Liebe Letreo,
dein Text ließ mich mit einem Wow! zurück, weil er ein vermutlich gar nicht so seltenes Problem ehrlich, sensibel und mit starken Worten veranschaulicht. Der Schlusssatz ging mir nahe, weil er so einfach gehalten ist und ganz ehrlich die Wünsche des LI zum Ausdruck bringt in dem Bewusstsein, dass es eben doch nicht anders sein kann. :sad:
Andererseits fällt es mir auch schwer, einem Menschen böse zu sein, der über Jahre oder Jahrzehnte seine Homosexualität vor seinem Partner verheimlicht hat. Klar, das hätte er nicht tun sollen und es muss verdammt schmerzhaft sein für den Partner, der sich so belogen und hintergangen fühlt. Aber es ist z.T. selbst heute nicht so leicht für Homosexuelle (erst recht vor 20, 30 Jahren), in unserer Gesellschaft zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen. In der so empfundenen Notwendigkeit, diese zu verbergen, mag man versucht sein, sich eine Fassade aufzubauen, damit niemand auf die Idee kommt, Fragen zu stellen - die beste Fassade ist dann natürlich eine heterosexuelle Beziehung oder gar Ehe.
Für denjenigen, der sich diese Scheinexistenz aufbaut, muss es auch schwer sein, ständig sich selbst und sein nächstes Umfeld zu belügen und über die Jahre stellt sich ja vielleicht doch so etwas wie Liebe (vielleicht eine andere Form von Liebe, als man sie eigentlich in einer Paar-Beziehung erwartet) oder zumindest freundschaftliche Verbundenheit und Hinneigung ein. Nichts desto trotz stelle ich mir ein Outing für den Partner dann als noch schmerzhafter vor (und du hast das im Gedicht gut vermittelt), da er ja nie damit gerechnet hat und seine ganze Liebe in diesen Menschen investiert hat, um dann zu erfahren, dass da nie dasselbe zurückkam, dass der Mensch, den man von ganzem Herzen liebt, nie dasselbe empfunden hat. Das muss unglaublich hart sein.
Und mindestens so schwer, wie es mir fällt, einem Homosexuellen böse zu sein, der dieses Leben gewählt hat, könnte es wohl auch dem betroffenen Partner fallen, weil man doch nicht gerne von der Liebe ablassen will, gerade wenn man ja das Gute in seinem Partner sehen will und einem dann nach anfänglichem Schock irgendwie klar wird, dass er es auch nicht in böser Absicht getan hat. Dann versucht man vielleicht sich damit abzufinden und einzurichten und vielleicht funktioniert das auch erstaunlich gut, aber letztendlich bleibt da natürlich trotzdem ein großer Schmerz in einem verborgen. Ist einfach auf ganzer Linie eine tragische Situation, die darauf hinweist, dass in unserer Gesellschaft nicht alles so fortschrittlich ist, wie es aussieht.
Ich finde es aber klasse, dass sich dein Text mit diesem oft tabuisierten Thema so schonungslos ehrlich beschäftigt. Danke für dieses lesenswerte Gedicht! :smile:
LG