Berlin
Freitag, der 19.03.2009, 16 Uhr irgendwas. Seit ca. 20min sitze ich in einer S-Bahn, darauf wartend, meinem Ziel Hallo sagen zu dürfen. Mir gegenüber zwei junge Mädchen Mitte 20, unterhalten sich über den geplanten Urlaub in Rom und die scheinbar skandalöse Entwicklung eines weiteren Mädchens, welches sie gemeinhin als „Freundin“ bezeichnen, das es gewagt hatte sich einen neuen Lebensabschnittspartner anzulachen ohne vorher Erlaubnis bei den Beiden einzuholen. Der Tonfall, welcher das Thema begleitet straft den Begriff „Freundschaft“ paradoxe Lügen, doch ich komme nicht umhin zu bemerken, dass das Make up in beiden Gesichtern hervorragend aufgetragen ist. Nicht so, dass es übermäßig künstlich wirkt, sondern so, dass die natürlichen Konturen unterstrichen werden.
Im Geiste rechne ich noch mal meine Finanzplanung für diesen Monat durch, in der Hoffnung auf ein anderes Endergebnis als 4,52€ zu kommen. Doch mir scheint 12 Jahre Mathematik haben ihre Spuren hinterlassen. Ich komme übrigens erneut auf 4,52€.Schade.
Es ist das Handy meiner Sitznachbarin, was mich aus den Grübeleien reißt als es „beautiful soul“ von Jesse McCartney anspielt um auf sich aufmerksam zu machen und seine Besitzern zu einem überspitzten Redeschwall animiert. Wie passend... oder nicht. Mein Blick fällt wieder auf die Mädchen gegenüber als sich plötzlich die Türen öffnen.
„Guten Tag, mein Name ist Matthias und ich lebe leider seit geraumer Zeit auf der Straße. Da ich vom Staat zur Zeit keine Unterstützung erhalte, verkaufe ich die Obdachlosen Zeitung „der Straßenfeger“ um zu überleben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn sie mir ein Exemplar für 1,20€ abnehmen würden und über jede kleine Spende, die der ein oder andere von Ihnen entbehren kann. Danke für ihre Aufmerksamkeit, ich wünsche ihnen noch eine angenehme Weiterfahrt und einen schönen Tag.“
Mechanisch abgehackt verhallen die Sätze in dem voll besetzten Abteil der Ringbahn 41 irgendwo zwischen den Stationen Schöneberg und Südkreuz, während die beiden jungen Frauen ihr Gespräch unterbrechen um schnell irgendetwas draußen durch das Fenster zu betrachten, das sich mir entzieht und meine Nachbarin einen vorwurfsvollen Blick an den Redner verteilt.
Der Redner, ein verwahrloster Kerl den ich auf Ende 30 schätzen würde, macht den Eindruck einer ferngesteuerten, gebrochenen Marionette. Hoffnungslos wandert sein Blick von Person zu Person, trifft dabei kaum ein Augenpaar und bleibt schließlich auf meiner Geldbörse hängen, was er zum Anlass nimmt sich in meine Richtung zu bewegen. Ich gebe ihm 2€, mein Wechselgeld am Fahrkartenautomaten, und lehne die angebotene Zeitung ab. Mir ist nicht nach lesen. Schade, dass er keine braunen Papiertüten dabei hat. Die grimmigen Blicke der beiden Mädchen sieht er nicht mehr als er geht und ich vermute er hört auch den gemurmelten „stinkender Penner“ nicht mehr, oder will es zumindest nicht hören.
Das „Nächste Station, Berlin Südkreuz“ welches aus den Lautsprechern verklingt nutzend, verlasse nun auch ich meinen Platz während ich, glücklich darüber nicht mehr länger soviel Armut gegenüber zu sitzen, meine Gedanken in eine neue Richtung lenke:
2,52€ immerhin ein anderes Ergebnis.
Was bricht einen Menschen? Besitz, zu wenig Besitz? Wie mir scheint irgendwie beides, nur an unterschiedlichen Stellen.
N.J.B. 19.03.2009 17:54
Freitag, der 19.03.2009, 16 Uhr irgendwas. Seit ca. 20min sitze ich in einer S-Bahn, darauf wartend, meinem Ziel Hallo sagen zu dürfen. Mir gegenüber zwei junge Mädchen Mitte 20, unterhalten sich über den geplanten Urlaub in Rom und die scheinbar skandalöse Entwicklung eines weiteren Mädchens, welches sie gemeinhin als „Freundin“ bezeichnen, das es gewagt hatte sich einen neuen Lebensabschnittspartner anzulachen ohne vorher Erlaubnis bei den Beiden einzuholen. Der Tonfall, welcher das Thema begleitet straft den Begriff „Freundschaft“ paradoxe Lügen, doch ich komme nicht umhin zu bemerken, dass das Make up in beiden Gesichtern hervorragend aufgetragen ist. Nicht so, dass es übermäßig künstlich wirkt, sondern so, dass die natürlichen Konturen unterstrichen werden.
Im Geiste rechne ich noch mal meine Finanzplanung für diesen Monat durch, in der Hoffnung auf ein anderes Endergebnis als 4,52€ zu kommen. Doch mir scheint 12 Jahre Mathematik haben ihre Spuren hinterlassen. Ich komme übrigens erneut auf 4,52€.Schade.
Es ist das Handy meiner Sitznachbarin, was mich aus den Grübeleien reißt als es „beautiful soul“ von Jesse McCartney anspielt um auf sich aufmerksam zu machen und seine Besitzern zu einem überspitzten Redeschwall animiert. Wie passend... oder nicht. Mein Blick fällt wieder auf die Mädchen gegenüber als sich plötzlich die Türen öffnen.
„Guten Tag, mein Name ist Matthias und ich lebe leider seit geraumer Zeit auf der Straße. Da ich vom Staat zur Zeit keine Unterstützung erhalte, verkaufe ich die Obdachlosen Zeitung „der Straßenfeger“ um zu überleben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn sie mir ein Exemplar für 1,20€ abnehmen würden und über jede kleine Spende, die der ein oder andere von Ihnen entbehren kann. Danke für ihre Aufmerksamkeit, ich wünsche ihnen noch eine angenehme Weiterfahrt und einen schönen Tag.“
Mechanisch abgehackt verhallen die Sätze in dem voll besetzten Abteil der Ringbahn 41 irgendwo zwischen den Stationen Schöneberg und Südkreuz, während die beiden jungen Frauen ihr Gespräch unterbrechen um schnell irgendetwas draußen durch das Fenster zu betrachten, das sich mir entzieht und meine Nachbarin einen vorwurfsvollen Blick an den Redner verteilt.
Der Redner, ein verwahrloster Kerl den ich auf Ende 30 schätzen würde, macht den Eindruck einer ferngesteuerten, gebrochenen Marionette. Hoffnungslos wandert sein Blick von Person zu Person, trifft dabei kaum ein Augenpaar und bleibt schließlich auf meiner Geldbörse hängen, was er zum Anlass nimmt sich in meine Richtung zu bewegen. Ich gebe ihm 2€, mein Wechselgeld am Fahrkartenautomaten, und lehne die angebotene Zeitung ab. Mir ist nicht nach lesen. Schade, dass er keine braunen Papiertüten dabei hat. Die grimmigen Blicke der beiden Mädchen sieht er nicht mehr als er geht und ich vermute er hört auch den gemurmelten „stinkender Penner“ nicht mehr, oder will es zumindest nicht hören.
Das „Nächste Station, Berlin Südkreuz“ welches aus den Lautsprechern verklingt nutzend, verlasse nun auch ich meinen Platz während ich, glücklich darüber nicht mehr länger soviel Armut gegenüber zu sitzen, meine Gedanken in eine neue Richtung lenke:
2,52€ immerhin ein anderes Ergebnis.
Was bricht einen Menschen? Besitz, zu wenig Besitz? Wie mir scheint irgendwie beides, nur an unterschiedlichen Stellen.
N.J.B. 19.03.2009 17:54