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Der Kampf mit dem Löwen (Für Freunde der Barockoper)


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London, Haymarket Theatre, Anno 1710:

 

Am Heumarkt drängen sich die Massen.

Es klingeln die Theaterkassen.

Das Operngenre, noch nicht lange

am Strand der Themse voll im Schwange,

vermag mit seinem hochbarocken

Spektakel Menschen anzulocken.

 

Das Stück "Die edlen Herzrivalen" *

verzeichnet hier Besucherzahlen,

die niemand je für möglich hielt,

so lang der Mensch Theater spielt.

Die Noten schrieb ein weitgereister,

in Welschland hochberühmter Meister,

 

Mancini mit Familiennamen,

ein Schöpfer großer Melodramen.

Doch nicht genug, dass auf den Brettern

die Sänger ihre Arien schmettern.

Denn Nicolini, Starkastrat,

vollbringt noch weitre Wundertat:

 

Er muss, der Götter Wut zu dämpfen,

mit einem wilden Löwen kämpfen.

Um diesen glaubhaft darzustellen,

verkleidet man mit Widderfellen

für freien Eintritt Aushilfskräfte.

Der Intendant macht Traumgeschäfte

 

mit Schaukampf und Belcanto-Schmelz.

Dem lieben Publikum gefällts,

wie tollkühn mit entblößten Waden

und blitzenden Gesangsrouladen

der Bühnenheld, zur Hälfte nackt,

den Gegner bei der Mähne packt.

 

Zu Anfang läuft die Balgerei

nicht immer gänzlich pannenfrei.

Den ersten Löwen, zwar ein Hüne,

plagt Lampenfieber auf der Bühne,

so dass er schon die Flucht ergreift,

eh ihn des Helden Klinge streift.

 

Der zweite ist zwar wenig schüchtern,

doch leider auch nur selten nüchtern.

Er will zum Gaudium der Massen

es keinen Abend unterlassen,

die Stimme kräftig einzuölen,

um auch ein wenig mitzugrölen.

 

Dann wird ein dritter angestellt,

der nicht aus seiner Rolle fällt,

bedrohlich seine Pranken schwenkt

und brav das Haupt zu Boden senkt.

Dem Sänger aber scheint beim Singen

nicht eine Note zu misslingen.

 

Man munkelt schon, der Intendant

verwahre ein geheimes Pfand,

das seinen Künstler motiviert,

perfekt zu trällern, reich verziert:

Denn sänge er nur einmal schlecht,

dann sei der nächste Löwe echt.

 

(* Originaltitel: "Gli amanti generosi". 1705 in Neapel uraufgeführt, 1710 in London nachgespielt unter dem Titel "Idaspe", nach der von Nicolini verkörperten männlichen Hauptrolle.)

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Hi Cornelius,

 

von Opern verstehe ich soviel wie ein Gullideckel von Gewittern. Ich bin ja auch Musiker, aber zu Opern zog es mich nie. Schande über mein Haupt! Ich habe keine Ahnung wieso. Macht eigentlich gar keinen Sinn. 

 

Aber es zog mich zu Lyrik und deine Strophen verdienen Lob. Ein Juwel für jeden, der klare und offene Texte, ohne viel Blimmblimm und Ton, mag. Sehr gutes Handwerk und der rote Faden wurden quasi mühelos durch die Verse gehäkelt.

 

lg EV 
 

 

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