Carolus
Autor
Annäherung an einen Unbekannten
In Wirklichkeit sah ich ihn nie,
nur das Ergebnis seines Wirkens.
Unsichtbar und stumm begleitet er
mich täglich Schritt für Schritt
zur Arbeit, wie zur freien Zeit,
zu fröhlich heitren Runden,
zu manchem Jammertal voll Leid
in einsam dunklen Stunden.
Wenn ich im Traum ein Mal
in großer Not, ahn ich, er ist mir nah,
dann höre ich ihn flüstern:
„Du bist nicht tot, ich bin noch da.“
Den unsichtbaren Unbekannten
stellten vor Jahrhunderten die Alten
sich als Knochenmann mit Sense,
als Schnitter mit der Sichel vor,
wie er den Tanz der Toten,
vom Kaiser angefangen, zu Papst
und Fürst bis zu den Bettlern und,
Vaganten mit leichten Schritt anführt.
Wahrscheinlich ist er heutzutage
Geschäftsmann mit noblem Laptop,
darin die Daten jedes einzelnen
aus Fortunas Rechenzentrum.
Das Schicksal eines jeden
lässt ihn kalt. Das Abschiedsnehmen
vom Leben sei Sache seines Kandidaten.
Er sei Vollzugsbeamter nur.
(Man sagt, beim Ableben seiner Kunden
würden deren Daten automatisch gelöscht.
Bei Prominenten soll es länger dauern.)