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Vogelflug

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Alle erstellten Inhalte von Vogelflug

  1. Vogelflug

    Geburtstag

    Eine Entscheidung Ich habe kaum klare Erinnerungen an meine Kindheit. Die sind mehr atmosphärisch, selten klar und konkret. So sticht mein dreizehnter Geburtstag deutlich daraus hervor. Der Tag, an dem ich eine folgenschwere Entscheidung traf. Für mein ganzes Leben. Ich weiß noch, dass ich am Morgen, bevor ich zur Schule musste, mit meiner kleinen Schwester allein in der Wohnung war. Mutter hatte Frühschicht, und Vater vielleicht auch, oder er schlief, nachdem er kurz nach sechs aus der Nachtschicht kam. Musste ich auf irgend etwas achten, damit meine fünf Jahre jüngere Schwester auch rechtzeitig zur Schule losging? War ich dazu in der Lage? Oder war sie in solchen Sachen schon selbständig? Selbständiger als ich? Wahrscheinlich. Ich kam fast jeden Tag zu spät. Obwohl mein Schulweg nur etwa dreihundert Schritte maß. Ich war in der achten Klasse, sie in der dritten. Ich weiß wenig über sie, habe kaum Bilder von ihr im Kopf oder eben diese klaren, konkreten Erinnerungen an sie und von unserer gemeinsamen Kindheit. Ich ging meiner Schwester möglichst aus dem Weg. Das war nicht schwer. Wir hatten meist jeder ein eigenes Zimmer. Wenn nicht unsere ältere Schwester mal wieder zuhause wohnen musste. Der erste Mann, das erste Kind. Keine eigene Wohnung. Ihm gefiel der familiäre Anschluss. Alleiniger Sohn einer alleinstehenden Mutter, war er an den Zuhause-Rundumservice gewöhnt. Arbeiter im Maschinenbau. Schwere Arbeit. In der Freizeit Fußball in der Betriebsmannschaft. Ansonsten essen und schlafen. Wie hatte unsere Schwester ihn nur kennengelernt, sich gar verliebt? War das passiert? Heiraten und Mutter werden, um rauszukommen aus dem Elternhaus war ihr Plan, erzählt sie mir viel später. Keine Liebe. Beim Tanzen kennengelernt. Vielleicht verliebt. Irgendetwas muss ja gewesen sein, dass sie in ihm eine Chance sah. Dann das Kind. Und keine Chance auf eine eigene Wohnung. Soll sie sich doch drum kümmern, denkt der Maschinenbauer. Mir reicht es so. Das erzeugt Spannungen. Die Ehe zerbricht schnell. Drama, Geschrei, die nächste alleinerziehende junge Mutter im Land. Das Kleinkind ist bei uns gut aufgehoben. Abends schläft es irgendwann, dann geht sie kellnern. Und wieder tanzen. Hat die nächste Bekanntschaft. Charmant. Athletisch. Potent. Als sie ihm die Schwangerschaft sagt, ist er weg. Vater will er nicht sein. Noch nicht oder nicht mit ihr. Sie hat die Schnauze voll von den Männern. Ein paar Monate Kampf, ein paar niederschmetternde Wohnungsangebote, das schlimmste nur hundert Meter von zuhause entfernt, der Umzug wäre ein Kinderspiel zu Fuß geworden – aber Altbau mit Klohäuschen auf dem Hof? Das mit zwei kleinen Kindern? Ich weiß nicht, womit sie Druck gemacht hat, jedenfalls kam danach ein Angebot, das sie akzeptieren konnte. Altbau, ja, okay, nicht der Traum. Aber drei Zimmer, und das Klo wenigstens „halbe Treppe“. Im grünen Hof würden die Kinder vielleicht spielen können. So kam es. Und wir Jüngeren bekamen wieder jeder sein eigenes Zimmer. Ich kann mich an kein Geschenk erinnern, das für mich dagelegen hat, an diesem dreizehnten Geburtstag. Kann sein es gab eins, kann sein es gab keins. Wenn, dann von Mutter. Ein Pullover, ein Buch, vielleicht ein Fünfmarkstück. Ich hatte begonnen samstags ins Stadion zu gehen, wenn Vorwärts Heimspiel hatte. Immerhin zweite Liga! Für Eintritt, Limo und Bockwurst bekam ich ein kleines Taschengeld. Etwa ein Jahr später wurde es mehr. Die erste Freundin, öfters mal ins Kino, die Treffen im Jugendklub, erste Discobesuche, eine neue Fußballliebe. Fahrten in die Bezirksstadt. Da rollte die erste Liga. Mit tausenden in einem richtigen Fußballstadion, das war geil. Solange ich keinen Alkohol trank und mich auch sonst „benahm“, konnte ich mit einem Taschengeld rechnen, das mir genügte. Nach Schulschluss begann es zu schneien. Froh darüber ging ich nach hause. Ich liebe Schnee. Die Winteratmosphäre. Die im Winter ungewohnte Helligkeit. Die gedämpften Geräusche. Die allgemeine Verlangsamung aller Bewegungen. Ich liebe es, Krähen im Schnee zu beobachten. Und das an meinem Geburtstag! Ich habe mich sehr auf den Nachmittag gefreut. Bin allein, als ich heimkomme. Vielleicht schlief Vater noch. Später erscheinen Mutter, Vater und die kleine Schwester nach und nach. Ich stecke den Kopf aus meinem Kinderzimmer und lausche, erwarte Geschirrklappern, das Schnaufen der Kaffeemaschine. Denke, dass die Oma bald klingeln wird. Erwarte, dass mal jemand zu mir kommt, um mir zu gratulieren. Nichts. Stattdessen plötzlich irgend ein Geschrei. Wie an fast jedem Tag. Schließe meine Tür leise. Der gewohnte graue Schleier legt sich um mich. Ich versinke in meiner Traurigkeit. Dann wird die Tür aufgerissen und Mutter tobt auch mich an, für irgendetwas, das ich wieder nicht gemacht, falsch gemacht, kaputt gemacht oder sonstwas gemacht habe. Wahrscheinlich bekomme ich ein paar Ohrfeigen. Muss heulen. Es dauert, bis ich halbwegs wieder zur Ruhe komme. Ich will weg hier, denke ich. Richtig weg, weit weg. Dann musst du es tun, sagt eine Stimme in mir, losgehen! Ja, antworte ich. Als in der Wohnung alles wieder still ist, schleiche ich mich zur Garderobe, nehme den Anorak vom Haken. Meine kleine Schwester steht plötzlich neben mir. Fragt leise, ob ich weggehen will. Ich sage „ja“. Zögere einen Moment, frage sie, ob sie mitkommen will. „Ja.“ Gemeinsam schleichen wir uns aus der Wohnung. Stundenlang trotten wir ziellos durch die Stadt. Ich meide die größeren, hell erleuchteten Straßen, ich habe Schiss vor Polizisten. Dass wir einfach zwei unauffällige Kinder zwischen vielen anderen Passanten sind, begreife ich nicht. Ich fühle mich, als stünde auf meiner Stirn „weggelaufen!“. Wo willst du hin, fragt mich die Kleine. Ich überlege. Sage „Weg, weiß nicht. Einfach weg.“ Und meine sterben. Am liebsten wäre ich tot, denke ich. „Meine Füße frieren.“ sagt sie. Meine Schuhe sind auch durch. Nass und kalt. So kann ich nicht weggehen. Und sterben? Mit der an der Backe? Ich kann noch nicht zurück gehen. „Noch eine halbe Stunde?“, frage ich sie. „Gut“, sagt sie. Als wir uns der Wohnung nähern, bekomme ich Angst, dass schon eine Suchmeldung nach zwei fortgelaufenen Kindern, dreizehn und acht Jahre alt, aufgegeben wurde. Wir schleichen uns wieder hinein. Nichts Auffälliges. Nach und nach begreife ich es. Den Eltern war nicht aufgefallen, dass wir weg waren. Dann gibt es wenigstens dafür keine Prügel, denke ich. Noch fünf Jahre. Schaffe ich das? Ich beschließe es. Beschließe, nicht sterben zu wollen. Alles zu ertragen, bis ich frei gehen konnte. ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------- Völlig frische Niederschrift. Noch nicht dran gefeilt. Mich interessiert trotzdem schon, ob der Text anspricht. Ob er für sich stehen kann. Oder auch als Romananfang. Ich beginne gern Romane. Was vielleicht störend ist, ob er vielleicht zu spröde ist, wo Informationen fehlen, interessiert mich. Danke schon mal fürs Lesen!
  2. Ach doch nur 300! Da bin ich beruhigt. 😉
  3. Vogelflug

    Die Praktikantin

    hallo anonymer, schwieriges feld. irgendwas deinen text verteidigendes hab ich auf der zunge liegen, es will nur nicht rauskommen. so bleibt mir nur, den anderen im großen und ganzen zuzustimmen. ein missglückter versuch. zu sehr konsalik. zu wenig - äh - es kommt einfach nicht. einfach weitermachen. besser. mfg mit freundlichen grüßen usw.
  4. Wir werden sie wiederfinden, hoffe ich, liebe Juls. 😔
  5. Familientreffen Um die Mutter lagern sie den Stimmungen nachgebend mal heiter mal ratlos mal in die Tiefe starrend und lauschen dem schwachen Atem Das Leben sitzt unschlüssig im Priemeltopf und wartet ab Die Hunde runzeln die Stirn wedeln verzweifelt durch den Moment halten die Köpfe schief und plötzlich klopft es und Bruder Hein tritt ein beim letzten Glockenschlag als käme es darauf an dass irgendeine Pünktlichkeit herrsche Das war so kurz fast einfach nur informativ nach all den Jahren So wie Hallo das war es dann das ist das Ende Erst Stunden später kommt das Grau und morgen (fürchte ich) die unausgesprochenen Gedanken
  6. Vogelflug

    Ornithologie

    Flexible Ornithologie Unterm Dachkasten die Spatzen das müssen Haussperlinge sein Ihr Gezwitscher ist heiteres Schwatzen übers Wetter und den letzten Wurm Sie ignorieren den Traktor der vorüberbrubbelt zappeln nur fünf mal aufgeregt Mittags fliegen sie fort und werden Feldsperlinge hinterm Haus
  7. . . . ein Schelm Sprachwissenschaftler, der jetzt an "Schamlippen" denkt . . . Ich humpele mit meinem Schambein hinfort.
  8. Hallo Mojo182, ja, ein recht schöner Text. Anregend. So. Genug gelobt. Kritik. Du kommatierst ein bischen zu viel. einfach weg mit dem Komma! hier ebenso. Und ein anderes "Problem": Das ist eine unsaubere Formulierung. Besser wäre "Vor nichts kannst du fliehen." Das wars meinerseits. Ciao! 🦅
  9. Guten Tag stark Perry gefällt mir gut. Schönen Tag noch.
  10. Vogelflug

    Über die Gefühle

    Danke Carlos! Aber mein Beitrag ist damit größtenteils überflüssig. Darum kann er teilweise weg.
  11. Mir ging einfach der Begriff durch den Kopf. Er ist so bildhaft, ohne anzudeuten, worum es wirklich geht. Es ist faszinierend, wie Worte entstehen und/ oder sich im Laufe der Jahrhunderte entwickeln. Gerade jene, wo etwas Konkretes nicht konkret ausgesprochen werden soll. Das ist die ganze Aussage. Nichts dramatisches. Sicher auch kein Aphorismus. Aber auch keine Weisheit. Nur ein belustigt fragender Gedanke.
  12. Vogelflug

    Über die Gefühle

    Nein Carlos, ich bin begeistert davon, wie schön es dich immer wieder "triggert", wie meine Kinder sagen würden. Ich finde das Gendern nur in bestimmten Situation und Zusammenhängen hilfreich und passend, um die Schieflage sozialer Rollen bei der hergebrachten rein männlichen Bezeichnung bestimmter Personen-Gruppen deutlich zu machen und möglichst zu überwinden. Zwei Beispiele: Die Deutschen sollen laut repräsentativer Untersuchungen bei Begriffen wie "die Politiker" oder "zum Doktor gehen" mehrheitlich an Männer denken, weniger an Frauen oder gar abstrakt an Gruppen, denen Frauen, Männer und geschlechtlich diverse Personen angehören. Beispiel 2: Nachdem es lange, lange Zeit eigentlich nur "Putzfrauen" gab, wollte sich nach der Umstrukturierung dieses Berufszweiges wahrscheinlich kaum ein Mann als "Putzfrau" identifizieren. Da gab es ohne jede Diskussion ganz schnell Begriffe wie "Putzkräfte", "Putzmänner" und andere. Damit, eine Doktorin Doktorin zu nennen, haben aber immer noch viele Leute Proble. Es gibt also noch viel zu tun, bis das ungelenke Gendern, das du sprachlich zu recht kritisierst, wirklich überflüssig geworden ist. Es geht um Geschlechtergleichberechtigung, um Emanzipation. Nicht um Sprachverschandelung. Das gesellschaftliche Anliegen steht für mich ungleich über dem Ästhetischen. Darum mache ich mit, wo ich es für sinnvoll halte. Übrigens braucht man "Arschloch" sprachlich nicht gendern. Es ist ein sächliches Wort. "Idiotin" habe ich tatsächlich schon mehrmals gehört. Wird also angewandt. Es bleibt, dass ich deinen literarischen Ausgangstext gut finde. Und dich. 🦅
  13. Vogelflug

    Deutsch für Fortgeschrittene

    Ist es Stuhlgang, wenn man nach einem freien Platz sucht?
  14. Vogelflug

    Über die Gefühle

    Sehr unterhaltsam, guten Tag Carlos, ein paar tiefsinnige Stellen, lieber Carlos, ein schöner, wie in leichten Nebel gehüllter, Spannungsbogen. Aber die Ingwer-Orange-Suppe kann ich nur empfehlen. Sie hilft, das Gendern nicht mehr so hasserfüllt abzulehnen. 😉 Oh - fast vergessen, dir schönes Wetter zu wünschen. Also: Schönes Wetter, Carlos! 🦅
  15. Guten Abend. Voriges Jahr war Kornkrise. Damit konnte ich gedanklich mehr anfangen. Ich dachte auch, der Spuk im Korn wäre längst vorbei. Aber Stuhlkreis, ne Runde Korn, namhafte Alkoholgenieszer, … Man kann tatsächlich wild assoziieren. Gute Nacht.
  16. Ich danke dir, Marvin. Das erleichtert mich sehr. Bis dann mal. 🦅
  17. Hallo @Marvin, ich habe keine Furcht, hier von jemandem "vorgeführt" zu werden. Deinen ersten Beitrag habe ich auch nur als eine sarkastisch überformte Meinungsäußerung gelesen, die für mich absolut im Rahmen des Sagbaren liegt und keine Grenzüberschreitung enthält. Du hast deine Meinung gesagt, okay. Das darf auch wehtun. Ich kenne diesen Blickwinkel, ich kenne die kritische Sichtweise auf offiziell verbreitete Bilder und Informationen und Meinungen. Das teile ich auch zum Teil mit dir. Bei dem konkreten Foto geht es mir tatsächlich so, dass ich durch den Blick des Kindes und durch das Bewusstsein der Begleitumstände eine sehr mächtige Heraushebung empfinde. Das Foto sagt nicht einfach: "Oh, hübsches Baby!" oder "Wie süß es guckt!" oder "Gott sei Dank hat es überlebt." - nein, es erzählt viel mehr und ruft eine irre Gefühlsmischung in mir hervor, von der abstrakten/ gedanklichen Erfahrung des Leids, über Reflexionen mit dem eigenen Leben/ vergleichende Gedanken, bis hin zu einer ungeahnten Zuneigung zu dem abgebildeten kleinen Menschen, der zum Hoffnungskeim für das Leben des Kindes selbst wie für die ganze noch kommende Menschheit wird. Es hat den Grat zwischen Tod und Leben erfahren - körperlich empfindend, und doch unbewusst. Und darin ist es eigentlich in einer ähnlichen Situation wie wir alle täglich. Das ist ein wilder Mix an Gedanken und Empfindungen, und ich habe versucht, wenigstens einen Teil dieser Gedanken und Empfindungen offen zur Schau zu stellen, sprich: für andere lesbar zu machen. Aber das ist schwer. In deinem zweiten Beitrag las ich dann: Und damit komme ich gar nicht klar. Das geht mir nicht aus dem Kopf. Das ist der Grund, weshalb ich hier überhaupt noch mal was hinzuschreibe. Zynismus ist für mich eine Haltung, die auf Menschen-, vielleicht Lebensverachtung beruht. Das ist etwas, das mir ferner nicht liegen kann. Wenn aber hier Beiträge zu lesen sein sollen, die man als zynisch empfinden oder begreifen kann, dann möchte ich dich bitten, mir diese vor Augen zu führen. Damit müsste ich mich auseinandersetzen. Ich weiß, dass ich auch mal in Ironie und Sarkasmus übergehe. Und das meist in einer lächelnden Art, die den anderen nicht verletzen will, sondern eher anregt, gemeinsam über unser aller menschliche Schwächen zu lachen. Ich streite auch gern mal. Um Inhalte, um Form. Aber zynisch sein? Weißt du, zu wissen dass das hier jemand so liest, wie du es da oben geschrieben hast, beunruhigt mich. Ich möchte um nichts in der Welt als Zyniker gelten. Nicht einmal als anonymer Nick-Name-User. Es ist mir nicht egal. Deshalb bitte ich dich, mit mir der Sache auf den Grund zu gehen. Ich denke, da liegt ein Missverständnis vor. Entweder in der Bewertung irgendwelcher meiner Äußerungen oder im Gebrauch des Begriffs. Liebe Grüße 🦅
  18. Vogelflug

    Nicht für mich:

    Sehr geehrter lieber Carlos! Liebe will nicht besitzen. Liebe wünscht dem Anderen das Beste, das höchste Glück. Liebe lässt dem Anderen seine Freiheit. Das ist keine neue Erkenntnis. Selbst dass das irdische Leben spätestens mit dem industriellen Zeitalter bedenklich existenzbedroht ist, ahnten aufmerksame kritische Naturbeobachter schon vor langer Zeit. Wie ernst es ist, wissen wir etwa seit den 1970ern. Wenn wir Menschen also den Egoismus in der Liebe und Umgang mit unserem Planeten verringern können, sind das gute Voraussetzungen für ein völlig neuartiges Leben - individuell wie als Menschen- und Erden-Gemeinschaft. Ich wünsche einen guten Tag und verbleibe mit kräftigen Flügelschlägen - dein Vogelflug 🦅
  19. Danke, @Marvin, für deinen sarkastischen Beitrag. Ich habe natürlich vorher darüber nachgedacht, ob ich so einen Text öffentlich lesbar einstellen sollte. Gefühlsduselei liegt sehr nahe. Man macht sich schnell lächerlich mit solchen Gefühlen, solcher Offenheit. Ich wollte es schließlich wirklich. Weil das Foto einzigartig ist - natürlich im Zusammenhang mit dem Drama, welches du freundlicherweise so deutlich ins Gespräch brachtest. Es passieren so viel grausige Dinge überall und ständig. Hab einen guten Tag damit. LG zurück 🦅
  20. Schön, hora, das freut mich. Andere, die "feedback jeder art" anklicken, sind manchmal tierisch angepisst, wenn man was Kritisches reinschreibt. ("Wie kann der nur!? Schließlich habe ich schon 5 Selfpapplisching-Bücher rausgebracht!") Das mit den Punkten solltest du trainieren, 😉 damit es sich selbständig verrichtigt ... 🦅
  21. Hallo hora. Ja, es gibt eine schöne Stimmung wieder, dein Gedicht. Aaaaber - es gibt auch Unstimmigkeiten. Wenn du schreibst: ist das nicht rund. Ich stells mal als prosaische Zeile dar: "Als ich so dalag und träumte, deine Hände zu spüren, zart auf meinem Gesicht." - äh - da fehlt was. Was war denn da, als du so dalagst und träumtest? Der Gedanke bricht schlicht ab. Geht aber schlecht, weil ein Punkt am Ende steht. Um ein offenes Ende zu gestalten, bräuchte es zuerst ein Komma hinter Gesicht und dann nach einer Leertaste (wichtig!) einen Gedankenstrich oder die berühmten drei Punkte. Also so: "Als ich so dalag und träumte, deine Hände zu spüren, zart auf meinem Gesicht, ..." Wenn du das mit dem offenen Ende aber nicht möchtest, wäre eine Umformulierung gut. Vielleicht so: "Ich lag (so da) und träumte (liegen oder daliegen ist sicher Geschmackssache. Ich wäre für das Kürzere) deine Hände zu spüren, zart auf meinem Gesicht." Am zweiten Teil will ich nicht kritteln, nur noch mal der Hinweis, dass vor deinen drei Pünktchen am Schluss eine Leertaste fehlt, denn: fügt man die drei Punkte gleich ans letzte Wort an, bedeutet das, dass das Wort nicht vollendet ist. Die kleine Lücke, die eine Leertaste schafft, zeigt an, dass der Gedanke nicht voll ausformuliert ist, der/die Leser*in also frei weiterdenken soll, kann, darf. Das sind zwei grundverschiedene Sachverhalte. Reicht. Liebe Grüße 🦅
  22. Hallo Mojo182, ja, is witzich, dein Aufsatz über Nietzsche. So sollte man rangehen, wenn man der heute jugendlichen Nachwelt was von den mehr oder weniger großen Denker*innen unserer Vorfahren etwas verklickern will. Zwei kleine kritische Anmerkungen seien mir erlaubt: Ich habe an der Stelle hier etwas Bauchgrummeln mit dem Begriff "Frauenzimmer". Obwohl er "aus der Zeit gefallen" ist, klingt es hier so, als machtest du ihn dir zu eigen. Und das kommt bei mir ein wenig schräg an. Aber das ist vielleicht nur ein extrem persönlicher Eindruck. Zum andern: hat sich da ein Rechtschreibfehler eingeschlichen. Ich schenke dir ein "ß". Ciao! 🦅
  23. Na klar Juls. Irgendwie bleibt es eine beständige Last. Vielleicht wie ein zu dicker Bauch. An den gewöhnt man sich auch. Aber von Zeit zu Zeit macht man sich Gedanken darüber und weiß, dass er einem das Leben nicht angenehmer macht ...
  24. Danke fürs Lesen und Kommentieren, Juls. Dass der Text mitnimmt, spricht hoffentlich für ihn, nicht nur für das Beschriebene. Ich habe zumindest versucht, ein paar mir stets gegenwärtige Details herauszuhalten und stattdessen mit etwas literarischer Sprache zu würzen. Wenn das halbwegs gelungen ist, ist es okay. Das Beschriebene ist nun für mich kein tägliches Leid. Es ist einer der vielen Eindrücke, aus denen mein Leben besteht, und was man nie aus dem Rucksack nehmen kann, um es irgendwo abzulegen. Es bleibt bei einem, so lange man lebt. Glücklich, wenn man lernt, damit zu leben, ohne daran zu zerbrechen oder es wieder anderen anzutun. Den eigenen Kindern oder irgendwelchen Opfern, die man sucht und findet. Danke.
  25. Vogelflug

    Kindheitserinnerung

    Mutter liebte uns Kinder. Bestimmt. Irgendwie. Auf ihre Art. Es gab oft Süßes. Ich weiß nicht mehr, was mir passiert war – beim Abtrocknen eine Tasse fallen lassen? Irgend so etwas. Ein geschickter Dreizehnjähriger war ich nicht. Jedenfalls schlug sie mir deshalb erstmal liebevoll auf den Kopf, so dass ich umfiel. Ich dachte, das lässt sie nun entspannt ihre Arbeit weitermachen, aber ihr Liebesanfall war noch nicht zu Ende. Immer wieder sah ich ihren rot-bunten Hausschuh gegen meinen Bauch fahren. Hui, das muss ihr ein Liebesspaß gewesen sein! Dazu schrie sie laut ihre Liebe hinaus, was für einer ich sei und warum mein Bruder sterben musste, der immer so lieb war, ganz anders als ich Verdorbener, und schließlich rief sie voller Liebe, dass besser ich hätte sterben sollen, damals, an jenem Vormittag, als die Betonplatte abrutschte und mit ihr mein Bruder, der nur den Ball holen wollte, welcher den Hang hinunter gerollt war, und der kürzeste Weg war nun mal über den dreigeteilten Kanaldeckel, unter dem die düstere Pampe waberte, in dem großen Sammler für sechzehn Wohnungen, das muss ja auch sein, wo soll denn das ganze Zeug hin, vom Händewaschen und vom Wäschewa- schen und vom Klospülen und vom Zähneputzen und das Wasser vom Kartoffelnkochen – irgendwo muss man es ja sammeln – und es konnte ja niemand wissen, dass nicht alle Platten fest verankert waren und eine nur ganz lose auflag und ins Kippen kommen konnte, wenn so ein Vierjähriger da ahnungslos dem Ball hinterherjagt und vor Schreck erstarrt und rutscht und fällt und sein Leben mitreißt, da hinab in die dunkelste Brühe der Welt, und seine Familie mitreißt, die da nie wieder rauskommen wird, und noch einige Sekunden strampelt und schreit, nach der Schwester, die hilflos ist, und um sein Leben, um Hilfe, während an den Fenstern Nachbarn das grausige Drama hilflos verfolgen und niemand kommt auf die Idee, einen Besen aus dem Fenster zu werfen, niemand kann es fassen, was passiert, denn das ist nicht vorgesehen für das Jahr neunzehnhundertsiebenundsechzig, darauf hat man sich nicht vorbereiten können, und es gab auch hinterher für niemanden einen Platz, einen Raum, einen Gesprächspartner, um all das aufzuarbeiten, was man da erlebt und gehört hat oder was einem Polizisten auf Arbeit erzählten IHR SOHN IST GEGEN ZEHN UHR DURCH EINEN TRAGISCHEN UNFALL UMS LEBEN GEKOMMEN, und dann liege ich fast zwölf Jahre später auf dem Küchenboden und werde getreten von dieser Frau, die meine Mutter ist und lasse mich beschimpfen und verfluchen und ich muss an KZ- Aufseherinnen denken, von denen wir in der Schule gehört haben und ich verstehe die Zusam- menhänge noch nicht, aber werde ein Leben lang immer wieder daran denken und davon reden und schreiben und nehme mir ganz fest vor, mit allen später noch mal drüber zu reden. So konnten wir ja nicht leben. So nicht. 🦅
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