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Die Luft ist kühl geworden. Der Sommer hat seine Hitze verloren und nun zeichnen vereinzelte, graue, puffige Wolken den sonst hellblauen Himmel. Die kühle Luft strömt in meine Lungen. Ich atme tief ein und spüre, wie sie über meine Luftröhre, in die einzelnen Bronchien bis ins Tiefe meiner Atemwege gelangt. 

Atmen. Tief ein.

Und aus. 

Langsam setze ich einen Fuß vor den anderen. Der Untergrund ist uneben. Hier und da verirrt sich ein Stein unter meine ausgelaufenen Schuhe und ich spüre wie ich automatisch die Achsabweichung korrigiere. 

Ein und aus. 

Ich genieße die Kälte, während sich vor mir eine weite Heidelandschaft abzeichnet. Hier und da sieht man jemanden mit seinem Hund das Bild von der einen Seite hin zur anderen kreuzen. 

Die vertrockneten Gräser wippen  im Wind auf und ab, als hätten sie mit meinen Haaren einen Takt abgesprochen, den sie nun in perfekter Synchronität umsetzen. 

Ab und an verirrt sich ein Baum auf die ansonsten so karge Landschaft. 

Beinahe skurril stehen diese auf einer freien Fläche. Die Äste zeichnen sich deutlich ab in einem davon abgesehenen makellosen Blätterknäuel das ebenso im Takt zu wippen scheint. 

Ich verlasse den Weg, spüre wie sich der Boden unter meinen Füßen verändert wie einzelne Hälme sich unter meinen Füßen biegen und mir das Gefühl geben auf einem dünnen Polster zu laufen. 

Ich steuere auf einen dieser Bäume zu und lass mich in seinem Schutz ins Gras fallen. 

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  • 2 Wochen später...

Liebe DD,

 

dieser Text hat etwas Faszinierendes: Er verbindet bis ins kleinste Detail das Körpererleben mit dem der Naturszenerie und provoziert beim Leser ebendiese Achtsamkeit, die der Ich-Erzähler vorlebt. Man könnte meinen, der Text wäre stellenweise vielleicht etwas zu medizinisch geraten - du schreibst von Luftröhre, Bronchien, Korrekturen der Achsabweichung - aber all diese Details vermitteln mir ein Gefühl direkter Verbundenheit mit der Natur: Der IE spürt die Luft in seinen Lungen, spürt, wie sie Teil seines Körpers wird - die Grenze zwischen Innen- und Außenwelt verschwimmt.

 

Die Korrektur der Achsabweichung ist eine Handlung, aber eben keine, zu der sich der IE bewusst entscheidet. Allerdings jedoch eine, die er bewusst wahrnimmt. Hier wird der herkömmliche Blick auf unser Tun im Verhältnis zur Natur umgekehrt: Üblicherweise geht man davon aus, dass am Anfang ein bewusster Gedanke war, der eine Handlung in Gang setzt, die dann Auswirkungen auf die Natur hat - das ist explizit das Programm der Aufklärung, wie Kant sie verstanden hat (der Mensch als Spontaneität in der Kausalkette der Natur). Hier ist es die Natur (die Unebenheiten des Bodens), die eine Handlung erwirkt, die dann von einem bewussten Gedanken begleitet wird. Statt das Denken zu nutzen, um die Natur zu bearbeiten, um sie sich Untertan zu machen, macht sich der IE hier bewusst selbst zum Untertan der Natur, lässt sein Denken und Empfinden von natürlichen Vorgängen und Zuständen leiten und scheint dabei glücklich zu sein.

 

Es ist nicht immer die Freiheit, die uns glücklich macht (es gibt ja sogar Studien, dass "zu viel" Freiheit uns unglücklich macht) - es scheint Momente zu geben, in denen wir uns mit der Natur verbunden fühlen wollen, uns einreihen wollen in die natürliche Kausalkette, Momente, da unser Denken nicht zweckorientiert ist, sondern sich in der Reflexion des reinen Erlebens genügt. Einen solchen Moment hast du hier sehr poetisch festgehalten und ihn mit dem Fallenlassen ins Gras auf den Punkt gebracht.:smile:

 

Mir hat dieses Stück prosaischer Lyrik (wenn ich es mal so nennen darf) sehr gut gefallen. Da möchte man sich glatt in denText fallen lassen.:grin:

 

LG

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Hey Schmuddi!! 
erstmal danke für deinen ausführlichen Kommentar!! 

Am 4.8.2020 um 10:04 schrieb Schmuddelkind:

Man könnte meinen, der Text wäre stellenweise vielleicht etwas zu medizinisch geraten - du schreibst von Luftröhre, Bronchien, Korrekturen der Achsabweichung

Ja da magst du recht haben. Vielleicht bin ich da etwas vom Denken verschoben, (als Schreiber nicht als LI) ich habe das gleiche beim Schreiben gedacht und habe es dann bei Bronchien belassen statt noch weiter auf Latein zu verzweigen und dachte damit würde es nicht zu medizinisch naja. 
 

 

Am 4.8.2020 um 10:04 schrieb Schmuddelkind:

Bodens), die eine Handlung erwirkt, die dann von einem bewussten Gedanken begleitet wird. Statt das Denken zu nutzen, um die Natur zu bearbeiten, um sie sich Untertan zu machen, macht sich der IE hier bewusst selbst zum Untertan der Natur, lässt sein Denken und Empfinden von natürlichen Vorgängen und Zuständen leiten und scheint dabei glücklich zu sein.

Ja genau das war was ich ausdrücken wollte. Ich hoffe jeder kennt diesen Moment in dem man einfach mal aufhört zu sein und einfach mal schaut was gerade eigentlich passiert was um einen rum ist. Deswegen auch der Titel der Achtsamkeit es geht hier darum einen Moment inne zu halten und einfach mal zu schauen wo man ist was mit dem Körper passiert wenn man geht usw usw. ich denke auch dass die natur einem ein gewisses Maß an Freiheit geben kann. 

 

Am 4.8.2020 um 10:04 schrieb Schmuddelkind:

Mir hat dieses Stück prosaischer Lyrik (wenn ich es mal so nennen darf) sehr gut gefallen.

Klar darfst du  

 

liebe Grüße 

 

DD

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