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gummibaum

Autor
Wie die Bilder sich verbrauchen!
Ihre Frische geht dahin.
Immer tiefer muss ich tauchen,
bis ich wieder bei dir bin.
 
Ach, ich möchte sie bewahren
vor dem gänzlichen Zerfall,
dich an Augen, Mund und Haaren
halten, spüren überall.
 
Doch verheilend macht die Wunde
meiner Seele alle blind,
grauer Schlick am Meeresgrunde
überdeckt dich, stilles Kind…
 
Lieber Gummibaum
 
Dein Gedicht spricht für mich von der Vergänglichkeit von Erinnerungen und dem schmerzhaften Versuch, sie festzuhalten. Es beginnt mit der Erkenntnis, dass Bilder – also Erinnerungen oder vielleicht sogar Gefühle – sich „verbrauchen“ und ihre ursprüngliche Frische verlieren. Das  LI muss „immer tiefer tauchen“, um diese Verbindung wiederzufinden.
 
Das hat für mich etwas Sehnsüchtiges, fast Verzweifeltes – als würde er oder sie in sich selbst nach etwas suchen, das immer schwerer zu erreichen ist. 
 
In der zweiten Strophe wird dieser Wunsch noch dringlicher. Die Worte „Augen, Mund und Haare“ sind so konkret, so körperlich – als würde die Person nicht nur geistig, sondern auch sinnlich erinnert werden wollen.
 
Es klingt fast, als versuche das LI, einen geliebten Menschen in der Erinnerung festzuhalten, ihn zu berühren, ihn gegen das Vergessen zu verteidigen. Aber gleichzeitig schwingt schon die Angst mit, dass das nicht möglich ist.
 
Und dann kommt der Bruch. Die letzte Strophe ist für mich der Moment der Erkenntnis – die Wunde heilt, aber mit der Heilung geht auch das Erinnern verloren. Das finde ich besonders tragisch und im Gedicht sehr gelungen transportiert: Man denkt oft, Heilung sei etwas Gutes, aber hier bedeutet es vielleicht, dass die Seele „blind“ wird, dass die Erinnerung nicht mehr klar bleibt. Der „graue Schlick am Meeresgrunde“ ist ein unglaublich starkes Bild: Ich verstehe es so das sich etwas unaufhaltsam auf die Erinnerungen legt, bis sie verschwinden.
 
Und dann dieses „stille Kind“ am Ende… Ich weiß nicht, ob es wörtlich zu verstehen ist oder ob es eher das unschuldige, unverfälschte Bild der geliebten Person oder vielleicht des eigenen vergangenen Ichs meint. Es wirkt auf mich so endgültig, so traurig – als wäre das, was einmal lebendig war, nun in Vergessenheit versunken.
 
Für mich ist das Gedicht ein wunderschön melancholisches Stück über die Vergänglichkeit von Erinnerungen und den schmerzhaften Widerspruch, dass Heilung manchmal bedeutet, etwas für immer zu verlieren. Bravo !
 
mes compliments 
 
dio
 
Vielen Dank für eure Likes.
 
Welch schöne Interpretation von dir, lieber Dionysos von Enno. So genau wurde schon lange keiner meiner Texte mehr besprochen. Danke.
 
Euch liebe Grüße von gummibaum
 
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