J.W.Waldeck
Autor
Unter Kannibalen
Zweiter Akt
der Kormoran
hinter der verlassenen Eisenbahn
weiß ungeheure Geschichten!
er kennt die Völkermorde
ihre Geisterorte
weiß vom fanatischen Drange
zu richten
von rostigen Rampen
blättern alte Gedanken
ranken Disteln und Dornen
mit blauen Blüten
hüpfen und schaukeln Dohlen
mit blutigem Verlangen
und aus versteinerten Pfaden schlüpfen Blumen
mit bunten Sonnhüten
der linkische Kormoran heißt Enzian
und fischt im nahen Baggerbach
er sah den Weg der Eisenbahn
überflog die Massenhaltungsstädte
bei Nacht
vernahm das Wummern der Betonbauer
erlauschte das Wimmern ewiger Trauer
wo keine Ruhe das Herz erquickt
jed‘ Gemüt vereinsamt stirbt
darin versiegt die atmende Erde
drang kein Tropfen zum heißen Erzherz
in ihren Wunderhänden
wohnt mancher Gefährte
der unbedeutend scheint
menschlichem Wert
Herr Schnauzbart ist Rattenrichter
und führt ein strenges Regiment
wenn einer die Menschenstädte kennt
dann sein biestiges Gelichter
die schubsen sich
durch Küchen und Kaffees
unterhöhlen Regierungsgebäude
und noch tiefer…
geheime Puffs und Lasterhöhlen
wo Negligees
auf feist beringten Grapschern thronen
doppeldeutiger Saukiefer
dort prassten sie von Festtischen
vom Russenkaviar bis zum Medienzar
wo der Friedensmann abkokste
aus blonden Muscheln
Sekt und Schleim zu fischen
alle wälzten sich vom TAG
in die besinungslose Nacht
in einem BUNDE
mit der grässlichen Ohnmacht
schien die Übergabe des Mageninhalts
das einzig Wahre
ihres Lebensunfalls
dort liegt verkohlt der Meeresschlucker
und platzt vor Schmiergeldern
in Schweinehälften
manch kleiner dürrer Sesselpubser
hustet seinen Gestank
in gegenwärtige Welten
vor dem hochgehaltenen Volkssparschwein
prangt das Spanferkel
mit dem Paradiesapfel
der Wurm Sauerseppel springt hinein
und rutscht
in eine ausgemergelte Hohlrappel
ein Zettel liegt darin und darauf steht:
wir nahmen alles
aus eurem Weg
nun steht’s euch frei und nach Belieben
euch selbst zu nehmen
was geblieben!
wir pissten in eure Flüsse
und nahmen die Lebenswürze
verwischten unsere Spuren
und vorgesetzte Vorstände
vergiften durch Konzerne
jedes Gelände
damit wir Schweinepriester
im Gottesgarten
keine gerechte Strafe erwarten
rollen wir Gefängnisbauten
und horten euch
zu hilflosen Bauern
die Ratten krochen
über manche falsche Scham:
sie stank nach widerlichem Drosselbart:
es sind Propheten
aus dem Bankerclan
die Totengräber der Gegenwart
Wüsten mehrten sich
anstelle edler Bäume
der Regen wich wie Gottes Tränen
sie sind der abgedroschene Tod
für jedes Leben!
selbst Steinmorchel zittern
und Kieselschnorchel
und Stacheligel Piekepuck
unter den Schienen
hört man verdrießlich schniefen
aufgrund des gierigen Unfugs
der Kormoran Enzian
muss zur alten Eiche
ins Astloch pfeifen
zum Rückgrat der Erde
wo furchtbare
unterirdische Geschöpfe weilen
Feinde des künstlichen Lichtes
und der stumpfen Herde
wird laufend fortgesetzt…
© j.w.waldeck 02.08.2006
Teil I heißt: Unkendorf lebt
