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Feedback jeder Art Der Garten jenseits der großen Esche

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  • Nesselröschen
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Das ist ein Gartenstuhl
 auf dem niemand sitzt
denn es ist Winter
und der Garten von gefrorenem Schnee gepudert
weil die Nacht klirrend kalt war
 
Neben dem Stuhl liegt ein Stapel Zeitungen
ohne jede Botschaft an uns
denn wir sind nur die Beobachter
 
Hier hat die Frau gesessen
früh an jedem Morgen
immer eine Zigarette in der Hand
 
Als sie gefunden wurde
standen wir abseits
die Fäden ruhten in unseren Händen
die miteinander verschränkt blieben
 
Jetzt sind wir die einzigen
die den Garten noch besuchen
er ist zum Urwald geworden
zarte Kleider verfangen sich im Gestrüpp
ungeschützte Haut wird blutig gerissen
und verheilt schlecht
 
Da steht der alte Gartenstuhl
vom Schnee befreit
und nach wie vor einladend
seine Gegenwart ist verwoben
mit der Vergangenheit
und die Zukunft wird uns nicht überraschen
denn im Aschenbecher auf dem Beistelltisch
brennt eine Zigarette herunter
der Stapel Zeitungen ist angewachsen
obenauf die heutige Ausgabe
 
 
 
 
 
Hallo, Marcel,
 
deine Zeilen gefallen mir sehr gut, und ich bin überrascht, dass noch niemand sich dazu geäußert hat!
 
Nach und nach verdichtet sich das Bild, und man erkennt, dass auf dem Stuhl in der romantischen Umgebung eines üppigen Gartens (Zeitungen und Aschenbecher vermitteln neben der Aussage auch noch einen gewohnten, harmonischen Ablauf des Morgens gleich einem Ritual) eine Frau unbemerkt - vielleicht erfroren - verstorben ist. Tragisch ist, dass "wir" es in der Hand hatten, sie davor zu bewahren: 
die Fäden ruhten in unseren Händen
 
Die Hände blieben und waren miteinander (auch mit denen der Verstorbenen) verschränkt - wir hatten eine unausgesprochene Verantwortung. -
 
Das folgende Bild mit den "zarten Kleidern" und der "ungeschützten Haut" ist auch sehr ergreifend. Wer auch immer mit "wir" hier konkret oder allgemein gemeint ist, fühlt sich schuldig, ist dünnhäutig geworden, weil er nichts unternommen hat und es geschehen ließ; die blutende Verletzung empfindet man fast wie eine Sühne.
 
Danach "repariert" sich das Bild, das Leben geht weiter, nimmt seinen Lauf: Andere Leute sitzen auf dem Stuhl und tun das Gleiche.
 
Ein aufmerksamer oder sensibler Beobachter - vielleicht einer, der es weiß - denkt beim Anblick des Gartenstuhls an das Ereignis:
seine Gegenwart ist verwoben


mit der Vergangenheit
 
Dein Gedicht war heute mein Highlight! Danke!
 
Lieben Gruß N.
 
  • Nesselröschen
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