Hallo, Kurt Knecht,
es gibt auch vieles in der Vergangenheit, von dem ich wünschte, dass es das heute noch gäbe. Aber es gibt auch vieles, bei dem wir froh sein könnten, wenn es uns endlich gelänge, es loszuwerden.
Ich sehe das Problem vielmehr in unseren Entscheidungen, was wir 'mitgenommen' haben und was nicht. Homo sapiens sapiens. Doppelt - weise? Nun, wenn Taten sprechen und nicht Worte, dann fürchte ich, dass ich der Menschheit leider nur ein Armutszeugnis ausstellen kann ...
Homo imaginarius fände ich treffender. Die Menschheit, die in ihrer Phantasievorstellung von sich glaubt, homo deus zu sein - und doppelt weise! Ich erinnere mich an meine frühe Jugend. An den kalten Krieg und an die Angst, die mich damals manchmal nicht schlafen ließ. Oft hatte ich Schwierigkeiten, zu verstehen, warum die allermeisten Menschen um mich herum einfach so lebten, als ob dieses Damoklesschwert über unseren Köpfen nicht existieren würde. Nun, wir entschieden uns dafür, Atomraketen ins Heute mitzunehmen. Wir entschieden uns dafür, Bescheidenheit und Genügsamkeit zurückzulassen. Wir nahmen die Habgier mit und entschieden uns dafür, die Großzügigkeit und das Teilen zurückzulassen. So vieles nahmen wir ins Heute mit, das wir hätten - und mit Freude darüber, es loswerden zu können - zurücklassen sollen. Einiges davon hätten wir sogar unbedingt zurücklassen müssen.
Und viel zu viel ließen wir zurück, das wir unbedingt hätten mitnehmen müssen, um es auch für die Zukunft aufzubewahren.
Unwissenheit ist kein Synonym für Dummheit. Dummheit ist, wider besseren Wissens zu handeln. Wir wissen heute, dass es falsch ist, die Ressourcen unserer Heimatwelt auszubeuten, die Umwelt zu verschmutzen, die Regenwälder niederzubrennen und abzuholzen, den Planeten zu vergiften und zuzumüllen - aber wir tun es trotzdem. Obwohl wir wissen, dass es falsch ist. Und wenn das nicht dumm ist, dann wüsste ich nicht, was sonst: Immer wieder und wieder das Falsche, Negative mitzunehmen und das Richtige, Positive liegenzulassen.
Das ist der Grund für den technischen Fortschritt und für die zeitgleich stagnierende Entwicklung von - uns. Wir treten seit Jahrtausenden auf der Stelle, bewegen uns keinen Schritt vorwärts. Daher ist uns die Technologie in der Entwicklung um Jahrtausende voraus - deshalb können wir auch nicht vernünftig mit ihr umgehen. Das Resultat? Nun, homo imaginarius ist festen Glaubens, alle Probleme im Stillstand und in Stagnation lösen zu können. Probleme, die wir uns selbst geschaffen haben. Und eifrig weiter schaffen.
Homo sapiens sapiens, die Naturkatastrophe. Ich frage mich, ob wir damit den 'anderen' Naturkatastrophen, wie z. B. Asteroideneinschlägen aus dem All oder der Explosion von Supervulkanen zeigen wollen, wo der Hammer hängt? Wollen wir zeigen, dass wir sapiens sapiens genug sind, um es zu schaffen, diese noch zu übertreffen?
Es gab in allen Zeiten Gutes und Schlechtes. Jede Zeit hatte ihre eigene 'Finsternis'. Jede Generation wiederholt die Fehler der Vergangenheit, höchstens leicht variiert, wieder und wieder von neuem. Das einzige, was wir gut können, das ist - das Rad immer wieder neu zu erfinden. Weil wir immer wieder auch so vieles vergessen. Das dann irgendwann etwas ganz Neues ist. Nun ja, das ist im doppelten Sinne auch nichts Neues ...
Das Heute ist nicht schlechter als das Gestern. Aber es ist genauso schlecht. Nur anders schlecht. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Ich zitiere mal aus der Antike:
Die Jugend liebt heutzutage den Luxus. Sie hat schlechte Manieren, verachtet die Autorität, hat keinen Respekt vor den älteren Leuten und schwatzt, wo sie arbeiten sollte. Die jungen Leute stehen nicht mehr auf, wenn Ältere das Zimmer betreten. Sie widersprechen ihren Eltern, schwadronieren in der Gesellschaft, verschlingen bei Tisch die Süßspeisen, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer.
Sokrates, *469 v. Chr., † 399 v. Chr.
Hat sich nichts geändert, stimmts? Ja, es ist immer das alte Lied. Ich wünschte, wir würden endlich mal wirklich von unserem selbstgebauten Thron herabsteigen, die Krone abnehmen, mit der wir uns selbst krönten und ein neues Lied schreiben. Das wünschte ich wirklich. Ein ganz neues, schönes, harmonisches Lied, eines, das noch nie zuvor erklang ...
Glaube ich daran? Ganz ehrlich - nein, nicht wirklich. Aber das Träumen gibt mir Kraft, hält mich aufrecht. Deshalb bewahre ich mir diese Fähigkeit. Für ein wenig Schönheit, um mit der Hässlichkeit fertig werden zu können. Um nicht an ihr zu verzweifeln.
LG,
Anonyma