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Liara

Autorin
Für dich
 
Ein Stein, der in der Dunkelheit dir leuchtet.
Ein Bienenschwarm, der Wüstensand befeuchtet,
Ein Eichenbaum, der tausend Lieder singt
und ich, die keine Worte mehr zustande bringt.
 
Ein Boot aus Sand, das übers Meer dich trägt.
Ein Blütenwirbel, der heiße Rhythmen schlägt,
dort steht Spalier ein großes Schwalbenheer,
doch die Blätter vor mir bleiben weiß und leer.
 
Schau, die bunten Berge tanzen in der Nacht
und kleine Wichtel halten fröhlich Wacht,
am Waldesrand, die Rehe flechten Federkränze
für dich. Und ich – ich stehe an der Grenze
 
und winke einem Stern, der sich dort dreht,
der gleich mir zu Gott im Himmel fleht:
„Herr, gib ihm Ruh und gib ihm Frieden,
lass ihn neue Lebenspläne schmieden.
Dafür braucht es kein Gedicht.
Herr, er braucht dein Licht.“
 
Moin Liara,
 
schade, dass der Text einfach so untergegangen ist, dafür ist er ja nun wirklich zu schön!

Inhaltlich bin ich zwar nicht gänzlich gefangen, weil der religiöse Einschlag am Ende einfach nicht meine Themenwelt ist und der Text sicher auch ohne die Gott-Keule wirken könnte, aber darüber will ich jetzt einfach mal hinwegsehen 😄
Ansonsten lese ich deinen Text, trotz Einordnung unter Melancholisches, Düsteres, Trauriges eigentlich wie einen Liebesbrief, aber das muss sich ja auch nicht ausschließen.
Gehen wir das mal Stück für Stück durch:
 
Ein Stein, der in der Dunkelheit dir leuchtet.


Ein Bienenschwarm, der Wüstensand befeuchtet,


Ein Eichenbaum, der tausend Lieder singt


und ich, die keine Worte mehr zustande bringt.
Metrum und Reim:
xXxXxXxXxAa
xXxXxXxXxAa
xXxXxXxXxB
xXxXxXxXxXxB
 
Ein 5-hebiger (im letzten Vers 6-hebiger) Jambus mit Paarreimen. 
Die kennt man in der Regel eher bei fröhlicheren, beschwingteren Texten. 
Bei diesen recht langen Versen gleicht sich das aber aus. 
Der letzte Vers hat eine Hebung mehr, passenderweise genau dort, wo es darum geht, keine Worte mehr zu finden. 
 
Inhalt und Stil: 
Ich finde die überzählige Hebung hier sogar passend, da es formal das unterstreicht, was ich hier in der ersten Strophe bereits als kleinen Eindruck gewonnen habe: Eine Sammlung von Unmöglichkeiten, Fantasien, ja vielleicht gar Widersprüchen. 
Der Stein, der nachts leuchtet, mag noch am realistischsten sein, wobei es einen aus sich selbst leuchtenden Stein so ja auch eher nicht gibt. Ein tolles Bild dann der Bienenschwarm, der den Sand befeuchtet, naturgegeben höchst unwahrscheinlich, aber bildlich sehr sprechend für größte Anstrengungen, die schlussendlich wohl doch scheitern werden. Das lyrische ich lässt nichts unversucht, kein Wüstensandkorn unbenetzt, um vielleicht zu beweisen, dass man Unmögliches doch schaffen kann.
 
Ein Boot aus Sand, das übers Meer dich trägt.


Ein Blütenwirbel, der heiße Rhythmen schlägt,


dort steht Spalier ein großes Schwalbenheer,


doch die Blätter vor mir bleiben weiß und leer.
Metrum und Reim:
xXxXxXxXxC
xXxXxxXxXxC
xXxXxXxXxD
xxXxXxXxXxD
 
Hier haben wir metrische Ungenauigkeiten in V2 und V4. 
In V2 könnte man wieder inhaltlich argumentieren, wo ja der Rhythmus aufgegriffen wird, konsequenterweise dann wie in Strophe 1 eine Abweichung, ein Widerspruch zwischen dem Geschriebenen und dem Formal hier angebotenen. 
Ich würde an der Stelle traurigen Herzens den Bruch wohl in Kauf nehmen, für V4 fehlt mir dazu aber die Grundlage, die weißen, leeren Blätter wären da eher ein Argument für eine reduziertere Versfußzahl.
Falls es doch nicht Absicht war, hier ein Vorschlag:
Ein Boot aus Sand, das übers Meer dich trägt.
Ein Blütensturm, der heiße Rhythmen schlägt,     | oder: Blättersturm/Blättertanz/Blütentanz
dort steht Spalier ein großes Schwalbenheer,
doch meine Blätter bleiben weiß und leer.           | oder: doch das Papier vor mir bleibt weiß und leer.
 
auch der "Blättersturm/Blättertanz" wäre spannend, wenn du in V4 bei den Blättern bleibst, da sich so eine schöne Überkreuzung der Bedeutungen ergibt.
Fände in V4 aber rein klanglich auch das "Papier vor mir" schön mit dem Binnenreim.
 
Inhalt und Stil:
Weitere Unmöglichkeiten, besonders das Boot aus Sand ist hier überdeutlich.  
Hier wird nun auch erstmals so richtig deutlich, dass das lyrische Du sich offenbar in einer gefährlichen/schwierigen Lage befindet. Denn ein Sandschiff wird wohl kaum ein verlässliches Transportmittel sein, es wird mit dem lyrischen Du untergehen. Das lyrische Du schein hilflos, ziellos, gestrandet.
Diese Bedrohlichkeit für das lyrische Du wird noch verstärkt durch das Heer an Schwalben, das den Weg des lyrischen Dus säumt. 
In ihrer klassischen Bedeutung als Glücks-, Hoffnungs- und Frühlingsbringer kommen sie nun doch eher gefährlich daher.
Der letzte Vers knüpft an die Erfahrungen der ersten Strophe an, weiterhin, trotz all der Eindrücke, trotz all der fantastischen Unmöglichkeiten fehlen dem lyrischen Ich die Worte - es ist handlunsunfähig.
 
Gelesen als Liebesbrief ist es die Überwältigung, die das lyrische Ich durch das lyrische Du erfährt.
Im düstereren Kontext ist es dann wohl eher die Fassungslosigkeit über die eigene Unfähigkeit, Unmögliches zu vollbringen.
Rein bildlich ist diese Strophe allerdings etwas wirr, die Bilder fügen sich nicht ganz konsistent ineinander. 
V1 - Bootsfahrt auf dem Wasser.
V2 - Blüten, da bin ich eher auf einer Wiese, aber okay - die können auch über das Wasser schweben.
V3 - Schwalben stehen offenbar im Wasser, auf der Strecke des Boots Spalier.
V4 - ist eh herausgelöst als individuelle Beschreibung des lyrischen Ichs, da passt es.
 
Ich finde das tatsächlich auch nur in dieser Strophe erwähnenswert problematisch, weil hier eben schon ein Prozess, ein Voranschreiten dargestellt wird mit der Bootsfahrt und dem Spalierstehen, das ja ebenfalls eine Bewegung daran vorbei suggeriert. 
In Strophe 1 waren die verschiedenen Bilder klar voneinander differenziert als eigenständige Erscheinung des Unmöglichen.
 
Schau, die bunten Berge tanzen in der Nacht


und kleine Wichtel halten fröhlich Wacht,


am Waldesrand, die Rehe flechten Federkränze


für dich. Und ich – ich stehe an der Grenze
Metrum und Reim:
XxXxXxXxXxE
xXxXxXxXxE
xXxXxXxXxXxFf
xXxXxXxXxFf
 
Das ist metrisch wohl das wildeste. 
6-hebiger Trochäus ohne weibliche Kadenz.
5-hebiger Jambus.
6-hebigen Jambus mit weiblicher Kadenz.
5-hebiger Jambus mit weiblicher Kadenz. 
Da ist jeder Vers anders und abgesehen von der inhaltlich angedeuteten Grenzerfahrung ist da diesmal, anders als in den anderen Strophen keine direkte wörtliche Rechtfertigung offensichtlich^^ 
So wild mag ich es aber auch nicht, also selbst wenn man das inhaltlich begründen könnte, wäre es nicht mein Geschmack^^
Es ist hier wieder mit wenigen Kniffen getan, aber ich gehe wieder davon aus, dass du das schon bewusst so gesetzt hast?
Vorschlag:
Die bunten Berge tanzen in der Nacht
und kleine Wichtel halten fröhlich Wacht,
am Waldrand flechten Rehe Federkränze
für dich. Und ich – ich stehe an der Grenze
 
Inhalt und Stil:
Es versteht sich von selbst: Die Unmöglichkeiten nehmen ihren Lauf: 
Nachts sind alle Berge grau, das weiß ja jeder 😉 
Wichtel als hilfsbereite Wunscherfüller sind ein weiteres Ding der Fantasie des lyrischen Ichs. 
Die geflochtenen Federkränze vermitteln das Gefühl von Freiheit bzw. Erlösung.
Als könnten sie dem lyrischen Du aufgesetzt werden es wäre frei.
Die Grenze, vor der sich das lyrische Ich befindet, wird gleich nochmal spannend.
 
und winke einem Stern, der sich dort dreht,


der gleich mir zu Gott im Himmel fleht:


„Herr, gib ihm Ruh und gib ihm Frieden,


lass ihn neue Lebenspläne schmieden.


Dafür braucht es kein Gedicht.


Herr, er braucht dein Licht.“
Metrum und Reim:
xXxXxXxXxG
xxXxXxXxG
XXxXxXxHh
XxXxXxXxHh
xXxXxXI
XxXxI
 
Mit 6 Versen hier nun die große Ausnahme. 
Metrisch ungenau in V2, V3 und V6. 
Die letzten beiden Verse könnten da wieder andeuten, dass dieser Text, ein Gedicht eben keine Relevanz hat, es wird dem lyrischen Du nicht helfen, warum dann in seine Form investieren - aber auch das würde mich natürlich unglücklich machen, da ich die 6 Verse eher dahingehend deute, dass einfach noch zu viel Inhalt übrig war, als dass du mit 4 Versen hättest schließen können. 
Das reicht mir nicht als Rechtfertigung 😄

Ich würde auf die Schnelle nun auch keine vierzeilige Alternative finden, daher zumindest ein wenig Arbeit am Metrum und etwas bildliche Bearbeitung in meinem ganz eigenen egoistischen Sinne 😄 Mehr dazu aber darunter dann.
Vorschlag:
und irre wie der Stern, der sich hier dreht,
der so wie ich zu größ'ren Mächten fleht:
„Gib Ruhe ihm und gib ihm Frieden,
lass ihn nun neue Pläne schmieden.
Er braucht dafür nicht mein Gedicht.
Er braucht dafür dein Licht.“
Zu den bildlichen Änderung wie gesagt gleich mehr. 
Metrisch finde ich das Antiklimaktische eigentlich gut, das käme so nun nochmal deutlicher rüber als bei deinem Original.
 
Inhalt und Stil:
Wie gesagt, das Religiöse ist dabei nicht meine Welt, aber ich verstehe natürlich voll, wenn man das nicht einfach so rauskorrigieren will. 
Etwas neutraler wäre es so nun mit den allgemein gehaltenen größeren Mächten und ohne die Herr-Ansprache.
Das Winken in V1 hat mich sehr irritiert, es kam so beschwingt und fröhlich daher, das sehe ich an dieser Stelle nicht mehr. Daher wäre "irren" eigentlich ganz passend, gerade auch mit dem sich drehenden Stern in Verbindung.
Der Stern der sich "hier" dreht, wäre in meiner Lesart konsequenter als "dort", dazu gleich.
Ich finde "neue Pläne" reicht - Lebenspläne kam mir schon beim ersten Lesen irgendwie wie ein metrischer Füller vor und ich finde es wie gesagt auch mit Blick auf das metrische Abflachen ganz cool, wenn wir uns hier ein paar Hebungen einsparen.
 
Zusammenfassend:
Ich denke, das lyrische ich befindet sich an der Grenze zum Leben? 
Es selbst ist wohl schon über diese Grenze getreten, kann nicht mehr bestärkend in das Leben des verzweifelten lyrischen Dus einwirken. 
So sehr es auch versucht, dieses Unmögliche zu leisten, im Angesicht all der unmöglichen Dinge, die das lyrische Ich auf der anderen Seite bezeugen darf, es wird dem lyrischen Du nicht helfen können. 
Daher, wie der Stern - mit dem das lyrische Ich sich eben auf derselben Ebene befindet, nur eine Ebene unter den heraufbeschworenen höheren Mächten, die doch bitte einwirken mögen und das lyrische Ich erleuchten sollen.

Mir gefällt dieser andere Ansatz mit dem lyrischen Ich als bereits gegangene Seele, die betrauert, wie wenig sie doch für ihr zurückgebliebenes lyrisches Du tun kann. 
Ein Gedicht aus der Sicht des lyrischen Dus, das über eine verstorbene Person weint, hat es ja schon oft genug gegeben.
Von daher, ein schöner Twist, der auch nicht sofort ersichtlich ist. 
Nur das Religiöse wie gesagt bräuchte ich in der Vorschlaghammerartigkeit nicht^^
Dennoch aber gern gelesen.
Ich hoffe, ich habe deinen Text damit nun nicht völlig zerredet oder deine religiösen Ansichten mit meinen Ideen besudelt^^
Der Eindruck bleibt auf jeden Fall bestehen: 
Es ist ein Liebesbrief an ein lyrisches Du, das zurückbleiben muss.
Und es ist eine Kriegserklärung an das Unmögliche, das lyrische Du zu unterstützen, bei allen anderen unmöglichen Dingen, denen das lyrische Ich auf seiner Ebene gegenübersteht.
 
 
LG Christian
 
Lieber @Dali Lama, ich war sehr lange nicht mehr im Forum und habe eben erst deinen ausgefeilten Kommentar entdeckt. Erst Mal - herzlichen Dank dafür. Ich werde mich noch eingehend damit befassen und melde mich dann wieder.
 
Das Gedicht hatte tatsächlich einen realen Anlass, so irreal die Bilder sind. Mein Expartner hat sich aus dem Fenster gestürzt und ich wollte ihm ein paar Worte mit auf die Reise geben. Deshalb habe ich auch nicht weiter auf eine korrekte Rhythmik geachtet.
Ich glaube an Gott und dass es auch nach dem Tod weitergehen könnte, deshalb möchte ich dieses nicht streichen, außerdem ist es tröstlich.
 
Liebe Grüße
Liara
 
 
 
  • Liara
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