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Feedback jeder Art Da Poidl

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Da Poidl

Was ich vom Poidl weiß, ist eine traurige Geschichte. Sein Schicksal ist in meinem Gedächtnis geblieben.
Ich war 76 Jahre alt und ich kannte ihn als "da Poidl". Ich weiß nicht genau, wie alt Poidl war, als er starb, ich denke, an die 80 Jahre. Er war im Umkreis bekannt, und wenn er wieder im Lande war, dann sagte man: "Da Poidl ist wieder da." Aber der Poidl, so sah ich es, ließ sich nicht in die Karten schauen. Er war ein ehrlicher Mann, niemand musste vor ihm Angst haben.
Er wollte von seinem Leben nicht zu viel preisgeben. In sein Seelenleben ließ er niemanden schauen. Man kannte den Poidl als den Menschen, der er war: schweigsam und in sich gekehrt.
Er wusste schon von den Familien, meistens Bauern, wo er nächtigen konnte und auch eine warme Mahlzeit bekam. Er war damit zufrieden. Bald zog er wieder weiter. Der Poidl war überall und nirgends zu Hause. Wohin es ihn wieder weiter trieb, so glaube ich, ließ er seinem Schicksal über. Er liebte dieses Leben. Über die Zukunft machte er sich keine Sorgen. Er lebte frei wie ein Vogel . Über seine Gesundheit oder dass er auch krank werden könnte, darüber dachte er, glaube ich, nicht nach.
"Wenn meine Zeit aus ist und der Lebensweg zu Ende geht, dann ist es eben aus. " So sprach Poidl.
Vielleicht dachte er sich: " Gott ist bei mir, er lässt mich nicht allein."
Inwiefern er an Gott glaubte, weiß ich nicht. Ob der Poidl eine Rente bekam und ob er in seinen jungen Jahren wo gearbeitet hat, ist mir nicht bekannt. Ich stelle mir vor, dass er zeitweise bei den Bauern als Knecht gearbeitet hat. Aber das ist meine Meinung.
Seine Kleidung war äußerst bescheiden. Ärmlich ! Ich sah ihn immer mit einem dunklen Mantel. Ich glaube, er besaß nur das, was in einem kleinen Rucksack Platz hatte.
Nun zum wichtigsten Teil der Geschichte: Das Wesentliche liegt schon sehr lange zurück. Es dürfte Ende 1970 gewesen sein. Mein Mann und ich waren mit dem Brennholzschlichten beschäftigt, als ich circa 400 Meter von unserem Haus entfernt etwas Schwarzes auf einer Wiese liegen sah. Zuerst dachte ich mir, es wäre ein schwarzer Sack, aber nach längerem Hinschauen bemerkte ich, dass sich das "Etwas" bewegte. Es war Ende Oktober, abends, und für die Jahreszeit sehr kalt. Es wurde schon dunkel. Ich sagte zu meinem Mann: " Schau! Dort auf der Wiese das Schwarze bewegt sich! Ich glaube, dort liegt ein Mensch! "
Ich ging zu jenem Platz und erschrak furchtbar. Mein Gott, es war der Poidl!
Ich sprach mit ihm und wollte ihm meine Hilfe anbieten. Er lehnte ab. Poidl wollte niemanden sehen und nicht gesehen werden .
" Geh nur, du brauchst mir nicht zu helfen! Ich will nur meine Ruhe und mich etwas ausrasten! Es geht mir gut!" Ich nahm aber seine Reden nicht zur Kenntnis und rief beim Roten Kreuz an. Ich beschrieb ihnen die Stelle auf der Wiese und sagte, dass da ein Mann läge.
Der Rettungswagen war schnell da. Aber der Poidl wollte nur seine Ruhe haben. Er sagte zu den Fahrern vom Roten Kreuz: Fahrt wieder heim, ich fahre nicht mit. Mir geht es gut. Später werde ich wieder weitergehen! " Der Rotkreuzwagen fuhr wieder zurück.
Der Poidl blieb auf der Wiese liegen. Man brachte ihm warmen Tee. Poidl trank davon nur wenig und sagte: " Nun verschwindet, ich will meine Ruhe haben!" Mittlerweile wurde es immer dunkler und alle glaubten, Poidl wäre, so wie er sagte, weitergezogen. Das war ja sein Wunsch. Nächsten Tag in der Früh fuhr ich mit dem Fahrrad einkaufen. Es war noch etwas düster. Ich dachte an Poidl, wo er sich vielleicht gerade befände und wie es ihm ginge.
Sogleich schaute ich auf die Wiese, wo der Poidl gelegen war. Ich sah noch immer etwas Schwarzes. Mein erster Gedanke: Der Poidl hat seinen Mantel vergessen. Durch die noch herrschende Dunkelheit konnte man nichts Genaues sehen. Ich wollte mir bei der Rückfahrt vom Einkaufen die Stelle nochmals ansehen. Ich hatte ein ungutes Gefühl. Mir wurde Bange und ich bekam es mit der Angst zu tun. Meine Angst hatte sich bestätigt. Als ich heimfuhr, musste ich mitansehen, wie der gute alte Poidl vom Leichenwagen abgeholt wurde. Poidl hätte Hilfe bekommen, doch er nahm sie nicht an. Sein Tod ging mir nahe. Ich denke, Poidl hatte sein Sterben herbeigesehnt. Ja, er wollte nicht mehr. So einsam und bescheiden, wie er durch die Zeit wanderte, so einsam war sein Abgang aus seinem armen Leben. Aber es sollte nicht sein dürfen, dass ein Mensch auf der Wiese bei Nässe und Kälte des nachts sterben muss, obwohl in der Gegend Leute wohnen.....
Lieber Poidl, ob bei deiner Bestattung jemand geweint und ob dich jemand je vermisst hat? Ich weiss es nicht. Aber ich habe um dich geweint und war traurig über dein leidtragendes Schicksal. Du warst ein Mensch! ich sehe dich so wie du auf der Wanderschaft warst. Mit deinem dunklen Mantel und auf dem Rücken den kleinen Rucksack. Ruhe in Frieden, armer Poidl.
 
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