Hallo Berthold,
vielleicht raucht mein Kopf noch ein wenig, oder schon wieder.. :whistling:
Es ist gar nicht so einfach, sich "krumme Kreise" vorzustellen, dementsprechend blieb ich gedanklich lange beim ersten Vers, ehe ich den Rest genießen konnte.
Der Gegensatz, der gleich zu Beginn bei mir entsteht, ist ein Bildnis des Kampfes zwischen Unvollkommenheit und Vollkommenheit. Vielleicht ist es letztlich gar kein Gegensatz, aber die Wirkung ist gewaltig.
Das LI scheint mir auf einer inneren Fahrt durch das Leben zu sein, durch die Jahre, durch die Erlebnisse, durch die inneren Hindernisse. Eben auf Abenteuerreise..
Die Kreise werden kleiner
Das fügt sich sehr gut in die Bildebene, da es sowohl die Zeit wie den Raum meinen kann, bzw beides.
Doch vermittelt mir dieses Bild besonders ein Gefühl sich rückwärts zu bewegen. Ich musste an die Baumringe denken, die im Laufe des Baumlebens immer größer werden, sich weiter vom Ursprung entfernen. Hier werden sie kleiner, als werde die Zeit zurück gedreht und das LI kehrt an einen Ort der Erinnerung zurück, der Strudel verdichtet sich, bis es hell wird.
Gespült auf Stein und Felsen
steh ich auf festem Grund
dort hinten gähnt die Höhle
mit ihrem Feuerschlund
Hier entwickelt sich das Ankommen und die Wahrnehmung der Umgebung.
Das LI scheint genau zu wissen, wo es sich befindet, besonders in den letzten beiden Versen verstärkt sich dieser Eindruck. Andernfalls würde vermutlich von "einer Höhle" und "einem Feuerschlund" die Rede sein.
Auch im folgenden wird das sichtbar:
Es drängt mich sie zu schauen
es graut mir es zu tun
Die vertrauten ambivalenten Gefühle vor einer Konfrontation, die man scheut, aber von der einem klar ist, wie notwendig sie ist. Und die einen auf eine Weite auch lockt..
Seltsam finde ich hier die Formulierung "schauen" statt "sehen", nach meinem Sprachgebrauch wäre letzteres passender, da es für mich aktiver ist. "Schauen" verwende ich eher in einer passiven Rolle des Zu-schauens o.ä.. Vielleicht ist da der Gebrauch verschieden.
doch nur wenn ich es wage
werd ich in Frieden ruhn
Das ist für mich der Höhepunkt deines Gedichts, das, worauf alles vorige hinzielte. Letztlich der Grund dieser Reise - die Begegnung. Und die Erkenntnis darüber, dass eine Angst überwunden werden muss, um Friede zu finden. Das LI wächst über sich hinaus und ist bereit sich dem zu stellen. Es ist nicht mehr gefangen in den Kreisen und vom Strudel ausgespuckt, es ist selbst alleinige handelnde Kraft im Geschehen.
Und an dieser Stelle muss ich noch einmal auf den Beginn zurück greifen:
Ich schreib in krummen Kreisen
Kann mehrere Positionen darstellen. Positionen, die einen möglichen Rahmen darstellen.
- Eine schreiberische Annährung, evt eine Reise die durch Worte gelebt wird, quasi im Schreiben erlebt wird.
- Oder ein späteres Auf-schreiben mit Reflektion des Erlebten. Dafür würde sprechen, dass die Bilder bereits eine Form haben, die Kreise krumm sind und das LI sich ihrer Wirkung bewusst zu sein scheint.
- Vielleicht ein Versuch sich der Reise / der Erinnerung zunächst auf dem Papier zu nähern, ehe das LI mit dem Schlussvers die Entscheidung wagt, sich auch innerlich auf die Reise einzulassen.
Letzte Idee gefällt mir persönlich am besten, vielleicht weil ich das selbst so von mir kenne :saint:
Vielleicht ist es auch eine Mischung aus allen oder etwas ganz anderes..
Nun, nachdem ich dein Gedicht (hoffentlich nicht) in Grund und Boden interpretiert habe, bleibt mir nur noch mitzuteilen, dass mir das Lesen ein Vergnügen war.
Manchmal sind es Worte wie diese, die an die Herausforderung erinnern, vielmehr aber an den Grund, weshalb man sich ihnen stellt.
Liebe Grüße, Lichtsammlerin