Carolus
Autor
Klage einer Kirschblüte I
Mein Fluch gilt dir, du falscher Frühling!
Faltig und zerknittert, trostlos erdwärts
hängend, wart` ich auf das Ende.
Elender, hast mich betrogen,
mir die sonnigste Zukunft vorgelogen!
Voller Freude tanzte ich im Geiste schon
im reinen, weißen Hochzeitskleid hinein
in meines Lebens allerschönste Zeit,
fühlte in liebenden Armen bereits das große Glück.
Frühling, ein Schwindler, Betrüger bist du!
Schickst mir ohne Erbarmen
den Gevatter Frost auf den Hals,
der mit eiskalter Hand mein Herz umkrallt.
Dann rinnt - ein Hohn von Trost! - der Regen
ohne Unterlass über meine Todeswunde,
als wollte er den Fluss des Blutes unterbinden.
Zu keiner Stunde war ich zum Sterben bereit,
dachte kaum jemals an ein frühes Ende
meines wolkenlosen Lebenstraumes.
Jetzt hängen meine Arme schlaff hernieder.
Spüre, wie Reste von Kraft aus meinen Adern
schwinden. Schon stockt der Atem mir.
Unbeeindruckt moduliert die Amsel
Melodien ihres Durstes nach Liebe.
Nein! Ich kann, ich will nicht sterben,
muss mich doch dreinfinden, muss vielleicht
noch meinen Hass auf dich, Treuloser,
mit Würde überwinden.
Hat ein Mächtigerer dich gezwungen,
mir mein Todesurteil zu überbringen?
Bei schwindenden Sinnen will es mir kaum gelingen,
nicht an meine Schwestern zu denken,
deren Lebensglück jetzt - nur noch
Trugbilder, Wahn und Schnee von gestern.