Sei gegrüßt Amadea,
ich schicke meinen Zensor samt Moral-Sensor zum spielen in den Hof wenn ich schreibe. Soll fließen was fließen will aufs Papier oder durch die Finger über die Tastatur in die leere Datei. Überprüft wird erst später, ob es mit meinem Weltbild zusammenpasst, ob ich mit dem was da steht, in Einklang leben kann. Manchmal... saufen wir auch zusammen anstatt Korrekturen vorzunehmen, tja, kommt vor. Wer sagt aber zu einer guten Flasche Wein, die da zufällig unschuldig rumstand schon nein?
Aber es ist schon krass wie die eingefleischten Denkmuster uns meist von vornherein einen Riegel vorschieben, noch bevor wir aus unseren tiefsten Quellen schöpfen können. Die von der Gesellschaft eingetrichterten Normierungen. Oder die erhobenen Zeigefinger der Mustermänner. Aus wie vielen Teilen ICH besteht die eigene Zensur im Kopf?
"Aber Wasser fließt nicht den Berg rauf! Das schreibt man nicht! Das ist nicht logisch!", sagt der Zensor.
"In meinem Gedicht schon!", sage ich.
der als Herrscher in mir thront'?
Er war für mich nicht mehr offen
hat gemeckert wie gewohnt.
Eine interessante Art, die Kräfte die in einem toben oder wie in diesem Fall zensieren, Ausdruck zu verleihen, indem sie zu Personen gemacht werden. Wie beim Verstand der einem mit Katastrophenszenarien Angst machen will. Fordere ihn doch wie einen Rivalen heraus und übertriff die schlimmste Angstvorstellung die er anbietet noch mal.
Hab den Zensor ich getroffen?
fühlt sich da ein kaltes Herz,
und mein ÜberIch betroffen,
ja, sie zeigten Schuld und Schmerz.
Wenn das Gewissen verbissen mit seinen Du-darfst-das-nicht-festhält, dann wandeln sich die Energien spürbar im Körper und man fühlt sich angespannt. Da ist plötzlich etwas da, dass einen nicht frei fließen lässt. Das träge und schwer macht im Geist und dann im Körper, wenn man es doch getan hat.
So ähnlich funktionieren Lügendetektoren. Du sollst nicht lügen, hat die Mutter immer gesagt, und wenn man es doch tut, schießt der Zeigefinger im Kopf hoch und der Detektor schlägt aus.
Funktioniert das auch wenn man als Kind gesagt bekommt: Du darfst Lügen? Oder gar, du sollst Lügen?
Hab den Zensor grad getroffen,
er ist hin, denn ich sah rot.
Mit der Kugel kann Kunst hoffen,
denn wir beide sind nun tot.
Kunst lebt, denke ich mal, von den wenigen, die die Grenzen immer ein bisschen weiter verschieben. Die ihren Zensor, gerade in einem unbeobachteten Moment, entwichen sind. Die Gesellschaft ein wenig in ihren Vorstellungen wie die Dinge sein "sollten" (doofes Wort!) und sein "müssen" (bääh) in die Seiten Piksen.
Soll der Zensor, so wie eigentlich der ganze Geist, der ganze Verstand und all seine Kräfte, nicht Meister, sondern Diener sein.
Ein paar Gedanken von mir dazu. Danke für die Anregung mit diesem gelungenen Werk.
LG JC