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Nur Kommentar Das Lied der Zeit

Der/die Autor/in wünscht sich Rückmeldungen zum Inhalt des Textes und möchte keine Textkritik.
  • Aileas
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Schau ich zurück auf all die Jahre
wie Perlen aufgereiht auf einer Schnur
und seh´ im Spiegel meine weissen Haare
frag ich mich leise, wohin sind sie nur?
 
Es war doch eben erst, dass ich das Leben
in seiner ganzen Weite vor mir sah
es hatte unserer Jugend so viel noch zu geben
doch ahnten wir nicht, was uns dann geschah
 
Wir wollten frei sein, ungezähmt und ehrlich
die Alten waren für uns viel zu bieder
der Weg, den sie gegangen, war beschwerlich
wir schrieben für die Zukunft neue Lieder
 
Wir liessen unsere Haare endlos wachsen
das war für uns ein Zeichen von Protest
die Alten hatten bald genug von derlei Faxen
wir flogen aus dem Haus und aus dem Nest
 
Doch auch für uns kam bald die Zeit zu reifen
die Zukunft selber nahm uns bei der Hand
um Tag für Tag uns etwas abzuschleifen
nur wenig blieb von dem, was uns verband
 
Was einst uns bieder schien, war nun das Leben
das wir zu führen uns so lange Zeit versagt
es forderte von uns, nach dem zu streben
wofür die Eltern sich so mühevoll geplagt
 
Ein Haus und Geld, um es lang abzuzahlen
und Kinder, deren Zukunft wir gebahnt
wir wollten sie in schönsten Farben malen
und doch kam es ganz anders, als geplant.
 
Sie gingen aus dem Haus, das wir für sie erbauten
wie vormals wir, als wär’s ein Kinderspiel
sie folgten neuen Liedern, anderen Lauten
für uns, die wir gealtert, war’s zu viel
 
Das Haus war leer, die Stimmen längst verklungen
die es mit Heiterkeit und Leben einst erfüllt
die Lieder, die zusammen wir gesungen
verstummt und in Vergessen eingehüllt
 
So dreht sich wohl das Rad des Lebens
ohn‘ Unterlass und immerzu im Kreis
wir warten still und warten oft vergebens
das Lied der Zeit verklingt in uns ganz leis
 
Und wenn die Kette kommt zum letzten Gliede
wenn Baum und Zweig und Frucht schon lang verdorrt
ist eines doch gewiss: zu einem and´ren Liede
wird eine neue Perle wachsen, an einem and´ren Ort
 
Auch dieses Gedicht bildet sprachlich und inhaltlich eine wunderbare Einheit und wird von einer Melodiosität der Sprache getragen, die mich umhüllt und die mir stimmungsmäßig beim Lesen den Weg weist! Sehr schön!
 
Ich musste beim Lesen ein wenig an den großartigen Theodor Kramer denken, der auch sehr schöne, melodiöse Erzählgedichte verfasst hat. Etliche von seinen Gedichten vermitteln eine ähnliche Stimmung wie deines hier und weben klanglich wie inhaltlich einen Teppich, auf dem man sich gerne niederlässt. Und auch seinen Texten wohnt ein liebender Blick inne. Und oft auch ein Hauch Melancholie. 
 
Ganz großes Schreib-Kino, liebe Aileas! Sehr sehr gerne gelesen!
 
Lieben Gruß,
fee
 
Liebe Fee, Deine Kommentare ermutigen mich sehr. Bei langen Gedichten wie diesem kommen mir immer Zweifel,.weil ich persönlich kurzen Gedichten den Vorzug gebe. Das geht aber nicht immer, denn manche brauchen einfach mehr Raum, um sich entfalten zu können, sonst wirken sie wie abgebrochen und der Kreis schliesst sich nicht.
Theodor Kramer hab ich gleich nachgeschaut, und auf Anhieb erschien die Lyrik-Seite von Fritz Stavenhagen, die ich an anderer Stelle bereits erwähnte. Dass Kramer mehr als 12.000 Gedichte geschrieben hat, versetzt mich in Erstaunen. Stavenhagen hat 24 davon auf seiner Seite selbst eingesprochen und veröffentlicht. Die werde ich mir nun nach und nach anhören. Danke für den Hinweis.
Wir lesen uns weiter... 🙂
 
Das Haus war leer, die Stimmen längst verklungen


die es mit Heiterkeit und Leben einst erfüllt


die Lieder, die zusammen wir gesungen


verstummt und in Vergessen eingehüllt


 


So dreht sich wohl das Rad des Lebens


ohn‘ Unterlass und immerzu im Kreis


wir warten still und warten oft vergebens


das Lied der Zeit verklingt in uns ganz leis


 


Und wenn die Kette kommt zum letzten Gliede


wenn Baum und Zweig und Frucht schon lang verdorrt


ist eines doch gewiss: zu einem and´ren Liede


wird eine neue Perle wachsen, an einem and´ren Ort
@Aileas Ja, Individualität und Selbstverwirklichung haben ihren Preis - vereinsamte Alte, die später abgeschoben ins Pflegeheim dahinvegetieren. In China sind Kinder gesetzlich verpflichtet, sich um die Eltern zu kümmern. Dreigenerationen-Wohnen ist ganz normal. Vielleicht liegt im Familienzusammenhalt das Geheimnis des gigantischen Aufstiegs vom Entwicklungsland zur Weltmacht. LG Stephan
 
Man muss nicht immer alles politisieren, lieber Stephan. Du scheinst nicht zu wissen, dass auch hier im "kapitalistischen Westen" die Kinder per Gesetz verpflichtet sind, sich um ihre Eltern zu kümmern. Wie sie das machen, hängt von der jeweiligen familiären Situation ab. Hier in Spanien ist es normal, dass drei Generationen unter einem Dach leben, oder zumindest in der Nähe, so dass man sich täglich kümmern kann. Ein Pflegeheim ist für die meisten Familien viel zu teuer, das können sich die wenigsten leisten. In Deutschland sieht das (noch) etwas anders aus, aber auch dort geht der Trend, die "Alten" in ein Pflegeheim abzuschieben, aus verschiedenen Gründen zurück. Anders sieht es aus, wenn die Kinder in ein anderes Land ziehen müssen, weil sie in der Heimat keine Arbeit finden. Ein ganz gravierendes Thema, das viele aus eigener Erfahrung nur zu gut kennen. Das hat nichts mit Selbstverwirklichung zu tun, sondern ist eine schwere Entscheidung aus der Not heraus.
Man sollte immer die jeweilige Situation betrachten, bevor man den Stab bricht.
 
Liebe @Aileas danke für deine Antwort. Mich interessiert nicht die Politik, sondern die Kultur, die die Alten ehrt. Und der erlebe ich täglich. Schoen, dass es in Spanien herzlicher als in Deutschland zugeht. In Deutschland müssen die Kinder schon recht gut verdienen, um verpflichtet zu werden, für das teure Pflegeheim der Eltern aufzukommen, während umgekehrt fast alle Elternteile für Scheidungskinder zahlen müssen. LG Stephan
 
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