Dionysos von Enno
Autor
Sie war sehr klein geworden in den Dornen
Wie so ein Pflänzchen
das der Schatten überwuchert hat
Und in den Schatten
ganz allein und eingesponnen
mit den Schicksalfäden aller Nornen
war ihre Blüte und ihr allerletztes Blatt
schon eingefallen
und ganz matt
Und was uns ganz frei Wachsende
beglückt: - der Morgen-
hat sie ganz müde bloß gemacht
Wer hat es ihr schon angemerkt
sie hat doch immer so gelacht
da war sie schon gefährlich schwach
verzwergt
und ihre Sorgen
hatten sie fast gänzlich
aufgezehrt
Man konnte es nicht wissen
wird man später von ihr sagen
und doch alle ihre Gaben
und ihr neugieriges
Fragen so schmerzlich und so sehr vermissen
und jene Zukunft die sie einmal
hätte zärtlich küssen sollen
die habe etwas Dunkles von ihr abgerissen
das in den Schatten geht
wie ein uraltes Grollen
das ihre Ätherhaftigkeit
gleichsam beflügelt
und beneidet
hat
Doch noch ist sie bei uns und lacht
und weint in unserer Mitte
und hält die kleine letzte Blüte
wie ein Ertrinkender an ihren Mund
und sucht so fieberhaft ein Floß
dass ihre kleinen schwachen Schritte
bloß etwas fester auf dem Meer
aller Selbstzweifel
macht
Ich hab dir etwas mitgebracht
Du wunderbare Kleine
hier sind sie:
Alle meine schönsten Worte
ausgemacht
und in den Schlaf gesungen
Einst hat ein jedes auch für mich
geklungen
als ich alleine wach gelegen hab -
mit nichts als Beten in den Lungen
und mit dem Morgen
als mein
Grab