maerC
Autor
Es schlich sich ein Dichter zum Poetologen,
von Dichtsucht geplagt und von mancherlei Drogen.
"Herr Doktor, ich muss es mir leider gestehen,
ich rede in Versen, kein Mensch kann 's verstehen,
und will ich es aufschreiben, brauch' ich den Rotwein,
ich hab diesen Zwang: Es muss täglich ein Werk sein."
Der Poetologe sah über die Brille
und sagte bedeutungsschwer nach kurzer Stille:
"Mein Lieber, das ist doch für uns ganz normal,
für gute Gedichte da brauchst du die Qual,
da brauchst du die Leiden, den Drang und den Suff,
manch alter Kollege schrieb früher im Puff.
Es hilft dir vielleicht, statt zu dichten zu malen,
probier es doch einfach mit Malen nach Zahlen."
Der süchtige Dichter befolgte den Rat
und ging mit dem Pinsel auch frisch an die Tat.
Die Dichtsucht war weg, doch der Alkohol blieb,
nun war es die Malsucht, die ständig ihn trieb.
Und gibt 's 'ne Moral dieser kleinen Geschichte?
Sie sind sehr divers, uns're menschlichen Süchte.
Es sucht zwar fast jeder den Sinn seines Lebens,
doch Sucht ist als Hilfe beim Suchen vergebens.