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Dali Lama

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  1. Moin @Ostseemoewe, leckeres Terzinchen 😄 Formal sieht alles gut aus, durchgehend ein 5-hebiger Jambus mit weiblicher Kadenz, der Reim reimt sich, wie ein Reim das in einer Terzine soll^^ An anderer Stelle hab ich aber noch ein zwei Anmerkungen: Ich schiele auf deinen Nickname, damit erklärt sich der erwähnte, sehr spezielle "Strandkorb", anderswo passt der vielleicht nicht so und darum fand ich den da auch nicht 100 Prozent passend. Zur Gemütlichkeit, die du hier ausdrücken willst, passt es aber sehr gut, dass dieser Strandkorb aus dem Sommer einfach immer noch dasteht und erst jetzt weggeräumt wird 😄 Auch das "Drachenbauen" finde ich recht speziell und da drängt sich fast auf, das steht des Reimes wegen da. So kleinlich will ich aber auch nicht sein. Wer bin ich, das Hobby imaginärer lyrischer Ers zu bewerten^^ "zu machen" muss hier getrennt sein. Die zwei Zeilen zu den Kranichen kommen mir sehr eingeschoben vor. Wir sind gerade in einer kuscheligen Situation im Haus und unvermittelt geht es um vorüberfliegende Kraniche. Es gibt ja auch keine Anzeichen, dass irgendjemand diese gerade beobachtet. Daher ist das als Beschreibung der Szenerie für mich irgendwie der falsche Weg. Interpretativ kann ich die Kraniche gerade auch nicht deuten, die haben symbolisch betrachtet sehr viele Bedeutungen. Auch der Pause-Vers ist mir dabei leider nicht klar. Auch wenn du hier eine Pause ansprichst, der sehr beschwerliche Flug in wärmere Gefilde steht ja stark im Widerspruch zur entspannten Oma-Atmosphäre, die du gerade inbegriffen warst, aufzubauen. "riechst" müsste hier "riecht's" sein. Bei der Kinderspeise dachte ich mir: Ist das so? Ist die Apfel-Mandel-Welle eine typische Kinderspeise? Das fand ich seltsam^^ Ich dachte mir, an dieser Stelle ließe sich vielleicht auch das lyrische Ich einbringen, etwa im Sinne von "Im Hause riecht's nach meiner Lieblingsspeise." Der Rest der Strophe passt aber und ist ein kleiner, feiner, ruhiger Abschluss für ein kleines, feines, ruhiges Gedicht. In diesem Sinne will ich es auch gar nicht zu sehr durchinterpretieren, aber die Stelle mit den Kranichen hat mich da wirklich ganz rausgeworfen. Dennoch gern gelesen 🙂 LG Dali Lama
  2. Moin @Sidgrani, ein schöner Text! Ich glaube, dieses Gefühl der Sehnsucht nach der Kindheit hat jeder mal. Als ich das letzte Mal meine Eltern in meinem Geburtsstadtteil (in Bremen übrigens, @WF Heiko Thiele, moin an dich^^) besucht habe, dachte ich noch, wie unverändert alles ist. Dann sah ich aber, dass ein großer Baum, auf dem ich und meine Schwester immer gespielt hatten, nicht mehr da war. Das hat mich dann doch traurig gemacht. Da hingen einige Erinnerungen in den Ästen. Nun aber zu deinem Text: Metrum und Reim: Metrisch hast einen seeeehr schwermütigen 6-hebigen Jambus, durchgehend mit weiblichen Kadenzen. n Nur der letzte Vers bricht mit einem sogar 7-hebigen Jambus aus. Es fällt schon auf, aber ist an der Stelle auch durchaus gerechtfertigt, unterstreicht vielleicht sogar das Abschweifen der Gedanken - da hält man sich auch nicht mehr an das vorherrschende Metrum 😄 Noch ernster hätte wahrscheinlich ein Trochäus gewirkt, aber das hätte den Text dann vielleicht auch ZU schwer gemacht. Durchgehend ein Kreuzreim mit ansprechenden Reimwörtern. Die fügen sich organisch gut ein. Einzig bei "wüten" habe ich mich gefragt, ob es mir so gefällt. Ich konnte aber auch nicht beschreiben, was mich gestört hat. Vielleicht weil genaugenommen nicht die Einkaufswagen wüten, sondern jene, die sie vor sich her schieben? Sprache und Inhalt: Das Städtchen ist mir hier fast zu groß gedacht, ich war in der Vorstellung eher beim "Viertel". In meiner persönlichen Erinnerung waren die Gänseblümchen DIE Kindheitsblumen, aber das soll deinen Text nicht stören 😄 Das "wüten" hatte ich oben schon beschrieben, aber sonst passt alles so weit. Der erste Einstieg in die Kindheitserinnerung ist dir auf jeden Fall gut gelungen, ich konnte mich sofort da hineindenken. Ich finde es sehr passend, dass du diese harmonische Beschreibung bereits im vierten Vers mit der Realität, dem Erwachsensein störst. Denn genauso schrumpfen ja in unserem Alltag unsere Kindheitserinnerungen immer weiter zusammen und werden - von wütenden Einkaufswagen - verdrängt. Sprache und Inhalt: Hier sind wir dann wieder zurück in einer Kindheitserinnerung, die wird diesmal sogar schon nach 2 Versen abgebrochen. "leise" hat mir nicht ganz gefallen. Ich finde "leise summen" ist schon fast ein Pleonasmus. Da wären andere Adjektive glaube ich geeigneter, um die Situation oder die Oma besser zu charakterisieren, etwa "heiter", "langsam" oder, wenn wir das Summen vielleicht gar nicht brauchen, sowas wie "selbstvergessen" oder "traumversunken". Den doppelten "Platz" in Vers 3 könnte man vermeiden, wenn du schriebst "An diesem Ort" - dann klingt dieser Part durch das lange O auch noch viel weicher im Kontrast zum "Parkplatz" mit den kurzen a's und den kratzigen, k, p und tz. Beim "dunklen Öl" habe ich mich gefragt, ob es denn wirklich so ist? Denn eigentlich sieht man durch das Öl ja immer farbenfroh schillernde Muster in den Pfützen - und auch das wäre ja durchaus eine typische Kindheitserinnerung, da ist ja sicher jeder damals von fasziniert gewesen. Ich kann aber auch deine Entscheidung verstehen, trotz all des sichtbaren Schimmers beim "dunklen Öl" zu bleiben. Denn auch wenn man es - auch als Erwachsener - so nicht sehen kann, WISSEN wir es heute ja einfach besser. Das ist kein verzückendes Naturschauspiel, das waren wir und das ist schlecht für die Umwelt. Mir gefällt in dieser Strophe übrigens der schöne Kontrast zwischen "guter" und "schlechter" Trägheit, denn auch die dort seit Stunden sitzende Oma hat ja etwas Träges an sich. Nur viel schöner als das träge Öl. Sprache und Inhalt: Wehmut und Betrübnis sind sich recht ähnlich, finde ich nicht sooooooo schön. Zwar spielt bei Wehmut der Aspekt des Erinnerns noch mit rein und gibt ihm damit mehr Dimension als "betrübt", aber das macht "betrübt" irgendwie noch obsoleter. Auch hier könntest du die Situation vielleicht noch weiter charakterisieren, indem du dem Himmel vielleicht noch ein Attribut gibst. Erster Gedanke: "Im Herzen Wehmut schau ich in den grauen Himmel," Der Rest passt aber gut 🙂 Damit bleibt mir nur noch: Gern gelesen, LG Dali Lama
  3. III - Die Dagewesene Sie bog sich unter eigenen Gewichten, denn lange Zeit war sie für sich allein. Ein kleiner Keim spross unter einem Stein: Sie nahm dich an sich, um dich aufzurichten. Doch diese Arme hielten viele Winter, und außer Kälte hatte sie nicht mehr. Da welktest du dahin, es war so schwer: Sie nahm ihr Herz und stellte dich dahinter. Aus ihren Fingern wuchs ein Wermutstrauch, der tausend gelbe Köpfe aufwärts streckte - als würd‘ sie dir ein Himmelszelt errichten. Sie ließ dich wachsen und so wuchs sie auch: Kein Winter, der sie nochmal niederstreckte. Und tausend Sterne wurden zu Geschichten. Dali Lama | September 2022 Bild generiert mit künstlicher Intelligenz von Dream by WOMBO
  4. Moin @Waldjunge, schöner Text, find deinen Schreibstil insgesamt sehr ansprechend und auch, wie du das Thema umsetzt. An der ein oder anderen Stelle ließe sich aber noch etwas schrauben, damit der Text noch runder läuft. Wenn du erlaubst: Ich möchte hier direkt anfangen: Die Versalienschrift hat ja immer einen sehr expressiven Charakter, kommt immer laut ausgeschrien rüber. Ich weiß gar nicht, ob das so zu deinem stillen Text passt. Dass hier im Titel die Witwe nun so überdeutlich in den Fokus genommen wird, könnte später noch von Bedeutung sein. Metrum und Reim: xXxXxxXxXxAa xXxXxXxXxB xXxXxXxXxXxAa XxXxxXxXxB Ich denke, Vers 2 und 3 sind, woran du dich metrisch orientiert hast, hier haben wir einen 5- bzw. 6-hebigen Jambus, zweiterer mit weiblicher Kadenz. Die anderen beiden Verse sind leider durch je eine überzählige unbetonte Silbe gestört. Nun mag man hier argumentieren, dass es bei dieser Thematik doch durchaus angebracht ist, auch das Metrum leiden zu lassen. Aber auch das ist ja in geordneten und bewussten Bahnen möglich 😉 Die teilweise "zu vielen" oder "zu wenigen" Versfüße finde ich dabei gar nicht schlimm, hier geht es mir nur darum, dass der offenbar gewünschte Jambus nicht durchgezogen wurde^^ Der Reim ist ein solider Kreuzreim, gerade bei 6-hebigen Versen sicher eine gute Entscheidung, nicht allzu lange auf den Reim warten zu lassen. Sprache und Inhalt: Er, der Verstorbene, ist erst kürzlich gegangen, der Schmerz für die Witwe ist also noch sehr präsent. Der Abgang wird dabei geradezu höllisch beschrieben, mit einer Gluthitze, die aus der Erde hervorkommt. Ob die Hitze nun aber nur eine Begleiterscheinung zur zeitlichen Einordnung oder gar die Ursache für seinen Tod war, ist hier nicht klar. Den Höllen-Gedanken will ich aber für später auch nochmal festhalten. Dazu sei hier auch schon gesagt, dass im letzten Vers die Reihenfolge von "Erlösung" und "erschütternd" durch das "doch" einen großen Unterschied macht. In deiner Umsetzung ist die Erlösung der dominante Aspekt. Und diese Erlösung wird aber auch durch die Erschütterung beeinflusst, abgeschwächt. Wenn das dein Ansinnen war, passt das so natürlich. Vielleicht ist es andersrum aber auch näher an deiner Idee? Es ist sehr erschütternd, dass er gestorben ist, aber eben auch ein wenig erlösend - für ihn? Für sie? Oder aber für den einen war es Erlösung und für die andere erschüttern, das ist so aber auf jeden Fall sprachlich nicht umgesetzt. Sprachlich habe ich hier ansonsten nichts auszusetzen. Ich würde aber für die Metrik noch ein paar Vorschläge machen und dabei insbesondere im letzten Vers auch die verschiedenen Lesarten ausdrücken. Vorschlag: Er starb im Sommer, als in warmen Nächten die Glut der Tage aus der Erde kroch. Sein Gang ins Anderswo, zu unbekannten Mächten, war ihm Erlösung. Und erschütternd doch. / war zwar Erlösung und erschüttert doch. / hat sie erschüttert und erlöst ihn doch. / war so erschütternd und Erlösung doch. Metrum und Reim: xXxXxXxC xXxXxXxXxXxD xXxXxXxXxC xXxXxXxXxD Metrisch hier stabil (einzige Schwachstelle könnte die Dominanz von "jetzt" neben "ist" sein) im Jambus, nur mit einer recht unterschiedlichen Zahl an Versfüßen. Das finde ich aber nicht unbedingt schlimm, immerhin ist die Welt der Witwe ja gerade aus den Fugen geraten. Du könntest überlegen, das "jetzt" evtl. durch ein "nun" auszutauschen. "Nun" zeigt sich in meinem Sprachgefühl weniger dominant neben dem "ist". Sprache und Inhalt: Der Zeitsprung vom Tod im Sommer zur Situation der Witwe jetzt ist hier gut gelungen, da du das über den Strophenwechsel, wo sich ja eine natürliche Lesepause vollzieht, durchgeführt hast. Das Setting ist grundsätzlich geändert. Hier dominiert nicht mehr die Höllenhitze sondern der ersehnte Regen. Damit verstärkst du hier auch die in S1 angesprochene Erlösung. Allerdings hat sich hier bei mir auch immer mehr die Frage aufgedrängt, um wessen Erlösung es denn hier tatsächlich geht. Ist endlich der Verstorbene von seinem Leid erlöst, hatte er sich so gequält? Oder ist die Witwe erlöst? Von der Verpflichtung, ihn zu pflegen? Oder, wenn wir da noch tiefer gehen, von einem Ehemann, an den sie nun vielleicht auch gar nicht mehr zurückdenken mag, weil diese Ehe eine Hölle war? (S1) Sprachlich störe ich mich am "Klatschen" des Regens, das kommt, gerade auch im Kontrast zum "wie ein Tuch auflegen" doch sehr plump und unpassend rüber. Ich denke da nun an ein gänzlich vollgesogenes Tuch, das legt sich auch nicht mehr, das KLATSCHT in der Tat auf. Sicher war das nicht dein Ansinnen? Passender wäre hier vielleicht "tropft", bzw. mit kleineren Anpassungen am nächsten Vers auch "strömt" oder "fließt"? Möglich wäre auch "klopft", was den Aspekt der veränderten Umstände nochmal unterstreichen könnte, die sich mit diesem Klopfen ankündigen. Beim Tuch, das sich legt, denke ich auch direkt an ein Leichentuch, der Leichnam ist verborgen, dieses Kapitel ist abgeschlossen - in meinem "ehemannfeindlicherem" Interpretationsansatz könnte das auch schärfer Richtung "aus den Augen, aus dem Sinn" gehen. Metrum und Reim: xXxXxXxXxEe xXxXxXxXxF xXxXxXxXxEe xXXxXxXxXxF Der Jambus ist bis auf den letzten Vers sicher, da gibt aber auch gleich zwei Probleme: "zwei" ist sehr dominant, viel dominanter als "in" - dein möglicherweise beabsichtigter Trochäus als letzter Vers setzt sich hier also nicht durch. Stattdessen stehen "zwei" und "Welten betont direkt nebeneinander. Dazu kommen "doch" und "noch", die als Schlagreim gezwungenermaßen eigentlich gleich stark betont werden, auch da kann sich das sehr schwache "so" fast nicht durchsetzen, um die Betonung von "doch" zu verhindern. Es mag gewollt sein, dass dieser letzte Vers als Abschluss eines Abgesangs auch metrisch ein Statement setzen will, aber dann hätte ich daraus einfach nur einen vernünftigen Trochäus gemacht und andere Experimente, die ein unsicheres Lesen provozieren, vermieden^^ Reimlich ansonsten, außer dem erwähnten Schlagreim, alles beim alten. Sprache und Inhalt: Das Enjambement aus der vorigen Strophe finde ich ganz gut gesetzt, da ja auch ein Perspektivwechsel, von der Frau im Häuslein nach draußen aufs Haus stattfindet. Nicht ganz so schön ist der ausgelassene Artikel für "Garten", während "Haus" ihm versteckt noch bekommt. Konsequenterweise verdienen beide oder keines den Artikel^^ Fließender wäre das vielleicht sogar in umgekehrter Reihenfolge "auf Haus und Garten", aber dann lässt sich der Satz mit Bezug auf das Haus nicht mehr so fortführen. Allerdings springst du dann auch schon wieder direkt zurück in den Raum, bereits mit dem leisen Traum, den ich auch auf die Witwe beziehen würde. Auch hier sind wieder mehrere Lesarten möglich. Die Witwe, die noch immer vom geliebten Ehemann träumt, oder die Witwe, die in ihren Träumen immer noch vom Ehemann oder dessen Tod verfolgt wird. Die letzten beiden Verse sind inhaltlich und bildlich schön umgesetzt, eine tolle Umschreibung von "nicht da und doch verbunden" und ich lese das hier gern im ganz romantischen Sinne. Auch hier ließe sich mit anderer Lesart aber herauslesen, dass der Ehemann die Witwe weiterhin verfolgt. Sie spürt seine Anwesenheit noch immer, kommt nicht zur Ruhe. Vielleicht wird sie gar im geisterhaften Sinne heimgesucht, was sich durch die andere Welt irgendwie aufdrängt. Vorschlag: auf Haus und Garten, wo es mittlerweile / auf Haus und Garten. Und seit einer Weile so seltsam still ist wie ein leiser Traum. / ist's seltsam still hier, wie ein leiser Traum. Sie sind noch eins, wenn auch getrennte Teile in and'ren Welten, aber noch in einem Raum. / in and'ren Welten, aber noch im gleichen Raum. / einer fort und doch im gleichen Raum. (mit Einleitung durch einen Doppelpunkt am Ende des vorigen Verses) So, bin gespannt, welche Lesart nun "die richtige" ist 😉 Gern gelesen und damit beschäfigt. LG Dali Lama
  5. II – Der Fortgebliebene Da war ein schwarzer Schlund, der Leere spie, und finst’re Tropfen rannen in die Ecken. Auf einer Linie spieltest du Verstecken und hinter dieser suchte er dich nie. Als dann die ganze Leere draußen war, da ist der schwarze Schlund von selbst verschwunden. Du hattest nur noch eine Spur gefunden: Er ging, du folgtest, doch du kamst nie nah. Und weit weg hörtest du ihn Leere speien. Doch mit der Zeit war sie dir Stille nur und aufs Verstecken konntest du verzichten. Du konntest dich vom schwarzen Schlund befreien. Und so wie er verblasste bald die Spur. Sie bog sich unter eigenen Gewichten. Dali Lama | August 2022 Bild generiert mit künstlicher Intelligenz von Dream by WOMBO
  6. Moin @Ostseemoewe, spannend! Kanzonen sieht man nun nicht so oft und hier ist auch erkennbar, woran das liegt. Das ist schon aufwändig, so eine Kanzonenstrophe formal umzusetzen. Wenn ich mich recht erinnere, besteht eine Kanzonenstrophe immer aus 3 Stollen. Hier bei dir sind die ersten beiden Stollen jeweils mit 3 Versen versehen, während der dritte Stollen 4 Verse hat. So soll das mWn sein, der letzte Stollen ist als Abgesang immer länger als ein einzelner Stollen. Metrisch sollen alle Stollen identisch sein. Bei dir finden wir einen 5-hebigen Jambus mit teilweise weiblichen Kadenzen. Das passt auch ganz wunderbar zur Kanzone, die soll ja wie die Ballade gerne dramatischer sein. Reimlich sollen nur die ersten beiden Stollen gleich sein, hier ein dreifacher Kreuzreim. Der dritte Stollen unterscheidet sich im Reimschema, hier bei dir durch den Paarreim gelöst. Formal gibt es also, soweit ich das als Kanzonen-Unwissender beurteilen kann, keine Beanstandung, das hast du sehr clean umgesetzt. Chaepau! Ich schaue hier auch noch einmal auf die inhaltliche und sprachliche Ebene. Da sind mir tatsächlich ein paar Kleinigkeiten aufgefallen: Mir gefällt der Einstieg, hier wird direkt ein Betrug durch den Herbst suggeriert. Denn natürlich ist er ganz und gar nicht warm. Er täuscht uns bloß mit seinem Farbenspiel. Nachdem wir eben noch beim Sonnenuntergang waren, sind wir daraufhin beim anbrechenden Tag, noch verhält sich der Herbst ruhig und trübt kein Wässerchen. Das "Drängen" müsste an der Stelle übrigens groß geschrieben werden. Im Abgesang holst du mich mit dem ersten Vers natürlich ab - ich denke direkt an "Das Farbenspiel des Winds", mein Lieblings-Disney-Song^^ Nun wird auch die Wahrheit über den Betrüger Herbst klar, er ist kalt, und eisig, und winterlich. Die direkte Erwähnung von Wein und Linde lässt mich fragen, ob darin eine tiefere Bedeutung steckt. Eine kurze Google-Recherche ergibt, dass beide tatsächlich für Frieden stehen, interessant? Da sie nun kahl gefegt sind, ist es um den Frieden wohl nicht so gut bestellt und wir müssen uns auf....stürmische Zeiten einstellen. (Ausblick: In der nächsten Kanzonenstrophe geht es aber gar nicht so unfriedlich zu, wie ich nach meiner Google-Interpretation von kahlem Wein und Linde geglaubt hätte - da drängt sich mir fast auf, dass "Linde" eher dem Reim geschuldet ist. Ich freue mich daher über deine inhaltlichen Beweggründe, warum gerade Wein und Linde an der Stelle wichtig sind^^) Der letzte Vers ist schön, mir gefällt auch die Zäsur in der Mitte, da so auch das Lesen stockt, was die "Uneile" unterstreicht. Das Quäntchen finde ich als Wort vom Duktus nicht so passend, klingt unnötig wissenschaftlich. Außerdem finde ich das auch inhaltlich nicht korrekt. Du hattest im vorigen Abgesang, die Kälte doch sehr ausführlich beschrieben. Das geht für mich nicht mit einem Quäntchen einher. Weiter geht es mit mollig warmen Nest- und Lesesesselgedanken, die sind alle soweit in Ordnung. Etwas Reimzwang vermute ich bei "Nord und West": Den Nordwind als bekanntlich kalten Wind kann ich natürlich inhaltlich gut nachvollziehen. Warum da jetzt aber der Westwind - der diesen Eindruck sogar wieder schwächt - inhaltlich wichtig und sinnvoll ist, kann ich nicht herauslesen^^ Im Abgesang mag ich deinen klimaktischen Wechsel vom Fallen, Steigen und Fliehen. Das unterstreicht den wabernden Charakter der Nebelschwaden 🙂 Der Satz danach ist leider umso unschöner - der ist tatsächlich auch mein größter Kritikpunkt an deinem sonst wunderbaren Text. "mit ihnen wilde Gänse südwärts ziehen" ist leider ganz schrecklich invertiert und ich bin mir sehr sicher, das hättest du spielend verhindern können. Die ausgeprägten Staatsgeschäfte sind mir ein Rätsel - ich denke da vordergründig ans Regieren. Ja, sie regieren die Lüfte bei ihrem Flug. Aber das ist doch ein recht fernes Sprachbild hierbei^^ Es stört mich aber auch nicht massiv und sehe nehme ich das als ulkige Umschreibung hin - vielleicht auch politsatirisch für unsere Politikszene, die oft auch nicht mehr tut als wie Gänse zu schnattern. Ich gestehe gleich vorweg: Ich bin von dem Abschluss nicht der allergrößte Fan. Es wurde dann mit Todesengel und Gejammer doch SEHR jammervoll und dramatisch. Rein inhaltlich geh ich - unter der Überschrift "Vergänglichkeit" aber gern mit, wenn der Herbst hier als Stellvertreter des Todes antritt. Hier haben wir nun auch den aus kahlem Wein und Linde herausinterpretierten Unfrieden - da war die mittlere Kanzonenstrophe wohl die Ruhe vor dem Sturm, wobei der mir doch etwas zu sehr abgeflacht ist. Der "blasse Schimmer auf dem Rasen" ist bildlich aber sehr schön - für mich tatsächlich ein viel stärkerer Vers als der letzte, der im Genitiv mit zwei sehr langen Substantiven irgendwie eher umständlich daherkommt. Insgesamt ist dein Text aber natürlich stark, da schließe ich mich den Vorrednern auf jeden Fall an. Ich habe hier nun auch tief gepickt, um die allerletzten Unstimmigkeiten nach oben zu befördern. Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel, gern gelesen, LG Dali Lama
  7. Dali Lama

    Konzert

    Die Reihen sind beengt. Sie wurden eingeladen, um diesen Abend in der Kammer zu verleben. Sie flüstern noch und harren, dem Moment ergeben. Ein Platz wird gerade frei gemacht, des einen Schaden, Freude für den anderen, er pfeift sich durch den Gang. Und das Pfeifen wird zu Schweigen wird zum leisen Klang: Klick und Klack und Klick und Klack, der Auftakt zwischen Stäben schwillt noch an mit einem Unterton aus hundert Gräben. Und alle Winkel füllen sich mit orchestrierten Schwaden, so atemraubend. Und sie schweben, alle schweben. Die Violine summt und lässt sie Hände heben, Blicke fallen – des fremden Meisters Gnaden. Ende. Und Applaus. Das Pfeifen kommt. Der letzte Ton erklingt, bis das tiefe Schweigen durch die Gänge und die Herzen dringt. Doch kein Schweigen macht den Abend je vergessen, alle tragen diesen Unterton in sich, den sie nicht zu vergessen wagen. ______________ 22. Mai 2021
  8. Moin Uschi R., also die Seelentränen kommen mir recht pathetisch rüber, die hat dein Text glaube ich gar nicht nötig. Da gibt es so viele konkrete Emotionen mit denen wir Tränen verbinden, etwa Tränen aus Wut, aus Freude oder auch aus Angst. Schön finde ich die stetige Wiederholung des Vergießens, genau das haben alle Tränen ja auch gemeinsam. Auch die unterschiedlichen "Gewichte", die du leicht andeutest, finde ich hier passend, gerade auch im Zusammenspiel mit der Glasperlenkette, die ja auch kleinere und größere Perlen aufzieht. Unschön finde ich weiterhin die vielen Ellipsen und Inversionen, aber das werde ich diesmal auch nicht vertiefen und bei einem "grünen" Kommentar bleiben 😄 LG Dali Lama
  9. Moin @Sidgrani, ich hatte mir deinen Text heute morgen direkt gespeichert, um ihn zu kommentieren. Nun hat er verdienterweise gleich schon 2 Kommentare erhalten, aber davon lasse ich mich jetzt nicht beirren (ich kommentiere sonst auch gern Texte ohne Kommentare, damit sie wieder nach oben rücken^^). Mit der Form bin ich nicht so vertraut, ist das eine Terzine? Ich meine da war was mit einem Kettenreim, der sich ja auch hier bei dir im Mittelvers komplett durchzieht. SO streng ist es standardmäßig glaube ich nicht, aber da freue ich mich auf eine kurze Formkunde von dir^^ Der 5-hebige Jambus müsste dabei konsequent sein. Den hast du auch lupenrein durchgezogen, wunderbar. Es gibt eigentlich nur eine einzige Stelle, die mir aufgefallen ist, weil sie nicht ganz clean gelöst ist: "aus hohen Wolken Reiserufe schallen" ist als Erweiterung bzw. Ergänzung des "wenn" gemeint, dem konnte ich irgendwann folgen. Also: "Wenn früh am Morgen Eiskristalle blinken UND WENN aus hohen Wolken Reiserufe schallen, " Im ersten Impuls liest sich das aber als kausaler Wenn-Dann-Zusammenhang und dann liest sich der Vers mit einer ganz unschönen Inversion: "Wenn früh am Morgen Eiskristalle blinken DANN aus hohen Wolken Reiserufe schallen," Ich würde das an dieser Stelle nicht provozieren wollen, man bleibt da leider hängen beim Lesen. Wie sehr hängst du am "hohen"? Ansonsten ließe sich der Satz auch narrensicher umformulieren zu: "Wenn früh am Morgen Eiskristalle blinken und aus den Wolken Reiserufe schallen" Ansonsten kann und will ich hier eigentlich nur noch aufzählen, was mir gut gefällt: Mir gefällt die Personifikation von Sommer und Herbst hier sehr gut. Wie herrlich, dass der Herbst hier nun mit Prunk und Gaben beschrieben wird, sicher Attribute, die gern dem Sommer zugeschrieben werden. Doch hier ist der Herbst der Star - zurecht, wenn wir einmal schauen, wie sehr er allein die User dieses Forums zu Herbstgedichten inspiriert. Es passt nun hier nicht mit der Form zusammen, aber idealerweise würden sich Metrum und Reim zwischen Sommer und Herbst unterscheiden um die unterschiedlichen Charaktere auch formal hervorzuheben - aber das nur eine winzige Mäkelei, wo sonst nichts zu Mäkeln ist 😉 Als erstes ist mir hier der Wechsel von "hängen" zu "steigen" zu "sinken" aufgefallen, das hat was sehr lebendiges, wie ein Atmen der Natur bzw. des Herbstes. Das Raunen der Bäume ist auch toll, sie sind sich noch nicht so einig, ob der Herbst nun wirklich der beste Besucher für sie ist, müssen sie doch bald alle Blätter fallen lassen. Starker Abschluss, der den Anfang noch einmal zurückholt, nun wissen wir auch, dass es die Nachtigall war, die dem Sommer Lebewohl gesagt hat. Hier will ich nur eine kleine symbolische Ungenauigkeit anführen, denn eigentlich ist die Nachtigall der Bote des Frühlings, nicht des Herbstes. Ansonsten fand/findet sie oft Verwendung als Symbol für Sehnsucht oder auch Erotik, wobei ich das weniger in deinen Text hineininterpretieren würde^^ Das soll nun aber den schönen Abschluss nicht schmälern, gern gelesen! LG Dali Lama
  10. Moin @Anaximandala, vielen Dank für deine ausführliche Antwort, da freu ich mich sehr 🙂 Ich fühl das total, wenn man dann auch mal einer Form folgt, wenn man sich solche formalen Gedanken macht - und das hast du hier, bin weiterhin beeindruckt, dass du diese Reimstruktur so durchgezogen hast und dabei ja immer noch ein inhaltlich nachvollziehbarer Text herausgekommen ist. Ich bin ja schon recht formversessen und viele meiner Texte waren formal einwandfrei aber ohne Seele, da ging es nur darum, dem Anspruch der Form zu genügen und die einfach durchzuziehen und zu üben. Da muss man sich auch einfach mal austoben können, wenn man eine spannende Idee hat^^ Ah verstehe! Ja, ich glaube ein Wechsel der beiden Verse würde deine Intention deutlicher machen, das "wachsende Schneekleid" ist ja durchaus auch ein passendes Bild. Das könntest du sicher inhaltlich entsprechend umformulieren. Es bleibt dann weiterhin, dass das vergorene Trauben-Bild und das Schnee-Bild direkt aneinanderstoßen, aber ich glaube, das lässt sich nun auch nicht ohne weiteres auflösen. Ja, vor allem ist der Reim ja auch nötig an der Stelle. Das würde eh schwierig werden da. Wollt es der Vollständigkeit halber nur gesagt haben. Die Bedeutung geht halt klar Richtung "viele Soldaten" und die passen für mich nicht in deinen Text. Unabhängig von Reim und Metrum bin ich an der Stelle eher beim Wort "Schar", das Wort brächte auch eine gute Portion Düsternis und Geheimnis mit sich. Aber bloß nicht ändern! Passt ja nunmal nicht^^ Ja, schwierig! Gerade, wenn wir aus unserem eigenen Leben schreiben, haben die Texte für uns natürlich noch eine ganz andere Bedeutung und es gibt für uns noch viel mehr Ebenen, die andere dann gar nicht so gut nachvollziehen können. Da kann ich auch voll verstehen, warum du dich für eine so aufwändige Form entschieden hast. Daran kann man sich entlangarbeiten, abarbeiten und ist nicht ganz unmittelbar mit dem puren Inhalt, dem puren Gefühl konfrontiert. Danke fürs Mitteilen 🙂 ot: haha, oh danke, sehr aufmerksam. Aber das ist ja alles nun schon so lange her, nachdem ich meinen Account hier reaktiviert hatte, wollte ich gern "neu" anfangen und mich lieber aktuelleren Texten von mir widmen^^ Danke für die netten Worte auf jeden Fall, die Herzen waren mit meine ersten Sonette - da hatte ich mich gerade an die Form herangetastet 😎 LG Dali Lama
  11. Dali Lama

    Das Ende der Geborgenheit

    Moin @maerC, stark! Zuallererst ist mir das tolle Versmaß aufgefallen. Nicht nur, dass du wunderbar im Metrum bleibst, auch der stetige Wechsel von 4- zu 3-hebigem Amphibrachys gefällt mir sehr gut. Ein super klang und eine spannende Dynamik von Aufsteigen und Abfallen, die ja auch inhaltlich Sinn macht in diesem Wechselspiel von Sicherheit und Gefahr. Ich sehe da förmlich im Metrum das hektische Heben und Senken des kleinen Brustkorbs vor mir. Der Vollständigkeit halber seien nur zwei Stellen erwähnt, an denen ich metrisch doch gestolpert bin: "jemand" scheint mir hier zu stark zu sein, um es komplett unbetont zu lesen. "gelb wogendes Meer" betont leider auch das "gelb" recht stark, das kann neben "wogendes" gar nicht so sehr zurücktreten, zumal die Farbe hier ja auch eine zentrale inhaltliche Bedeutung hat. Formal muss ich ansonsten nun gar nicht mehr so viel aufzählen, nur folgende sprachliche Anmerkungen habe ich noch: "Drama" passt für mich hier nicht so richtig, das wird ja oft auch eher ironisch verwendet. Ich wäre eher bei "Unglück" oder "Unheil". Ich finde es ganz wunderbar, wie du hier, eingepackt in ein Naturgedicht, auf 2 Ebenen 2 für sich ganz griffige Geschichten erzählst. Auch die Story des Kitzes allein hat mich abgeholt und dein sprachlicher Stil gefällt mir dabei übrigens auch sehr gut. Die letzte Strophe mit den Bezügen zum blauen Himmel und dem gelben Korn bringt dann aber auch noch eine politische Dimension ein unter der sich der ganze Text noch einmal deutlich düsterer lesen lässt. Die letzte Strophe und besonders die letzten beiden Verse sind dabei so intensiv, starker Abschluss! Ich wäre hier gern ausführlicher gewesen, aber wo es nichts zu Mäkeln gibt, muss man es auch nicht zerreden 😉 Gern gelesen und LG Dali Lama
  12. Moin @zwischenzeit, gefällt mir gut 🙂 Nun, da es hier wie aus Eimern regnet, setze ich gern einen Kommentar unter deinen Text. Deine ersten beiden Strophen sind echt catchy, ich hatte deinen Text heute morgen auf der Arbeit schon gelesen - da war noch gutes Wetter und ich konnte mich schon direkt in diese regnerische Nacht hineinfühlen. Mit den Vergissmeinnicht bin ich in der Blumensprache und dort stehen Sie für Sehnsucht, Abschied und Hoffnung auf Wiedersehen. Das mag uns dabei helfen, das mysteriöse brummende, summende Ding zu identifizieren. Auch der merkwürdige Emoji in deiner Überschrift mag uns da in eine Richtung lenken - aber dahin will ich gar nicht 😄 Ich betrachte das Summen nicht als Geist, der eine zurückgelassene Person besucht. Für mich war das Summen irgendwie so etwas: Wenn es draußen ganz unangenehm und kalt und dunkel ist, und ich alleine durch die Straßen wandere, bekomme ich manchmal so ein Gefühl, als wäre ich auf einmal ganz fremd und einsam, plötzlich ausgesetzt an einem Ort, den ich noch nie zuvor gesehen habe.Das schüttel ich mir dann immer ganz schnell ab. Und das ist das Summen für mich hier in deinem Text. Dein lyrisches Ich wird da an Fremde und Einsamkeit erinnert, vibrierend breitet sich dieses Gefühl durch die Luft und im lyrischen Ich aus. Solche "negaiven Schwingungen" spüren natürlich auch die Katzen^^ Nachdem das lyrische Ich dieses Gefühl aber abgeschüttelt hat, ist es davongeflogen. Warum vermisst das lyrische Ich dieses Gefühl dann nun? Weil das Gefühl es an den Verlust erinnert und an die Liebe, aus der es erst erwachsen ist. Du magst da etwas ganz anderes intendiert haben, aber genau so hat dein Text zu mir gesprochen^^ Formal will ich auch noch ein paar Punkte anmerken: "nichts davon" impliziert eine Vielheit von Dingen, die das lyrische Ich zu sehen erwartete, das eine oder das andere. Nein, nichts davon. Du schreibst allerdings nur von einem Hund, den das lyrische Ich zu sehen erwartete. Das ist hier nun also etwas dem Reim geschuldet. hier ist eine Leerstelle zu viel vor "ich". die Stelle passt metrisch nicht. Vorschlag: "vielleicht auch nur ein leises Summen" Ich finde "Plot" hier vom Duktus nicht passend, meinst du es hier im Sinne von "die Sache ist:", "doch es ist so:"? Aber da gäbe es doch sicher noch andere Möglichkeiten, Vorschlag: "was komisch war", "was seltsam war" oder "nur eines muss ich noch gestehn" hier passt es metrisch wieder nicht. Vorschlag: "das ding war einfach nicht zu sehn" auch hier ist es metrisch etwas wackelig. So stünde der Vers vielleicht etwas sicherer: Vorschlag: "doch glaubt ihr nur das sei gelogen" auch hier metrisch nicht rund. Vorschlag: "als ob's nie hier gewesen wär" Gern gelesen, LG Dali Lama
  13. _____________________________________________________________________ Tanzende Strahlen auf unseren Nasen und Throne auf Stufen. Zeit, wir vertrieben dich leicht. Spielend erschlugen wir dich. Weißwarme Laken war'n uns wie Paläste, man hörte uns rufen: Wir sind die Könige hier. Keiner, der dir und mir glich. Knoten in Kabeln und Schläuchen und Mägen, und grelle Dioden. Schnell brachst du über uns ein: Zeit, du Verräter der Zeit. Zwischen den Knoten ein König, und Seufzer gedeihen zu Oden. Seufzer gedeihen zu – Schweig! Schweig endlich still, Grausamkeit. Töne, mal lange, mal kurze, und Linien, die Ränder zerreißen. Klemmbretter sinken herab. Knoten entwirren sich froh. Einer alleine bleibt König in Laken, in kalten und weißen, dehnt er doch endlos die Zeit, dehnt er doch endlos den To- _______________ 5. Januar 2020
  14. Moin @WF Heiko Thiele, Das Pantum/Pantun ist ja wirklich beliebt hier, toll 🙂 Da ich die Form auch sehr gerne mag, will ich dir hier auch gern einen Kommentar geben. Inhaltlich sehe ich hier ein lyrisches Ich, dass gerade emotional mit seinen Erinnerungen umgeht. Welche Gefühle das lyrische Ich dabei bewegen, wird aber gar nicht unbedingt deutlich. Man kann hier einzelne Elemente deuten, so kann in der Anspielung auf das Alter und das gelebte Leben so etwas wie Bedauern, Einsamkeit, Vermissen etc. mitschwingen. Oder die Tatsache, dass das lyrische ich eine "Stütze" braucht, etwas in seiner Hand, um sich festzuhalten, dass das lyrische Ich also eher in einem geschwächten, gebrochenen Zustand ist. Das sagt aber keine deiner Zeilen wirklich direkt. Die Gefühlswelt bleibt ein Mysterium. Der Weg in den Wald hat für mich etwas Meditatives, ein Zurück in die Natur, zu den Wurzeln, ein In-sich-Zurückbesinnen. Das Blümelein in der Hand dient dabei als Hilfsmittel, durch das das lyrische Zugriff auf seine Gefühlswelt oder Erinnerungen hat, das Blümelein stützt wortwörtlich die Erinnerung. Denn irgendwas geht da ja im Herzen des lyrischen Ichs um. Möglicherweise versteht es das selbst nicht und dieses Nicht-Verstehen, Nicht-Fühlen gibst du hier direkt an den Leser weiter. Ich lese ein Stück weit vielleicht sogar Eifersucht, denn ich bin mir nicht sicher, ob in Vers 1 und 16 mit dem anderen Mann beide Male das lyrische Ich gemeint ist. Aber a propos Vers 1 und 16: Das Pantum schreibt eine Wiederholung vor, das hast du hier nicht gemacht, du hast den Vers umgeändert. Das finde ich schade, denn es ist ja gerade die Herausforderung im Pantum, solche Verse zu schaffen, die sich auch an wiederholter Stelle gut einfügen. Das gleiche auch bei und Hier ist es nur marginal, aber dennoch: Ich hatte es unter einem anderen Pantum schon gesagt, das Pantum kommt aus einer Tradition der mündlichen Überlieferung und die regelmäßigen Wiederholungen waren essentiell, um die Inhalte gut zu verinnerlichen. Allerdings sehe ich auch, in welcher Rubrik du diesen Text eingestellt hast und würde deine formalen Ausreizungen nun also Experiment verstehen^^ Dazu zählt dann auch der mehrfach genutzte Reim bei sobald-alt-Wald-hallt, womit du eine Verbindung aller Strophen untereinander schaffst. DAS ist die Art von Experiment, die mir gefällt 😄 Ein kleiner Vorschlag noch: Die Inversion ist nicht so schön. Ich würde hier umschreiben. Meine spontane Idee war: ich wurde ja auch langsam alt. Das passt auch bei beiden Stellen, wie ich finde. Dann nur noch eine Formatierungsfrage: Wieso markierst du den gesamten Text fett? Damit verliert die Hervorhebung ja irgendwie ihre Wirkung und in der Vollfettung wirkt der Text irgendwie unnötig plump. LG Dali Lama
  15. Moin @Uschi R., ich muss gestehen, dass deine Rückmeldung mich ein Stück enttäuscht. Ich hab mir mit dem Feedback für deinen Text durchaus Mühe gegeben und nicht nur ein "Zeig erstmal, wie's besser geht" erwartet, wenngleich es ganz wunderbar gereimt ist^^ Also klärt mich sonst gern auch auf, bin ja noch neu hier. Aber "Feedback jeder Art" meint damit doch sicher auch einen Kommentar wie meinen, nicht? Falls du dir auf die Füße getreten fühlst, tut mir das leid. Mir liegt an einem produktiven Austausch^^ LG Dali Lama
  16. Liebe alle, vielen Dank für eure rege Beteiligung 🙂 Moin @Herbert Kaiser, ja, dieser Schöpfer schweigt und genießt, er bittet aber gar nicht so exklusiv nur den Mensch zur Tafel. Alles Lebende, Atmende ist ihm willkommen! Moin @Carlos, ja, diesem Namen gingen schlaflose Stunden und intellektuelle Höchstleistungen voraus. Und dann ist es doch nur dieser geworden. Kann man nichts machen! Danke für deine thematische Aufschlüsselung. Mein primärer inhaltlicher Anstoß war die Vergänglichkeit, dein Begriff klingt aber deutlich cooler! Das Kulinarische und auch das Verführerische waren da durchaus als Nebenspieler gewollt, sind sie doch ebenso betroffen von Vergänglichkeit. Auf dass du noch lange vom Chateaubriand im Café de la paix zehrst und dieser Bissen hier dir nicht den Appetit verdirbt! Moin @Claudi, also wenn du die Claudi bist, von der ich denke, dass sie's ist, freu ich mich ja gleich doppelt, dich hier unter meinem Text zu sehen 😉 Danke für deine spannenden Gedanken. Beim Thema "Schöpfung" ist der Weg nicht weit zu Gott und so habe ich deine Verknüpfung auch zur Religionskritik gespannt gelesen. Ich bin nicht sicher, ob der Schöpfer hier in meinem Text Gott ist, vielleicht ein Teil? Im Endeffekt ist ja alles Gott und wir alle steuern einem Schicksal entgegen^^ Ja, da ich recht formversessen bin, war es mir wichtig meine Thematik auch darin irgendwie darzustellen. Das Klinggedicht kam mir daher gelegen, möglichst unklingend, missklingend die Vergänglichkeit voranzubringen. Danke für dein genaues Auge bei Vers 13! Nun ist es eine Weile her, dass ich den Text geschrieben habe, daher kann ich nicht mehr mit Gewissheit sagen, mit welcher Intention ich den Vers verlängert habe. Die Fokussierung zurück auf den Schöpfer, nachdem er so lange genoss und schwieg, ist aber auf jeden Fall nötig. Sicherlich hätte ich den überzähligen Versfuß auch vermeiden können, da muss ich mich selbst noch einmal durchinterpretieren 😉 Moin @Miserabelle, danke für deine aufmerksame Auflösung, ja, genau: Diese Verse von Goethe sind die Grundlage meines Textes. Leider war das gar nicht meine eigene geniale Idee. Der Text ist im Rahmen eines Forenwettbewerbs entstanden - ich weiß gar nicht mehr, wie mein Text da abgeschnitten hat - aber das Forum gibt es leider auch nicht mehr, was mich überhaupt (wieder) hierher geführt hat. Ich freue mich jedenfalls, dass wir hier so produktiv zusammenfinden, danke 🙂 LG Dali Lama
  17. Was wär ich ohne dich, du mein geliebtes Fleisch? Du bist so rosig, zart und reizend anzuseh’n. Und dieser süße Duft macht mich verrückt, ich nähm‘ dich ganz allein. Doch sieh: Wir haben Gäste. Husch, Freund Publikum, ihr müsst nicht länger warten, nascht! Friss, Made Nimmersatt, dich reichlich fett und schön. Lass, feine Fliege, uns dich herzhaft schmatzen hör‘n. Gebt ein Konzert zum Schmaus und knuspert, knirscht und zischt. All mein Empfinden ist indes ein Selbstgespräch. Kein Laut könnt sagen, was mein Schweigen sagen kann. Die Gier in schwarzen Augen wird dir nicht gerecht. All meine Freude über dich, mein Fleisch, bleibt stumm. So lange, bis du ganz und gar verschwunden bist. Und ich? Ich bleib unendlich, Tod und Schöpfer, der ich bin. _________ © 2020
  18. Moin @Sidgrani, toller Text! 🙂 Sehr gern gelesen, so viel schon einmal vorweg. Mir gefällt besonders, dass er sich zunächst gar nicht wie ein sonderlich melancholischer, düsterer oder trauriger Text liest. Auf den zweiten (stummen) Blick aber, finden sich die kleinen Nuancen schon von Anfang an. Lass uns einmal genauer schauen: Ich glaube, der Titel ist das schwächste Element deines Textes. Er hätte mich fast nicht gecatcht, das wäre eine Schande gewesen 😄 Man könnte diverse Nuancen aus "stumm" herausinterpretieren: wörtlich als ein geräuschloser Blick bzw. ein Blick im Geräuschlosen. als unauffälliger, beiläufiger Blick. als "blinder" oder kraftloser Blick (wer stumm ist, hat nicht die Fähigkeit zu sprechen - hier dann zu sehen) als leerer Blick (wer stumm ist, also seine Stimme nicht erhebt, wird nicht gehört, ist unsichtbar, unscheinbar, machtlos) Nach Lektüre deines Textes wäre jede dieser Interpretationen möglich, das könnte mal als Problem auffassen^^ Kurz zum Formalen: Metrik (4-hebiger Jambus, teils mit weiblichen Kadenzen) und Reimschema (Kreuzreim) sind sauber, ganz wunderbar. Ich geh hier und da in den jeweiligen Strophen nochmal auf Details ein. Strophe 1 beginnt sehr unbeschwert. Das könnte auch der Anfang eines heiteren Herbstgedichtes sein. Insbesondere das "wäscht noch sein Gesicht" bringt hier eine große Alltäglichkeit ein. Das vordergründig einzig Negative, die Nebelschwaden, werden aufgelöst, es wird hell und oben tanzen Wind und Wolken beschwingt. Dennoch kann man auch hier schon die Schwermut spüren. Das "hebt" im ersten Vers zeugt von Last und Anstrengung. Es ist etwas (körperlich) Schwieriges, diesen Tag zu beginnen. Auch die eben von mir aufgezeigte Alltäglichkeit durch das Gesichtwaschen bekommt eine ganz andere Dimension. Wenn gerade diese so betont wird, gibt es eben vielleicht auch gar nichts anderes mehr als das monoton Immergleiche. Die "letzten Nebelschwaden" können auch so gelesen werden, dass sie nicht die letzten sind, die an diesem M Bildlich geht es hier Richtung "Herbst des Lebens". Das Bunte verschwindet aus den Blättern, sie werden grau, alt und brüchig. "Schütteln" ist hierbei noch eine Steigerung von "heben" aus S1, und bringt in die körperliche Anstrengung auch noch eine gewisse aggressive Note (Verärgerung über diesen Zustand). Diese Aggressivität wird auch aufgegriffen durch den Schlagreim mit "letzten" und "fetzen" und dem scharfen, zischenden tz. Auch das "kriechen" ist wieder sehr körperlich, bringt sowohl Hilflosigkeit als auch etwas Grauen mit ein. Sowieso ist der im Staub kriechende Gedanke ein ganz wunderbares Bild, das für mich Lebensmüdigkeit beschreibt oder aber auch den Verlust geistiger Fähigkeiten oder Erinnerungen. Mit dem nun offenbar dunklen Raum innen haben wir einen starken Kontrast zum hellen Morgen draußen, was auch das in-sich-Eingesperrtsein des alten Mannes versinnbildlichen könnte. Etwas unpassend finde ich den plötzlichen räumlichen Sprung innerhalb dieser Strophe. Bildlich und Räumlich sind wir in den ersten beiden Versen draußen in der Natur, während wir offenbar mit Vers 3 und 4 drinnen beim alten Mann sind. Das ist an sich auch konsequent, da ja die Folgestrophe den Blick von innen nach außen dann aufgreift. Aber dann hätte ich mir an dieser Stelle mindestens einen Punkt als Pause gewünscht, statt ein weiteres "und", das uns vorantreibt. Hier nun der alte Mann, wie er aus dem Fenster schaut. Unklar ist dabei, ob das, was wir die ersten eineinhalb Strophen gelesen haben, auch das ist, was der alte Mann sieht. Vielleicht ist ja sein stummer Blick ein leerer Blick und die schöne Natur, das Erwachen des Tags geht gänzlich an ihm vorbei. Der Mann ist bereit, das könnte man fast noch positiv betrachten. Er hat sein Leben gelebt, der Tod macht ihm keine Angst. Ich lese hier aber eher eine Bitterkeit, weil der Tod einfach nicht kommen will. "Gespenster" fühlt sich für mich falsch an - das sind diejenigen gruseligen Gestalten, die uns bei Halloween zum Beispiel begegnen, hat auch etwas Kindliches. Passender wären ja eher die Geister, da ist der Grusel nicht so implementiert und sie drücken vielleicht besser das Unbestimmte, Verschwommene, nicht Greifbare aus. Vielleicht war der Gruselfaktor aber auch genau deine Intention und die Erinnerungen suchen den alten Mann heim? Ich will nun auch den Reim nicht zerstören, das ist auf "Fenster" schwierig genug^^ Der letzte Satz schlägt dann noch einmal richtig rein. Die tropfende Einsamkeit ist super. Auch das "Tropfen" ist für mich wieder sehr körperlich, als verlöre der alte Mann an Substanz und siecht dahin. Auf emotionaler Ebene denkt man natürlich auch an Tränen, passt dann gut zur Einsamkeit. Wahrscheinlich sind alle Liebsten des alten Mannes schon vergangen, wie kleine Tropfen am Fenster. Er ist alleine und vegetiert eigentlich nur noch durch den Tag und weiß auch dessen Schönheit, die uns in der ersten Strophe noch so eindrücklich aufgezeigt wird, nicht mehr zu schätzen. So viel zu meinen Gedanken, gern gelesen! LG Dali Lama
  19. Moin @Uschi R., dein erstes Pantun? Ja wie schön 🙂 Das ist aber auch eine spannende Form, die mit ihrem wiederholenden Charakter zu so mancher Spielerei einlädst. Das hast du hier ja auch gezeigt, nur ein paar veränderte Satzzeichen und schon steht der Vers, die Strophe in einem ganz anderen Licht. Formal muss ich dazu nicht viel sagen, die Wiederholungen sind korrekt gesetzt, die Reime sind sauber und das Metrum weist keine Schwachstellen auf (4-hebiger Jambus, teils mit weiblicher Kadenz). Bilderebene: Du arbeitest mit recht wenigen Bildern. Da haben wir den "Herbst des Lebens", was blumig das Alter bzw. Altsein beschreibt. Wir haben das "durch die Finger rinnen", etwas geht ungewollt verloren, verbraucht sich selbst. Das war es in der Tat, der Rest deines Textes sagt recht gerade heraus, was Sache ist. Das muss nichts Schlechtes sein, tatsächlich macht das die Kombination der wiederholenden Verse ja auch einfacher und das ist für das erste Herantasten an eine neue Form doch überaus smart 😉 Die Gefahr solcher Klartextverse ist dann aber auch, dass die inhaltlich beliebig werden. Und so betrachte ich Vers 2 und 3, die beide leider in keiner Nuance voneinander abweichen, sie haben exakt dieselbe Aussage und das stößt mir auf, nachdem jeder Vers im Pantum ja auch nochmal wiederholt wird und dann schon ein winzig kleines Feuerwerk für sich sein sollte 😉 Inhalt: Inhaltlich thematisierst du in Strophe 1 die vielen schmerzlichen Erfahrungen des lyrischen Ich. Man könnte hier noch überlegen, ob das "möcht ich sagen" hier in Strophe 1 noch eine andere Bedeutung als in Strophe 4 hat. Man könnte es hier auch lesen als einen Wunsch, als einen Ausblick, wie man im Alter zurückblicken will. Dafür spricht das fehlende Komma, was du im letzten Vers ja gesetzt hast. Dann wäre aber fraglich, warum das lyrische Ich sich wünschen sollte, verletzt worden zu sein^^ Die von Tobuma angeregte Vertauschung von wäre sicher logisch richtig, aber deine Variante bringt den Schmerz deutlicher zur Geltung. Der Vollständigkeit halber sei aber auch gesagt, dass es in dieser Konsequenz eigentlich nicht die Verletzlichkeit ist sondern die "Verletztheit" oder das "Verletzgewordensein". - das macht sich nur metrisch und reimlich nicht so gut und klingt auch doof 😄 Strophe 2 nimmt die Zeit in den Fokus, derer jemand im Herbst seines Lebens ja schon reichlich ausgesetzt war. Die Frage im letzten Vers hat dabei eine gewisse Bitterkeit bzw. Verbitterung in sich. Da denke ich direkt an meine Oma, die einfach irgendwann auch gar nicht mehr leben wollte. Strophe 3 markiert dann das Zurückbesinnen auf all das Erlebte. Man stellt vielleicht auch das ein oder andere in Frage. Die Frage im letzten Vers hingegen kommt mir obsolet vor. Es ist ja nunmal eine unumkehrbare Tatsache, dass man sich, besonders im Herbst des Lebens, mit dem Verstreichen der (Lebens)Zeit auseinandersetzen muss. Strophe 4 gibt dann auch genau diese Antwort. Das ist entsprechend keine allzu große Überraschung. Allerdings ist der letzte Vers ansprechend, da er im Vergleich zum ersten Vers die Möglichkeit gibt, diesen Reflektionsprozess über die eigene Zeit auch als "könnte" zu lesen, was ja ein "man möchte sagen" auch ausdrücken kann. Insgesamt finde ich es nur schade, dass SO viele Verse auf die "Zeit" referieren, ich fände für das lyrische Ich durchaus auch die Erfahrungen und insbesondere den angesprochenen und nicht weiter vertieften Schmerz erwähnenswert. Sprachliches: Hier gefällt mir die Ellipse nicht. Solche reimverschuldeten unvollständigen Sätze sind immer schade. Und es gäbe ja - trotz engem Pantun-Korsett durchaus Möglichkeiten, den Vers vollständig zu gestalten. Mein erster Gedanke hier war etwas wie: "So viel ist einem doch geschehen" / "So viel ist in der Zeit geschehen" - das passt nach wie vor in beiden Strophen in der Kombination. Auch hier: finden wir eine Ellipse. Finde ich hier aber nicht so schlimm wie oben, da es ja nicht allzu unüblich ist, Fragen dieser Art elliptisch zu stellen (Wer denn, wenn nicht wir? Woher nehmen und nicht stehlen? etc.). Ansonsten bleibt mir nur zu sagen, dass ich es ganz wunderbar finde, dass du eine neue Form für dich entdeckt hast und bin schon gespannt, was da in Zukunft noch so kommt 🙂 LG Dali Lama
  20. Dali Lama

    Was wäre denn, ...?

    Was wäre denn, wenn du und ich ... Ich meine: Ist es vorstellbar, dass wir nicht mehr sind? Du – Gott, bist du schön – mit mir? Denk nur daran, wie wäre das für dich? Reib' deine Augen und schon siehst du mich. Oh, wäre es doch nur so leicht mit dir. Sonst rieb' ich meine Lippen blutig hier. Treib deinen Kuss in meine Haut und stich! Und Schmerz verrät, wie wertvoll all das wär'. Nimm dir mein Herz, trag's in den Händen. Denk nur daran, wie sehr dies Herz dich liebt. Was wäre denn, wenn es dich wirklich gibt? Ich glaube noch, dass wir uns fänden, reib' meine Augen wund, mein Herz schlägt schwer. _________ © 2019
  21. Moin @Endeavour, ja, genau so verlangt es das Pantum ^^ LG Dali Lama
  22. Naja nun, als Frauen noch nicht wählen durften, hatte sich die Mehrheit gegen wählende Frauen ausgesprochen. Als Homosexualität noch unter Strafe stand, hatte sich die Mehrheit gegen Homosexualität ausgesprochen. Aber nur weil die Mehrheit eine Meinung hat, ist das nicht unbedingt immer die gerechteste. Es ist aber auch ok. Jeder darf seine Meinung haben. Und L* darf deren Blog mit Sternchen schreiben. Und die Tagesschau darf eine Pause zwischen Mitarbeiter_innen lassen 😉
  23. Dali Lama

    brennen

    Moin @Versalomaniac, ja, das ist eine ganz aktuelle Thematik und weniger wird es wohl nicht mehr werden. Dein Text ist recht geradeheraus, da gibt es nicht viele Bilder, die zu interpretieren wären, darum hüpfe ich einmal in die formale Auseinandersetzung: xXxXxXxXxA XxXxXxXxA xXxXxXxXxB xXxXxXxXxB Überwiegend ein 5-hebiger Jambus, Vers 2 fehlt am Anfang aber die unbetonte Silbe. Sicher findet sich da ein Füllwort, um das auszugleichen. Vorschlag: "schon" oder "halb" oder "bald". Als Reim benutzt du hier Paarreime. Die sind ja üblicherweise eher fröhlicher Natur und steht damit etwas im Widerspruch zum Inhalt. Da deine Verse aber recht lang sind, relativiert sich das auch etwas. Geschickt finde ich die Referenz auf das Kinderlied "Alle Vögel sind schon da". Wie bei den Paarreimen bringst du damit eine Fröhlichkeit auf, die im krassen Kontrast zum Inhalt steht. "kein Thema mehr" mag ich sprachlich nicht, die Wendung ist mir zu salopp. Vorschlag: Ich würde fast lieber zu "Gegner" statt "Thema" greifen, da ja abgesehen vom Feuer der Borkekäfer wahrscheinlich die größte Gefahr für unsere Wälder ist^^ XxXxXxXxCc XxXxXxXxCc xXxXxXxXxD XxXxXxDxD Die ersten beiden Verse und Vers 4 sind sauber im 5-hebigen Trochäus. Anders zwar als in Strophe 1 aber das ist kein Kritikpunkt. Vers 3 allerdings fällt wieder heraus mit einer unbetonten Silbe am Anfang. Ich mag den Vers da eh nicht, finde die "Libellenflügel" da nun extrem spezifisch und den Zusatz "alles schreit", den man dann natürlich auf die schmelzenden Flügel bezieht, arg überzogen. Die würde ich also tauschen gegen etwas mit mehr Gewicht. Ich fänd es zum Beispiel ganz sinnig auch mal die brennend heiße Luft mit aufzugreifen, wo wir schon beim Schreien sind. Vorschlag: "Tiere atmen Feuer, alles schreit". XxXXXxXxEe XxXxXxXxEe xXxxXxxXxF XxXxXxXxF Hier ist alles durcheinander. Die "Wildschweine" werden auf den ersten beiden Silben betont, mit Wohlwollen nur auf der ersten, nie aber nur auf der zweiten. Das zerschießt dir also das Metrum. Vorschlag: Synonym könntest du vielleicht sowas wie "Borstentiere" nutzen. Also: Damwild flieht und Borstenschweine rennen. Für mich passt das so^^ Würde dann metrisch auch zu deinem Vers 2 passen. Dort mag ich aber die Formulierung "Nicht nur kleine Tiere" nicht. Das hast du mit dem vorigen Vers ja ohnehin schon gesagt, es ist also unschön UND unnötig^^ Vorschlag: "Alle werden noch im Feuer brennen." Vers 3 passt metrisch gar nicht, auch da mag ich das nüchterne "effizient" nicht, passt nicht in den sonstigen Duktus. Vorschlag: "Nichts entkommt, die Feuersbrunst wächst schnell" - das wäre mit dem Wort "Brunst" noch eine nette semantische Überschneidung mit der Paarungszeit der Tiere. xXxXxXxXxGg XxxXxXxGg xXxXxXxH xXxXxXxH Das geht nun alles wieder mehr Richtung Jambus, somit würden erste und letzte Strophe deinen Text metrisch umschließen. Vers 1 ist deutlich länger als die anderen. Dramaturgisch mag es aber auch Sinn machen, dass die letzten Verse verkürzt sind. "zeigen" in Vers 2 klingt dem Reim geschuldet, was wurde denn zuvor gezeigt? Und wem? Da der Vers metrisch Am Anfang eh hakt, könnte man auch diesen überarbeiten. Vielleicht können wir hier, angelehnt an deine Referenz auf "Alle Vögel sind schon da" noch eine Redewendung einbauen? Vorschlag: "Man sieht den Wald nicht mehr vor schwarzen Zweigen" (den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen). Die beiden anderen Verse könnte man wie gesagt in ihrer verkürzten Form belassen. Hat auch was Resignierendes. Ich hoffe, meine Anmerkungen und Vorschläge sind dir hilfreich 🙂 LG Dali Lama
  24. Moin SchwarzPoet, also mir geht's in erster Linie um die Position des lyrischen Ichs hier in diesem Text. Wie du selbst darüber denkst, weiß ich nicht und das muss hier auch gar nicht zur Diskussion stehen^^ Ein Problem mit anderen zu Vergleichen hilft keinem der Probleme, gelöst zu werden. Das ist für mich kein Argument. Ich weiß nichts von Bestrebungen, dass Gendersprache alleingültig sein soll. Ich wüsste auch nicht, dass klassische Texte nun umgeschrieben werden sollen. Ich bin mir recht sicher, dass das individuelle Schreiben und Schaffen ganz individuell bleiben wird. Kleiner Exkurs: Wir müssen ja nun auch keine Gedichte in Leichter Sprache schreiben, nur weil Leichte Sprache gesetzlich verankert ist und für Behörden verpflichtend ist, um allen Menschen Teilhabe zu ermöglichen. Da gab es anfangs natürlich auch Aufschreie: Warum muss nun die Wahlbenachrichtigung in Leichter Sprache sein? Will man mich hier etwa für dumm verkaufen? Nun haben die meisten wohl begriffen, dass nichts weggenommen wird, dass nur dazugegeben wird, was eben manche brauchen. Nochmal, der Brief vom Amt ist ein schnöder Sachtext, der muss nicht ästhetisch sein, der darf gegendert sein, das tut nicht weh. Keiner wird uns Goethe wegnehmen. Vielleicht gibt es irgendwann gegenderte Versionen? Davon wird das Original aber nicht verschwunden sein. Und innersprachliche Variationen sind keine Seltenheit, sicher gibt es genug Jugendsprache-Goethe-Adaptionen. Da muss auch keiner traurig sein, die Originale sind immer noch lesbar. Exkurs Ende. Zum Geld: Jap, Teilhabe kostet Geld. So war das immer, so wird das immer sein. Das hab ich deinem lyrischen Ich hier nicht unterstellt. Ich sprach von Konservativismus^^ Aber wo du es erwähnst: Natürlich muss man trotzdem schauen, welche Rhetorik da stattfindet und ob man sich dieser Rhetorik bedienen will. Naja, es ist als Unbetroffener immer recht leicht, etwas zu be-/verurteilen, das einen nicht selbst betrifft. Ich stelle es mir schwierig vor, wenn etwa ein transidentitärer Mensch einfach keine Repräsentanz in der Gesellschaft hat. Ist es wirklich wichtig machen, wenn man gesehen, beachtet, wertgeschätzt werden will? Ich weiß, dass viele Menschen gegen Gendern sind. Wie gesagt, schön oder ästhetisch finde ich es auch nicht und die bestehenden Gender-Konzepte sind alle noch nicht fertig gedacht (auch textliche Barrierefreiheit muss da eben eine Rolle spielen). Aber wie helfen in diesem Prozess, das Gendern allgemeintauglich zu machen, solche Scheinargumente wie die Reproduktionsfähigkeit der Menschheit? DAS ist hanebüchen^^ Es ist eben nicht immer alles aus der Sicht der privilegierten Mehrheit zu betrachten. Für Teilhabe und Gerechtigkeit zählen eben auch die leisen Stimmen - auch wenn die alle in eine Kleinstadt passen. LG Dali Lama
  25. Moin SchwarzPoet, ich finde dein lyrisches Ich super unsympathisch, den Charakter hast du also offenbar gut herausgearbeitet. Du bringst die Engstirnigkeit und Abfälligkeit des Konservativismus und das typische Heruntertreten auf Minderheiten sehr gut rüber. In Teilen kann man das auch formal wiederfinden. Die Paarreime verleihen dem ganzen einen sehr bestimmten und vorantreibenden Charakter. Das Metrum ist durchgehend gleichbleibend, womit das stakkatohafte Herunterleiern der üblichen Genderkritik unterstützt wird. Einziger metrischer Ausbruch dann bei den beiden das Zitat einleitenden Versen, was ich als Übergang aus dem Poetischen in die traurige Realität und Geisteswelt eines offenbar unzufriedenen, privilegierten, alten, weißen Mannes auch sehr passend finde. Genial als Wortspiel ist im Vers: "dem Wichtigtuer inne wohnen" das beinahe "Wichtigtuer_innen" - willst du da das N nicht noch anfügen, damit das satirisch noch besser greift? Erinnert mich auch direkt an einen Twitter-Beitrag eines AfD-Politikers, der sich über das Wort "Fahrspurende" in einer Nachricht echauffiert hat. Warum jetzt schon die Fahrspuren gegendert würden, haha. Die Krone allen Übels haben deine Verse über die Stellung des Mannes auf. Diese Argumente hab ich ja noch nie verstanden, genau wie bei der Ehe für alle - da wird niemandem was weggenommen. Es wird nur anderen etwas gegeben, was ihnen Jahre, Jahrzehnte genommen wurde. Sichtbarkeit, Anerkennung. Von daher, der wunde Punkt ist durchaus getroffen, wer toxisch Männlich ist, sieht sich natürlich in seiner Sonderstellung bedroht, wenn andere auf die gleiche Ebene kommen. Das Thema mit der Fortpflanzung ist zwar etwas weit hergeholt, da Reproduktion ja selten Texte braucht, aber solche Argumente habe ich auch schon gelesen. Ich selbst denke über gendergerechte Sprache, dass sie mir nicht weh tut. Ich muss sie nicht schön finden, so wie einen Brief vom Amt nicht schön finden muss. Problematisch finde ich sie nur, wenn sie andere ausschließt, etwa Menschen mit geistigen Behinderungen, für die schon standardsprachliche Texte eine Herausforderung sind. Wie aber L* in deren Blog schreibt, oder ob die Tagesschau zwischen MItarbeiter_innen eine kleine Pause lässt, stört mich herzlich wenig. Und wenn die vielen Überkritiker von ihrem vermeintlichen Sprachthron mal herunterkommen, werden sie vielleicht auch merken, dass das gar nicht so sehr weh tut^^ LG Dali Lama
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