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Hier vermiss ich dich

 

Ich vermisse dich,

dabei bist du noch nicht tot.

Weiß ich bald nicht mehr, was unsre Zeit mir einst bot.

 

Bist du eines Tages endlos fern,

schläfst du dann neben einem fremden Herrn.

Dann seh' ich dich tausend mal nicht mehr.

Schon beim Gedanken wird mein Herz ganz schwer.

 

Ist irgendwann dein Licht erloschen,

dann leg ich dir Auf die Augen die letzten Groschen.

Denn ich möchte, dass du dann alles hast

und niemals Sorge hast, bei dem was du machst.

 

Löst sich dann langsam die Erinnerung,

dann ist es Zeit für meine geistige Genesung.

Doch hab ich Angst davor, dich zu vergessen.

Meinen Schmerz kann man nicht messen.

 

Ach kann ich dich nicht mehr im Herzen halten,

dann verschwindest du wohl im Kalten.

Je länger ich an deiner Seite bin, desto mehr schmerzt es,

doch gibt es auf der Welt nichts schöneres.

 

Drum kann ich kaum den Tag abwarten,

an dem wir wieder geeint liegen im Garten.

 

Deshalb frag ich dich - vermisst du mich?

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Hallo und herzlich willkommen, Poisonpen!:classic_smile:

 

Ich hoffe, ich verletze dich nicht mit meiner Annahme; aber ich nehme an, das ist dein erstes Gedicht (oder eines deiner ersten Gedichte). Darin liegt keine Schande, denn genau genommen haben nur Leute kein erstes Gedicht geschrieben, die nie ein Gedicht geschrieben haben und wer sich daran versucht, ist mir schon deshalb sympathisch. Jedenfalls ist niemand mit einem Sonett in der Hand auf die Welt gekommen und mit Fehlern beginnt jedes Lernen.

 

Schön, dass du dich traust, erfahrenere Lyriker über dein Gedicht schauen zu lassen und da du ja extra um Kritik bittest, nehme ich auch an, dass du wegen des Lernens hier bist. Daher möchte ich dir auch konstruktive Kritik anbieten. Ein paar Anfängerfehler machst du. Wenn du weiter übst und an diesen Fehlern arbeitest, bin ich zuversichtlich, dass du gute Gedichte schreiben kannst.

 

Zunächst ist mir aufgefallen, dass du ein paar Reime verwendest, die nicht funktionieren, z.B.:

vor 8 Stunden schrieb Poisonpen:

Löst sich dann langsam die Erinnerung,

dann ist es Zeit für meine geistige Genesung.

 

Zwar enden beide Verse mit der Silbe "-ung", aber das reicht noch nicht aus, um den Klang eines Reims zu kreieren. Erinnerung wird ja auf der letzten Silbe betont (Erinnerung), während bei Genesung das "-ung" unbetont ist (Genesung). Wenn du die beiden Verse laut vorliest, wirst du merken, dass der vermeintliche Reim nicht wirklich "knallt", weil man keine betonte auf eine unbetonte Silbe reimen kann. Nur mal, um ein Gefühl für den Reim zu bekommen, möchte ich dir etwas empfehlen, das du trotzdem nicht in eine verbesserte Fassung des Gedichts eingehen lassen solltest: Ersetze "Genesung" durch "Erneuerung". Merkst du den Unterschied? Hörst du, wie der Reim sich entfaltet? Es funktioniert deshalb viel besser, weil du in beiden Versen mit einem betonten "-ung" abschließt.

 

Warum ich dir dennoch nicht empfehle, meine "Verbesserung" zu übernehmen? In deiner wie in meiner Fassung hast du Worte, die mit dem allzu häufigen Suffix "-ung" enden. Es reimt sich also nur, weil du und ich gezielt nach Nomen gesucht haben, die dieses "-ung" am Ende haben und diese gibt es wie Sand am Meer. Es ist daher recht unoriginell - tatsächlich so unoriginell, dass es dem Leser schwerfällt, es überhaupt als Reim zu akzeptieren. Da muss man "Erinnerung" schon auf was anderes reimen, z.B. "Sprung" oder "Dung" oder so.

 

Ich kann mir vorstellen, woher die beiden angesprochenen Fehler resultieren: Ich glaube, du achtest beim Schreiben darauf, wie die Wörter aussehen, wenn sie geschrieben sind, du achtest auf Buchstaben und Buchstabenkombinationen. So wird man zu leicht verleitet, die gleiche Buchstabenkombination zu wählen und es einen Reim zu nennen. Wie du aber siehst, klappt das nicht immer, entweder, weil man dabei die Betonung missachtet oder weil man zu sehr in die Wiederholung gerät. Es ist daher in erster Linie wichtig, das Gedicht nach dem Gehör zu schreiben. Lyrik ist zu einem nicht geringen Teil eine Frage der Aussprache. Es geht um Betonung und klangliche Ähnlichkeiten, nicht um identische Buchstabenkombinationen. Mein Tipp: Lies deine Gedichte auch schon beim Schreiben laut vor, versuche den Rhythmus zu spüren und sei dem Klang gegenüber achtsamer als den Wörtern auf dem Papier!

 

vor 8 Stunden schrieb Poisonpen:

Je länger ich an deiner Seite bin, desto mehr schmerzt es,

doch gibt es auf der Welt nichts schöneres.

Das ist auch ein Beispiel für ein Reim, der wegen der Betonung nicht funktioniert - "schmerzt es" betonst du ja natürlicherweise auf "schmerzt", "schöneres" auf "schön". So eine betonte Silbe nennt man Hebung, eine unbetonte Silbe nennt man Senkung. Ein Reim muss immer auch eine Hebung umfassen. Wenn du also einen Reim auf "schmerzt es" suchst, muss das gesuchte Reimwort eine Hebung haben, die sich auf "schmerzt" reimt und anschließend eine Senkung, die sich auf "es" reimt. Ein solches Wort kommt mir gerade nicht in den Sinn und ich bezweifle sogar, dass es in der deutschen Sprache ein solches Wort gibt. Annäherungsweise kann ich dir "Herbstes" als Beispiel zeigen. Es ist zwar kein wirklich sauberer Reim (weil ein "b" dort ist, wo ein "zt" sein müsste), aber daran kannst du zumindest erkennen, dass es notwendig ist, dass sich die Hebungen der Reimwörter zumindest halbwegs reimen müssen.

 

Die zweite Sache, an der du arbeiten kannst, um dich zu verbessern, ist die Metrik. Ich habe dir ja gerade von den Hebungen und Senkungen (also den betonten und unbetonten Silben) erzählt. Diese sind nicht nur am Ende des Verses für den Reim wichtig, sondern spielen im gesamten Vers eine Rolle. Ein Gedicht (zumindest wenn es Reime enthält) hat einen Rhythmus - wie in der Musik. Dieser Rhythmus wird erzeugt durch eine halbwegs regelmäßige Abfolge von Hebungen und Senkungen. Man kann dies auch durch Zeichen beschreiben: ein großes X steht für eine Hebung, ein kleines x für eine Senkung. Dein erster Vers ist metrisch perfekt, was man auch an den Xen sieht:

 

Ich vermisse dich

XxXxX

 

Hier wirkt es wirklich rhythmisch. Warum? Wegen des klaren Musters, wonach die großen und kleinen Xen sich orientieren. In diesem Falle erscheinen Hebungen und Senkungen einfach abwechselnd: großes X, kleines x... Es gibt auch kompliziertere Muster, aber das wäre jetzt zu viel auf einmal. Mein Tipp: Versuche mal, dieses Gedicht neu zu schreiben (oder ein anderes Gedicht zu schreiben) mit dem einzigen Ziel, ein ganzes Gedicht lang Hebungen und Senkungen abzuwechseln! Mach es bitte mit Gefühl, nicht mit dem Verstand! Bewege dich rhythmisch und lass die Worte zum Rhythmus fließen! Wenn dabei der Inhalt nicht so dufte wird und sich das Gedicht nicht reimt, ist es nicht so schlimm. Nur als erste Übung, damit du ein Gefühl für die Metrik bekommst, achte einfach nur auf die Betonungen! Denn das ist, was in vielen anderen Versen durcheinander geraten ist:

 

Weiß ich bald nicht mehr, was unsre Zeit mir einst bot

XxXxXxXxXxxX

 

Im Großen und ganzen hast du hier das Versmaß eingehalten, aber am Ende gerätst du aus dem Rhythmus - die Stelle, als zwei kleine x aufeinanderfolgen. Es wirkt ein bisschen wie ein Weitspringer, der kurz vor dem Absprung merkt, dass er nicht auf dem Absprung landet und daher plötzlich kürzere Schritte macht. Was auch auffällt: Die Anzahl der Hebungen ist in fast jedem Vers unterschiedlich. Bei "ich vermisse dich" sind es drei Hebungen, bei dem Satz gerade eben sind es sechs. Das ist nicht völlig verboten, aber in aller Regel unschön - es ist schwer, dadurch einen gefälligen Rhythmus aufzubauen (es sei denn, man weiß, wie und das erfordert sehr viel Erfahrung). Versuche also in der ersten Zeit die Anzahl der Hebungen pro Vers konstant zu halten! Irgendwann, wenn du dies im Griff hast, kannst du vielleicht damit spielen und variieren, wenn du willst.

 

Je länger ich an deiner Seite bin, desto mehr schmerzt es,

xXxXxXxXxXxxXXx

 

Hier hat sich das Problem noch einmal verschärft: Nicht nur sind hier gegen Ende des Verses plötzlich zwei Senkungen nacheinander, sondern darauf folgen dann zwei Hebungen. Zwei Hebungen nacheinander in einem Vers ist unter allen Umständen zu vermeiden, weil es den rhythmischen Fluss absolut stört.

 

Die Wortwahl fand ich im Großen und Ganzen passend. Eine Stelle fällt für meine Begriffe etwas aus dem Rahmen:

 

vor 9 Stunden schrieb Poisonpen:

schläfst du dann neben einem fremden Herrn.

Wieso hat das LI so viel Respekt vor dem "Herrn", der mit seiner Liebsten schläft? Da wäre etwas Abfälliges wie "Kerl" oder "Typ" oder zumindest etwas Neutrales wie "Mann" wohl passender.

 

Ich hoffe, ich habe dich mit meiner Kritik nicht entmutigt. Ich fand es, wie gesagt, stark, dass du Kritik ausdrücklich wünschst und wenn du die zwei, drei Dinge angehst, die ich angesprochen habe, kannst du dich sehr rasch verbessern, denke ich. Bleib am Ball und was wichtiger ist, als die Qualität: Weiterhin viel Spaß beim Dichten!:classic_smile:

 

LG

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  • 1 Monat später...

Liebes Schmuddelkind,
ich danke vielmals für deine Kritik. Leider habe ich diese  jetzt erst gelesen. Deine Tipps haben mir sehr geholfen und ich werde sie mir zu Herzen nehmen, dafür von mir ein großes Danke.

PS:

Am 12.5.2020 um 20:51 schrieb Schmuddelkind:

Wieso hat das LI so viel Respekt vor dem "Herrn", der mit seiner Liebsten schläft?

Im ganzen Gedicht geht es um meine (Leider schon sehr alte) Hündin, die ich mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit überleben werde.

Dies kann man zwar nicht aus dem Text herauslesen, allerdings das war meine Intention hinter dem Ganzen.

Dabei ist mit dem Herrn ein Gott gemeint, bei dem diese dann hoffentlich Zuflucht finden wird (falls es diesen geben sollte). 

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