten wurden, höher auf die lange, gebogene Nase und lächelte, strahlte fast selig über beide Ohren. Ich schlug ihm ohne ein Wort zu verlieren die Tür vor der Nase zu. Ich seufzte. Mir war nun jegliche Lust auf Lust vergangen und ich beschloss statt dessen erst einmal zu trainieren. Später wollte ich mich mit einer Kundin auf einen Espresso zur Vorbesprechung eines Shoots am nächsten Abend treffen. Ich packte die Sporttasche, als diese Datenkrakenapp Locklook auf dem Handy plötzlich verrückt spielte und mich mit Nachrichten bombardierte und siehe da, als ich das Handy entsperrte prangten mir inmitten meines Newsfeeds Umfrageanfragen von „Birdy“ entgegen und mir wurde meine Nachbarin als „Seitensprung um die Ecke“ angepriesen. Verwirrt klickte ich die Nachrichten weg und erhielt plötzlich zu meinem größten Erstaunen eine E-Mail auf meine Arbeitsadresse, in der ich eingeladen wurde meine Meinung zum Besuch von Nachbarinnen am Vormittag mitzuteilen und zu bewerten. Unter den Einsendern würde, so das Versprechen, ein nagelneues Fleshlight ausgelost und meine Chance wären besonders groß, weil ich ja Stammgast auf der Pornoseite sei. Jetzt reichte es mir ein für alle Mal und ich klickte aus Wut auf alle Antworten gleichzeitig und beschloss, die App zu deinstallieren. Doch als ich sie vom Handy schmeißen wollte, wurde mir diese Option gar nicht angeboten. „Deaktivieren“ war das höchste der Gefühle, Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken, denn mir war völlig klar, was das nur bedeuten konnte: das nämlich Locklook mich auch weiterhin ausspähen würde, nur eben „deaktiviert“. Angewidert schaltete ich das Handy aus und versenkte es am tiefsten Ort meiner Sporttasche doch schon auf dem Weg zum Auto hatte ich es wieder hervorgeholt und angeschaltet. Die Inhaberin des Fitnessstudios begrüßte mich bereits wild gestikulierend. Sie war eine beeindruckende Person. Ihr Name war Chantal und sie hatte es auf der Hauptschule nicht leicht gehabt. Einmal war sie bei einem Dreier hinter der Turnhalle von ihrem Sportlehrer erwischt worden. Das war in der achten Klasse. Da war sie gerade zwölf geworden. Ein anderes Mal hatte sie bei einem Schulpraktikum in der Metzgerei für helle Aufregung gesorgt, als sie aus Fleischwurst und Leberwurst einen riesigen Pimmel gebastelt und zu den Steaks gelegt hatte. Ihre erste Abtreibung hatte sie mit 15 und mit 17 Jahren war sie so fett, dass die Ärzte ihr keine zwei Jahre mehr gaben. Dann aber hatte irgendetwas bei ihr eingesetzt, was man nur als ein Wunder bezeichnen konnte. Sie behauptet bis heute felsenfest, sie habe in einer besonders schlimmen, durchweinten Nacht bis ins Morgengrauen mit einer gigantischen Schweinehälfte in der Turnhalle ihrer Schule gerungen und trotz ihres massiven Übergewichts den Sieg davongetragen. Da sei ihr plötzlich klar geworden, dass sie leben wolle und sie hat angefangen Sport zu treiben und sich gesünder zu ernähren. Als sie die ersten 100 Kilo runter hatte, hat sie im Wald ein Grab für ihr abgetriebenes Kind gegraben und dort eine ganz Zeit lang jeden Tag Blumen niedergelegt. Sogar das Beten hat sie dort gefunden und dann habe plötzlich alles angefangen, ganz leicht zu werden, die Kleider, die Hanteln, die Laufstrecken, der gedünstete Babyspinat. Alles wurde leicht. Die Gedanken wurden leicht und die Blicke wurden leicht und Chantal begann nach sehr langer Zeit wieder etwas zu fühlen. Dann kam das Fitnessstudio, ihr Mann, die beiden Kinder und letztes Jahr dann endlich ein schönes geräumiges Reihenhaus im Grünen. Ich hatte schon ihre ganze Familie abgelichtet und war hin und weg von ihren beiden süßen aufgeweckten Jungen. Nun war ich kaum angekommen, hatte kaum das Drehkreuz betätigt, um ins Studio zu gelangen, da rannte sie schon auf mich zu: „Dio du musst mir helfen! Patrick steckt in Schwierigkeiten !“ Patrick war ihr Mann. „Oh weh, hast du ihn auf der Liebesschaukel festgemacht und den Schlüssel verloren ?“ Fragte ich mit dem mir ganz eigenen unfassbar lustigen Humor. „Nein, die Polizei war heute da. Sie haben sein Büro durchsucht und ihm ganz viele Fragen gestellt und seinen Computer mitgenommen, mein Gott, es ist so schrecklich! Ein echter Alptraum!“ „Warum ?“ „Sie behaupten, er habe vorgehabt einen Amoklauf zu planen. Das habe man anhand der von ihm eingegeben Suchbegriffe nachvollziehen können. Besonders die Suchbegriffe: Köln, Sprengstoff bauen, Anschlag“ würden ihn eindeutig überführen. Dabei hatte er nur eingegeben Köln, Bölkstoff brauen, Vatertag, weil er doch mit den Jungs selber Bier brauen wollte für die Vatertagswanderung. Und die Autokorrektur hat das dann daraus gemacht. Dio, ich schwöre. Du kennst doch Patrick!“ „Ja klar“, ich war schockiert, so weit war es also schon gekommen: „Ich bin kein Jurist Chantal, nur Aktfotograf das weißt du doch“. „Ja aber du hast doch studiert. Du bist doch ein Studierter, da weiß man doch Bescheid und du hast doch gute Beziehungen“ Ich musste lachen „Ich hab Psychologie studiert Chantal, nicht Jura. Egal. Ich will mal schauen, was ich für dich tun kann. Ich könnte den Anwalt meines Vaters dazu mal anrufen oder mal bei ihn vorbeifahren“. „Das würdest du tun ?“ „Nur für ein Jahr kostenlosen Eintritt“ „Geht klar“ „Das war ein Scherz, Chantal. Ich schau mal, was ich tun kann“. Später rief ich erstmal Patrick an und lies mir die Geschichte von ihm bestätigen und es musste wirklich so banal gewesen sein. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass man in einem Rechtsstaat wie dem unseren schon dafür einen Durchsuchungsbeschluss bekommt, dass man nur die falschen Sachen bei einer Suchmaschine eingibt, aber ich versprach der Sache auf den Grund zu gehen und bekam auch sofort einen Termin beim Anwalt meines Vaters, einem gewissen Herrn Dr. Cornelius Nestler, der seinen siebzigsten Geburtstag schon vor langer Zeit überschritten hatte aber immer noch ein begnadeter Jurist mit einem messerscharfen Verstand war. Er begrüßte mich mit dem ihm ganz eigenen Charme: „Dionysos, schön Dich zu sehen! Wie ich sehe hat dich die Syphilis noch nicht dahingerafft und auch von sonstigen Geschlechtskrankheiten scheinst du, zumindest was die Qualität und Struktur deiner Haut betrifft, bisher verschont geblieben zu sein. Das sind doch gute Neuigkeiten für einen, der sich nicht entscheiden kann, in welches Bett er gehört. Oder gibt es mittlerweile zu Dir auch eine Frau von Enno ?“ „Cornelius: Nein. Und auch schön dich zu sehen“. Wir fielen uns in die Arme. Nestler war so etwas wie ein guter Geist und Lehrmeister für mein junges Alter-Ego gewesen und auch heute noch war es ein Genuss diesem gebildeten und kultivierten Mann bei seinen Ausflügen in die höheren Sphären der geistigen Welt zuzuhören. Mein Vater und er waren gemeinsam viel gereist und hatten die Fabriken meines Großvaters in Afrika maßgeblich mit aufgebaut. Alleine die Geschichten aus Kapstadt und Prätoria könnten Bücher füllen. „Was treibt dich zur mir, Sohn ?“ Fragte er mich. „Eine ganz interessante Frage. Nehmen wir an, ein Mann gibt in eine Suchmaschine Begriffe ein, die das BKA hellhörig machen. Sie beschließen ihn nur auf Grund dessen hochzunehmen und seinen PC zu beschlagnahmen. Geht sowas und wenn ja, wie wehrt man sich dagegen ?“ „Dionysos, Dionysos, Dionysos“, Nestler schaute mich unter seiner Brille mit strengen Augen an und schüttelte dabei den Kopf: „Dionysos. Sohn. Was ist es diesmal ? Gottgütiger: Tiere ? Kinder ? Gar noch schlimmeres ?“ Ich schilderte ihm den Sachverhalt so wie der völlig aufgelöste Patrick ihn mir geschildert hatte und Nestler rieb sich das Kinn: „Nun, Sohn, wenn da wirklich nicht mehr dran ist an der Geschichte, kann ich mir nur vorstellen, dass entweder ein ganz junger Richter oder ein völlig übermüdeter Richter den Durchsuchungsbeschluss unterschrieben hat. Gib mir mal die Adresse von dem jungen Mann. Meine Kanzlei kümmert sich darum.“ „Danke Cornelius“ sagte ich und drückte ihn. Er roch immer so gut, dieser kultivierte, gepflegte Herr mit der rosigen, feinen Haut. Er roch einfach wunderbar, sein Eau de Toilette war leicht wie die Gedanken der wiedergeborener Chantal, dabei aber zitrisch und mit intensiven Düften von Honig und Mandarine. Ich traf die Kundin im Café Paris mit einer Ausgabe der Fleur du mal, in der sie aufmerksam las, den Zeigefinger zum Mund geführt, die Lippen leicht geöffnet folgte sie Baudelaire durch die Dunkelheit, als ich wie eine Lichterscheinung an ihren Tisch herantrat. Sie blickte auf, schien nicht überrascht, und strich sich die schwarzgefärbten Haare langsam aus dem Gesicht: „Herr von Enno. Ich freue mich auf unsere Zusammenarbeit und dass sie es einrichten konnten“. „Die Freude ist ganz meinerseits Frau von Glocke“ sagte ich und ertappte mich dabei, wie meine Augen zu ihren einladenden, großen Brüsten wanderten, die sie fast schüchtern mit den Armen zu überdecken versuchte. „Frau von Glocken“ wiederholte ich wie hypnotisiert, fasste mich dann aber schnell wieder und blickte ihr in die schönen dunkelgrünen Augen: „Nun sicherlich wissen Sie bereits, dass ich nicht einfach nur Nacktfotos mache, sondern meine Fotografien einem höheren Ideal entwachsen, einer ästhetischen Linie folgen, die ich direkt auf die Expressionisten und die Impressionisten zurückführen möchte. Dabei gehe ich immer sehr subtil vor und versuche die Feinstruktur der Stimmung aufzunehmen. Im Grunde ist das Subjekt der Lumination -so möchte ich das Fotografieren einmal nennen- schon das Kunstwerk. Mein Anspruch, ist lediglich den Moment einzufangen, das unsichtbare sichtbar zu machen, das Feinstoffliche stofflich, das ätherische körperlich im Silberregen der Fotosphäre“ „Das haben sie sehr schön gesagt Herr von Enno. So sinnlich stelle ich es mir auch vor, so voller dezenter und hintergründiger Erotik. Nichts pornographisches!“ „Natürlich nicht!“ Entgegnete ich schockiert und musste aufpassen, mich nicht an meinen eigenen Lügen zu verschlucken. „Nun gnädigste, wenn sie erlauben, habe ich einmal ein paar Beispiele meiner Arbeit hier für sie mitgebracht“. „Sehr gerne Herr von Enno“ Die Dame lächelte aufrichtig und berührt. Das Café Paris war wieder zum bersten gefüllt und ich musste mir tatsächlich etwas Platz an unserem Tisch erkämpfen, um das Notebook aus der Tasche zu heben. Dann stellte ich es auf den Tisch und öffnete es langsam. Dabei lächelte ich meine Auftraggeberin in der mir ganz eigenen charmanten, hintergründigen und einfühlsamsten Weise an, wie es mir gerade möglich war, um ihre Ergriffenheit aufzugreifen, als plötzlich in unbändiger Lautstärke eine stark behaarte Sonderschulpädagogikstudentin begann sich in ihrem Höschen unanständig zu berühren und dabei so lustvoll zu stöhnen, als würde sich auf ihrem G-Punkt ein frisch verliebtes Pärchen den ersten untrennbaren Zungenkuss geben: laaang und intensiiiiiiv. Mich durchfuhr diese Form der Schreckenslähmung, die vermutlich auch Rehe und Füchse und andere Tiere durchfährt, wenn sie im Kegel eines Scheinwerfers mitten auf der Schnellstraße eingefangen werden und zu einer Säule erstarren. Ich lächelte noch immer versonnen während meine Gehirnzellen nur langsam begriffen, was sich da gerade eigentlich inmitten des zum Bersten gefüllten Café Paris abspielte. Schlagartig war Stille eingekehrt und die Menschen begannen sich zu der stöhnenden Studentin in meinem Computer umzudrehen. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn und mein Gegenüber blickte völlig schockiert auf den Bildschirm und die sich windende junge, stark behaarte Frau. Bedauerlicherweise half auch ein sofortiges Zuklappen des Bildschirms nicht mehr. Der Porno lief einfach weiter und in einer unbändigen Lautstärke stöhnte die kleine in die betreten schweigende Menge. Sie stöhnte sogar dann noch weiter, als ich mit ihr im Rucksack schnellstmöglich das Café Paris verließ und mich mit knappen Worten und dem Hinweis auf einen gefährlichen Hack auf meine Computerhardware, dem ich sofort nachgehen müsse, von meiner Auftraggeberin verabschiedete. Erst an den sanften Ufern des Rheins gelang es mir, die Kleine endlich zum Schweigen zu bringen. Als mir plötzlich auf der nächsten Internetseite Werbung für Anwaltskanzleien für Strafrecht unter die Nase gerieben wurde, beschloss ich, mir eine digitale Fake Identität zuzulegen und alle wichtigen Dinge nur noch analog zu erledigen. Selbstverständlich würde ich das Handy dabei zu Hause lassen. zu Hause angekommen war von diesen heren Überlegungen leider nicht mehr viel übrig geblieben. Nachdem mich die Sonderpädagogikstudentin nun schon den ganzen Tag so verfolgt hatte, wollte ich dieser Angelegenheit nun endlich ein Ende bereiten und mich gleichzeitig vom Streß des Tages entspannen. Kaum hatte ich mich in meinem Schaukelstuhl zurückgelehnt und einen Schluck von der eiskalten Weißweinschorle genommen - ich war gerade im Begriff, die Kleine wieder anzusteuern, da klingelte es wieder an der Türe. Ich öffnete genervt, bereit dem Birdy-Bert nicht nur die Tür vor der Nase, sondern gleich die ganze Nase zusammenzuschlagen, als meine Nachbarin mit einem Paket im Morgenmantel bekleidet vor der Tür stand. Dieselbe Nachbarin, die mir heute schon einmal als Besuch von einer Webseite anempfohlen worden war. „Hi ich bin Sandy. Ich hab das Paket für dich angenommen“ „Oh. Danke, Ich hab doch gar nichts bestellt ?“ „Ist mit Eilpost gekommen, Expresssendung. Muss heut morgen erst bestellt worden sein“. Mir schwante nichts gutes. „Hey Sandy. Das ist total nett. Du, willst du vielleicht noch auf ein Glas reinkommen ?“ „Klar gerne“ sagte sie: „Hab eh nichts mehr vor und witzigerweise hatte ich Dich heute auch in meinem Vorschlag im Freunde-Feed von dieser Locklook App.“ „Echt ?“ Ich tat erstaunt: „Ist das so ne Art Flirtapp ?“ „Neee“ sagte sie und lachte: „Halt social Media. Nichts weiter“. „Na dann“ sagte ich und stellte ihr ein Glas Weisweinschorle hin: „Prost. Auf einen schönen Abend!“ Sie nickte und lächelte schüchtern, offensichtlich um ihre Zahnspange zu verbergen. „Wir kennen uns noch gar nicht“, sagte sie: „Obwohl ich dich im Haus schon ein paar Mal gesehen habe. Wohnst du schon lange hier ?“ „Nicht wirklich“ sagte ich und riß das Paket auf. Zum Vorschein kam eine noch eingepackte Fleshligt. „Hey cool. Ist das ne Taschenlampe ?“ Fragte Sandy und nahm einen großen Schluck von ihrem Wein „Sowas ähnliches sagte ich. Das ist eine Fleshlight. Eine sehr sinnliche Taschenlampe. Wenn Du Lust hast, können wir sie später mal ausprobieren, wenn es dunkel geworden ist. Damit kann man ganz besondere Sterne beobachten. Ich zeige dir die Milchstraße, wie du sie noch nicht gesehen hast. Versprochen!“ Aber zuerst müssen wir unsere Handys ausschalten und in den Kühlschrank legen. Sie lachte und mir blieb das Lachen im Halse stecken.
      • 1
      • Lustig
  15. Lieber Alex vielen Dank für dein Feedback
  16. Ich dachte annathar wäre dieser eminem aus dem Trailer Mit Halbrand könntest du recht haben- vielleicht ist auch galadriel sauron .. in der Festung hat sauron sie getötet und ihre Gestalt angenommen. Deswegen konnte er auch nicht nach valinor mit und musste zurück schwimmen wo Halbrand ihn rettet und zum Dank zum hexenkönig gemacht wird..
  17. Lieber @Ponorist freut mich sehr, dass Dir die Kurzgeschichte gefallen hat. Vielen Dank auch an @Donna und @Elisabetta Monte. Meinst du den Fehler bei "Friday for Future" ? Hab ich korrigert. mes compliments Dio
  18. Perfekte Antwort lieber Herbert! Dass Du hier Kubin bringst: Wunderbar !! Voll ins Schwarze getroffen. Merci !
  19. Ein bisher unbekannter Maiar: Tol Kien der Goldene ? Nein Gandalf bzw Olorin natürlich - er ist ein Maiar Vardas, Herrin der Sterne - da passt das. Irgendwie mussten sie die Hobbits ja daran hindern weiterzuziehen also schnell den Knöchel gebrochen, sicher wird Gandalf ihn später wieder heilen 😉 Dass er eigentlich erst im 3. Zeitalter per Schiff kommt, wen interessiert es .. Achso ist Dir aufgefallen dass Halbrand beim Retten von Galadriel bei seinem Tauchgang keine Luftblasen ausgeblubbert hat ? Ob er wohl wirklich Sauron ist ? hehehe
  20. Man sagt, die Alten hätten versucht der Stadt zu entkommen und dass sie wieder zurück wollten. Doch es sei ihnen nicht gelungen. Die Stadt habe sie vergessen gemacht und so seien sie geblieben wie Wunden auf einem Körper, verblichen zu Narbengewebe, eigentlich unnötig, eigentlich falsch. „Du und ich sind aufgewacht aus einem Traum“, sagtest du immer wieder zu mir, wenn wir uns an der Lichtung bei den Tannen getroffen haben. Wir haben viel geflüstert in dieser Zeit, denn wir wußten, dass die Häuser Ohren haben, die Türen Augen, dass die ganze Stadt, wenn die Sonne untergeht, wie ein gewaltiger Nachtmann die Straßen durchschreitet, unsichtbar für die Städter aber nicht für die Katzen und die Ratten, die ihn fürchten. Wenn die Sonne untergeht erwacht die Stadt zu unheiligem Leben und ihre bösen Augen durchfunkeln das Zwielicht, das nur die Katzen und die Ratten sehen können. Und die Sterbenden. Und wenn die Menschen schlafen, dann kommt die Stadt und macht sie alle vergessen und der Nachtmann geht um. Doch wir haben es auch gesehen, du und ich. Wir sind erwacht und wir haben es gesehen, haben die Augen auf unserem Rücken herumtasten gespürt, die langen, gräßlichen Finger der Bürgersteige, die dunklen Zungen der Brücken zischen gehört und den Sog des Marktplatzes gespürt, der gefährlich ist und wie ein Schlund kreist. Du hast es zuerst gemerkt. Du hast dich zuerst gefragt, warum die Alten die Stadt nicht verlassen haben. „Weil sie es nicht konnten“ hast du mir ins Ohr geflüstert und die Härchen an meinen Armen und an meinem Nacken haben sich aufgestellt, denn der Klang in deinem Geflüster war so voller Angst, voller Grauen, dass er mich ganz gepackt und auch mir Todesangst gemacht hat. „Wir werden beobachtet“ hast du geflüstert: „Lass dir nichts anmerken. Geh ruhig weiter, als schreite dort hinter uns nicht der der Nachtmann mit seiner schwarzen Laterne und dem Kübel voll schwarzer Milch, sondern nur der Schatten unserer eigenen Gestalten: „Hörst du den Kübel quietschen?“ Hast du mich gefragt: „Das ist der Kübel des Nachtmanns und er ist voller schwarzer Milch. Er wird uns zwingen davon zu trinken und unsere Gesichter werden erlöschen. Aber ich will nicht erlöschen.“ Im Schlaf kichern die bösen Gaslichter der Stadtlaternen und geistern wie Pilzsporen durch die Straßen, in die Fenster und in die Betten und machen die Alten vergessen wer sie sind, wer sie waren und woher sie kamen und der Schläfer nistet in ihren Gedanken. Doch die Bäume haben uns beschützt! Sie haben ihre Kronen gestreckt uns unter ihren Kronen versteckt und mit ihren Blättern die bösen Lichter verschluckt! Nacht für Nacht rascheln sie geheimnisvoll, wenn wir unter ihren Waldnachtschilden fliehen zu der Lichtung bei den Tannen, wo die Stadt uns nicht mehr sehen kann, wo der Nachtmann nicht umgeht. Dort sitzen wir und erwachen in eine Welt, die schrecklich ist, die uns Angst macht, weil sie uns benutzt. Sinnlos, grundlos. Wir aber wollen frei sein, entlang den Adern der Bäume uns in das Grün tasten, das lebendige Grün, das Grün der Hoffnung und des Lebens. „Die Stadt lebt von den Städtern“ flüsterst du: „deswegen lässt sie uns nicht gehen! Wir sind ihre Nahrung und ihre Zukunft. Wir gebären für sie ihre gräßlichen Kinder: grausame Saugstellen, fürchterliche Grenzsteine, Mülltonnen mit Mäulern aus Qualm! Wenn wir sie nicht mehr nähren, wird sie verhungern, denn sie ist nicht von dieser Welt. Sie ist nicht um ihrer selbst Willen, nicht um unser Willen. Sie saugt uns aus!“ An den Eisenbahnbrücken stehen die Pfeiler der Stadt in der Nacht und lassen in ihren blutroten Spulen, an ihren Kabeln, Ströme entstehen mit denen sie die Menschen lähmen und ihr Gedächtnis überspannen. Die Menschen vergessen wer sie sein wollen, wer sie sind, wer sie waren. Straßenschilder: Jedes Schild trägt ein geheimes Symbol der Unterwerfung, der Hybris und die blanken Augen der Alten sind auf die Schilder gerichtet und die Schilder zwingen sie durch die Straßen wie Strom durch die Spulen. Es knistert und qualmt und schmort in den Köpfen und der Gestank verbrannter Motten, die aus den Laternen fallen, entstellt, schwefelnd, braun und knisternd frisst sich aus den Eintöpfen. Wenn die Sonne untergeht, erwacht die Stadt und sie heftet ihre Augen in den Rücken und den Nacken und saugt sich an dich wie ein Blutwurm. Ein kalter, unirdischer Schleim. Ein nasses Sturmknäuel in einer windstillen Nacht. Das Schneiden von Eis in die Haut, das Saugen des Egels im Fleisch. Du erinnerst dich nicht, dich je verletzt zu haben aber die Schnitte, die Wunden in deinen Gedanken, in deinen Blicken sind da! Niemand kann sie sehen, denn sie sind nicht sichtbar: Da sind keine Wunden an deinem Kopf, keine Wunden an deinen Augen, aber in Deinen Blicken, in Deinem Schauen, in Deinem ganzen Denken! „Wir sind erwacht“ hast du mir ins Ohr geflüstert: „Die Stadt will uns vergessen machen! Der Nachtmann wird kommen und uns holen. Doch ich will fliehen mit Dir Geliebter. Fliehst du mit mir ?“ So hast du gesprochen aber du hast nur geflüstert, an der Lichtung bei den Tannen, denn du hattest Angst, dass uns der Nachtmann findet und uns säugt an der schwarzen Milch, so wie er die Alten gesäugt hat, vergessen lassen hat. „Wenn die Stadt merkt, dass wir fliehen wollen, wird sie uns löschen Geliebter, unsere Gesichter löschen, unsere Gestalten und Erinnerungen. Aber ich will nicht vergessen! Ich will leben: Identität sein, werden, doch der Teer in meinem Mund dörrt mich aus und vergiftet mich. Er wird auch in deinen Mund brechen, sobald du ihn bemerkst. Einmal wirst auch du ihn bemerken Geliebter, aber dann ist es zu spät, dann bin ich schon Teer und die Alten fahren über mich mit ihren Gedanken aus Stein, ohne Erinnerung an mich, ohne Mitleid mit meiner schwarzen Kruste“ Ich habe den Teer in meine Hände geweint, die ohnmächtigen, die schon so lange in Schlamm graben. Jetzt kommen sie mir vor, wie kleine Kinder mit blanken, leeren Augen, die mich nicht mehr anflehen, nur anstarren, nicht einmal vorwurfsvoll, nur leer und Teer steigt auf in ihren Augen. Schon hat sich an meiner Seite eine Blase gebildet, ein pralles Geschwür aus Dunkelheit und Schwärze. Es ist der Teer, der in mich steigt. Es sind die grausamen, frisch geteerten schnurgeraden Straßen der Stadtautobahn. Diese Schwellung, diese Schwärze aufbrechen, ausleeren in einen letzten Alptraum von surrenden Fenstern, stöhnenden Schächten und knurrenden Automaten erbrechen und sie die schwarze Milch des Vergessens saufen lassen bis sich selber nicht mehr erkennt, das sollten wir tun und mit dem ersten Licht des Tages entkommen.
  21. Lieber @Joshua Coan ich habe mich auf die Serie mit einer inneren Distanz zu den Werken Tolkiens eingerichtet und bin daher recht entspannt, dass viele Sachen so gar nicht zu einander passen, wenngleich es manchmal schon sehr weh tut. Als ein Beispiel sei die Religion der Zwerge genannt, die bekanntlich an Reinkarnation glauben und daran, dass Durin sich (wie der Dalai Lama) immer wieder reinkarniert. Die Idee von zwei parallelen Durins finde ich da schon ziemlich dreist. Auch würden die Zwerge Aule natürlich niemals Aule nennen sondern Khuzdul Finrod ist bekanntlich auch nicht gestorben auf der "Jagd nach Sauron", sondern weil er Luthien und Beren geholfen hat während Galadriel zu dieser Zeit noch in Valinor weilte. Zudem ist sie schon seit dem ersten Zeitalter verheiratet usw. usf. Man muss sich daher schon innerlich immer wieder bewußt von Tolkien entfernen, dann kann man das Stück als (für meinen Geschmack doch etwas zu diverse) quietschbunte Fantasystory durchaus ansehen und Spaß dabei haben. Mir persönlich ist es auch deutlich zu viel CGI, Ich steh mehr auf die handgemachten Effekte wie in den alten Star Wars Filmen, wo alles mit viel Liebe zum Detail modelgerecht nachgebaut wurde. Ich finde man sieht halt das Hochglanz polierte cgi. Gefällt mir nicht so gut . Eine meiner Lieblingsszene war übrigens, als der Wagen mit dem Meteormann von alleine losgewollt ist. Das fand ich doch recht witzig. Die Dialoge sind bisher ziemlich flach, aber es muss ja auch irgendwie alles in die 60 Minuten reingepackt werden. Schauen wir mal, wie es sich weiter entwickelt. mes compliments Dio
  22. Nachdem ich meine Entknotungskünste dank Zeynep voll entfaltet hatte, wir Louis in die stabile Seitenlage legen konnten und sein Anfall dann auch wieder so schlagartig vorbei gegangen wie er gekommen war, saßen die Helmut Kohls und wir anderen erschöpft um Daphnes Kussmundsofa herum. Daphne hatte auf den Schreck erstmal eine Flasche Schampus aufgemacht und ließ das Blubberwasser kreisen. Selbstverständlich hatten wir uns vorher vergewissert, dass Helmut Kohl 1 schon über 18 Jahre alt war und sie hatte Glück: gerade eine Woche vorher war die volltätowierte Helmut Kohl 1 nämlich tatsächlich 18 geworden. Daphne kippte den Schampus wie Mineralwasser herunter: „Was sollte das ? Warum seid ihr hier einfach so bei mir eingedrungen ? Warum wolltet ihr uns kidnappen ?“ Zwei der drei Helmut Kohls schauten betreten zu Boden als Helmut Kohl 3 endlich das Wort ergriff: „Naja wir dachten, wenn wir unsere Botschaft über deine Kanäle verbreiten könnten, würden wir eine ganz andere Aufmerksamkeit für das Klimaproblem bekommen, als wenn wir immer nur in der Fußgängerzone herumstehen und Leute anquatschen. Also versteh das bitte jetzt nicht falsch, das ist nicht schlimm und macht uns auch nichts aus, aber das Klimaproblem ist ziemlich dringend und wir brauchen viel mehr öffentlichen Druck. Und da wollten wir dich als Geisel nehmen und dich so dazu bringen, die Botschaft zu verbreiten“. Daphne hustete in die Zigarette von der sie gerade einen kräftigen Zug genommen hatte: „Und wieso fragt ihr nicht einfach ? Einfach mal random fragen ?“ „Ja man, wieso haben wir nicht einfach gefragt?“, sagte Helmut Kohl 2 und strich dem sichtlich erschöpften Louis durchs Haar. Dieser hatte zunächst gedacht, er sei gestorben und Helmut Kohl 2 sei in Wirklichkeit ein Engel gewesen. Das Gesicht des jungen, zierlichen Mannes, der unter der Helmut Kohl Maske gesteckt hatte, musste eine solche Wirkung auf Louis gemacht haben, dass er dachte dieser und nur dieser alleine habe sein Leben gerettet. Jedenfalls himmelte er ihn genauso an und der zierliche Helmut Kohl 2 lächelte ergriffen zurück! Helmut Kohl 3, biss in die Marzipanwaffe und kaute nachdenklich darauf herum. Irgendwann rückte er sich die Brille auf der Nase zurecht und nickte: „Ja wir dachten halt, das macht man so. Auf die Idee zu fragen sind wir nicht gekommen“. „Das macht man so“ raunte die Influencerin und schlug sich mit der Hand vor die Stirn: „Ok wenn ich euch richtig verstanden habe, wollt ihr gegen die Klimaausbeute protestieren und eine Botschaft der ökologischen Vernunft Über meinen Kanal in der Welt verbreiten ?“ Ich verschluckte mich an meinem Schampus, als ich sie das Wort „ökologische Vernunft“ völlig fehlerfrei aussprechen hörte. Hatte das dieselbe Person gesagt, die mich mit „Ey krass, chill, und Cringe“ begrüßt hatte ? „Korrekt“ antwortete Helmut Kohl 3 knapp, schaute kurz auf, schaute wieder zu Boden und biss beschämt das letzte Stück des Marzipanrevolvers ab. Daphne ging zu ihrem Schreibtisch und holte ein regenbogenfarbenes Bändchen aus der Schublade und hielt es den Helmut Kohls unter die Nase. „Wisst ihr was das ist ?“ Fragte sie Die drei musterten das verschlissene Bändchen und blickten sich dann gegenseitig an. Dann schüttelten sie den Kopf. „Das ist ein Fridays for Future Band. Da steht Friday - sehr ihr das, die schwarze Schrift auf dem Regenbogen ? Das hat jeder auf den Demos bekommen. Habt ihr auch so eins ?“ Die drei Helmut Kohls schüttelten betreten den Kopf. „Ihr rennt bei mir offene Türen ein, ihr Idioten! Das ist das, was ich damit sagen wollte, ihr..ihr.. Helmut Kohls! Ich bin schon auf Friday for future Demos gegangen, da lag Greta Thunberg noch im Replikator und wartete auf ihre Batterie!“ „Greta Thunberg kommt aus einem Replikator ?“ Fragte Helmut Kohl 1 ungläubig: „Ne du verarscht uns doch oder ?“ „Und jetzt machen wir einen Deal. Ihr bekommt eure Sendezeit auf meinem Kanal aber ihr überlasst mir das reden! Dafür nehme ich eure Punkte auf und setz das, sagen wir mal, medial ansprechend um. Zum Dank dafür verteilt ihr meine Intimbereichenthaarungscremeaufkleber auf eurer nächsten Demo. Das ist alles 100% Öko zertifiziert. Das Zeug ist so gesund, das kann man sogar essen!“ Die Helmut Kohls nickten eifrig. „Und ihr müsst euch natürlich noch angemessen bei meinem Freund Dirozeross entschuldigen, Er ist nämlich ein sehr berühmter Fotograf und er wird mich fotografieren, wie noch niemand mich fotografiert hat. Der Typ ist ein echtes Medium in das Elysium der fotografischen Ästhetik, nicht so ein Möchtegernprolet und ihr habt unsere heilige Séance gesprengt. Das ist nicht nur total unhöflich, der arme Dionisasos er hat ja auch fürchterliche Schmerzen durch den Sturz erlitten. Shit, kannst Du überhaupt noch knipsen ?“ Fragte sie, zu mir gewandt. Ihre großen Augen klebten geradezu auf meinem Steiß. Ich verzog augenblicklich das Gesicht in Schmerz und Pein und nickte langsam: „Ja müsste gerade noch so gehen“. Dabei gab ich mir Mühe, dass jede Bewegung möglichst schmerzhaft aussah: „und das kostet extra.“ Daphne nickte: „ja klar, sag halt, was es kosten soll.“ „Kein Geld. Dafür kommst Du mit mir zu einer Vernissage von einem Kumpel und sagst auch deinen Hippen Geldsackfollowern Bescheid, damit die ihm eifrig seine echt schräg-geilen Bilder abkaufen“. „Nach Rumänien ?“ Fragte die Influencerin ungläubig. „Nach Köln.. Köln Ehrenfeld um genau zu sein“. „Ok deal“. Sie nickte und nahm den letzten Schluck Schampus. „So nun aber an die Arbeit“ sagte ich und klatschte in die Hände. Die drei Helmut Kohls schauten mich fragend an. „Was glotzt ihr so ? Ihr seid jetzt Teil des Projektes geworden. Eben im Fallen kam mir die Erleuchtung, wie ich Daphne in Szene setze und zwar in Anlehnung an die Geburt der Venus von.. von .. na wer hat das gemalt ihr Klimachaoten?“ Ich blickte gespannt in die Runde: „Leonardo di Caprio ?“ Antwortete Louis, „Sigmund Freud ?“ Kam eine andere Antwort. „Nein Herrschaften, es war Sandro Botticelli. Näheres dazu könnt ihr später in den Kommentaren zu diesem Stückchen lesen, wenn sich einer der Leser erbarmt ein paar Worte dazu zu sagen. Nun wird natürlich die wundervolle Daphne hier die Venus sein und ihr, ihr seid die Muschel und das Meer! Los, raus aus den Klamotten und an die Arbeit!“. Es dauerte noch ein paar Gläser Champagner bis sich auch Helmut Kohl 3 getraut hatte, die Hüllen fallen zu lassen, aber das Ergebnis konnte sich am Ende mehr als sehen lassen. Ich hatte Daphne so inszeniert, dass die naive, fast infantile analoge Bräsigkeit, mit der sie mir eingangs begegnet war vollständig erhalten bleiben konnte, ohne die Grazie und Unschuld der weiblichen Digital-Göttin zu riskieren, die ganz wunderbar in der Erhabenheit des langen Halses und der leicht verschränkten Schenkel zum Ausdruck kam. Ihre schulterlangen Haare ließ ich offen in die rechte Gesichtshälfte fallen und mit dem Wind spielen. Wie so oft im Leben, wo Komiker eigentlich depressiv sind, Schauspieler, die depressive Rollen spielen Frohnaturen, ernste Menschen im Grunde lustig und lustige Menschen häufig todernst, war auch die Verkäuferin von Intimrasurkosmetika beachtlich unrasiert, so dass ein wunderschönes naturgewachsenes Dreieck sich unter dem Sonnengeflecht ihres adeligen, kleinen Bauchnabels absetzen konnte, als sei es eine urzeitliche Grotte, die mit seltenen Kräutern und Heilpflanzen bewachsen war. Ich konnte mich gerade noch so beherrschen, nicht davon zu naschen. Daphne hatte mit den drei Helmut Kohls einen Schlachtplan entwickelt und Louis und Helmut Kohl 2 hatten sich direkt am gleichen Abend fürs Museum verabredet, so dass ich mit ihr alleine in der großen Villa war. Sie hatte mir mehrmals angeboten, mich in ein Sternerestaurant einzuladen, doch ich hatte dankend abgelehnt. Mir war nach diesem ereignisreichen Tag nach Takeaway Sushi und einem oder zwei Glas guten Weins. Die Gyoza schmeckten einfach himmlisch und passten ganz hervorragend zu dem schön kühlen Cloudy Bay, den wir uns dazu genehmigten. „Man war das ein stranger Tag“, seufzte die Influencerin und biss genüsslich in ihre Katsu Springroll: „aber dieses Foto das du heute von mir gemacht hast ist einfach umwerfend gut geworden. Mega !Hat sich total gelohnt! Danke!“ Ich grinste und freute mich über ihre Anerkennung. Statt das übliche Geseiere und Arschkriechen bei dem man auf ein ernst gemeintes Kompliment mit einem nicht ganz so ernst gemeinten Gegenkompliment antwortet, bekam sie von mir die einfache Wahrheit: „Ich habe Dich als schamlose Venus gesehen und auch als solche festgehalten. Du bist wirklich eine Naturgewalt, eine Venus impudique. Du bist nicht Botticelli, Dein ganzer Vibe ist Steinzeit, Ursprung und deine ganze Oberflächlichkeit ist wie der Glanz auf den Flügeln einer Adlerin, die der echten Morgensonne aus einer Computerwelt entgegensteigt. Du bist so mächtig wie ein echter Sonnenstrahl, wenn du es sein willst und so radikal wie eine digitale Nacht“. „WoW“ sagte Daphne: „das hat noch nie einer zu mir gesagt. Weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Willst Du Dich in mein Bett schleimen oder wie soll ich das verstehen ?“ Grinste sie. „Naja“, erwiderte ich: „in Dein Bett und ganz nah an deine wunderschönen Schenkel“. Sie grinste und funkelte mich mit den großen Augen an. „Wenn ich solche Sachen wie heute erlebe denke ich mir manchmal, wie schnell alles vorbei sein kann, wie wenig Zeit wir eigentlich haben. Wie wir uns die Dunkelheit nicht vorstellen können und plötzlich ist sie einfach da! Wir glauben immer, alles im Griff zu haben, alles planen zu können und dann passiert so etwas, oder ein Unfall, oder ein Unglück, oder ein Unwetter.“ „..oder ein Lottogewinn“ sagte ich schelmisch „Haha“ machte sie „Ich hätte eigentlich heute Abend über die Zeit philosophieren sollen mit meinen Jungs. Statt dessen bin ich jetzt bei dir und wir haben zusammen mit den Helmut Kohls ein Meisterwerk geschaffen das alleine zählt doch! Weißt du, was ich glaube, was Zeit am Ende einfach ist ?“ Sie schüttelte den Kopf „Bewegung. Alles bewegt sich. Es gibt nichts, das sich nicht bewegt. Zeit ist Veränderung und Veränderung ist Bewegung“ „Doch es gibt etwas, das sich nicht bewegt“ sagte sie zu meiner Überraschung: „Gedanken, Gefühle“ Da hatte sie einen interessanten Punkt gebracht, über den ich selber noch gar nicht nachgedacht hatte. Sicherlich bewegten sich die zu Grunde liegenden Neuronen, die elektrischen Impulse, die Neurotransmitter, der Druck auf der Haut, der Nervenreiz, der akustische Reiz, das Signal im Auge, alles Bewegung.. aber die Gedanken, die Gefühle ? Das emergente ? „Oh man darüber muss ich nachdenken“ sagte ich, ehrlich beeindruckt. Sie nickte und rückte näher heran und flüsterte: „aber erst, nachdem wir uns etwas bewegt haben“. Eevil fiel mir auf dem Männerklo immer wieder um den Hals: „Alter ich küsse Deine Augen! Fuck Alter, du hast Daphne Rimbling ja gleich mitgebracht. Alter wie geil ist das denn ? Die hat schon vier Bilder von mir gekauft! Und die ganzen Follower. Da sind sogar ein paar Mädels von der Bildzeitung dabei hat sie mir gesagt. Oh mann, jetzt komm ich doch noch raus mit meinen Sachen. Ich könnte dich knutschen Dio!“ „Pah geh weg von mir du Kraken!“ Rief ich und drückte ihn etwas fort: „deine Geldgier ist einfach ekelig, unwürdig und total Anti-Kunst. Ich hab nur eine Bitte“ „Alles was du willst, Alter“ „mal mir ein Bild in dem sich nichts bewegt, in dem keine Bewegung angedeutet oder angelegt ist, wo nicht einmal eine Bewegung zu erahnen ist okay? Mal mir ein vollkommen zeitloses Bild!“ „Ich hab zwar noch keine Ahnung wie ich das anstellen werde aber klar Alter, wenn es das ist, was du willst, dann kriegst du es, ist doch klar!“ „Wunderbar“ sagte ich: „geh schon vor, ich komm gleich nach“. Sobald Eevil freudestrahlend wieder im Atelier verschwunden war, machte ich mich durch den Hintereingang davon auf der Suche nach einem neuen Model. Die schamlose Venus hatte mich nämlich auf eine total ausgefallene Foto-Idee gebracht.
  23. Während die anderen wie erstarrt in ihren Sitzen festklebten wußte ich, der schon viele Kneipengänge aus dem berüchtigten Köln-Kalk zur tiefsten Nachtzeit mitten in die City überlebt hatte, dass man niemals, aber wirklich niemals in das Auto eines Entführers einsteigen durfte. Man musste seine Chance, die einzige Chance die man überhaupt hatte, nutzen. Wenn man einmal auf den Rücksitz eingestiegen war, auf den Rücksitz, wo es keine Türen mehr gab, auf den Rücksitz wo die Türen verschlossen worden waren, auf den Rücksitz, wo die Fenster aus Blei waren, die Türgriffe aus Knete, war man verloren. Dann läuft es immer nach demselben Schema: Ted Bundy, Edmund Kemper, John Wayne Gacie: Erst vergewaltigen sie dich, dann töten sie dich ! Oder sie fressen dich gleich bei lebendigem Leibe auf: Jeffrey Dahmer! Wie ein junger Panther sprang ich aus dem großen Sessel, der kußmundroten Lippen nachempfunden worden war, auf, in einer Eleganz, die es geradewegs so aussehen ließ, als habe eben dieser überdimensionale Mund ganz lässig bloß einen Kirschkern ausgespuckt und dabei „Love me Tender“ gesungen, also mit einer derartigen Grazie, als sei hier nicht ein drittklassiger Aktfotograf in einer im Schritt deutlich zu engen, pechschwarzen Slimfit-Jeans aufgesprungen -die dabei bedenklich gespannt worden war- sondern ein leibhaftiger Spiderman einem Marvel-Comic entstiegen! Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass die Geiselnehmer offensichtlich nicht damit gerechnet hatten, auf Gegenwehr zu stoßen. Helmut Kohl 1 und Helmut Kohl 2 sprangen nervös etwas nach vorne und Helmut Kohl 3, der auch den Tischtennisball im Mund zu haben schien, versuchte mir auszuweichen, indem er in die Knie ging und die Waffe bedrohlich in meine Richtung schwenkte. Dabei wuchtete er seinen gigantischen, fetten Körper, der in einem lächerlich engen Blaumann steckte, in einer beeindruckenden Halbdrehung um den vor ihm stehenden Eileen-Grey-Tisch und gab einen Laut von sich, der an das Husten eines Nilpferdes erinnerte. Mit Nilpferden hatte ich als Kind schlechte Erfahrungen gemacht, weswegen mich der Schrei für einen kurzen Moment aus der Konzentration riß und bewirkte, dass ich -entgegen meines vorherigen Planes -den mitten im Raum stehenden stark gepolsterten Sybian der Influencerin als Sprungkraftverstärker zu nutzen, was ich besser getan hätte- auf den roten Teppich daneben auswich, welcher bedauerlicherweise nicht mit einem Teppichstopper untersetzt war, was nun dazu führte dass ich ins Trudeln geriet und meinen Karatesprung nicht vollenden konnte. Statt dessen krachte ich geradewegs in Helmut Kohl 1, riß diesen mit mir um und landete sodann so heftig auf dem Rücken, daß mir der Atem versagte und mein Bewusstsein erlosch. Ich kam zu mir auf der Couch liegend, auf der mir die Influencerin eben noch gegenüber gesessen hatte, allerdings nun mit Seidenschals an Händen und Füßen gefesselt. Beim Anblick der Schals musste ich seufzen, weil ich unweigerlich an meine Romanze mit der wunderbaren Seidenschalbändigerin Zeynep K. Aus Köln Bayenthal denken musste .. und all die schönen Fotos! Doch dies ist eine andere Geschichte und muss ein anderes Mal erzählt werden. Die Anwesenheit gleich dreier Helmut Kohls, von denen einer zwar nicht bis an die Zähne, aber immerhin mal grundsätzlich bewaffnet war, riß mich schnell wieder zurück in die bedrohliche Gegenwart. Neben mir saßen die ebenfalls gefesselte Daphne und ihr Diener Louis. Daphne diskutierte ziemlich wütend und aufgebracht mit Helmut Kohl 3, den man immer noch nicht verstehen konnte. Zwischenzeitlich war Helmut Kohl 1 offensichtlich aufgewacht und ich staunte nicht schlecht, als ich ein junges Mädchen erblickte, das eine zerrissene Helmut Kohl Maske in Händen hielt. Die kleine hatte raspelkurze, weißblonde Haare, einen fetten Nasenring und ziemlich viele Tattoos. „Ich versteh kein Wort du Fettsack“, hörte ich Daphne schreien: „Nimm die verdammte Maske ab du fette Sau, sonst versteht Dich doch keiner!“ „Ey, kein Body-Shaming!“ protestierte die demaskierte Helmut Kohl 1, wurde aber von einer sichtlich wütenden Daphne niedergebrüllt. Louis hatte sich sitzend in sich selbst zusammengerollt und winselte ängstlich vor sich hin. „Essssch chippt cheinen Chrunt für Beleichichunchen!“ Tönte es aus Helmut Kohl 3 heraus, der nun hektisch mit den Händen über seinem dicken Bauch gestikulierte. Dabei kam ihm immer wieder der viel zu kleine Blaumann in den Weg. „Alter“ brüllte die Influencerin: „Alter merkst du was ? Man versteht kein Wort! Außerdem hat die Betty da gar keine Maske mehr auf! Wir können euch auch so identifizieren. Wenn Du was willst, nimm die scheiß Maske ab und rede normal mit uns. Man kann doch über alles sprechen, aber verständlich sprechen sollte man schon!“ „Ey ich heiß nicht Betty, klar Tussi“, schnauzte Helmut Kohl 1 und erhob drohend die flache Hand. Nun meldete sich Helmut Kohl 2 mit einer überraschend leisen, fast schon sanften Stimme und sagte: „Sie hat Recht. Maja hat doch eh schon ihre Maske runter. Mir ist auch total heiß unter dem Ding und dich versteht man leider wirklich nicht Reini.“ „Man Dede du sollst doch unsere Namen nicht nennen, bist du total verrückt ? Jetzt wissen die doch wie wir heißen!“, schnauzte der als Maja enttarnte, volltätowierte Helmut Kohl 1 . Nachdem Helmut Kohl 3 völlig unverständlich grunzend und gestikulierend versucht hatte, hier für Ordnung zu sorgen und das offensichtlich so gar nicht funktionierte, riß er sich endlich die Maske vom Kopf und zum Vorschein kam ein munteres, sehr pralles aber nicht unfreundliches rosafarbenes Gesicht, das sich wie ein selbstaufblasbares Gummiboot entfaltete und dabei sichtlich entspannte. Helmut Kohl 3 musste furchtbare Qualen unter der Maske ausgehalten haben. Und dann passierte es tatsächlich: Helmut Kohl 3 spuckte einen Tischtennisball aus ! „Heilige Scheiße!“ Entfuhr es mir schlagartig: „Ein Tischtennisball! Ich wußte es! Ich wußte es von Anfang an! Ein gottverdammter Tischtennisball“ Anerkennend nickte ich mit dem Kopf, verzog aber sofort vor Schmerzen wieder das Gesicht, weil mir der ganze Rücken weh tat. Ich war beeindruckt. Dieser Mann hatte offensichtlich über Stunden einen Tischtennisball in seinem Mund jongliert, während er sein viel zu massiges Gesicht in eine viel zu enge Helmut Kohl Maske gequetscht hatte und dabei noch rege zu sprechen, bzw. Laute auszustoßen, begonnen hatte! Das war eine nicht zu unterschätzende Alltagsleistung, die unter anderen Umständen mich dazu bewogen hätte, dem Subjekt der Bewunderung ein paar Kölsch in meiner Lieblingskneipe dem Leuchtturm im Veedel einzuflößen. Nun waren die Umstände allerdings andere, so dass ich ihn nur grimmig mustern konnte. Ich versuchte sogar kurzzeitig, den „Blick des Todes“ auf ihn anzuwenden, konnte mich aber nicht hinreichend konzentrieren, um ihn wirklich damit zu erledigen, was letztlich sein Glück gewesen war. Nun begann Helmut Kohl 3 zu sprechen: „Guuut, dass ist jetzt etwas blöd gelaufen… Einmal von Dir Dede dass Du unsere Namen gesagt hast, aber auch von dir Maja weil du deine Maske verloren hast“ „Spinnst du jetzt total Reini ? Ich hab die Maske nicht verloren. Der Wichser da..“ und dabei zeigte sie mit ihren schwarz lackierten Nägeln, von denen der Lack schon absplitterte, zitternd auf mich: „der hat mich einfach umgeknallt. Ey ich bin voll hingeknallt! Voll auf den Rücken so. Fuck.. mir tut alles weh verdammt!!“ schrie sie empört und konnte gerade noch eine Träne verdrücken. Der so angesprochene Helmut Kohl 3, der offenbar auf den sehr treffenden Namen Reini zu hören schien, zuckte mit den massiven Schultern und fuchtelte unbeholfen mit der Waffe in der Luft herum: „Herrje. Das ist jetzt alles ziemlich blöd gelaufen“ wiederholte er sich und grabschte in seiner Tasche herum, grabbelte schnaufend eine Brille hervor, die er sich stöhnend und schwer atmend auf die Nase schob. Dann wischte er sich den Schweiß aus dem Gesicht und räusperte sich: „Nungut hilft ja nun auch nichts mehr. Wir“ und dabei zeigte er mit der Waffe auf Helmut Kohl 1 und 2 und schließlich auf sich selbst: „..wir sind Thirsty for Fridays!“ Nachdem er das gesagt hatte, machte er eine künstliche Pause und grinste stolz und groß über die rosigen Bäckchen, offenbar um abzuwarten, welchen epischen Einschlagskrater diese Worte bei seinen Gefangenen hinterlassen würden. Louis war mittlerweile dazu übergangen wie ein Baby in Embriostellung auf der Couch hin und herzuschaukeln, während Daphne mich mit einem Blick ansah, den ich später unbedingt in einem Foto verewigen wollte: „Durstig nach Freitagen ?“ fragte ich ungläubig und konnte trotz der durchaus nicht ungefährlichen Umstände -immerhin hatte der als Helmut Kohl 3 getarnte Reini immer noch eine Waffe in der Hand- kaum ein Lachen unterdrücken. Helmut Kohl 3 schien enttäuscht, fast beleidigt, dass wir nicht ehrfürchtig die Augen aufrissen bei dem mehr als lächerlichen Namen „Thirsty for Fridays“ und sah sich offenbar genötigt, näher zu erläutern: „Ja, wir sind durstig nach Freitagen.. Also das ist so ein Metapher-Ding.. Also wir sind eben durstig danach, dass die Leute auf die Straße gehen für ihre Rechte und für die Rechte ihrer Kinder auf eine intakte Umwelt auf die Straße gehen: an Freitagen eben… aber auch an Feiertagen oder auch an Arbeitstagen, also an sonstigen Arbeitstagen außer Freitagen! Wir wollen damit unser totales commitment mit Fridays for future ausdrücken und sind total besorgt wegen des Klimawandels!“ „Ja und wegen der ganzen anderen Sachen, Scheiße mann, wegen der ganzen anderen Scheiß Sachen halt auch mann, fuck, fuck !!“ raunte die tätowierte Kleine und Helmut Kohl 2 ergänzte mit seiner zarten, fast gehauchten Stimme: „Ja genau.. Mann, genau!!“. Plötzlich begann das Sofa unwirklich zu vibrieren und ich dachte schon, Daphne hätte auf irgend eine magische Weise ihren gigantischen Sybian unter uns gewuchtet und würde nun -grausam Rache nehmend- mit dem kussmundroten Sofa aus dem der Gott der Sybians hämmernd, vibrierend und trommelnd aufsteigen würde alle Helmut Kohls zur Besinnungslosigkeit penetrieren, als ein fürchterlicher Schreckenschrei, von Daphne und Helmut Kohl 2 gleichzeitig entäußert, mich alle Schmerzen überwinden und mich aus dem Liegen hochstoßen ließ, um an Daphne vorbei zu schauen, wohin beide nämlich schreiend blickten. Und da sah ich das ganze Drama: Louis, der treue Diener der Influencerin, der devote Louis, war offensichtlich ob der für ihn traumatisierenden Umstände in eine derartige Erregung verfallen, dass diese nun in einer Art Anfall geendet war. Zuckend und Schaum spuckend wälzte er sich mit aufgerissenen Augen auf dem Sofa hin und her und drohte wahlweise zu ersticken oder sich das Genick zu brechen. „Macht ihn los! Verdammt - er stirbt!“ Schrie Daphne und augenblicklich sprangen alle drei Helmut Kohls auf und waren sofort bei dem Diener. Hektisch fuchtelten sie an den Seidenbändern herum, schienen diese aber nicht aufgeknotet zu bekommen, einerseits, weil Louis keinerlei Anstalten machte, seinen krampfenden Körper still zu halten, andererseits weil irgend einer der Helmut Kohls die Seidenschals so festgezogen hatte, dass sie mit normaler Technik nicht mehr loszumachen waren. „Scheiße, ich krieg die Dinger nicht auf“ schrie ein sichtlich verzweifelter Helmut Kohl 2 und strich dem krampfenden und spuckenden Louis zitternd mit der Hand über den Kopf, weil es die einzige Geste menschlicher Nähe war, die ihm einfiel und Helmut Kohl 1 und 3 zerrten wie Verrückte an den Schals. Meinen Umgang mit Seidenschals hatte ich von Zenyep gelernt, die ihrerseits diese Kunstfertigkeit von ihrem jüdischen Kindermädchen erlernt hatte. Wenn einer in der Lage wäre, diese Höllenknoten zu öffnen, dann ich, doch es gab ein Problem: Ich selber war ebenfalls derartig gefesselt worden! Also nahm ich all meine Fingerfertigkeit zusammen und begann ein interdimensionales Bild des Knoten, mit dem meine Hände auf meinem Rücken fixiert worden waren, vor meinem dritten geistigen Auge entstehen zu lassen. Hierbei wiederum kam mir meine Beziehung mit einer japanischen Künstlerin namens Midori zu Gute, bei der ich den richtigen Umgang mit Fingern und Zunge einstmals erlernt hatte. Ich hatte sozusagen bei ihr den Waffenschein für diese unscheinbaren Werkzeuge tiefster Befriedigung machen dürfen, inklusive verschiedener Intensivworkshops bei denen wir Stellungen aus dem Kamasutra für Hand und Zunge abwandelten und neu interpretierten. Die Krönung fand unsere Beziehung in einer öffentlichen Ausstellung, die bedauerlicherweise auch das Ende derselben einläutete. Es war nämlich diese Ausstellung gewesen bei der Midori ihren zukünftigen Ehemann Ralf kennengelernt hatte. Ralf war mit zwei Zungen und je sechs Fingern an jeder Hand geboren worden, was ihn auf der Schule und in der Schrauberbude, wo er gelernt hatte zu einem Freak, im künstlerischen Terrain von Midori allerdings zu so einer Art Halbgott gemacht hatte, dem ich nicht würdig war die Schuhe zu binden. Kurze Zeit später nannte er sich nur noch „Han-Zun“ und machte eine Karriere in der Tantraszene, wo ich den Kontakt zu ihnen dann auch ganz verlor. Bedauerlicherweise konnte ich meine Vermutung, dass „Han-Zun“ nichts weiter als eine profane, ja man möchte sagen, geradewegs einfallslose Abkürzung für „Hand-Zungen-Guru“ war daher nicht verifizieren. Die Zeit drängte offensichtlich. Louis gab mittlerweile Geräusche von sich, wie sie kein Mensch entäußern können sollte. Was auch immer mit dem armen Kerl nicht stimmte, es stimmte offensichtlich in erheblichem Ausmaß nicht mehr und der arme drohte jeden Moment an seinem eigenen Schaum oder seiner eigenen Zunge zu ersticken. Gerade jetzt, wo um mich herum alle in Chaos und Wahnsinn zu verfallen schienen, mahnte ich mich dazu, ruhig zu werden und meinen inneren Jedi-Ritter zu kanalisieren. Ich atmete drei Mal ruhig ein und aus und dann begannen meine Finger ihren so gerühmten Zauber zu vollführen, wurden fast selbständig und meine Zunge begann, obwohl sie eigentlich gar nichts zu tun hatte, fast schon instinktiv aus meinem Mund heraus- und in der Gegend herumzuwandern, in der Luft herumzutanzen wie ein junger Flaschengeist, der zum ersten Mal drei Wünsche erfüllen durfte. Der erste Wunsch war meine Fesseln zu lösen, der zweite Louis Fesseln zu lösen und den dritten Wunsch wollte ich mir noch etwas aufheben. Ich war mir sicher, dass es noch schlimmer kommen würde.
      • 6
      • Schön
      • wow...
      • Gefällt mir
  24. lieber @Vagabund und liebe @Elisabetta Monte und lieber @Carlos ich freue mich sehr dass ihr am einstieg der kurzgeschichte spaß hattet und verspreche dass sie nicht zu lang werden wird mes compliments Dionysos
  25. Ich war auf die Vernissage eines Künstlerkollegen eingeladen worden, der ich unwillig Folge leistete. Meine Versuche, die Einladung auszuschlagen, waren nicht erfolgreich gewesen. Mein Bekannter hatte mich nach meiner ersten Absage mit Nachrichten und Anrufen so lange genervt, bis ich endlich aufgab und zusagte. Wir pflegten eine sehr offene Kommunikation und so wunderte es mich nicht, dass er mir nach meiner zweiten Absage schon offenlegte, warum er mich unbedingt dabei haben wollte: „Ich erhoffe mir von Deiner Anwesenheit diese gewisse Form verruchter Publicity, wie nur du sie mir verschaffen kannst“. Ich antwortete nicht, ließ eine lange Pause entstehen, die er offenbar mit einer Vertiefung seiner Ausführung beenden wollte: „..komm schon, wenn der Lieblingsaktfotograf von Daphne Rimbling kommt, dann kommt auch dieses ganze junge Hipsterpublikum, die gar nicht warten können das Geld ihrer Valium-Oberschicht-Mamas für echte Kunst auszugeben“. „Dir gehts also nur ums Geld?“ Ich ließ erneut eine künstliche Pause entstehen und seufzte dann völlig überzogen: „okay. Das kann ich verstehen. Ich mache es nur, weil Du mich ab und zu mit Jenna schlafen läßt“. Schockierte Stille am anderen Ende. „Das war ein Scherz EEvil, nur ein Scherz“. Edmund-Egon-Valentin, den wir alle nur EEvil nannten und der seine künstlerische Laufbahn wie wir anderen eher auf dem zweiten Bildungsweg, dem Weg der Straße, entdeckt hatte, keuchte erleichtert: „Hast du wirklich gedacht, ich würde mit deiner Transen-Freundin schlafen und es dir erzählen?“. Ich lachte ein letztes Mal laut auf und grummelte dann ins Handy: „also gut du Nervensäge. Ich komme. Bin heute Abend dabei. Aber ich bleib nur auf ein paar lobende Worte und einen Absinth“. „Danke, Mann. Du bist ein echter Freund. Nicht so eine Konkurrenzkacke bei Dir. Find ich prima Dio. Vielen Dank!“ Ich nickte und legte auf und schob mir eine reife dunkelrote Kirsche vom Markt frisch aus der Papiertüte in den Mund. Im Grunde hatte EEvil meine volle Unterstützung verdient. Er und Jenna, eine sehr sinnliche junge Frau, die im Körper eines Jungen geboren worden war und sich nach und nach durch die Hormontherapie auch körperlich zu einem weiblichen Wesen hin entwickelte, hatten mich mehr als einmal aus irgend einer dunklen Kaschemme gezogen, als ich im Vollrausch von irgend einer Theke getorkelt war. Vordergründig ging es mir natürlich immer nur darum, neue Models für meine Aktfotografien zu suchen. Warum diese Suche immer besoffen in den Armen fremder Frauen endete, war mir damals egal. Ich wußte, wenn ich nicht mehr konnte, konnte ich immer noch EEvil und Jenna anrufen und die beiden würden schon kommen oder jemand schicken, der sich kümmerte. Von daher war es für mich auch selbstverständlich, dass ich EEvil und seine abstrakte Malerei mitzog, als meine Fotos von einem jungen, aber wie ich später erfahren sollte, extrem erfolgreichen und bekannten YouTube-Sternchen entdeckt und gehypt worden waren. Eines Tages trudelte eine Email von einer gewissen Daphne Rimbling ein. Sie war recht kurz: „Hi Dionysos, hab ein Foto von Dir bei einer Freundin gesehen und bin total begeistert. Ich will unbedingt, dass Du mich auch fotografierst. Ruf mich bitte mal an, um einen Termin zu vereinbaren. Xoxo Daphne Rimbling“. Da ich zu dieser Zeit nichts besseres zu tun hatte und vom Erbe meines verstorbenen Großvaters Hamza-Dionysos mehr als auskömmlich leben konnte rief ich sie am nächsten Tag zurück. Von ihrem schwulen Manager, der den Hörer abnahm, erfuhr ich in einem nicht enden wollenden Monolog, dass Daphne eine der erfolgreichsten Youtuberinnen und Influencer in Deutschland sei und das jetzt die Chance auch für mich bestehen könnte, endlich etwas aus meinem sinnlosen Leben zu machen. Im Schatten von Daphne, die man wirklich, wirklich nur als Naturgewalt, als Genie, als "eine unter Millionen" bezeichnen konnte, so erfolgreich sei sie mit ihren 23 Jahren schon jetzt, würde jedes Unkraut wachsen und zu einer schönen Blume gedeihen können. Er selber habe das am eigenen Leib erlebt. Bevor er in den Dunstkreis von Daphne Rimbling aufgenommen worden sei, sei sein Leben nicht viel Wert gewesen, er selber nur ein Unbekannter, total unsicherer Schwuler voller Angst ein verspießtes Leben als Steuerfachangestellter führen zu müssen. „Kommen Sie aber ja pünktlich Morgen dann zum Termin. Daphne hasst Unpünktlichkeit“ herrschte er mir noch entgegen, als wir uns verabschiedeten. Ich hatte eingewilligt einen ersten Kennenlerntermin in der Villa der Influencerin in Berlin wahrzunehmen. Daphne, so erklärte mir ihr Manager, wolle immer gerne schnell die Dinge erledigt haben und um den Job für das Fotoshooting zu bekommen, müsste ich schon morgen in Berlin auf der Matte stehen. Eigentlich hatte ich ganz andere Pläne, denn morgen war der erste Samstag im Monat und zu dieser Zeit lud ich immer eine Gruppe ähnlich erfolgloser Junggesellen, die ich teilweise noch aus der Schule und dem Studium kannte, in meine Porzer WG ein, denn am ersten Samstag eines jeden Monats tagten schon seit Urzeiten „die Herren des ominösen Samstag“, verbrachten den Abend mit Wein, Musik, guter Salami und französischem Käse und immer einem Thema, das sich der Teilnehmer, der gerade an der Reihe war, aussuchen konnte. Morgen war ich eigentlich an der Reihe gewesen und mein Thema hätte „die Zeit“ gelautet. Aufgrund der Verpflichtungen unserer Mitglieder hatten die Herren vom ominösen Samstag natürlich eine Regelung für solche Kollisionsprobleme. Diese wurde auch in meinem Fall angewendet und so würde die Runde dieses Mal ohne mich tagen. Vermutlich hatten sie sich bereits zum gemeinsamen Kochen getroffen, als ich samstags morgens in den Zug nach Berlin gestiegen war. Sodann begann ich zunächst einmal meine Auftraggeberin zu recherchieren. Zunächst hatte Ich bei ihrem Künstlernamen an ein drittklassiges Pornosternchen gedacht. Schnell wurde mir aber klar, dass Frau Rimbling mit ihren gerade einmal 22 oder 23 Jahren schon ein kleines Imperium aufgebaut hatte: Erfolgreiche Influencerin für Reizwäsche, Aufbau einer Intimenthaarungskosmetiklinie, Investition in Immobilien, ein Blog über Ästhetik, Lust und Luxus. „Interessant“ säuselte ich, während ich mir eine getrocknete Kirsche in den Mund fallen ließ und natürlich witterte ich sofort meine Chance auf einen „Breakthrough“ wie man in der Kunstbranche gerne sagte. Ich selber stammte ja ursprünglich nicht aus der Kunstszene, sondern war eher durch Zufall dort hineingerutscht. Nach dem Studium der Psychologie war mein von mir heiß geliebter Großvater, der Kölner Industrielle Hamza Dionysos von Enno im Alter von 101 Jahren in einem luxuriösen Altersheim gestorben, während er sich von seiner Krankenschwester sprichwörtlich zu Tode reiten ließ. Zu meiner anfänglich größten Freude hatte er mit dem Großteil seines Vermögens, den er bereits zu Lebzeiten in mehrere Stiftungen eingebracht hatte, seinen Lieblingsenkel Dionysos, der ja auch nach ihm benannt worden war, bedacht. Für mich bedeutete das, dass ich nie wieder würde anständig arbeiten müssen, was ich fortan auch nicht mehr tat. Statt dessen begann ich all die Dinge auszuprobieren, die mir einmal als Kind gefallen hatten. Schnell begann ich mich der Fotografie zuzuwenden. Meine Liebe zu allen Körperlichkeiten wies mir dann zielsicher den Weg zur Aktfotografie und hier, unter nackten Leibern alle auf gewisse Weise gleich und auf gewisse Weise einzigartig, fühlte ich mich mit meinem ästhetischen Empfinden angemessen abgegolten. So begann mein Einstieg in das Leben eines wahren Hedonisten. Irgendwann auf dem Weg musste ich -mehr breit als nüchtern- auch die beste Freundin der besagten Influencerin Daphne Rimbling, abgelichtet haben und hatte beiden offenbar so sehr imponiert, dass sich die Freundin nun auch ein Werk des Künstlers wünschte. Zufrieden ließ ich mich im Sitz zurückgleiten und lächelte versonnen aus dem Fenster: Was gab es denn schöneres, als dass ein 22jähriges Mädchen die Kunst eines Mittvierzigjährigen noch so attraktiv fand, dass sie ihn zu sich anreisen ließ, um die Pläne für ein -finanziell nicht gerade günstiges- Projekt zu besprechen. „Der Preis spielt keine Rolle“, hatte mir der schwule Padawan am Ende der Leitung noch zugesäuselt und ich verabschiedete mich mit einem gekonnt-diskreten: „selbstverständlich“. Ich nahm die S-Bahn nach Zehlendorf und stand bald schon vor der durchaus beeindruckenden Villa der Influencerin. „Hi, ich bin Daphne. Cool, dass das du kommen konntest. Wir können doch DU sagen ?“ „Klar, ich bin Dionysos“ „Krasser Name. Ist das Rumänisch ?“ „Griechisch“, sagte ich „Voll krass. Ich kam nur drauf, weil wir rumänische Gärtner hier beschäftigt haben. Kommst du denn aus Rumänien ?“ „Nein. Aus Köln“ „Cool. In Köln war ich schon ein paar Mal zu Drehs. Ne krass gechillte Stadt.“ Ich musste lachen Wir ließen uns in ihrem Wohnzimmer nieder und sie kam auch recht schnell zur Sache, wie man es von einer umtriebigen, erfahrenen Geschäftsfrau erwartet hätte und nicht von einem Twen. „Du ich muss dir was gestehen. Ich steh voll auf deine Kunst, auf die Fotos die du von Zoe und ihrem Ochsenfrosch Twiggy gemacht hast.. Oder sagt man da jetzt Ochsenfröschin.. hmm…egal jedenfalls die sind so.. so ..gechillt.. ne nicht gechillt.. die sind irgendwie weird.. ein bisschen cringe auch.. total intensiv… MEGA intensiv! Ich will dass du mich auch fotografierst ! Hier“ und dabei zeigte sie auf eine große schneeweiße Wand: „..hier will ich das Foto aufhängen: ich seh den Rahmen schon vor mir. Mega! Knallrot ! Ne Kussmundrot! Da kommt so eine Ausstrahlung rüber von deinem Foto. Sowas will ich auch. Das ist so eine Ausstrahlung.. so…Alive!“ „Alive?“ fragte ich „Alive.. Ja klar.. lebendig. Mega Alive! Auf dem Fotos sieht selbst Twiggy aus wie eine frisch geschlüpfte Froschgöttin“ „Hmm“ machte ich: „so ein großes Foto braucht viel Arbeit, viel Geduld, viel Hingabe“ Sie nickte und steckte sich eine Zigarette an und hielt mir die Packung hin Ich schüttelte den Kopf: „Nein danke.. hab schon lange aufgehört“. „Hingabe kann ich“, kicherte sie neckisch, warf den Kopf zurück und blies einen kleinen Kringel in die Luft, als es plötzlich an der Tür klopfte. Sie warf den Kopf wieder nach vorne und protestierte sichtlich: "Echt jetzt ? Oh mann Louis, ich hatte dir doch gesagt keine Störung! Ich arbeite hier mit einem Künstler an meinem Im.." Das letzte Wort blieb ihr sichtlich im Halse stecken, als die Tür sich öffnete und ein furchtbar nervöser Assistent mit erhobenen Händen voran das Zimmer betrat gefolgt von drei vermummten Gestalten, die allesamt Helmut Kohl Masken trugen. Der größte der Vermummten hielt eine Pistole geradewegs in den Rücken des sichtlich verstörten Assistenten während die anderen beiden sich etwas unbeholfen umschauten. Dann endlich sprach einer von ihnen und es hörte sich so an, als habe er sich vorher einen Tischtennisball in den Mund gestopft. Die Dämpfung durch die Maske machte die ganze Sentenz ungewollt komisch, fast schon lächerlich als er tatsächlich sagte: "Dach icht kein Überchall. Dach icht eine Geichelnahme. Kleiben Chie ruhig, kann chird ihnen nixxts Kekehen."
×
×
  • Neu erstellen...

Wichtige Information

Community-Regeln
Datenschutzerklärung
Nutzungsbedingungen
Wir haben Cookies auf deinem Gerät platziert, um die Bedienung dieser Website zu verbessern. Du kannst deine Cookie-Einstellungen anpassen, andernfalls gehen wir davon aus, dass du damit einverstanden bist.