In blauem Kleide
Die Luft war von einer leisen Kühle durchdrungen,
in allem schien ein feiner Glanz zu liegen,
den das Auge nicht sah,
nur ihre Seele fühlte.
Die Schatten der Bäume waren nicht mehr düster,
versöhnten sich in weichem Glanz
und fließend verlor sich ein letztes Leuchten,
in den Wipfeln.
Sie war allein hinausgegangen
ans Ufer des Flusses,
setzte sich auf einen uralten,
von Moos überwachsenen Stein
und lauschte.
Kein Wind rauschte
in den Zweigen der Büsche,
kein Wispern mehr, kein Murmeln,
als hätte die Erde selbst vergessen,
zu atmen.
Nur fern zog eine Formation schneeweißer Wolken
im stillen Hauch am Himmelssaum.
Sie nahm den Zweig, der zu ihren Füßen lag
und schrieb in den Sand:
„Ein blauer Schimmer flieht die Gründe,
die Luft ist weich, die Stimmung lind,
doch Geister Gottes nah’n in dieser Stunde,
wo Zeit und Raum verschwimmend sind.
Gleich ist der Tag, gleich ist die Nacht,
kein Maß regiert, kein Streben zwingt.
Allein Natur in stiller Meistermacht,
den Wechsel zur Vollendung bringt.
„Dies ist die Stunde“, schrieb sie leise,
„in der kein übler Herrscher rächt.
Kein Dunkel überzieht auf grauenvolle Weise
die Welt. – Es ist, als wäre sie
für einen Augenblick gerecht!“
Sie saß noch in der samt'nen Stille,
bis die Nacht sich niederlegte
und der erste Stern
ohne Scheu
sein Licht ausknipste.