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Ein sonniger Tag im Park


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Ich saß auf einer Parkbank und genoß die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht als sich langsam ein Schatten darüber legte. Eine junge hübsche Frau nahm neben mir Platz und starrte ins Leere. Ihre Miene war ausdruckslos und sie wirkte unendlich müde. Wir schwiegen eine Weile nebeneinander und als ich schon fast aufbrechen wollte fing die junge Frau an zu sprechen: „ Ich wünschte ich wäre so sorglos wie du es bist.“ und endete mit einem Seufzer. Zunächst wunderte ich mich über die formlose Anrede, doch dann entschied ich mich es ihr gleich zu tun und antwortete: „ wie kommst du darauf, dass ich ohne Sorgen bin?“ Sie wirkte erschrocken, so als hätte sie nicht damit gerechnet, dass ich antworten würde. Sie hob den Blick und schien mich das erste Mal richtig zu bemerken. „Oh, nun, du hast ein Lächeln im Gesicht und trägst so schöne Kleider. Du sitzt hier als könnte dich eben nichts erschüttern.“ Ihre Stimme klang tonlos. Ich hob eine Augenbraue und erwiderte: „ Du schließt einzig aus einem Moment, dass ich keine Sorgen habe oder mich keine Probleme quälen!? Nun, vielleicht trügt der Schein und ich trage mehr mit mir herum als man sehen kann. „ „Hmm...“ meinte Sie nur nachdenklich und schob hinterher: „ Das hab ich nicht bedacht.“ Für einen Moment schwiegen wir und ich erwog fast schon wieder zu gehen, entschied mich aber dann anders und fragte : „Was plagt dich denn so sehr?“ Ihr Blick ging starr geradeaus als sie erneut anfing zu sprechen: „Wo soll ich nur anfangen?... vielleicht damit, dass ich krank bin. Ich werde sterben. Man hat mir eröffnet, dass ich Krebs habe. Das allein wäre ja kein Grund auf zu geben, ich meine man hört es immer bei anderen und denkt bei sich wie schlimm, aber wenn man selbst betroffen ist kann man es nicht so recht fassen.“ gerade als ich ihr tröstliche Worte aussprechen wollte, sprach sie weiter: „Er ist fortgeschritten musst du wissen. Also der Krebs. Ich habe noch etwa 4 Wochen hat mir mein Arzt gesagt. Bisher habe ich es noch niemandem erzählt. Nicht einmal meinem Mann. Ich weiß nicht wie! Und wie soll ich es erst meinen Kindern begreiflich machen, dass ich bald nicht mehr da sein werde.“ endete Sie und wir schwiegen wieder eine Weile. Sie wirkte gefasst und beinahe abgeklärt. So als hätte sie sich ihrem Schicksal ergeben und wie könnte sie nicht, denn es war unumstößlich. Sie war in ihrem letzten Kapitel angekommen und mich fröstelte ein wenig. Die Sonne die sich gerade noch wunderbar warm anfühlte wurde mit einem Mal erdrückend. Mir war unwohl und mein Puls beschleunigte sich. Was sollte ich ihr nur sagen? Warum konnte ich nicht bereits gegangen sein und hätte von Ihrem Schicksal nie erfahren!? Ein bisschen ärgerte ich mich über mich selbst, weil ich unbedingt hatte wissen wollen was sie bedrückte, weil ich so ignorant war und mich hier weg wünschte und scheinbar so wenig Mitgefühl aufbringen konnte und ihr in diesem Moment den Rücken kehren wollte. Doch ich kannte sie nicht. War es da nicht ganz normal dass ihr Leid mich nicht berühren sollte. Aber im selben Moment indem ich das dachte wusste ich, dass es egal war ob wir uns schon besser kannten oder ob sie eine Fremde war. Sie hatte mich ausgesucht um sich mir mit zu teilen und ich war nun mal hier. „ Was willst du nun tun?“ fragte ich sie. Sie antwortete: „ Ich werde es wohl meinem Mann sagen. Dann werde ich meine große Tochter zuerst einweihen und dann werde ich es den beiden kleinen sagen. Mein Sohn wird es nicht verstehen, ob nur einer meiner Kinder es versteht wag ich zu bezweifeln. Doch meine Töchter sind 6 und 4 und mein Junge ist gerade 1 1/2. Das tut mir am meisten Leid, dass sie ohne mich aufwachsen werden. Ist es selbstsüchtig zu denken, ich hätte so gern gesehen wie sie erwachsen werden!?“ Darauf wusste ich keine Antwort. „Ich dachte ich bin wieder schwanger, „ sagte sie, „ meine Regel blieb aus und ich wollte Gewissheit und bin daher zum Arzt. Er fand einen Tumor und all meine Hoffnung man könnte mir diesen einfach entfernen, ich habe ja schon drei Kinder und auf meine Gebärmutter könnte ich verzichten, schwand, als er sagte er habe gestreut. Es war so surreal.“ Langsam bemerkte ich wie mich der Schock über ihre Geschichte übermannte. Ich hatte plötzlich so viele Fragen, Fragen die ich eigentlich nicht zu stellen berechtigt war, die sie wohl auch ihrem Mann würde beantworten müssen. Und ich wog ab ob ich einfach los legen sollte und da sprach sie weiter: „ Ich habe nie geraucht. Habe nie getrunken. Habe mich immer ausgewogen und gesund ernährt. Habe Sport betrieben. War meinem Mann immer Treu und liebe meine Kinder Ein ums Andere. Mein Leben war ein gutes Leben. Ich bin Hausfrau, heutzutage ungewöhnlich, das gebe ich zu, aber mein Mann bat mich zu Hause zu bleiben um die Zeit mit den Kindern zu haben. Sie anständig erziehen zu können und er verdient genug, also war ich damit zufrieden. Ich wollte nie viel, war immer genügsam und versuchte ein guter Mensch zu sein. Doch scheinbar kann es jeden treffen. Ich bin das beste Beispiel.“ Erneut wusste ich darauf nichts zu sagen.

Ich stellte mir vor wie sie ihrem Mann die Nachricht überbrachte. Wie er Ihr Hand nahm und ihm Tränen in die Augen treten würden. Wie er zuerst wütend auf sie oder auch die Welt sein würde und dann resigniert akzeptieren musste dass es eine Tatsache ist. Ich stellte mir vor wie sie versuchte ihrer 6 jährigem bei zu bringen dass es Mama bald nicht mehr geben würde und wie sie es ebenso bei ihrer kleineren Tochter versuchen würde. Wie ihr kleiner Junge in ein paar Jahren erkennen würde, dass er nie die Möglichkeit hatte seiner Mutter seinen ersten verlorenen Zahn aus zu händigen oder dass sie niemals eines ihrer zukünftigen Enkelkinder sehen würde... Sie würde einfach nicht mehr da sein. Diese Erkenntnis trieb mir die Tränen in die Augen und ich musste zugeben, dass ich doch im Vergleich zu ihr keine nennenswerte Sorgen hatte. Sie bemerkte meinen aufgelösten Zustand und nahm mich bei der Hand. „Nimm es nicht so schwer. Ich danke dir für dein Mitgefühl und dass du heute für mich da warst. Doch es ist nicht dein Schicksal. Trauere nicht um eine Frau die du kaum kanntest und tröste dich damit dass du mir für eine kurze Zeit eine Last abgenommen hast.“ Als sie das sagte konnte ich ein schluchzen nicht mehr unterdrücken. Sie nahm mich kurz in den Arm und lächelte mir aufmunternd zu. „ Lebe jeden Tag als sei es dein letzter, denn womöglich wird es irgendwann so sein.“ mit diesen Worten erhob sie sich. Sie drückte ein letztes Mal meine Hände und verabschiedete sich von mir. Und in diesem Moment hatte ich das Gefühl einer Freundin für immer Lebewohl gesagt zu haben. Lange noch saß ich so auf meiner Bank an diesem schönen sonnigen Tag und hing meinen Gedanken nach.

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Hallo Emjay

 

Deine Erzählung hat mich sehr berührt. Ich denke das jede, Begegnung mit einem Menschen einen tieferen Sinn hat.

Diese junge Frau konnte sich, bevor sie diese schreckliche kaum auszuhaltende Nachricht ihrer Familie beibringen erklären musste, sich einiges von der Seele reden. Da war ein Mensch der ihr zugehört hat sich die Zeit für sie genommen hat (mutig war – geblieben ist)das hat ihr sicher Kraft gegeben.

Es war eine ganz besondere Geschichte. Danke dafür!

LG Josina

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