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Feedback jeder Art Guten Morgen, Welt

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  • Nesselröschen
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Die Nacht verrinnt, die Dunkelheit entschwindet,
verkriecht sich hinter meinem Wimpernschlag,
ich warte bis der Schlaf mich ganz entbindet,
und sinke mit der Erde in den Tag.
 
Gedanken kullern aus den stummen Ecken,
das Moll sitzt stumpf mit mir am Frühstückstisch,
wo Kaffeetassen mit den Zähnen blecken,
vom Spiegel glotzt ein ziemlich toter Fisch.
 
Jetzt zwängt die Uhrzeit mich in enge Kleider,
ein Riesenlöffel drückt mich in die Schuhe rein,
das Handy hupt und spielt den Spaßvermeider,
derweil die Häuser Knautschgesichter spein.
 
Die Bahn verschlingt die unbekannten Leute
und spuckt sie andernorts vor einen Glaspalast,
der Arbeitsplatz versetzt mich hart ins Heute,
die Welt begrüßt den ungeliebten Gast.
 
Diesen Text, lieber Lé, muss ich erstmal sacken lassen. Aber eines vorweg, richtig gut in Szene gesetzt
und jedes Wort hat glaubhaft ins Gefühl getroffen.
 
Liebe Grüße
Liara
 
Hallo Liara,
 
das freut mich, wenn das Gedicht jetzt stimmig geworden ist. Es ist eines der vielen, die ich mit Abstand noch einmal neugeschrieben habe.
 
Im Original letztes Jahr waren es Blankverse, Miaukuh und Sid hatten schöne Textarbeit im Detail geleistet. Jetzt, gereimt, hat das Gedicht noch einmal viel gewonnen. Sid und Miaukuh hätten sicher ihre Freude daran.
 
Gruß Lé.
 
 
 
Hallo lieber le,
Mich erinnert es bedingt an dein Bhfsgedicht auch wenn eher die Letzte Strophe Thematisch dazu passt.
Aber ich fange einfach mal von Vorne an.
Dein Gedicht erzählt sehr melancholisch den tristen morgendlichen Alltag des Lyr. Ichs.
Angefangen vom ungewollten Aufstehen.
Bis der Schlaf entbindet.
Ähnlich wie bei einer unaufhaltsamen Geburt, wird das Lyr. Ich aus dem Schlaf gerissen und in den Alltag befördert. Obwohl er gerne noch weiter geschlafen.
Es steht resignierrt auf und versinkt mit der Erde in den Tag.
Er verschmilzt quasi mit allem andren und wird in den Alltagsog eingesaugt.
 
Gdanken kullern aus aus den Ecken
Das Moll sitzt stumpf am Frühstückstisch.
Moll steht in der Musik für eher traurige melancholische Stücke.
Das Lyr. ich, ist betrübt, es hat wahrscheinlich viel zu erledigen. Pflichten zu erfüllen. 
Eine zweite Mögliche Deutung dieser Stophe ergibt das Moll in Verbindung mit dem Plural der Kaffeetassen.
Dann könnte das Moll z.B. die frustrierte Frau, des Lyr. Ichs stehen, die ihr Zähne bleckt. Es gibt keine bedeutenden Konversationen mehr und die Beziehung ist nur noch routine.
Der ziemlich tote Fisch ist ein Sinnbild.
Tod ist Tot. Da gibt es kein bißchen oder ziemlich.
Das Lyr. Ich ist innerlich abgestumpft und nur noch eine Hülle.
Eine Marionette des Alltags.
Es empfindet nichts mehr sondern akzeptiert das es im Kreislauf des Alltagstrott gefangen ist.
 
Jetzt zwängt die Uhrzeit mich in enge Kleider,
ein Riesenlöffel drückt mich in die Schuhe rein,
das Handy hupt und spielt den Spaßvermeider,
derweil die Häuser Knautschgesichter spein.
 
Es ist ihm alles zuwider.
Komplett von außen bestimmt zu sein.
Er selbst ist absolut passiv während du den Gegenständlichen Dingen durch Personifizierung leben einhauchst. Ein Geschickter kniff finde ich.
Du stellst auf eine sehr bildliche Weise den Alltag von vielen IndivIdeen da, der trotz aller Individualität gleich ist. Irgendwie muss ich die ganze Zeit an die Farbe Grau denken auch wenn du sie nicht beschreibst.
 
Am deutlichsten und krassesten empfinde ich die letzte Strophe. 
Du entfernst dich immer mehr von dir selbst, in der ersten Strophe zum traurigen Zweisamen, hin zu einer unter vielen bis hin zum ungeliebten Gast. Ein Mensch der auf der Welt überflüssig ist, der Ersetzbar wäre, bei dem es kaum auffallen würde wenndas lyr. Ich aufhört zu sein.
 
Die Vorstellung ist ganz schon Hart und in Verbindung mit dem Guten Morgen, Welt ironisch zu verstehen.
 
Mich juckt es ein bisschen in den Finger  zu schreiben,
Guten Morgen Sonnenschein,
Das Licht entführt dich in den Tag hinein,
Wo das Frühstücksei lächelnd vom Teller winkt und sagt:
Mal sehen wohin der Tag uns bringt.
 
LG Und gerne gelesen 
Enya
 
 
 
Liebe Enya,
 
du hast wunderbar analysiert, worum, es geht: die Passivität des LI, das Ausgeliefertsein, die Lähmung.
Da braucht es nicht viel mehr als ein "Moll", um Trauer und Schwermut zu empfinden.
 
Als ich die erste Fassung schrieb, war das ein Spiel mit der Umkehr dessen, was man gewöhnlich als Realität empfindet: eine Welt, in der wir handeln. Die Umkehr wirkt surreal, aber nicht nur das, haben wir jetzt entdeckt: es wirkt auch depressiv.
 
Danke für den schönen Kommentar.
 
Gruß Lé.
Fietje Butenlänner schrieb:
Der gestresste homo ökonomicus in einer stählernden Welt des Funktionierens, wunderbar geschrieben. Es gab Momente in meinem Leben, wo diese Extreme voll zutrafen. Diese kalte Welt kann frau:man fürchten, es verwundert nicht, wenn aus dieser die Flucht ergriffen wird. Grauer Alltag sucht Regenbogen? Nein, diese kalte Welt schluckt nur.


Nicht wenige zerbrechen an dieser und ihre Flucht daraus ist nur eine Betäubung.


Großes Lob von mir! Lg fietje


 
Hallo Fietje,
 
das freut mich echt, dass das jetzt in der  zweiten Version so schön rüberkommt. So hat sich das damalige Spiel richtig gelohnt.
 
Gruß Lé.
 
Hallo @Létranger - Im Eigentlichen ein ganz normaler Morgen mit anziehen, Kaffeegenuss, Straßenbahn und Arbeitsroutine. Was man mit Worten daraus machen kann, erkennt man an deinen unglaublich dem Leser mit Wucht vor Augen geführten Worten, die den banalsten Dingen eine fast unheimliche Kompensierung und Aussagekraft verleihen. Eine wirklich beeindruckende Darlegung der Situation.
Jetzt zwängt die Uhrzeit mich in enge Kleider,
ein Riesenlöffel drückt mich in die Schuhe rein,
das Handy hupt und spielt den Spaßvermeider,
derweil die Häuser Knautschgesichter spein.
Diese Wortwahl überrascht, rückt ausdrucksstark das Geschehen in den Vordergrund, wobei der negative Beigeschmack sich Vers für Vers fortsetzt und dem Ganzen eine Dramatik verleiht.
Ich gebe zu, dass du faszinierend mit der Sprache umgehst, ihr doch meist die dunkle Seite einhauchst. Wäre gespannt, ob ich einmal etwas total abgefahren Positives von dir hier lesen werde.
LG Sonja
 
Positives von dir hier lesen werde.


LG Sonja
Oja das fänd ich auch sehr interessant *duck* 
Liebe Sonja die Diskussion verfolgen wir ab und an auch wenn wir zusammen schreiben. Und ich glaube wirklich das er etwas wirklich wunderbar verrücktes zaubern würde. Aber irgendwann wenn die morgendich Routine unterbrochen wird, das Lyr. ICH aus dem Trott kommt hoffe ich vielleicht auf eine positive fortsetzung.
LG Enya
 
 
Hallo @Létranger - Im Eigentlichen ein ganz normaler Morgen mit anziehen, Kaffeegenuss, Straßenbahn und Arbeitsroutine. Was man mit Worten daraus machen kann, erkennt man an deinen unglaublich dem Leser mit Wucht vor Augen geführten Worten, die den banalsten Dingen eine fast unheimliche Kompensierung und Aussagekraft verleihen. Eine wirklich beeindruckende Darlegung der Situation.


Diese Wortwahl überrascht, rückt ausdrucksstark das Geschehen in den Vordergrund, wobei der negative Beigeschmack sich Vers für Vers fortsetzt und dem Ganzen eine Dramatik verleiht.


Ich gebe zu, dass du faszinierend mit der Sprache umgehst, ihr doch meist die dunkle Seite einhauchst. Wäre gespannt, ob ich einmal etwas total abgefahren Positives von dir hier lesen werde.


LG Sonja
 
Hallo Sonja,
 
generell wirkt das uneingeschränkt Positive auf mich nicht "abgefahren". Ich habe ja schon einige positive Gedichte hier eingestellt. Denke mal an die Titel: Du, Paris, die leichteren Worte, ein spätes Geständnis. Die sind aber eben nicht so abgefahren oder verrückt, wie die schattigen, dunklen Themen.
Ich bin kein schwermütiger Mensch, aber ich schätze die dunkle Seite des Lebens als wertvollen Schatz, den jeder mit sich trägt. Es erscheint mir auch viel wichtiger, den zu polieren, und genau anzusehen. 
In mir, genau wie in vielen anderen Menschen,  ruft das die positiven Kräfte von selbst wach. Beschreiben muss ich die dann nicht auch noch ;-). Das tun ja schon sehr viele andere Autoren, hier wie andernorts.
 
Menschen und Gedichte, die nur Glück und Schönheit erlebt haben, oder sehen wolllen, faszinieren mich viel weniger.
 
Ich schreibe davon am Ostermontag ;-).
 
LG Lé.
 
 
 
 
Hallo Létranger,
 
ein mitreißend und sehr nachvollziehbarer Text über den sich zur Arbeit quälenden Menschen.
Er muss funktionieren Tag für Tag, Woche für Woche usw., bis es vielleicht zum „dicken“ Ende kommt und er aus den verschiedensten Gründen nicht mehr „Guten Morgen, Welt“ sagt.
 
 
LG Sternwanderer
 
 
Hi Sternwanderer,
 
hast du schon versucht, über die Arbeitswelt zu schreiben? Ich finde es sehr schwierig, wenn es konkreter wird. Dabei macht man doch so viele Erfahrungen dort.
 
Mit soviel inhaltlicher Distanz wie hier fällt es leichter.
 
Danke fürs Kommentieren,
Lé.
 
 
Lieber Lé,
 
du beschreibst den Ablauf eines in jeder Hinsicht grauen Morgens während der Woche und verwendest beeindruckende Metaphern - hier meine Lieblinge:
 
verkriecht sich hinter meinem Wimpernschlag,
 
und sinke mit der Erde in den Tag.
 
Gedanken kullern aus den stummen Ecken,
 
derweil die Häuser Knautschgesichter spein.
 
Hinter den Augen herrscht eigentlich noch Nacht - sie verkriecht sich hinter den Wimpern;
es ist ein "schwerer" Tagbeginn! Die Gedanken können noch nicht gezügelt werden, sie "kullern" am Frühstückstisch aus dem noch schlafenden Kopf, und anderen Frühaufstehern geht es ähnlich. Es ist alles sehr plastisch beschrieben, und man kann es sich gut vorstellen (man sieht auch die zerknitterten, mürrischen Gesichter der anderen Menschen) - vielleicht, weil man das alles selber erlebt hat.
 
Das Ende lässt mich ein wenig ratlos zurück, und ich frage mich, warum der "Gast" ungeliebt ist - allerdings nicht so sehr, als stünde dort "unbeliebt". Vielleicht so: Die Welt liebt den Gast nicht, sonst würde sie ihm das nicht antun!?
 
Hinter den Glaspalast muss noch irgendein Satzzeichen, meine ich.
 
Sehr gerne gelesen, es gefällt mir!
 
Lieben Gruß
Nesselrose
 
 
 
 
 
Liebe Nesselrose,
 
das freut mich doch sehr, dass du, und doch so viele, den düsteren  Bildern etwas abgewinnen können.
 
Bei den Highlights hast du auch meine eigenen Lieblinge ausgesucht. Ich mochte auch den ziemlich toten Fisch ;-).
 
Die letzte Zeile verstehe ich als eine Verkehrung der Wahrheit; eigentlich ist es der Gast, der die Welt nicht mag. ;-).
 
LG Lé.
 
Na eben - so passt es besser (das Ende)! Der "ziemlich tote Fisch" ist eine passende, witzige Formulierung, aber ich mochte ihn mir nicht gerne vorstellen! 
 
N.R.
 
 
 
 
 
  • Nesselröschen
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