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Einmal, als du an gar nichts

denken wolltest, fiel dir dein Vater ein,

der Vater, der nie dein Vater war.

 

Was sagte er, als er erfuhr,

dass er deine Mutter geschwängert hatte?

Du stelltest dir die Antwort vor.

Bei unpassender Gelegenheit

sagte die Mutter, er habe noch nicht mal

Alimente gezahlt.

 

Du hast deutsches Blut in den Adern,

germanisch-keltisches, sagte der Amtsrichter

nach gründlicher Prüfung

und drückte den Stempel auf deine

Lebensgenehmigung. Du Wechselbalg

warst amtlich würdig, weiterzuleben.

 

Später fragtest du dich,

ob er dich nicht vermissen würde,

dein angeblicher Vater. Du fabuliertest

in den Wind, der den Toten weht.

 

Die Mutter auf dem Krankenbett

wollte dir noch etwas sagen, aber dann

dann schwieg sie doch lieber und zeigte dir

ein vergilbtes schwarz-weißes Foto

eines lächelnden Soldaten mit Stahlhelm

und Hakenkreuz.

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Hallo Angelika,

Kinder, die ohne Väter aufwachsen müssen, haben oft Probleme damit umzugehen.

So gesehen greift dein Text ein bedrückendes Thema auf und gibt dem Leser einen Einblick in die Gefühlslage eines solchen Menschen.

Womit ich mich schwer tue ist die Verbindung zum Titel, denn der Begriff "Wechselbalg" steht ja für ein untergeschobenes, ausgetauschtes Kind, das von einem Dämon beherrscht wird und meist schrecklich aussieht und kaum sprechen kann etc. Mag sein, dass der Protagonist sich selbst als so ein Kind sah, doch der mystische Bezug stört für mich die innere "menschliche" Auseinandersetzung mehr, als sie diese unterstützt.

Das ist natürlich nur meine subjektive Einschätzung.

LG

Perry

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Danke, Perry, für deinen Kommentar. Du hast natürlich recht, die Bezeichnung Wechselbalg steht für ein untergeschobenes Kind. Dieses ganze Gedicht hat eine längere Geschichte, ich will sie hier nicht ausbreiten, aber der Protagonist litt als Kind bis ins frühe Erwachsensein sehr darunter, dass ihn seine Umgebung in einer Kleinstadt tatsächlich mit diesem Begriff bezeichnete. Deshalb habe ich dem Gedicht auch diesen Titel gegeben. Wenn man den Hintergrund nicht kennt, ist es klar, man stolpert darüber. Soviel mir bekannt ist, wurde mit diesem Begriff auch ein Kind bezeichnet, dessen Vater angeblich der Teufel war, oder ein Kind, das mit sichtbaren schweren Behinderungen geboren wurde. In jedem Fall ist das ein sehr negativ belasteter Begriff. Heute hört man ihn eigentlich nicht mehr, zum Glück.

 

Angelika

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Hallo Angelika,

 

ich kenne Wechselbalg in der ursprünglichen Bedeutung von "vertauschtes Kind". Aber nicht in der Klinik vertauscht, sondern ein menschliches Baby, das vom legendären "kleinen Volk" gegen eines ihrer Kinder vertauscht wurde. Habe ich mal irgendwo gelesen. Wurde wohl auf Kinder angewendet, die irgendwelche Besonderheiten in Aussehen und/oder Benehmen aufwiesen, um ebendiese zu erklären.

 

Von daher wurde dies vielleicht auf Kinder übertragen, die einen "unerwünschten" Vater hatten, z.B. einen deutschen Soldaten im besetzten Ausland o.ä.

 

LG

 

Ruedi

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Weiß ich nicht, Ruedi. Nein, es ging darum, dass die Eltern vor der Geburt meines Protagonisten nicht verheiratet waren und der Vater gefallen, er also "keinen Vater hatte". Er hat also seinen Vater nie kennengelernt, und das war der "Makel", er galt als uneheliches Kind. Und das war zu dieser Zeit noch im Gegensatz zu heute sehr nachteilig und Anlass für seine Umwelt, ihn mit diesem Wort zu schikanieren.

 

Angelika

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