Lieber
@Dali Lama
vielen Dank für Deine Rückmeldung zu meinem Text. Sehr gerne kannst Du natürlich später die Unsauberheiten, die Deinen Lesefluß gestört haben, ergänzen oder auch sonstige Kritik. Deine Gefallensbekundung freut mich natürlich sehr (Schreibstil/schöne Sprache)
Moin
@Dionysos von Enno,
na, so soll es sein 😄
Ja, den Rilke spürt man hier, den mag ich auch sehr gern. Ganz offensichtlich störe ich mich daran nicht 😄
So oder so ist mir alles recht, was nicht die Sprache vergewaltigt.
Inhaltlich bliebe hoch zu überlegen, ob du inhaltlich hier allein auf der Kormoran-Ebene bleibst, oder ob eine symbolische Ebene darunter liegt. Ich musste dafür erstmal schauen, wer der Kormoran überhaupt ist, den kannte ich nicht. Scheint offenbar ein ziemlicher Plagegeist zu sein, weil er alle Teiche leerfrisst.
Kleiner Funfact dazu: Ich habe dann auch bemerkt, dass der Kormoran offenbar als Inspiration für das Pokemon "Urgl" hergehalten hat, DAS kenne ich natürlich! Ein richtiger Gierschlund, der den Schnabel nicht voll bekommt. Das passt ja gut^^
Ansonsten geht der Vogel mythologisch offenbar von Sonnenbringer bis böses Geister-Omen einmal querbeet.
Bildsprachlich passt das Beten bei dir sehr gut, seine ikonische Flügeltrocken-Pose symbolisiert das christliche Kreuz und steht offenbar für Adel und Opfer.
Schauen wir noch einmal auf die konkreten Darstellungen je Strophe:
Sein langer Hals reckt sich wie Hände die gefunden haben
Die nichts mehr halten nur noch sind
Er ruht als könnt er sich am Winde laben
als sei er selber wie der Fels auf dem er thront
bestimmt
nur noch zu
sein
Bilder und Inhalt:
Ich wollte hier zunächst herauslesen, dass es hier um ein meditatives in sich Ruhen geht. Dazu passen die "Hände, die gefunden haben", die nur noch sind, genau wie der Fels und eben der Vogel selbst.
Dazu passt aber nicht, der lange Hals, der sich eben doch nach etwas reckt, weil er etwas gefunden zu haben scheint, was seine Aufmerksamkeit verdient. Widersprüchlich erscheint dabei der Vers "Er ruht als könnt er sich am Winde laben" - denn hier wird das Ruhen, das Nichtstun einer durchaus aktiven Handlung, dem Laben angehängt. Dieses Durcheinander von Passivem und doch Aktivem kann ich mir gerade nicht erklären.
Metrum und Reim:
Ich füge hier mal die umgebrochenen Verse für die Übersichtlichkeit beim Metrum wieder zusammen:
xXxXxXxXxXxXxAa
xXxXxXxB
xXxXxXxXxAa
xXxXxXxXxXxXx
B
XXxC
Metrisch ist das einzige "Problem" hier bei "nur noch zu sein" - die Betonung soll auf dem "noch" liegen. Das kann sich aber gegen das "nur" davor nicht wirklich durchsetzen, ich sehe eher beide betont.
Ansonsten fällt eine starke Varianz in der Anzahl der Versfüße auf. Das ist aber auch wichtig. Denn es erlaubt gerade nach den sehr langen V1 und V4 ein Durchatmen und Ruhen, ansonsten wäre diese Strophe sicher sehr erschöpfend.
Der abschließende sehr kurze Vers mit Reimwaise wird dadurch sehr eindrücklich - obgleich er sprachlich Vers 2 kopiert.
"bestimmt" reimt unrein auf "sind", das ist rein fachlich ein wenig Schade, aber kein Drama^^
Und tief in seinem vogelgelben Augenschein
schreit eine urzeitliche Echse in die Nacht
Des ganzen Vogels Ahnen ruhen alle
auf dem stillen Bein
als sei ein ganzer Tag
aus einem stillen Dunkeln
aufgewacht
Hochgehalten
um zu
fliegen
Bilder und Inhalt:
Mir gefällt hier dieser Bezug auf das genetische Erbe des Vogels, sowohl auf die unmittelbare Vogelfamilie, die ja auch in S3 nochmal thematisiert wird, als auch auf die Abstammung von den Dinosauriern. Zweiteres bringt hier mit diversen Bildern durchaus eine gewisse Anspannung und Gefahr in den Text: "vogelgelbe Augen", "schreit" und "urzeitlich", da denke ich an etwas Lauerndes, Harrendes, bereit zu jagen. Das ist für den Spannungsbogen auf jeden Fall hilfreich, die erste Strophe hat ja (wenn auch teils inkonsequent) ein sehr gemütliches Bild gezeichnet.
Diese Spannungslage wird aber gleich wieder aufgelöst, wiederum durch "ruhen", "still" und nochmal "still" - Die Dopplung von "still" erscheint mir unglücklich. Der Vogel ist also nicht wirklich "aufgewacht", da wird nichts "hochgehalten" und er wird gleich nicht "fliegen", diese angedeutete Energie und Aktivität verpufft als Möglichkeit (sei) - all das ist nur tief im Vogel versteckt, es kommt nicht tatsächlich heraus. Das Ruhen ist hier übermächtig, es gibt kein urzeitliches Erwachen, aber wir haben einen kurzen Blick darauf erhascht, was wäre, wenn.
Ich persönlich hätte dem Urzeitlichen hier vielleicht mehr Freiraum gegeben und sämtliche Bildlichkeit des Ruhens in die erste Strophe gesetzt, damit auch dort die Konflikte von Passivität und Aktivität aufgelöst.
Strophe 2 hätte sich dann ganz dem Urzeitlichen, dem Aufbäumen, einem lauten, wachen Moment des Federschüttelns und Krächzens widmen können, das die Ruhe unterbricht.
Rein grafisch finde ich es in S2 schön. dass die Verse noch weiter aufgeteilt sind und die Strophe so länger ziehen. Das deutet den sich urzeitlich aufbäumenden Vogel schön an.
Metrum und Reim:
xXxXxXxXxXxC
xXxXxXxXxXxD (aber nur weil die 3 unbetonten Silben von "urzeitliche" im Deutschen nicht möglich sind 😄 )
xXxXxXxXxXxXxXxC
xXxXxXxXxXxXxXxD
XxXxXxEe
Metrisch hier etwas ausgeglichener, V1 und 2 sind identisch, genau wie Vers 3 und 4.
Vers 5 (beginnend bei "Hochgehalten" startet wie V5 in Strophe 1 wieder mit betonter Silbe und ist stärker verkürzt, womit er wieder eine Sonderstellung erhält.
Anders als S1V5, der in Strophe 2 doch noch Reimpaare erhalten hatte (und anders als der letzte Vers in S3), ist "fliegen" aber wirklich eine Waise - schade fast, die strophische Verbindung untereinander wäre im jeweils letzten Vers doch immer ganz nett gewesen.
In dieser Strophe sind alle übrigen Reime diesmal auch rein.
Doch reckt er nicht die Flügel nicht die langen Beine
Er steht wie Hände die zum Beten aufgeschlossen sind
Und still fällt auf ihn eines Sonnenstrahles reine
zeitlose Wärme wie
Elternliebe auf ein Kind
und legt den Kopf so schräg
als wollt er
weinen
Bilder und Inhalt:
Hier wird nochmal ganz klar gemacht, dass das Aufbäumen aus S2 wirklich nur eine ganz tief versteckte Idee, ein Abglanz seines Erbes ist, aber es nicht wirklich stattfindet. Er bewegt sich nicht, er steht weiter in seinem eigenen Sein nur da, wie in S1. Hier schwingt damit auch irgendwie Wehmut mit, der Bezug auf die Ahnen, die Familie aus S2 ist hier wieder Thema, wird vertieft. Gleichzeitig ist es aber vielleicht auch ein Beweinen dieses verlorenen, wilden, urzeitlichen Erbes.
Das Bild des Betens (das sich in diese christliche Symbolik mit dem Kormoran, wie er da mit ausgebreiteten Flügeln wie ein Kreuz steht) passt wie gesagt sehr gut und bringt hier Aspekte von Dankbarkeit aber auch Verzweiflung und Flehen mit rein.
Metrum und Reim:
xXxXxXxXxCc
xXxXxXxXxXxXxB
xXXxxXxXxXxCc
XxxXxxXxXxXxB
xXxXxXxXx
Cc
In ihrem Umfang sind alle Verse (wieder zusammengefügt) hier nun ähnlich lang. Metrische Schwierigkeiten gibt es durch "still fällt auf ihn" in V3, da "still" und "fällt" beide sehr stark betont sind, während "auf ihn" auch vor dem "eines" eher schwach sind.
Auch "zeitlose Wärme wie" im zusammengefügten V4 wird daktylisch betont, das war so der größte Stolperer.
Die Reime sind hier interessant, denn "Beine", "reine" sowie "weinen" sind verlängerte Reime (gibt es dafür eigentlich ein Fachwort?) von "sein", "Augenschein" und "Bein" aus den anderen Strophen. Die beiden übrigen Verse greifen ihrerseits den Reim auf "sind" bzw. unrein mit "bestimmt" aus S1 wieder auf. Das mag ich durchaus gern, denn das hypothetische Aufbäumen in Strophe 2 wird dadurch gänzlich zurückgeführt zur Ruhe der ersten Strophe.
Und Ende!
Nach dieser etwas detaillierteren Betrachtung finde ich es fast sträflich, dass in Strophe 2 kein tatsächliches Aufbäumen beschrieben wird. Der Vogel wird ja keinesfalls ausschließlich ruhig dasitzen. Wie gesagt, ein Flügelschlagen, ein Krächzen etc. wäre ja als Spannungsbogen ganz...spannend. Gerade vor dem angedeuteten urzeitlichen Hintergrund.
Das alles trübt aber meine Begeisterung über den Stil und deinen Text als Ganzes aber auch nur bedingt.
Wie gesagt, die kleinen Fehlerchen sind ärgerlich, teilweise sicher auch vermeidbar, aber erwähnt sollten sie nun des vollständigen Kommentars wegen sein 😉
Immer noch gern gelesen,
LG Dali Lama