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der leuchtturmwärter

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Der Leuchtturmwärter
 
Die Augen des Meeres im Westen

die Leuchtfeuer überall


sind zu weit


um deinen Kuß auch nur zu hören, wenn dein Mund den rauschenden Wind einsaugt


und ein Tropfen Gischt, der deine Lippen streift und gleich verweht


ist einer von den


Weißt Du Wievielen Es Überhaupt Erlaubt Ist


zu tropfen, zu wehen, zu spritzen


von den Wassern bis das Meer vergeht

 

Das dumpfe Brausen in deinen Träumen


wird wahrer werden


die Sterne und Leuchtfeuer, die Horizonte klarer


vielleicht findest du sogar ein Boot


um überzusetzen über das Meer der Jahrtausende Leben


zum Quell wo der Sturm ausbricht


der dir bis heute die Segel füllt


von so weit hergekommen


rausche mein Blut, rausche es wird alles wieder gut

 

Stilles Wasser im Westen:


So liegt alle Vergangenheit ruhig bewegt


Augen tief in der Stille


erblicken sich nicht mehr


wie das Rauschen des Blutes in deinem Haupt


von grauem Haar umkost bald


du in die Dämmerung träumst


wo Wolken wehend bewegt ein Bild


niemals finden


doch immer so fern, so nah


so alt, so jung


so groß, so winzig


deiner Seele in Türkis ein Leben


über das Sterben hinaus künden


die goldenen Insignien zerlöst der letzte Strahl


endlos tief blau

 
 

Türkis- Blau!!


und wie du darin das Rauschen deines Blutes vernimmst


weißt du, daß heute noch nur


deine Augen dir sehen


und du deshalb nur ahnen kannst

 

Stilles Wasser im Westen


und so spiegelt eine Fensterscheibe Blumenvasen, Tassen, Kaffeekrüge


zum Ticken des Chronometers


ein Gesicht neben meinen Rücken


und diese Augen sind aller Erinnerung so fern


so wie das metallene Ticken der Wanduhr haben manche Augen


in diesem Leben da draußen, ich fühl es-


vielleicht niemals geküßt


viele Blicke ich spür es, sie fehlen


wurden zu selten vermißt:


und das Lachen? : ein höfliches „Guten Tag“


man erschrickt darüber! an nebligen Tagen


ist danach etwas erfrischt...


schaut zurück ins Meer


deiner Augen


der Gruß ist versunken „wieder ein Angesicht mehr -...


versunken“ kannst du dir noch sagen

 

In dem Rauschen des Windes um dein graues Haupt


zieht das Blut der Sonne nach Westen


dort, wo Schiffe in stillen Wassern


sich zu goldenen Leuchttürmen tragen lassen


hingegeben wie Wolken, lose und sachte


Alles, was heute heilig bleibt ist die Freude des Hoffens


zwischen Abschied und Ankunft;


Geburt und Tod

 

und die Dunkelheit beugt sich über das wispernde blaue Wasser


die Leuchttürme funkeln grell ins Kupfer der Dämmerung


der Wasser im Westen


die Lichter dort, ich gab ihnen soviele Namen


und war doch niemals


--sie schienen mir den Weg!!—


dort


ich glaube, es sind Lampen ohne jemand dabei


mit dem man getrunken oder Karten gespielt,


ernst gewesen oder gelacht hat


nur Lampen -- und die Namen -- sind fort

 
 

Namenlose Lampen sagen dir keine ersehnten Träume mehr,


die dich einst eine Mutter leise flüstern lehrte,


als ein Schiff dich in ihren Armen über das Meer trug


Lampen blinken


Nein-- diese Augen hat noch kein Kuß berührt


sie weinen Tränen kalten Mondlichts, sieh!


da!: es tanzt


in die Flut


und blonde Haare werden silber


weit weit gefahren glaub mir


es wird alles gut

 
 

Und wie die Flut und der Walfisch, der alte


einst die Länder und das Warten auf morgen verschlang


wird deine Brust dein Herz in sich begraben, die Sonne sinkt


ins Meer


einen Winter lang


und die Sterne scheinen in heller Pracht


ferne -- kalte -- Fremde

 
1991
 
Den "Leuchtturmwärter" dichtete ich 1991 auf einer Überfahrt von Stockholm nach Turku. Auf dem Fährschiff unten war die Hölle los, dort wurde getanzt, gesoffen, und nachts auch geb.. und schließlich geschlafen. Ich hatte eh keine Kabine gebucht. Alles war teuer. Ein Kaffee kostete umgerechnet etwa 15 Mark. Eine belegtes Brötchen etwa 18 Mark. Zwar hatte ich was Geld, aber, bei den Preisen hätte ich es auch verbrennen können, mir die Zigarette mit nem fünfzig Markschein anstecken, weil Streichhölzer auch teuer waren.. Ich war der einzige an Deck, und da gab es dieses Phänomen, wenn man weiter im Norden ist:

Die Sonne ging ganz langsam unter. Es war noch kalt dort oben, es war Mai.

 

Aber an diesem Abend, ich hatte schon eine lange Bahnfahrt hinter mir, war mir absolut nicht nach "Guter Unterhaltung". Ich war der einzige an Deck, und unten im Bauch des Schiffes ging die Party, die zig Parties ab. Wir fuhren durch die, wie ich erst lange danach herausfand, weil mir damals vieles egal war, durch die Schärenküste (Ostsee), lauter grüne Inselchen auf Felssockeln.., und ein langer, langer Sonnenuntergang, weil im Norden die Sonnenbahn ja immer flacher wird. Das Gedicht dichtete ich nur, ohne zu schreiben, im Stehen an Deck und sah all die Farbenpracht, so etwas hatte ich noch nie erlebt! Erst später, fünf Tage nach meiner Ankunft in Orimattila bei Lahti im Inland, hatte ich es immer noch in der Seele und da beschloß ich, es doch aufzuschreiben. Es wollte aufgeschrieben werden, denn es blieb einfach in meinem Gedächtnis, obwohl ich es "für nichts" in den Wind des Sonnenuntergangs aufs Meer raus gesprochen hatte. Schön, daß es "wirkte", .. auf Dich, karlo..

Herzlich, Mischa
 
Hallo Mischa!
 
Deinen Leuchtturmwärter finde ich besonders großartig. Es wird so vieles angerissen, ist manchmal scheinbar unzusammenhängend, hat dann aber doch etwas von einer Art eigenen Kosmologie, die sich darin entwickelt. Und das ist etwas Besonderes, wie ich finde. Man merkt, wie Du dich zwar von den Eindrücken hast mitreißen lassen, sie sich dabei trotzdem in Dir geordnet haben. Und obwohl im Abschnitt vor dem Schluss ein "es wird alles gut" steht, trägt der Schluss doch eine Art melancholisches Geheimnis aus Vergänglichkeit und Fremde in sich. Da er aber nicht wertet, bleibt die Wirkung dabei im Leser und kann so in jedem anders sein.
 
Lieber Gruß
Beteigeuze
 
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