Carolus
Autor
Ballade einer Winternacht
Er hatte das Wirtshaus als Letzter verlassen,
geschultert die Last auf den Rücken. Hinter ihm
schlafende Gassen, aufwärts stieg er
durch schneereichen Wald.
Splitter von Mondlicht geisterten zwischen Fichten,
ließen Schneekristalle kurz aufblinken.
Stunde um Stunde knarrende Stiefeltritte.
Spuren von Wild im Dickicht versinken.
Irgendwann vor seinen Augen,
von Sternen überwölbt, jenes stille Tal.
Den Atem hält er an, lauscht. Da! Ein Lockruf?
Willkommen der Schneekönigin?
Fata Morgana? Halluzination? Oder Wirklichkeit?
„Komm“, ruft sie, „zur unserer Hochzeit, ein Fest
mit Schnee und Eis. Tausendfach glitzert der Boden.
Tanzend wollen wir unsere Sinne bis zur Weißglut erregen.
Danach Hand in Hand uns ins kühlende Schneebett
zur Ruhe niederlegen und schlafen, schlafen!
Flüstert dazwischen nicht eine Stimme, irgendwo?
„Wanderer, kalt und tödlich ist ihre Liebe.
Mit ihr vereint, wirst du nie mehr
einen Frühling und keinen Sommer erleben.“
Was tun? Kälte kriecht über seinen Rücken
Abrupt reißt er sich zusammen, trinkt
einen letzten warmen Schluck, stapft weiter.
Wo blieb nur die einzige Heuhütte imTal?
Weit in der Ferne ein seltsames Licht.
Beim Näherkommen ein Wechselspiel
zuckender roter, gelber, bläulicher Flammen.
Am Feuer auf einem Holzklotz
in älterer, bärtiger Mann in Filzhut,
Pelz und Stiefeln lud ihn zum Sitzen ein.
„Ich habe dich erwartet“ und wies auf die Hütte
hinter seinem Rücken. „Hier kannst du bleiben,
bis deine Nacht im Licht des Morgens zu ende.“