WF Heiko Thiele
Autor
„Also“, sprach der Delinquent,
„sind wir doch mal konsequent.
Dieser Strick da, hoch am Balken,
wird bestimmt mein Leib nicht halten.
Ich mach dir ein Angebot;
’s wär zu spät, wenn ich schon tot.
Wie du weißt, hab ich ʼnen Laden.
Handle dort mit Seil und Faden
und mit allerhand so Dingen,
die dir großen Nutzen bringen.
Laß mich also heimwärts gehen,
um nach Qualität zu sehen.
Du hast niemals mehr Verdruß
und ich mache nochmals Plus,
weil kaum Steuern werde zahlen.
Jeder weiß, wie langsam mahlen
unsre Ämter und mit Glück,
häng ich dann schon längst am Strick.“
„Ach“, sprach da der Henker heiter,
„hältst du mich für nicht gescheiter,
als daß ich dich laufen lasse,
um zu füllen deine Kasse?
Wirst bestimmt nie mehr erscheinen;
weder mit noch ohne Leinen.“
„Lieber Freund, wo denkst du hin?
Dieses brächt mir kein Gewinn.
Könnt nie wieder Handel treiben,
müßt fortan ins Saldo schreiben,
daß ich zum Vertrag nicht stand.
Nichts mehr wert wär meine Hand.“
Überzeugt das den Scharfrichter?
Wird’s nun auf dem Schafott lichter?
Oder gibt es kein Verdrängen
und der Händler muß brav hängen?
Lieber Leser, nunmehr rat,
was der gute Henker tat?
(2022)