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DIE WITWE

 

 

 

Er starb im Sommer, als in den warmen Nächten
die Glut der Tage aus der Erde kroch.
Sein Gang ins Anderswo, zu unbekannten Mächten,
war Erlösung. Und war erschütternd doch.

Jetzt ist es Herbst. Die Witwe lehnt
vor einer kleinen Leselampe, hält ein Buch,
und draußen klatscht der Regen, lang ersehnt,
an Tür und Fenster, legt sich wie ein Tuch

auf Garten und auf`s Haus, das mittlerweile
so seltsam still ist wie ein leiser Traum.
Sie sind noch eins, wenn auch getrennte Teile
in zwei Welten, so doch noch in einem Raum.

 

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Moin @Waldjunge,

 

schöner Text, find deinen Schreibstil insgesamt sehr ansprechend und auch, wie du das Thema umsetzt. 
An der ein oder anderen Stelle ließe sich aber noch etwas schrauben, damit der Text noch runder läuft.

Wenn du erlaubst:

 

vor 15 Stunden schrieb Waldjunge:

DIE WITWE


Ich möchte hier direkt anfangen: Die Versalienschrift hat ja immer einen sehr expressiven Charakter, kommt immer laut ausgeschrien rüber.
Ich weiß gar nicht, ob das so zu deinem stillen Text passt. 
Dass hier im Titel die Witwe nun so überdeutlich in den Fokus genommen wird, könnte später noch von Bedeutung sein.

 

vor 15 Stunden schrieb Waldjunge:

Er starb im Sommer, als in den warmen Nächten
die Glut der Tage aus der Erde kroch.
Sein Gang ins Anderswo, zu unbekannten Mächten,
war Erlösung. Und war erschütternd doch.

Metrum und Reim:

xXxXxxXxXxAa 
xXxXxXxXxB

xXxXxXxXxXxAa

XxXxxXxXxB

 

Ich denke, Vers 2 und 3 sind, woran du dich metrisch orientiert hast, hier haben wir einen 5- bzw. 6-hebigen Jambus, zweiterer mit weiblicher Kadenz.
Die anderen beiden Verse sind leider durch je eine überzählige unbetonte Silbe gestört. 
Nun mag man hier argumentieren, dass es bei dieser Thematik doch durchaus angebracht ist, auch das Metrum leiden zu lassen. Aber auch das ist ja in geordneten und bewussten Bahnen möglich 😉

Die teilweise "zu vielen" oder "zu wenigen" Versfüße finde ich dabei gar nicht schlimm, hier geht es mir nur darum, dass der offenbar gewünschte Jambus nicht durchgezogen wurde^^

Der Reim ist ein solider Kreuzreim, gerade bei 6-hebigen Versen sicher eine gute Entscheidung, nicht allzu lange auf den Reim warten zu lassen.

 

Sprache und Inhalt:

Er, der Verstorbene, ist erst kürzlich gegangen, der Schmerz für die Witwe ist also noch sehr präsent. 
Der Abgang wird dabei geradezu höllisch beschrieben, mit einer Gluthitze, die aus der Erde hervorkommt. 
Ob die Hitze nun aber nur eine Begleiterscheinung zur zeitlichen Einordnung oder gar die Ursache für seinen Tod war, ist hier nicht klar.
Den Höllen-Gedanken will ich aber für später auch nochmal festhalten. Dazu sei hier auch schon gesagt, dass im letzten Vers die Reihenfolge von "Erlösung" und "erschütternd" durch das "doch" einen großen Unterschied macht. 
In deiner Umsetzung ist die Erlösung der dominante Aspekt. Und diese Erlösung wird aber auch durch die Erschütterung beeinflusst, abgeschwächt. Wenn das dein Ansinnen war, passt das so natürlich. 
Vielleicht ist es andersrum aber auch näher an deiner Idee?  Es ist sehr erschütternd, dass er gestorben ist, aber eben auch ein wenig erlösend - für ihn? Für sie? Oder aber für den einen war es Erlösung und für die andere erschüttern, das ist so aber auf jeden Fall sprachlich nicht umgesetzt.


Sprachlich habe ich hier ansonsten nichts auszusetzen. Ich würde aber für die Metrik noch ein paar Vorschläge machen und dabei insbesondere im letzten Vers auch die verschiedenen Lesarten ausdrücken.


Vorschlag:
Er starb im Sommer, als in warmen Nächten
die Glut der Tage aus der Erde kroch.
Sein Gang ins Anderswo, zu unbekannten Mächten,
war ihm Erlösung. Und erschütternd doch.

/ war zwar Erlösung und erschüttert doch.

/ hat sie erschüttert und erlöst ihn doch.

/ war so erschütternd und Erlösung doch.

 

vor 15 Stunden schrieb Waldjunge:

Jetzt ist es Herbst. Die Witwe lehnt
vor einer kleinen Leselampe, hält ein Buch,
und draußen klatscht der Regen, lang ersehnt,
an Tür und Fenster, legt sich wie ein Tuch

Metrum und Reim:

xXxXxXxC

xXxXxXxXxXxD

xXxXxXxXxC

xXxXxXxXxD

 

Metrisch hier stabil (einzige Schwachstelle könnte die Dominanz von "jetzt" neben "ist" sein) im Jambus, nur mit einer recht unterschiedlichen Zahl an Versfüßen. 
Das finde ich aber nicht unbedingt schlimm, immerhin ist die Welt der Witwe ja gerade aus den Fugen geraten.
Du könntest überlegen, das "jetzt" evtl. durch ein "nun" auszutauschen. "Nun" zeigt sich in meinem Sprachgefühl weniger dominant neben dem "ist".

 

Sprache und Inhalt:

Der Zeitsprung vom Tod im Sommer zur Situation der Witwe jetzt ist hier gut gelungen, da du das über den Strophenwechsel, wo sich ja eine natürliche Lesepause vollzieht, durchgeführt hast. Das Setting ist grundsätzlich geändert. Hier dominiert nicht mehr die Höllenhitze sondern der ersehnte Regen. Damit verstärkst du hier auch die in S1 angesprochene Erlösung. 
Allerdings hat sich hier bei mir auch immer mehr die Frage aufgedrängt, um wessen Erlösung es denn hier tatsächlich geht. 
Ist endlich der Verstorbene von seinem Leid erlöst, hatte er sich so gequält? Oder ist die Witwe erlöst? Von der Verpflichtung, ihn zu pflegen? Oder, wenn wir da noch tiefer gehen, von einem Ehemann, an den sie nun vielleicht auch gar nicht mehr zurückdenken mag, weil diese Ehe eine Hölle war? (S1)

Sprachlich störe ich mich am "Klatschen" des Regens, das kommt, gerade auch im Kontrast zum "wie ein Tuch auflegen" doch sehr plump und unpassend rüber. Ich denke da nun an ein gänzlich vollgesogenes Tuch, das legt sich auch nicht mehr, das KLATSCHT in der Tat auf. 
Sicher war das nicht dein Ansinnen? Passender wäre hier vielleicht "tropft", bzw. mit kleineren Anpassungen am nächsten Vers auch "strömt" oder "fließt"?
Möglich wäre auch "klopft", was den Aspekt der veränderten Umstände nochmal unterstreichen könnte, die sich mit diesem Klopfen ankündigen.

Beim Tuch, das sich legt, denke ich auch direkt an ein Leichentuch, der Leichnam ist verborgen, dieses Kapitel ist abgeschlossen - in meinem "ehemannfeindlicherem" Interpretationsansatz könnte das auch  schärfer Richtung "aus den Augen, aus dem Sinn" gehen.

 

vor 16 Stunden schrieb Waldjunge:

auf Garten und auf`s Haus, das mittlerweile
so seltsam still ist wie ein leiser Traum.
Sie sind noch eins, wenn auch getrennte Teile
in zwei Welten, so doch noch in einem Raum.

Metrum und Reim:

xXxXxXxXxEe

xXxXxXxXxF

xXxXxXxXxEe

xXXxXxXxXxF

 

Der Jambus ist bis auf den letzten Vers sicher, da gibt aber auch gleich zwei Probleme: 
"zwei" ist sehr dominant, viel dominanter als "in" - dein möglicherweise beabsichtigter Trochäus als letzter Vers setzt sich hier also nicht durch. Stattdessen stehen "zwei" und "Welten betont direkt nebeneinander.
Dazu kommen "doch" und "noch", die als Schlagreim gezwungenermaßen eigentlich gleich stark betont werden, auch da kann sich das sehr schwache "so" fast nicht durchsetzen, um die Betonung von "doch" zu verhindern. 
Es mag gewollt sein, dass dieser letzte Vers als Abschluss eines Abgesangs auch metrisch ein Statement setzen will, aber dann hätte ich daraus einfach nur einen vernünftigen Trochäus gemacht und andere Experimente, die ein unsicheres Lesen provozieren, vermieden^^

Reimlich ansonsten, außer dem erwähnten Schlagreim, alles beim alten.

 

Sprache und Inhalt:

Das Enjambement aus der vorigen Strophe finde ich ganz gut gesetzt, da ja auch ein Perspektivwechsel, von der Frau im Häuslein nach draußen aufs Haus stattfindet.
Nicht ganz so schön ist der ausgelassene Artikel für "Garten", während "Haus" ihm versteckt noch bekommt. 
Konsequenterweise verdienen beide oder keines den Artikel^^ Fließender wäre das vielleicht sogar in umgekehrter Reihenfolge "auf Haus und Garten", aber dann lässt sich der Satz mit Bezug auf das Haus nicht mehr so fortführen.

Allerdings springst du dann auch schon wieder direkt zurück in den Raum, bereits mit dem leisen Traum, den ich auch auf die Witwe beziehen würde. Auch hier sind wieder mehrere Lesarten möglich. Die Witwe, die noch immer vom geliebten Ehemann träumt, oder die Witwe, die in ihren Träumen immer noch vom Ehemann oder dessen Tod verfolgt wird.

Die letzten beiden Verse sind inhaltlich und bildlich schön umgesetzt, eine tolle Umschreibung von "nicht da und doch verbunden" und ich lese das hier gern im ganz romantischen Sinne. 
Auch hier ließe sich mit anderer Lesart aber herauslesen, dass der Ehemann die Witwe weiterhin verfolgt. Sie spürt seine Anwesenheit noch immer, kommt nicht zur Ruhe. Vielleicht wird sie gar im geisterhaften Sinne heimgesucht, was sich durch die andere Welt irgendwie aufdrängt.

 

Vorschlag: 
auf Haus und Garten, wo es mittlerweile

/ auf Haus und Garten. Und seit einer Weile

so seltsam still ist wie ein leiser Traum.

/ ist's seltsam still hier, wie ein leiser Traum.

Sie sind noch eins, wenn auch getrennte Teile
in and'ren Welten, aber noch in einem Raum.

/ in and'ren Welten, aber noch im gleichen Raum.

/ einer fort und doch im gleichen Raum. (mit Einleitung durch einen Doppelpunkt am Ende des vorigen Verses)

 

So, bin gespannt, welche Lesart nun "die richtige" ist 😉

 

Gern gelesen und damit beschäfigt.
LG Dali Lama

 

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