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Feedback jeder Art Das Selbst

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  • Lichtsammlerin
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So sah ich in dir
mein Selbst entstehen
während du
dich darin verlorst
deines Selbst beraubt
in Verleugnung versuchend
mir meines zu nehmen
 
in Stücke gerissen
meine Hülle
während du
nach Ganzheit strebtest
eine Einheit aus den
Stücken meines Ichs
 
diese Vollkommenheit
der Loslösung
im unbeständigen Sein
so wurde ich ganz
während du
die Grenzen vergaßt
deiner entstellten Macht
schreiend deine
Hilflosigkeit verneinend
 
du glaubtest zu herrschen
und wurdest beherrscht
während ich
den Gefühlen entsagte
die Unterwerfung befahlen
mir deinen Willen
zu eigen machend
 
so sahst du in mir
dein gemordetes Selbst
während ich
das Leben bejahte
im Sterben
mein Selbst gebar.
 
Hallo Lichtsammlerin,
Psychiater hätten sicher ihre Freunde an diesem Text, mich beschleicht eher ein bedrückendes Gefühl, wenn ich mich in die beschriebenden Bilder dieser Selbstfindung eines Paares bzw. einer doppelten Persönlichkeit hineinversetzte.
Ansonsten durchaus ansprechend geschrieben.
LG
Perry
 
Hallo Perry,
 
ich glaube ein Psychiater würde händeringend den Kopf schütteln, die Stimme eine Tonlage höher ansetzen und dann schweigend den Raum verlassen :biggrin:
Nur so eine Vermutung..
Die Selbstfindung gleicht hier der eigentlichen Selbst-Entstehung, während das LD sein Selbst hergibt im Glauben es zu erweitern, reift das Selbst des LI an der Selbstvernichtung des Gegenübers.. ja, durchaus ein bedrückendes Gefühl. Allerdings liegt darin auch eine große Kraft - das LI wird sich der eigenen Stärke bewusst und erkennt die ärmliche Schwäche des LD, die das LD fälschlicherweise für Stärke hält. Etwas vollkommen Neues entsteht - ein Selbst wird geboren.
Zwar hatte ich weder ein Paar noch eine doppelte Persönlichkeit im Sinn, aber das mag jeder Leser so interpretieren, wie es richtig erscheint!
Danke dir fürs Lesen und Hineinspüren!
 
Liebe Grüße, Lichtsammlerin
 
Hallo Lichtsammlerin,

ein beeindruckendes Gedicht, schwer und düster. 
So wie ich deine Verse lese und verstehe, schilderst du hier einen Zweikampf, der kein Zweikampf ist; Sieger und Verlierer stehen fest. So scheint es zumindest ...
Wie entsteht und überlebt das Selbst? Wie entwickelt es sich? Kann man es zerstören? Das Selbst, das Zentrum der Persönlichkeit, das Ich hoch zwei. - Dieses Gedicht scheint Antwort darauf zu geben. 
 
diese Vollkommenheit


der Loslösung


im unbeständigen Sein


so wurde ich ganz
Ich meine, hier hat das LI Glück gehabt. Diese 'vollkommene Loslösung im / aus dem Sein' führt mE selten zu einem Empfinden von Ganzheit. Die Gefahr, sich in solch einer Situation zu verlieren, sein Selbst zu verlieren, scheint mir sehr groß.
 
 
so sahst du in mir


dein gemordetes Selbst


während ich


das Leben bejahte


im Sterben


mein Selbst gebar.
Es sind genau diese Verse, die mich veranlasst haben, dein Gedicht zu kommentieren; sind sie mE eben nicht nur grausames Finale eines verzweifelten Kampfes. Sie zeigen auch eine lichtvolle Wendung des Geschicks, einen Sieg Davids gegen Goliath. 
Das LI betrachtet sein Selbst, seine Persönlichkeit, all das, was das Wesen eines Menschen ausmacht - als 'im Sterben' befindlich. Abgetötet. Abgestumpft. Erstarrt. Wie es dem LI gelingt, in dieser hoffnungslosen Situation das 'Leben zu bejahen', bleibt für mich Geheimnis und Wunder. Ich kann nur sehr erfreut feststellen, dass es ihm gelingt. Einzig dadurch konnte es sich selbst retten und neu gebären, um - wie Phönix aus der Asche zu steigen ...
Über den glücklichen Ausgang dieses Dramas habe ich mich persönlich sehr gereut.

Ich erinnere mich hier an die Fabel der 'beiden Frösche'; von Aesop. Die beiden gerieten in eine schier ausweglose Situation (Gefangen in einem Krug mit Sahne). Einer der beiden Frösche hat nicht aufgegeben. Er ist gerudert,  hat gekämpft, gezappelt und probiert, solange, bis sich in der Sahne ein Butterklumpen gebildet hat, von dem aus er in die Freiheit springen konnte ...

Ich habe dein Gedicht, besonders die letzte Strophe, gern gelesen und darüber nachgedacht.
LG, Berthold 

 
 
Hallo Berthold,
 
es freut mich sehr, dass meine Zeilen so viele Gedanken bei dir angestoßen haben, und du dich in die Tiefe begeben hast.. Deine Überlegungen sind sehr spannend.
So wie ich deine Verse lese und verstehe, schilderst du hier einen Zweikampf, der kein Zweikampf ist; Sieger und Verlierer stehen fest. So scheint es zumindest ...
Stimmt, nach außen hin stehen Sieger und Verlierer fest. Einer ist der Überlegene, und weiß das auch. Aber worin liegt der Sieg? Der Überlegene glaubt, dass er gewinnt, aber diesem ist nicht bewusst, wie viel er dabei verliert. Nämlich das eigene Selbst.
Für mich ist dieses Bild vergleichbar mit dem Bild, das ich von Menschlichkeit habe. Es ist etwas, zu dem man sich entscheidet. Aber jemand kann auch seine Menschlichkeit hergeben, für immer, endgültig, sie ablegen wie ein Kleidungsstück. Ähnlich kann das eigene Selbst abgelegt werden, ermordet, unwissentlich.
Wie entsteht und überlebt das Selbst? Wie entwickelt es sich? Kann man es zerstören? Das Selbst, das Zentrum der Persönlichkeit, das Ich hoch zwei. - Dieses Gedicht scheint Antwort darauf zu geben. 
Wow. Das du in meinen Worten eine Antwort auf diese großen Fragen findest - da bin ich ein wenig sprachlos
smilie_verl_027.gif

Die Entstehung des Selbst ist sicher eine individuelle Frage. Ich glaube nicht, dass dies überall gleich ist. Aber es wird wohl Parallelen geben, etwa im Erkennen und der bewussten Entscheidung zum eigenen Selbst.
Ich meine, hier hat das LI Glück gehabt. Diese 'vollkommene Loslösung im / aus dem Sein' führt mE selten zu einem Empfinden von Ganzheit. Die Gefahr, sich in solch einer Situation zu verlieren, sein Selbst zu verlieren, scheint mir sehr groß.
Damit hast du absolut Recht. Die Gefahr ist groß, und vielleicht grenzt es an ein Wunder. Dennoch würde ich es nicht als "Glück" bezeichnen. Es war eine Art Fluchtreflex, die Loslösung aus der Situation. Mit der Entsagung der Realität, einer Auflösung ins Nicht-reale kam eine Akzeptanz, die beinahe grenzenlos war. Das LI war unverwundbar in seinem Inneren und hat dies erkannt. Dass dort ein Ort ist, der nicht angetastet werden kann.. So wurde aus der Flucht in dieser Situation ein Ankommen in sich, wenn auch aus der Not heraus.
Wenn man die Menschen von innen sehen könnte, anstatt von außen, dann ließe sich das Bild einfacher erklären: Das LI sah sein eigenen Inneres entstehen, sich zusammenfügen, ein Ganzes werden, wachsen.. und es sah das Innere des LD zerfallen, sterben, verwesen..
Das Bild des Zweikampfes hat zwei Ebenen: Außen siegt das LD. Innen das LI.
Es sind genau diese Verse, die mich veranlasst haben, dein Gedicht zu kommentieren; sind sie mE eben nicht nur grausames Finale eines verzweifelten Kampfes. Sie zeigen auch eine lichtvolle Wendung des Geschicks, einen Sieg Davids gegen Goliath. 
Ein Vergleich mit David gegen Goliath - das ist eine Ehre!
Die lichtvolle Wendung entsteht hier womöglich gerade durch den verzweifelten Kampf.. es ist kein finales Aufbäumen, es ist ein leiser Sieg, der dem LI eine gänzlich neue Welt eröffnet - einen neuen Zugang zum Leben.
Das LI betrachtet sein Selbst, seine Persönlichkeit, all das, was das Wesen eines Menschen ausmacht - als 'im Sterben' befindlich. Abgetötet. Abgestumpft. Erstarrt. Wie es dem LI gelingt, in dieser hoffnungslosen Situation das 'Leben zu bejahen', bleibt für mich Geheimnis und Wunder.
Jein. Das LI spürt, dass ein Teil von ihm stirbt oder sterben muss. Ich würde nicht so weit gehen, darin "alles" was das Wesen eines Menschen ausmacht einzubeziehen. Aber das hängt natürlich auch davon ab, welche Vorstellung jeder von diesem Wesen hat..
In jedem Fall ist das alte Selbst des LI im Sterben, aber noch während es das wahrnimmt, erkennt es, dass daraus ein neues Selbst entsteht - wie bei dem schönen Bild von dir mit dem Phönix.
Zum zweiten Punkt kann ich dir nur sagen - auch mir bleibt es Geheimnis und Wunder. Mit ganzem Herzen hat das LI das Leben bejaht, sich dem hingegeben.. aber wie das gelingen konnte, ich weiß es nicht.
 
Ich freue mich, dass du in dieser hoffnungsvollen Wendung so viel gefunden hast. Das freut mich wirklich..
Die Geschichte mit den Fröschen ist sehr passend, und erinnert mich prompt an eine ähnliche Geschichte mit einem Esel in einem Brunnen.. der Herr will aus Gnade mit dem Tier dieses mit Erde zuschütten, aber aus einem trotzigen Lebenswillen stampft der Esel die Erde immer wieder platt bis er irgendwann oben aus dem Brunnen steigen kann..
Ähnliche Geschichten bis gleichen Bildern - wie viel der Wille zu leben bewirken kann, auch wenn er aus reiner Verzweiflung geboren wird.
 
Danke nochmals für deine Worte.
 
Liebe Grüße, Lichtsammlerin
 
Ein ergreifender Text, liebe Lichtsammlerin. Die letzte Stophe verschaffte mir Gänsehaut.
 
Dieses Selbst jedenfalls, kann sich sehen lassen.
 
Packend zu lesen!
 
Lieben Gruß, Letreo
 
Tut mir leid, wenn ich ich immer etwas hinterher hinke...
 
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