Liebe SalSeda,
was mich an den ersten beiden Strophen deines schönen (Seelen-)Landschaftsgedichts am meisten fasziniert, ist die Koexistenz von Wandel und Stetigkeit, pointiert umschrieben auch im Vers:
"Gezeiten, die ihn stetig ändern."
Bin mir nicht sicher, ob es ein Paradoxon ist, denn "stetig" und "ändern" stehen ja nicht wirklich im Widerspruch zueinander. Aber es ist eine interessante Zuspitzung gegensätzlich erscheinender Begriffe. An sich würde ich es als ein Spannungsverhältnis beschreiben, aber in deinem Gedicht wird die Spannung aus diesem Verhältnis genommen - es ist eine harmonische Symbiose von Veränderung und Konstanz, die in diesem Strandbild liegt.
So bringst du mit den Möwen etwa das Leben ins Spiel und Leben bedeutet ja auch Bewegung, Wachstum, Veränderung. Diese Veränderung scheint aber in dem gleichförmig wirkenden Zustand der Strandlanschaft selbst eingebettet zu sein, was du im Vers darauf mit dem Vergleich zum Land klasse zum Ausdruck bringst - und dann versiehst du das Land auch noch mit dem Adjektiv "fest". Da wird die Veränderlichkeit einer Landschaft gewissermaßen in Stein gemeißelt.
Dieses feste Land wiederum, dieser scheinbar geruhsame Strand hat aber, wie in der zweiten Strophe ausgeführt, schon Vieles erlebt: Sinkende Boote, ertrinkende Menschen... das steckt wieder voller Bewegung - Bewegung, die letztendlich wieder in die Ruhe mündet.
Dieser Kennzeichnung der Strandlandschaft als bewegt und ruhig zugleich kann ich aus eigener Empfindung viel abgewinnen, denn paradoxerweise haben die tosenden Wellen z.B. etwas Beruhigendes für mich (zumindest vom sicheren Strand beobachtet). Und wenn man weit ins Meer hinausblickt, scheinen die Wellen still zu stehen. Für mich steht dieser Strand für einen weisen Menschen, der erkennt, dass das Leben im Wandel ist, die Veränderungen akzeptiert und daher in sich ruht.
Diese Haltung findet dann in der Demut des Menschen Entsprechung, den du in den beiden letzten Strophen erwähnst. Sich eins zu fühlen mit einem größeren Ganzen, ist eine Empfindung, die voraussetzt, dass man die Bewegungen der Außenwelt als Teil seines Lebens akzeptiert und nicht dagegen ankämpft. So findet man Frieden in sich und in der Welt (zumindest, wo der Frieden zu finden ist).
Diese herrliche und so sensibele Metaphorik begeistert mich und stimmt mich zufrieden - und da wäre dann wieder die Regung und die Ruhe zugleich. Was ich nur sagen wollte: Tolles Gedicht! :smile:
Wenn ich dennoch eine Kleinigkeit ansprechen darf, die mir nicht ganz so gefallen hat: Die dritte Strophe wirkt durch die reimgeschuldete Inversion etwas ungelenk. Fietje hatte da einen Verbesserungsvorschlag, den du, wenn ich es richtig verstanden habe, aus inhaltlichen Gründen ablehnen musstest. Das kann ich nachvollziehen, auch wenn ich persönlich seine Version der dritten Strophe sehr schön finde. Vielleicht lohnt es sich dennoch, weiterhin ein wenig an der Strophe zu basteln.
Das leicht wechselnde Versmaß wurde ja schon angesprochen, aber auch mich stört es hier nicht wirklich. Irgendwie passt es vielleicht sogar zum thematisierten beständigen Wandel.
Insgesamt: Danke für den mehr als gelungenen Einstand! :thumbup:
LG